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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) begehrt die Festsetzung von Prozesszinsen
gemäß § 236 der Abgabenordnung (AO) für einen
von ihr geführten Rechtsstreit betreffend u.a. die
Gewährung einer Investitionszulage für die Jahre 1993 bis
2001.
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Im Rahmen dieses Rechtsstreits stritten die
Klägerin und der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) im Wesentlichen darüber, ob die
Voraussetzung des Verbleibens der von der Klägerin
angeschafften Wirtschaftsgüter im Fördergebiet (§ 2
Satz 1 Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes - InvZulG - 1991 bzw.
1996, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999) erfüllt
waren. Diesbezüglich reichte die Klägerin erstmals mit
Schreiben vom 1.8.2003 - unvollständige - Nachweise für
das Verbleiben im Fördergebiet ein. Nachdem sie weitere
Unterlagen mit Schreiben vom 3.3.2004 vorgelegt hatte, fand am
30.8.2007 ein erster Erörterungstermin statt. In der Folge
reichte die Klägerin am 5.12.2007 weitere Unterlagen ein. In
dem zweiten Erörterungstermin am 5.11.2008 erläuterte sie
nochmals den Sachverhalt anhand der nachgereichten Listen und
Unterlagen. Daraufhin legte der Berichterstatter des Senats des
Finanzgerichts (FG) dar, dass die Investitionszulage dem Grunde
nach zwingend zu gewähren sei. Das FA sollte daraufhin
abhelfen. In dem Protokoll des zweiten Erörterungstermins war
festgehalten: „Im Falle einer Abhilfe könne der Beklagte
wegen verspäteter Vorlage der Unterlagen nicht mit Gerichts-
und Steuerberaterkosten belastet werden.“
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Mit Datum vom 18.2.2009 erließ das FA
entsprechende Änderungsbescheide über die
Investitionszulage für die Kalenderjahre 1993 bis 2001.
Für die Jahre 1993, 1996, 1997, 1999 bis 2001 ergab sich
jeweils ein Guthaben zugunsten der Klägerin. Mit gerichtlichem
Schreiben vom 3.3.2009 wurde die Klägerin um Stellungnahme zu
den Änderungsbescheiden gebeten. Gleichzeitig wurde die
Rücknahme der Klage angeregt. Daraufhin nahm die Klägerin
mit Schreiben vom 31.3.2009 die Klage zurück. Mit Beschluss
vom 1.4.2009 wurde das Verfahren nach § 72 Abs. 2 Satz 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt.
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Mit Schreiben vom 23.12.2010 beantragte die
Klägerin die Festsetzung von Prozesszinsen nach § 236 AO
unter Verweis auf das Klageverfahren in dem Rechtsstreit betreffend
die Investitionszulage für die Jahre 1993 bis 2001. Gegen den
Ablehnungsbescheid vom 12.1.2011 legte die Klägerin Einspruch
ein, der jedoch keinen Erfolg hatte.
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Das FG gab der Klage mit dem in EFG 2012,
1020 = SIS 12 15 20 veröffentlichten Urteil statt. Im Rubrum
des FG-Urteils lautete der Sachbetreff „wegen Prozesszinsen
auf Investitionszulage 1993 bis 2003“. In der Sache selbst
entschied das FG, der Klägerin stünden nach § 236
Abs. 2 Nr. 1 AO die beantragten Prozesszinsen zu. Da im Streitfall
die Klage nach Ergehen der Änderungsbescheide zur
Investitionszulage 1993 bis 2001 zurückgenommen worden sei,
habe sich der Rechtsstreit nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO
erledigt.
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Der Anspruch auf die Prozesszinsen entfalle
auch nicht nach § 236 Abs. 3 AO. Der Wortlaut des § 236
Abs. 3 AO erscheine eindeutig. Danach erfolge keine Verzinsung,
soweit dem Beteiligten die Kosten nach § 137 Satz 1 FGO
auferlegt worden seien. Erforderlich sei eine Kostenentscheidung
des Gerichtes, die auf § 137 Satz 1 FGO beruhe. Eine
Ausweitung des § 236 Abs. 3 AO über den Wortlaut hinaus
sei abzulehnen. Im Übrigen stehe der Geltendmachung des
Zinsanspruchs auch nicht der Einwand von Treu und Glauben
entgegen.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es führt sinngemäß
aus, dass der Prozesszinsenanspruch Rechtshängigkeit
voraussetze, dagegen im Falle der Rücknahme der Klage der
Rechtsstreit nach § 155 FGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1
der Zivilprozessordnung (ZPO) als nicht anhängig geworden
anzusehen sei. Deshalb würden die prozessualen und
materiell-rechtlichen Folgen der Rechtshängigkeit
rückwirkend beseitigt werden.
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Weiter verweist das FA auf das Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.7.1994 I R 38/93 (BFHE 175, 496,
BStBl II 1995, 37 = SIS 95 06 50), wonach der Normzweck des §
236 AO darin bestehe, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs
für die Vorenthaltung des Kapitals eine Entschädigung zu
gewähren, da ihm die Möglichkeit der Kapitalnutzung
entzogen worden sei. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass
der Kläger für die erzwungene Kapitalüberlassung an
das FA entschädigt werden müsse. Dagegen sei im
vorliegenden Fall die Kapitalüberlassung nicht erzwungen
gewesen, da die Klägerin für die fehlende Kapitalnutzung
selbst die Verantwortung trage. Im Rahmen einer an Sinn und Zweck
orientierten Gesetzesauslegung dürfe das verspätete
Vorbringen nicht mit Prozesszinsen belohnt werden, unabhängig
davon, ob der Kläger die Kosten des Klageverfahrens
gemäß § 137 FGO oder wegen der Rücknahme
gemäß § 136 Abs. 2 FGO tragen müsse.
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Wenn § 236 Abs. 3 AO regele, dass bei
einer Kostenauferlegung nach § 137 Satz 1 FGO keine Zinsen
anfielen, müsse dies erst recht im Fall der
Klagerücknahme gelten.
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In Bezug auf die Aussage des FG, dass
§ 236 Abs. 3 AO explizit eine Kostenentscheidung des Gerichts
erfordere, die auf § 137 Satz 1 FGO beruhe, und es nicht Sache
der beteiligten Finanzbehörde sein könne, anstelle des
Gerichts hypothetisch zu prüfen, ob die Kosten dem
Steuerpflichtigen gemäß §§ 138, 137 Satz 1 FGO
hätten auferlegt werden können, sei eine solche
Prüfung des FA nicht erforderlich: Da im Streitfall die
Niederschrift über den am 5.11.2008 durchgeführten
Erörterungstermin den ausdrücklichen Hinweis des Gerichts
enthalten habe, dass das FA im Fall einer Abhilfe nicht mit Kosten
belastet werden dürfe, sei offenkundig gewesen, dass die
Kostenlast die Klägerseite getroffen habe. Im Streitfall habe
also bereits festgestanden, wie die Kostenentscheidung des Gerichts
nach § 137 Satz 1 FGO ausgefallen wäre.
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Im Übrigen könne das FA in einem
wie im Streitfall gelagerten Fall eine Klagerücknahme nur
schwerlich verhindern.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin hat keinen
ausdrücklichen Antrag gestellt, wendet sich aber
sinngemäß gegen die Revision.
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II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Zu Recht hat
das FG Prozesszinsen gemäß § 236 Abs. 1 und 2 AO
festgesetzt.
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1. Das Rubrum des angefochtenen Urteils ist
gemäß § 107 FGO dahin zu berichtigen, dass der
Sachbetreff „wegen Prozesszinsen auf Investitionszulage
1993 bis 2001“ lautet. Die Klägerin begehrt
ausweislich der Klageschrift Prozesszinsen nach § 236 AO im
Hinblick auf das Klageverfahren in dem Rechtsstreit betreffend die
Investitionszulage für die Jahre 1993 bis 2001.
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Der fehlerhafte Sachbetreff beruht auf einer
offenbaren Unrichtigkeit. Eine offenbare Unrichtigkeit kann alle
Bestandteile des Urteils, also insbesondere auch das Rubrum
betreffen (z.B. BFH-Urteil vom 29.3.2007 IV R 55/05, BFHE 217, 103,
BStBl II 2007, 655 = SIS 07 23 54). Der erkennende Senat ist
für die Berichtigung der Vorentscheidung im Rahmen des
Revisionsverfahrens zuständig (BFH-Urteil in BFHE 217, 103,
BStBl II 2007, 655 = SIS 07 23 54, m.w.N.).
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2. Die Voraussetzungen des § 236 Abs. 2
Nr. 1 i.V.m. § 236 Abs. 1 Satz 1 AO waren - wie das FG
zutreffend ausgeführt hat - gegeben, weil die Klägerin
ihre Klage nach Ergehen der Änderungsbescheide zur
Investitionszulage 1993 bis 2001 zurückgenommen hat.
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a) Wird durch eine rechtskräftige
gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung
eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine
Steuervergütung gewährt, so ist gemäß §
236 Abs. 1 Satz 1 AO der zu erstattende oder zu vergütende
Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 der Vorschrift vom Tag der
Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Nach
§ 236 Abs. 2 Nr. 1 AO ist die Vorschrift des § 236 Abs. 1
Satz 1 AO entsprechend anzuwenden, wenn sich der Rechtsstreit durch
Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder
durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt.
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Bei Investitionszulagen sind die für
Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend
anzuwenden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1991 bzw. 1996, § 6
Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999).
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b) Der I. Senat des BFH hat in seinem Urteil
in BFHE 175, 496, BStBl II 1995, 37 = SIS 95 06 50 ausgeführt,
dass die in § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO geforderte
„Erledigung des Rechtsstreits“ die Beendigung
der Rechtshängigkeit nach § 66 FGO bedeute. Diese ende
mit der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, der
Erledigung der Hauptsache oder der Rücknahme der Klage (ebenso
BFH-Urteil vom 14.7.1993 I R 33/93, BFH/NV 1994, 438, m.w.N.). Dem
stehe auch nicht entgegen, dass gemäß § 155 FGO
i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO nach Rücknahme der Klage
der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen sei.
Der Prozesszinsenanspruch setze zwar Rechtshängigkeit voraus.
Jedoch entfielen mit der Klagerücknahme zunächst
uneingeschränkt nur die verfahrensrechtlichen Wirkungen der
Rechtshängigkeit. § 236 AO sei jedoch eine
materiell-rechtliche Folge der Rechtshängigkeit und der
Wegfall der prozessualen Folgen beseitige nicht per se die
materiell-rechtlichen Folgen der Rechtshängigkeit. Sinn und
Zweck der Prozesszinsenregelung und eine rechtshistorische
Betrachtung des § 236 AO bzw. dessen Vorgängerregelungen
sprächen dafür, dass ein Prozesszinsenanspruch auch nach
Klagerücknahme bestehe.
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c) Der erkennende Senat schließt sich
dieser Rechtsprechung an. Die verfahrensrechtliche Beendigung der
Rechtshängigkeit ist im Hinblick auf den Normzweck des §
236 AO, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs bzw. eines
Vergütungsanspruchs eine Entschädigung für die
Nichtüberlassung des Kapitals und der damit verbundenen
Nutzungsmöglichkeiten zu gewähren, irrelevant. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der
Norm.
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d) Die Klägerin nahm ihre Klage im
Rechtsstreit betreffend die Investitionszulage für die Jahre
1993 bis 2001 nach Ergehen der Änderungsbescheide zurück.
Damit hat sich der Rechtsstreit gemäß § 236 Abs. 2
Nr. 1 AO erledigt. Da sich aufgrund der Änderungsbescheide vom
18.2.2009 über die Investitionszulage für die
Kalenderjahre 1993, 1996, 1997, 1999 bis 2001 ein Guthaben
zugunsten der Klägerin ergab, führten diese insoweit zu
einer Steuervergütung nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO.
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3. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass
der Anspruch auf Prozesszinsen im vorliegenden Fall auch nicht
entfallen ist.
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a) Eine Versagung der Verzinsung ergibt sich
nicht aus § 236 Abs. 3 AO.
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aa) Gemäß § 236 Abs. 3 AO wird
ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag nicht verzinst,
soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137
Satz 1 FGO auferlegt worden sind.
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bb) Der Wortlaut des § 236 Abs. 3 AO
setzt voraus, dass dem Beteiligten die Kosten tatsächlich nach
§ 137 Satz 1 FGO auferlegt worden sind. Erforderlich ist damit
eine Kostenentscheidung nach § 137 Satz 1 FGO (ggf. i.V.m.
§ 138 FGO). Da im Falle der Klagerücknahme der
Kläger gemäß § 136 Abs. 2 AO zwingend die
Kosten zu tragen hat, ist für eine Auferlegung der Kosten nach
Maßgabe des § 137 Satz 1 FGO durch das Gericht kein Raum
(BFH-Urteil in BFHE 175, 496, BStBl II 1995, 37 = SIS 95 06 50), so
dass im Falle der Klagerücknahme nicht der Anspruch auf
Prozesszinsen nach § 236 Abs. 3 AO versagt werden kann.
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cc) Etwas anderes ergibt sich insbesondere
nicht aus dem Normzweck des § 236 Abs. 3 AO, wie er aus der
Entstehungsgeschichte der Vorschrift hervorgeht.
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(1) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat,
geht die Vorschrift des § 236 AO auf § 155 der
Reichsabgabenordnung (RAO) zurück, der erstmalig eine Regelung
über Prozesszinsen enthielt und mit dem
Steueränderungsgesetz (StändG) 1961 vom 13.7.1961 (BGBl I
1961, 981) eingeführt wurde. § 155 Abs. 2 RAO enthielt
einen Ausschluss der Verzinsungspflicht, „soweit dem
Steuerpflichtigen die Kosten des Rechtsmittels auferlegt worden
sind, weil die Herabsetzung auf Tatsachen beruht, die der
Steuerpflichtige früher hätte geltend machen können
und müssen“. Die Nachfolgevorschriften § 111
Abs. 3 FGO a.F. sowie § 4b Abs. 3 des
Steuersäumnisgesetzes enthielten wie § 236 Abs. 3 AO
einen Verweis auf § 137 Satz 1 FGO.
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Mit dem Ausschluss der Verzinsungspflicht in
§ 155 Abs. 2 RAO wollte der Gesetzgeber die Verzinsung nicht
eintreten lassen, wenn die Herabsetzung der Steuerschuld auf
Tatsachen beruht, die der Steuerpflichtige hätte früher
geltend machen können und müssen, da dann die Zahlung von
Zinsen nach Auffassung des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt
erscheine, weil für die zu hohe Festsetzung das Verhalten des
Steuerpflichtigen ursächlich gewesen sei (Begründung des
Entwurfes eines Steueränderungsgesetzes 1961, BTDrucks
III/2573, S. 36 f.). Da den Gesetzesbegründungen der
Nachfolgevorschriften (Begründung des Regierungsentwurfs einer
Finanzgerichtsordnung, BTDrucks IV/1446, S. 51; Begründung des
Regierungsentwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des
Steuerberatungsgesetzes, BTDrucks 7/2852, S. 48; Begründung
des Entwurfs einer Abgabenordnung, BTDrucks VI/1982, S. 172) keine
Aussagen des Gesetzgebers zu dem Zweck des Ausschlusses der
Verzinsungspflicht zu entnehmen sind, ist davon auszugehen, dass
dieser gesetzgeberische Wille fortbestand.
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(2) Auch wenn sich in den Gesetzesmaterialien
keine ausdrückliche Aussage zu dem vom Gesetzgeber gewollten
Anwendungsbereich des § 236 Abs. 3 AO finden lässt, so
ist es - angesichts des klaren Wortlautes des § 236 Abs. 3 AO
- naheliegend, dass der Gesetzgeber typisierend daran
anknüpfen wollte, dass eine Kostenentscheidung nach § 137
Satz 1 FGO auch tatsächlich getroffen worden ist. Denn allein
durch das Anknüpfen an die gerichtliche Ermessensentscheidung
nach § 137 Satz 1 FGO erscheint die Ausnahmevorschrift in der
Praxis umsetzbar; zudem werden weitere Rechtsstreitigkeiten
vermieden, die sich bei einer - alternativen -
finanzbehördlichen Prüfung der Voraussetzungen des §
137 Satz 1 FGO ergeben könnten.
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Eine Auslegung des § 236 Abs. 3 AO
dergestalt, dass sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auch auf
die Fälle der Klagerücknahme erstreckt, ist nicht
möglich, da sie über den möglichen Wortsinn der
Vorschrift hinausginge (vgl. BFH-Urteil vom 18.4.2012 X R 5/10,
BFHE 237, 106 = SIS 12 16 99, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
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b) Ein Entfallen des Anspruchs auf
Prozesszinsen kommt auch nicht für den Fall in Betracht, dass
die „Erledigung des Rechtsstreits“ durch
Bescheidänderung und Klagerücknahme auf Tatsachen beruhen
sollte, die die Klägerin früher hätte geltend machen
oder beweisen können und sollen.
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aa) Die Frage, ob ein Anspruch auf
Prozesszinsen entfällt, wenn die „Erledigung des
Rechtsstreits“ durch Bescheidänderung und
Klagerücknahme auf Tatsachen beruht, die der Kläger
früher hätte geltend machen oder beweisen können und
sollen, ist bisher vom BFH noch nicht entschieden worden. In seinem
Urteil in BFHE 175, 496, BStBl II 1995, 37 = SIS 95 06 50 konnte
der BFH diese Frage ungeprüft lassen, da im dortigen
Streitfall unstreitig der Erlass des
Körperschaftsteueränderungsbescheids nicht auf Tatsachen
beruhte, die die Klägerin früher hätte geltend
machen oder beweisen können und sollen, und daher die Kosten
gemäß § 137 Satz 1 FGO der Klägerin auch bei
einer Erledigung nach § 138 FGO nicht hätten auferlegt
werden können.
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bb) Nach Auffassung des erkennenden Senats
entfällt ein Anspruch auf Prozesszinsen in diesen Fällen
nicht.
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(1) Ein Entfallen des Prozesszinsenanspruchs
ergibt sich - entgegen der Auffassung des FA - zum einen nicht
bereits aus einer am Normzweck orientierten Auslegung des §
236 AO.
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Das FA ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber
davon ausgegangen sei, dass die Verzinsung in § 236 AO eine
Entschädigung für eine erzwungene Kapitalüberlassung
gewähre. Insoweit verweist das FA auf das BFH-Urteil in BFHE
175, 496, BStBl II 1995, 37 = SIS 95 06 50, wonach der Normzweck
des § 236 AO darin bestehe, dem Gläubiger eines
Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals eine
Entschädigung zu gewähren, da ihm die Möglichkeit
der Kapitalnutzung entzogen worden sei. Im Fall des schuldhaft
verspäteten Geltendmachens bzw. Beweisens von Tatsachen sei
die Kapitalüberlassung nicht „erzwungen“
gewesen, da der Kläger für die fehlende Kapitalnutzung
selbst die Verantwortung trage. Bei einer an Sinn und Zweck
orientierten Gesetzesauslegung dürfe verspätetes
Vorbringen nicht mit Prozesszinsen belohnt werden, unabhängig
davon, ob der Kläger die Kosten des Klageverfahrens
gemäß § 137 FGO oder wegen der Rücknahme
gemäß § 136 Abs. 2 FGO tragen müsse.
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Eine Auslegung, die über den
möglichen Wortsinn des Gesetzes hinausgeht, kommt nicht in
Betracht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 237, 106 = SIS 12 16 99). Man
ginge über den möglichen Wortsinn des § 236 AO
hinaus, wollte man eine Verzinsung in einem solchen Fall des
schuldhaft verspäteten Geltendmachens bzw. Beweisens von
Tatsachen ausschließen. Im Übrigen weist der erkennende
Senat darauf hin, dass die Ausführungen des I. Senats in
seinem Urteil in BFHE 175, 496, BStBl II 1995, 37 = SIS 95 06 50
zum Normzweck des § 236 AO ausdrücklich im Hinblick auf
Gläubiger eines Erstattungsanspruches ergangen sind. Zudem
beruhte der Erlass des
Körperschaftsteueränderungsbescheids im dortigen
Streitfall gerade nicht auf Tatsachen, die die Klägerin
früher hätte geltend machen oder beweisen können und
sollen.
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(2) Des Weiteren kommt eine teleologische
Extension des § 236 Abs. 3 AO auf den Fall der
„Erledigung des Rechtsstreits“ durch
Bescheidänderung und Klagerücknahme auch dann nicht in
Betracht, wenn die Erledigung auf Tatsachen beruht, die der
Kläger früher hätte geltend machen oder beweisen
können und sollen.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte (vgl. die Nachweise
bei Drüen in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 355) und nach der ganz
herrschenden Lehre sind die Gerichte zur (ergänzenden)
Rechtsfortbildung berechtigt und verpflichtet. Führt die
wortgetreue Auslegung des Gesetzes ausnahmsweise zu einem
sinnwidrigen Ergebnis, besteht also eine Divergenz zwischen dem
Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck, sind die Gerichte nach
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. die
Nachweise bei Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz
380) sogar zu einer (gesetzeswortlaut-)abändernden
Rechtsfortbildung berufen. Als Instrumente werden hierbei die
teleologische Reduktion und die einschlägige Extension
verwendet. Eine teleologische Extension zielt darauf ab, den zu
engen Wortlaut eines Gesetzes auf dessen weiter gehenden Zweck
auszudehnen (vgl. die Nachweise bei Drüen in Tipke/Kruse,
a.a.O., § 4 AO Rz 382). Allerdings ist sie nicht bereits dann
gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung
rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Vielmehr muss die auf den
Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis
(BFH-Urteil vom 26.6.2007 IV R 9/05, BFHE 219, 173, BStBl II 2007,
893 = SIS 07 31 78), zu einem der wirtschaftlichen Vernunft
widersprechenden Ergebnis (BFH-Urteil vom 12.8.1997 VII R 107/96,
BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131 = SIS 98 03 77) oder zu einem so
unsinnigen Ergebnis führen, dass es vom Gesetzgeber nicht
gewollt sein kann (BFH-Urteil vom 17.1.1995 IX R 37/91, BFHE 177,
58, BStBl II 1995, 410 = SIS 95 10 06).
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40
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b) Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs
ist eine teleologische Extension nicht gerechtfertigt. Wie oben
unter II.3.a bb dargestellt, ist es nach Auffassung des erkennenden
Senats naheliegend, dass der Gesetzgeber typisierend daran
anknüpfen wollte, dass eine Kostenentscheidung nach § 137
Satz 1 FGO auch tatsächlich getroffen worden ist, also eine
Divergenz zwischen Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck nicht
besteht.
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41
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Aber auch wenn man Zweifel an dem vom
Gesetzgeber gewollten Anwendungsbereich des § 236 Abs. 3 AO
hätte, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn zumindest
lässt sich ein vom Gesetzeswortlaut abweichender Zweck nicht
sicher feststellen, so dass für eine teleologische Extension
des Gesetzeswortlauts kein Raum ist (BFH-Urteil vom 17.4.1975 II R
64/72, BFHE 116, 54, BStBl II 1975, 646 = SIS 75 03 77). Umgekehrt
kommt aus den gleichen Gründen eine teleologische Reduktion
des § 236 AO nicht in Betracht.
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42
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c) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass
im vorliegenden Streitfall der Geltendmachung des Zinsanspruchs
auch nicht der Einwand von Treu und Glauben entgegensteht.
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Der Grundsatz von Treu und Glauben, der im
Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt
anerkannt ist, gebietet, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder
auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen
Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren
Verhalten nicht in Widerspruch setzt, auf das der andere vertraut
und aufgrund dessen er unwiderrufbar disponiert hat (z.B.
BFH-Urteil vom 6.2.1991 I R 13/86, BFHE 164, 168, BStBl II 1991,
673 = SIS 91 16 59). Dieser Grundsatz gilt auch zugunsten des FA
(BFH-Urteil vom 10.11.1987 VII R
171/84, BFHE 151, 123, BStBl II 1988, 41 = SIS 88 02 56).
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44
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Da sich der gerichtliche Hinweis in dem
Erörterungstermin am 5.11.2008 ausdrücklich allein auf
„Gerichts- und Steuerberaterkosten“, also nicht
auf Prozesszinsen (vgl. § 139 Abs. 1 FGO) bezog, ist bereits
deshalb für ein vertrauensbegründendes Verhalten kein
Raum.
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45
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d) Schließlich kann ein Anspruch auf
Prozesszinsen gemäß § 236 AO auch dann nicht
verneint werden, wenn die Klage zur Vermeidung einer
Kostenentscheidung nach § 137 Satz 1 FGO und damit zur
Aufrechterhaltung eines Prozesszinsenanspruchs zurückgenommen
wird, ohne dass weitere Umstände hinzukämen.
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46
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Unabhängig von der Frage, ob vorliegend
überhaupt von einem solchen Verhalten der Klägerin
ausgegangen werden könnte, kann eine Versagung des Anspruches
auf Prozesszinsen in einem solchen Fall - trotz der insoweit
unbefriedigenden Rechtssituation - insbesondere nicht auf einen
allgemeinen Rechtsgrundsatz gestützt werden, ohne dass weitere
Umstände hinzukämen. Der erkennende Senat weist darauf
hin, dass insoweit der Gesetzgeber berufen ist, gegebenenfalls
etwas an dieser Rechtssituation zu ändern.
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