Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20.07.2022 - 4 K
88/21 = SIS 23 03 33 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Kläger zu tragen.
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I. Streitig ist die Steuerbarkeit des
Gewinns aus der Veräußerung einer vom eigenen
Wohngrundstück abgetrennten unbebauten
Teilfläche.
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Die im Streitjahr zusammen zur
Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag vom
xx.xx.2014 je zur Hälfte das im Ortsteil von A-Stadt gelegene
Grundstück … (Gemarkung … Flur …,
Flurstück 10; Größe 3.863 m2) zum
Kaufpreis von 123.000 EUR. Das Grundstück ist mit einem
Wohnhaus bebaut, das die Kläger seit 2015 bewohnen; die
Außenflächen nutzten sie als Garten.
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In zeitlichem Zusammenhang mit
Verkaufsgesprächen veranlassten die Kläger die Teilung
ihres Grundstücks. Im Mai 2019 entstanden aus dem
Flurstück 10 die Flurstücke 10/1 und 10/2. Das
Flurstück 10/2 ist 1.000 m2 groß und erhielt
die Hausnummer … Es liegt vom Wohnhaus der Kläger
betrachtet als Streifen am Ende des insgesamt rechteckig
geschnittenen Grundstücks. Das Flurstück 10/1 umfasst das
bestehende Wohngebäude und die restlichen Freiflächen.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom xx.xx.2019
veräußerten die Kläger das Flurstück 10/2
für 90.000 EUR.
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In ihrer Einkommensteuererklärung
für 2019 machten die Kläger dazu keine Angaben. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) erfasste mit
Einkommensteuerbescheid vom 12.01.2021 einen Gewinn aus der
Grundstücksveräußerung von 66.400 EUR
(Veräußerungserlös 90.000 EUR ./. anteilige
Anschaffungskosten 23.600 EUR; Bodenrichtwert 23,60
EUR/m2 x Fläche 1.000 m2), den es den
Klägern jeweils zur Hälfte als privates
Veräußerungsgeschäft gemäß § 22 Nr.
2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
zurechnete.
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Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb
ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 30.03.2021). Am 12.07.2022,
während des Klageverfahrens, änderte das FA den
angefochtenen Bescheid nach § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG und
berücksichtigte erstmals einen Verlustrücktrag aus
2020.
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Das Finanzgericht (FG) hat der Klage
teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen (Urteil
vom 20.07.2022, EFG 2023, 494 = SIS 23 03 33). Es berücksichtigte einen
Veräußerungsgewinn von 58.160 EUR.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts. Die Veräußerung des
Flurstücks 10/2 erfülle schon mangels Nämlichkeit
nicht den Tatbestand eines privaten
Veräußerungsgeschäfts. Jedenfalls sei die
Veräußerung wegen der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
nicht steuerbar.
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Die Kläger beantragen,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2019 vom
12.07.2022 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der
sich ohne Ansatz von Einkünften aus privaten
Veräußerungsgeschäften ergibt.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG sonstige Einkünfte
aus einem privaten Veräußerungsgeschäft wegen der
Veräußerung des Flurstücks 10/2 bejaht (dazu unter
1.), die nicht von der Besteuerung ausgenommen sind (dazu unter
2.).
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1. Aus der Veräußerung des
Flurstücks 10/2 sind den Klägern dem Grunde nach sonstige
Einkünfte aus einem privaten
Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2 i.V.m.
§ 23 EStG entstanden.
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a) Sonstige Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften sind unter anderem nach
§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG
Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und
Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts
über Grundstücke unterliegen (zum Beispiel Erbbaurecht,
Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen
Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre
beträgt.
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b) Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck
des § 23 EStG sollen innerhalb der
Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines
bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des
Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus
ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem
und innerhalb der Haltefristen veräußertem
Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit Identität im
wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Wirtschaftliche Teilidentität
ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates
Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil
des betreffenden Wirtschaftsguts. Ob und in welchem Umfang
Nämlichkeit gegeben ist oder ein anderes Wirtschaftsgut
(„aliud“) vorliegt, richtet sich nach
einem wertenden Vergleich von angeschafftem und
veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung
der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliche Kriterien sind
die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit von
angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut
(Senatsurteile vom 08.11.2017 - IX R 25/15, BFHE 260, 202, BStBl II
2018, 518 = SIS 18 02 60, Rz 17 und vom 12.06.2013 - IX R 31/12,
BFHE 241, 557, BStBl II 2013, 1011 = SIS 13 23 18, Rz 13 f.,
m.w.N.).
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c) Wird ein Wirtschaftsgut angeschafft, aber
(nach entsprechender Teilung) nur zum Teil veräußert,
kommt wirtschaftliche Teilidentität in Betracht. Die
Aufteilung des Wirtschaftsguts kann bewirken, dass die Teile eine
andere Marktgängigkeit erhalten. Die wirtschaftliche
Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts bleibt jedoch in
den Teilen erhalten, wenn die Teilung ohne aufwendige technische
Maßnahmen durchgeführt werden kann und sich die
Marktgängigkeit des bisherigen Wirtschaftsguts in den Teilen
fortsetzt. Das ist allgemein für Wirtschaftsgüter
anzunehmen, die durch bloßen Rechtsakt, gegebenenfalls
verbunden mit einer Vermessung, geteilt werden und weiterhin
verkehrsfähig bleiben. Beispiele hierfür sind außer
der Aufteilung eines unbebauten Grundstücks in
Teilflächen auch die Aufteilung eines Wohngrundstücks in
Eigentumswohnungen oder die Teilung eines
GmbH-Geschäftsanteils (BFH-Urteil vom 19.07.1983 - VIII R
161/82, BFHE 139, 251, BStBl II 1984, 26 = SIS 84 01 11).
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d) Nach diesen Maßstäben hat das FG
zutreffend sonstige Einkünfte aus einem privaten
Veräußerungsgeschäft wegen der
Veräußerung des Flurstücks 10/2 angenommen.
Zwischen dem im Jahr 2014 angeschafften Flurstück 10 und dem
im Streitjahr veräußerten Flurstück 10/2 besteht
wirtschaftliche Teilidentität. Bei dem Flurstück 10/2
handelt es sich um eine unbebaute Teilfläche des
ursprünglichen Flurstücks 10 und nicht um ein qualitativ
anderes Wirtschaftsgut. Die aus der Teilung des Flurstücks 10
hervorgegangenen Flurstücke sind zwar unterschiedlich
groß, unterscheiden sich aber ansonsten in ihrer Art,
Funktion und Wertigkeit nicht voneinander.
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Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem
klägerischen Vortrag, dass im Zuge der Teilung
Vermessungsarbeiten sowie Arbeiten an der Umfriedung erforderlich
geworden seien. Diese Arbeiten prägen das neu entstandene
Flurstück nicht. Die Vermessung ist notwendige Voraussetzung
für die Teilung; die Einfriedungsarbeiten waren erforderlich,
um das abgeteilte Flurstück 10/2 verkehrsfähig zu machen.
Entsprechendes gilt für etwaige noch von den Klägern
erbrachte Abriss- und Abholzungsmaßnahmen auf dem abgeteilten
Grundstück. Auch sie führen nicht zur Annahme eines
anderen Wirtschaftsguts.
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2. Der Veräußerungsgewinn ist nicht
wegen eigener Wohnnutzung von der Besteuerung ausgenommen.
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a) Ausgenommen sind nach § 23 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 Satz 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen
Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung
ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der
Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu
eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
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aa) Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt
voraus, dass das Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen selbst
tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird (Senatsurteil
vom 25.05.2011 - IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868 = SIS 11 30 21, Rz 12 sowie Senatsbeschluss vom 28.05.2002 - IX B 208/01,
BFH/NV 2002, 1284 = SIS 02 93 73, unter II.2.a, m.w.N.).
Ertragsteuerlich bilden das Wohngebäude und der
dazugehörende Grund und Boden unterschiedliche
Wirtschaftsgüter. Begrifflich kann nur das Wohngebäude zu
eigenen Wohnzwecken genutzt werden. Gleichwohl erstreckt sich die
Ausnahme auch auf den Grund und Boden, auf dem das Wohngebäude
steht, soweit ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang
zwischen der Nutzung des Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken und
der Nutzung des Grundstücks (zum Beispiel als Garten) besteht
(vgl. Senatsurteil vom 25.05.2011 - IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl
II 2011, 868 = SIS 11 30 21, Rz 13 ff., m.w.N.).
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bb) Dieser Zusammenhang muss
grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung noch
vorliegen. Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
umschriebenen zeitlichen Voraussetzungen (vgl. dazu Musil in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz 131) beziehen sich auf
das unmittelbar zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wirtschaftsgut
(Senatsurteil vom 25.05.2011 - IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II
2011, 868 = SIS 11 30 21, Rz 17; zustimmend Bode, FR 2012, 89,
91).
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cc) Ein einheitlicher Nutzungs- und
Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten
Gebäude und dem dazugehörenden Grundstück
entfällt, soweit von dem bisher ungeteilten
Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Davon
ist das FG zu Recht ausgegangen. Für das neu entstandene
unbebaute Grundstück bewirkt die Teilung in Bezug auf die
Annahme eines einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs
eine Zäsur. Auf die frühere Nutzung der ungeteilten
Grundstücksfläche kommt es insoweit nicht mehr an. Mit
der Teilung entstehen aus dem bis dahin einheitlichen
Wirtschaftsgut Grund und Boden zwei neue Wirtschaftsgüter
(Grundstücke), deren „Nutzung zu eigenen
Wohnzwecken“ jeweils getrennt zu betrachten
ist.
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Dafür spricht auch, dass der Zweck des
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, die berufliche
Mobilität nicht zu behindern, nicht erfüllt ist, wenn die
Wohnnutzung auf dem verbleibenden Grundstück fortgesetzt wird.
Demgegenüber können die Kläger mit dem Einwand nicht
durchdringen, sie hätten das ungeteilte Grundstück
steuerfrei veräußern können. Unabhängig davon,
ob die Annahme zutrifft, ist dieser Sachverhalt nicht verwirklicht.
Aber selbst wenn die Annahme zuträfe, ergibt sich daraus
nicht, dass auch eine abgetrennte Teilfläche stets steuerfrei
veräußert werden kann.
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Auch aus dem BFH-Urteil vom 10.08.1972 - VIII
R 80/69 (BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10 = SIS 73 00 04) ergibt
sich nichts anderes. Insbesondere ist danach nicht stets ein
einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen einer
Wohnung und der gesamten Grundstücksfläche anzunehmen.
Die Entscheidung enthält keinen derartigen Rechtssatz.
Vielmehr rechnet der VIII. Senat Hof-, Garten- und Parkanlagen
wegen der Besteuerung des Nutzungswerts nach § 21 Abs. 2 EStG
a.F. zur Wohnung, soweit diese in einem räumlichen
Zusammenhang mit dem Haus stehen, sodass hierdurch die
Annehmlichkeit des Wohnens erhöht wird (BFH-Urteil vom
10.08.1972 - VIII R 80/69, BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10 = SIS 73 00 04).
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dd) Wird von dem bisherigen
Wohngrundstück eine unbebaute Teilfläche abgeteilt, kommt
eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken insofern nicht in Betracht. Ein
einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem
(weiterhin) zu eigenen Wohnzwecken genutzten bebauten anderen
Grundstück ist trotz der Teilung jedoch nicht
grundsätzlich ausgeschlossen. Es bedarf vorliegend keiner
Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen der Zusammenhang bejaht
werden könnte. Denn jedenfalls dann, wenn die Teilfläche
- wie hier - zum Zwecke der Veräußerung und Bebauung
durch den Erwerber abgetrennt, veräußert und
zielgerichtet für die Übergabe vorbereitet wird, ist ein
einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem
weiterhin zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstück und dem
zu veräußernden Grundstück nicht (mehr)
anzunehmen.
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Darin liegt keine Ungleichbehandlung bei der
Veräußerung geteilter und ungeteilter Grundstücke.
Abgesehen davon, dass ein Teil eines Grundstücks ohne
vorherige Teilung nicht verkehrsfähig wäre,
schließt die Teilung des Grundstücks die Anwendung von
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht generell aus,
sondern erst der fehlende einheitliche Nutzungs- und
Funktionszusammenhang zwischen den durch die Teilung entstandenen
Grundstücken.
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b) Nach diesen Maßstäben hat das FG
zu Recht eine Nutzung des Flurstücks 10/2 „zu eigenen
Wohnzwecken“ bis zur Veräußerung
verneint. Von vornherein unerheblich ist, wie die Kläger das
ungeteilte Flurstück 10 genutzt haben. Auch wenn die
Kläger das Flurstück 10/2 bis zur Übergabe noch als
Garten genutzt haben sollten, ist ein einheitlicher Nutzungs- und
Funktionszusammenhang mit dem Wohngrundstück 10/1 nicht mehr
anzunehmen. Dieser wird überlagert und verdrängt durch
die mit der Grundstücksteilung dokumentierte
Veräußerungsabsicht und die Aktivitäten der
Kläger, die der Veräußerung des Flurstücks
10/2 dienten.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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