1
|
I. Streitpunkt ist die
Gemeinnützigkeit eines Vereins im Streitjahr 2008.
|
|
|
2
|
Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist ein seit 1995 im Vereinsregister eingetragener
Verein. Er betreibt in der Stadt X eine Moschee. Nach seiner
Satzung hat der Kläger den Zweck der Förderung der
Religion und Kultur, der Hilfe für religiös Verfolgte und
Flüchtlinge und der Volks- und Berufsbildung. Organe des
Klägers sind der aus einer Person bestehende Vorstand und die
Mitgliederversammlung. Der Satzungszweck soll insbesondere durch
folgende Maßnahmen erreicht werden: Durchführung der
religiös-kulturellen Handlungen und Gottesdienste;
Informationen durch Durchführung von Veranstaltungen,
Vorträgen und Diskussionen; Integrationsarbeiten, z.B.
Begleitung bei Behördengängen und Veranstaltungen
für die Förderung der Integration; Zusammenarbeit mit
anderen muslimischen Verbänden in der Bundesrepublik
Deutschland (Deutschland); Einrichtung eines Archivs mit
Büchern und audiovisuellen Medien.
|
|
|
3
|
Im Verfassungsschutzbericht des Landes Y)
für das Jahr 2008 finden sich im Kapitel
„Ausländerextremismus“ folgende Ausführungen
im Zusammenhang mit dem Kläger:
|
|
|
4
|
„Eine zunehmende Rolle spielen
salafistische Bestrebungen im Raum X. Diese islamistische
Strömung gewinnt nicht nur im Land Y und Deutschland zunehmend
an Bedeutung, sondern auch europaweit. In Deutschland haben sich
bereits salafistische Netzwerke herausgebildet, in die auch der
(Kläger) eingebunden ist. Dessen Aktivitäten strahlen auf
das gesamte Bundesgebiet aus. Das salafistische Gedankengut, so wie
es im (Kläger) als politische Bestrebung verbreitet wird, ist
in Teilen als demokratiefeindlich einzustufen. Von Menschen
erdachte Konzepte, wie z.B. Demokratie, gelten als unvereinbar mit
dem islamischen Glauben salafistischer Lesart. Ein wesentliches
Glaubensfundament besteht beispielsweise darin, Gott als einzigen
Gesetzgeber anzusehen. Die Akzeptanz und Ausführung eines
säkularen, also nicht auf göttlichem Gesetz basierenden
Rechtsystems wird als ‘Akt des Unglaubens’ bezeichnet
und abgelehnt. Die salafistischen Bestrebungen sind dazu geeignet,
einer Integration von Muslimen abträglich zu sein und die
Herausbildung und Festigung von Parallelgesellschaften zu
fördern. So wird in frei zugänglichen Schriften und auf
mit dem (Kläger) in Verbindung stehenden Internetseiten dazu
aufgerufen, sich von Juden und Christen, die insgesamt als
Ungläubige diffamiert werden, zu lösen, sie zu hassen und
Feindschaft gegen sie zu hegen. Freundschaft und Gehorsam ihnen
gegenüber würden einen Muslim des Glaubens abtrünnig
machen. Das verbreitete Gedankengut kann den Nährboden
für eine islamische Radikalisierung und ggf. Rekrutierung
bilden. Gleichwohl gibt es keine Belege für eine
ausdrückliche Befürwortung von Gewalt. Der (Kläger)
verbreitet seine Sichtweisen z.B. über die bundesweite
Durchführung von Islamseminaren und Vortragsveranstaltungen
sowie über wöchentliche Infostände in der Innenstadt
von X. Dort werden auch zahlreiche Publikationen salafistischen
Inhalts verteilt. Darüber hinaus lassen sich einige
Internetseiten salafistischer Ausrichtung mit dem (Kläger) in
Verbindung bringen.“
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) erkannte den Kläger für 2008 nicht als
gemeinnützig an und setzte die Körperschaftsteuer auf ...
EUR fest.
|
|
|
6
|
Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Das Sächsische Finanzgericht (FG) hat den
Körperschaftsteuerbescheid aufgehoben. Sein Urteil vom
11.1.2011 2 K 1429/10 ist in EFG 2011, 1675 = SIS 11 09 89
abgedruckt.
|
|
|
7
|
Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf
die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des FA.
Während des Revisionsverfahrens ist das Bundesministerium der
Finanzen (BMF) dem Rechtsstreit gemäß § 122 Abs. 2
Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten.
|
|
|
8
|
Das FA und das BMF beantragen, das
FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
9
|
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Annahme
des FG, der Kläger sei für das Streitjahr
gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) von der
Körperschaftsteuer befreit, ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
|
|
|
11
|
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 sind
von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften,
Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der
Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung
und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen,
mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51
bis 68 der Abgabenordnung in der für das Streitjahr
maßgeblichen Fassung vor Inkrafttreten des
Jahressteuergesetzes - JStG - 2009 vom 19.12.2008 [BGBl I 2008,
2794, BStBl I 2009, 74] - AO a.F. - ). Voraussetzung für die
Gewährung der Steuervergünstigung ist, dass sich aus der
Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung
ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser
Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO a.F.
entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar
verfolgt wird (§ 59 AO a.F.). Die tatsächliche
Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die
ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der
steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen
entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für
Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO
a.F.).
|
|
|
12
|
Eine Körperschaft verfolgt
gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf
gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder
sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 Satz
1 AO a.F.). Unter diesen Voraussetzungen ist als Förderung der
Allgemeinheit auch die Förderung der Religion anzuerkennen
(§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO a.F.).
|
|
|
13
|
2. Nach den Feststellungen des FG, gegen die
keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe
vorgebracht worden sind und an die der Senat deshalb
gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, betrieb der
Kläger im Streitjahr nach seiner Satzung und nach seiner
tatsächlichen Geschäftsführung die Förderung
der Religion i.S. von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO a.F. und
verfolgte damit grundsätzlich einen gemeinnützigen
Zweck.
|
|
|
14
|
3. Soweit das FA nunmehr rügt, das FG
habe sich nicht mit den Merkmalen der Ausschließlichkeit
(§ 56 AO a.F.) und der Unmittelbarkeit (§ 57 AO a.F.)
auseinandergesetzt, ist nicht zu ersehen, unter welchen
Gesichtspunkten im Streitfall Zweifel an deren Vorliegen bestehen
könnten. Das FA hat die Steuervergünstigung
ausschließlich wegen der behaupteten extremistischen
Tendenzen des Klägers verweigert. Darüber hinaus sind
weder den Feststellungen des FG noch dem Vorbringen des FA
Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Kläger neben
seinen satzungsmäßigen Zwecken noch andere Zwecke
verfolgt (Gebot der Ausschließlichkeit) oder dass der
Kläger diese Zwecke nicht selbst in eigener Person
verwirklicht (Gebot der Unmittelbarkeit).
|
|
|
15
|
4. Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass das Merkmal der
Förderung der Allgemeinheit i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 1
AO a.F. nicht aufgrund verfassungsfeindlicher Bestrebungen des
Klägers im Streitjahr zu verneinen ist.
|
|
|
16
|
a) Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs - BFH - ist der Sinngehalt des unbestimmten
Rechtsbegriffes „Förderung der
Allgemeinheit“ in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO allerdings
wesentlich geprägt durch die objektive Wertordnung, wie sie
insbesondere im Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 des
Grundgesetzes (GG) zum Ausdruck kommt. Eine Tätigkeit, die mit
diesen Wertvorstellungen nicht vereinbar ist, ist keine
Förderung der Allgemeinheit (Senatsurteile vom 13.12.1978 I R
39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482 = SIS 79 02 40; vom
29.8.1984 I R 215/81, BFHE 142, 243, BStBl II 1985, 106 = SIS 85 03 03; vom 31.5.2005 I R 105/04, BFH/NV 2005, 1741 = SIS 05 40 08,
sowie Senatsbeschluss vom 16.10.1991 I B 16/91, BFH/NV 1992, 505;
ebenso Anwendungserlass zur Abgabenordnung - AEAO - i.d.F. des
BMF-Schreibens vom 2.1.2008, BStBl I 2008, 26 = SIS 08 10 36, Nr.
16 zu § 52 AO). Als Förderung der Allgemeinheit sind
danach solche Bestrebungen nicht anzuerkennen, die sich gegen die
freiheitlich demokratische Grundordnung Deutschlands richten.
|
|
|
17
|
Dem entspricht der Sache nach die Regelung des
§ 51 Abs. 3 Satz 1 AO i.d.F. des JStG 2009 (AO n.F.), nach der
eine Steuervergünstigung auch voraussetzt, dass die
Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer
tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen
i.S. des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert
und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht
zuwiderhandelt (zur Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis
vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum JStG 2009, BTDrucks
16/10189, S. 79).
|
|
|
18
|
b) Die objektive Feststellungslast für
die Tatsachen, aus denen sich die Gemeinnützigkeit ergibt,
trägt grundsätzlich die Körperschaft
(Senatsbeschluss vom 28.10.2004 I B 95/04, BFH/NV 2005, 160 = SIS 05 07 42). Dass die Körperschaft im Rahmen ihrer
tatsächlichen Geschäftsführung nicht gegen die
Wertordnung des GG verstößt, ist allerdings eine
negative Tatsache, die von der Körperschaft nur dann darzutun
ist, wenn die Finanzbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür
vorträgt, dass das nicht der Fall ist (zutreffend
Jachmann/Unger in Beermann/Gosch, AO, § 51 AO Rz 99). Als ein
solcher Anhaltspunkt kommt die Erwähnung der Körperschaft
in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes in
Betracht.
|
|
|
19
|
c) Entgegen der Auffassung des BMF ist die
gesetzliche Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F., nach der
bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes
oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt
sind, widerlegbar davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen
des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO n.F. nicht erfüllt sind, im
Streitfall nicht einschlägig. Offenbleiben kann insoweit, ob
die Vorschrift für das Streitjahr überhaupt anwendbar
ist. Gemäß Art. 97 § 1d Abs. 2 des
Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (i.d.F. des JStG 2009)
ist das zwar ab dem 1.1.2009 der Fall. Diese Übergangsregelung
lässt indessen nicht eindeutig erkennen, ob die Vermutung des
§ 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F.
„rückwirkend“ auch für bereits
abgelaufene Veranlagungszeiträume gelten soll, solange die
betreffenden Steuerfestsetzungen noch nicht bestandskräftig
geworden sind (so AEAO i.d.F. des BMF-Schreibens vom 17.1.2012,
BStBl I 2012, 83 = SIS 12 03 38 - AEAO n.F. - Nr. 10 Satz 1 zu
§ 51 Abs. 3), oder ob die Vermutung nur für die zum
Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht beendeten
Veranlagungszeiträume Anwendung finden soll.
|
|
|
20
|
Die Frage muss hier nicht entschieden werden,
weil der Tatbestand des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. im
Streitfall nicht gegeben ist. Dieser setzt voraus, dass die
betreffende Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht
„als extremistische Organisation
aufgeführt“ ist, was nur der Fall ist, wenn sie dort
ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird, nicht aber
wenn die Körperschaft nur als Verdachtsfall oder sonst
beiläufig Erwähnung findet (vgl. auch AEAO n.F. Nr. 10
Satz 2, Nr. 11 zu § 51 Abs. 3). Wie das FG zutreffend
angenommen hat, ist der Kläger in dem Verfassungsschutzbericht
des Landes Y für 2008 nicht ausdrücklich als
extremistisch bezeichnet worden. Die tatsächlichen Hinweise in
der oben zitierten Passage des Berichts sind derart pauschal und
nicht konkret auf bestimmte Verhaltensweisen des Vorstands des
Klägers im Streitjahr bezogen, dass daraus allein eine
Klassifikation der tatsächlichen Geschäftsführung
des Klägers im Streitjahr als
„extremistisch“ i.S. des § 51 Abs. 3 Satz 2
AO n.F. nicht abgeleitet werden kann.
|
|
|
21
|
Die vom BMF mit der Schaffung des § 51
Abs. 3 Satz 2 AO n.F. für geboten gehaltene ausdrückliche
Unterscheidung der in den Verfassungsschutzberichten erwähnten
Organisationen in belegbar extremistische Organisationen einerseits
und bloße Verdachtsfälle andererseits wird in dem
streitbefangenen Bericht für das Jahr 2008 offenkundig noch
nicht vollzogen. Deshalb hilft für den Streitfall auch der
Verweis auf den Verfassungsschutzbericht des Bundes für das
Jahr 2009 nicht weiter, in dem nach der Darstellung des BMF alle
als extremistisch eingeschätzten Gruppierungen alphabetisch
geordnet in einem Anhang aufgeführt sind.
|
|
|
22
|
d) Die fehlende Anwendbarkeit des § 51
Abs. 3 Satz 2 AO n.F. ändert indes nichts daran, dass der
Verfassungsschutzbericht des Landes Y für 2008 für die
Beurteilung der Aktivitäten des Klägers im Streitjahr
ausgewertet und zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen
werden durfte. Jedoch ergibt sich daraus nach der Beurteilung des
FG kein hinreichend konkreter Anhaltspunkt dafür, dass die
tatsächliche Geschäftsführung des Klägers im
Streitjahr auf die Förderung extremistischer Bestrebungen
ausgerichtet war. Hieran ist der Senat gemäß § 118
Abs. 2 FGO gebunden.
|
|
|
23
|
aa) Die Feststellung, ob eine
Körperschaft im Rahmen ihrer tatsächlichen
Geschäftsführung extremistische oder sonstige
verfassungsfeindliche Bestrebungen fördert, obliegt im
gerichtlichen Verfahren in erster Linie dem FG als
Tatsachengericht. Dessen Wertung kann im Revisionsverfahren nur
daraufhin überprüft werden, ob sie in
verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist oder ob sie
gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze
verstößt.
|
|
|
24
|
bb) Die Vorinstanz hat insoweit
ausgeführt, die im Streitfall vorliegenden Beweismittel
belegten nicht zur vollen Überzeugung des Senats, dass der
Kläger ein extremistischer Verein sei. Es komme in dem
Verfassungsschutzbericht für 2008 nicht klar zum Ausdruck,
dass der Kläger selbst extremistisch sei. Es sei auch ein
Verständnis des Berichts dahin möglich, dass der
Kläger vom Verfassungsschutz beobachtet worden sei, weil seine
Aktivitäten potenziell gefährlich werden könnten, er
selbst aber kein extremistischer Verein sei. Die vom Kläger
vorgelegten Unterlagen belegten, dass seine Aktivitäten seiner
Satzung entsprächen. Damit habe er die Aussagen im
Verfassungsschutzbericht hinsichtlich seiner Überzeugungen und
seiner tatsächlichen Geschäftsführung widerlegt.
|
|
|
25
|
Einen Link im Internet-Auftritt des
Klägers auf die Seite „X.de“ hat das FG als
für die Annahme einer satzungswidrigen tatsächlichen
Geschäftsführung nicht hinreichend bewertet. Denn zum
einen habe der Kläger auf der eigenen Internet-Seite
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für die Inhalte
der verlinkten Seiten nicht verantwortlich sei. Zum anderen sei den
verlinkten Inhalten jeweils vorangestellt, dass es sich um die
Darstellung von gewissen Praktiken eines islamischen Staats mit
islamischer Gesetzgebung handele, die im Widerspruch zur hiesigen
Ordnung stünden und dass die Darstellung solcher Inhalte
keinesfalls als Aufruf zur Umsetzung, sondern nur als
Aufklärung über die islamische Sichtweise zu verstehen
sei.
|
|
|
26
|
cc) Diese Beweiswürdigung des FG ist
möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch
gegen Erfahrungssätze. Soweit FA und BMF in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Blick auf
Erkenntnisse aus einem zwischenzeitlich durchgeführten
verwaltungsgerichtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
betreffend die Erwähnung des Klägers in künftigen
Verfassungsschutzberichten des Landes Y eine mangelnde
Sachverhaltsaufklärung durch das FG gerügt haben,
können sie damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das
FA ausweislich des Sitzungsprotokolls der mündlichen
Verhandlung vor dem FG eine Verletzung der
Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch das
FG nicht gerügt hat. Die Verletzung der
Sachaufklärungspflicht gehört indes zu den
„verzichtbaren“ Verfahrensmängeln, die
nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können, wenn die
Beteiligten sie nicht in der nächsten mündlichen
Verhandlung rügen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung,
7. Aufl., § 115 Rz 100 f., m.w.N.). Die
Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen,
Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche ein fachkundig
vertretener Beteiligter - wie das FA - selbst in zumutbarer Weise
hätte stellen können, jedoch im finanzgerichtlichen
Verfahren zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschluss vom 22.10.2009
V B 108/08, BFH/NV 2010, 170 = SIS 10 01 20, m.w.N.).
|
|
|
27
|
e) Soweit das FA schließlich noch
nachgetragen hat, der Kläger werde in dem
Verfassungsschutzbericht des Landes Y für das Jahr 2010
ausdrücklich als „extremistische
Bestrebung“ bezeichnet, ist das zum einen als neues
tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz unbeachtlich.
Zum anderen ist nicht ersichtlich, inwiefern sich diese Beurteilung
bereits auf Verhaltensweisen des Klägers aus dem Streitjahr
2008 stützt.
|
|
|
28
|
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO. Da das BMF durch den Verfahrensbeitritt
„Beteiligter“ des Revisionsverfahrens geworden
ist (§ 57 Nr. 4 FGO) und es durch den gestellten Sachantrag
seine Verfahrensstellung aktiv genutzt hat, trägt es als
unterlegener Beteiligter zusammen mit dem FA die Kostenlast (vgl.
Gräber/Ratschow, a.a.O., § 135 Rz 8). Die
BFH-Rechtsprechung, nach der eine Kostentragung des Beigeladenen im
Rahmen des § 135 Abs. 3 FGO ausscheidet, wenn dessen Antrag
mit dem des unterlegenen Hauptbeteiligten übereinstimmt
(BFH-Urteile vom 23.1.1985 II R 2/83, BFHE 143, 119, BStBl II 1985,
368 = SIS 85 09 44; vom 8.11.2000 I R 1/00, BFHE 194, 227, BStBl II
2001, 769 = SIS 01 05 35; vom 11.11.2010 IV R 17/08, BFHE 232, 28,
BStBl II 2011, 716 = SIS 11 02 26; BFH-Beschluss vom 25.2.2010 III
S 7/10, BFH/NV 2010, 1285 = SIS 10 18 36), ist hier nicht
einschlägig, weil § 135 Abs. 3 FGO für die nach
§ 122 Abs. 2 FGO Beigetretenen nicht anwendbar ist (vgl.
Senatsbeschluss vom 6.2.2007 I B 88/05, BFH/NV 2007, 1148 = SIS 07 15 90).
|