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Abfindung einer Erfindervergütung als steuerbegünstigte Entschädigung

Abfindung einer Erfindervergütung als steuerbegünstigte Entschädigung: Gibt der Arbeitnehmer mit seinem Interesse an einer Weiterführung der ursprünglichen Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung im Konflikt mit seinem Arbeitgeber nach und nimmt dessen Abfindungsangebot an, so entspricht es dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation, nicht schon wegen dieser gütlichen Einigung in konfligierender Interessenlage einen tatsächlichen Druck in Frage zu stellen. - Urt.; BFH 29.2.2012, IX R 28/11; SIS 12 14 26

Kapitel:
Lohnsteuer für Arbeitnehmer > Sonstiges / Lohnsteuer für Arbeitnehmer
Fundstellen
  1. BFH 29.02.2012, IX R 28/11
    BStBl 2012 II S. 569
    DStR 2012 S. 1132
    NJW 2012 S. 2832
    LEXinform 0928664

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 27.8.2012
    -/- in NWB 25/2012 S. 2045
    jh in StuB 13/2012 S. 526
    B.H. in HFR 7/2012 S. 725
    B.H. in BFH/PR 8/2012 S. 271
    KAM in Stbg 9/2012 S. M 11
Normen
[EStG] § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Berlin-Brandenburg 9.4.2019, SIS 19 09 08, Mehr als zwölfmonatige Tätigkeit für einen Arbeitgeber als Voraussetzung für eine mehrjährige Tätigkeit i...
  • BFH 13.3.2018, SIS 18 06 90, Entschädigung für den Verlust von Versorgungsanwartschaften, Zwangslage bei Einigung mit Arbeitgeber: Wid...
  • FG Köln 1.6.2017, SIS 17 23 89, Steuerbarkeit einer Verdienstausfall-Entschädigung: Eine Verdienstausfall-Entschädigung ist auch dann als...
  • FG Münster 17.3.2017, SIS 17 12 95, Aufhebungsvertrag auf Initiative des Arbeitnehmers: Eine gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG begünstigt zu beste...
  • FG Münster 28.11.2016, SIS 17 10 83, Vergleich, einheitliche Entschädigung, Aufspaltung in Teilbeträge: 1. Die aufgrund eines Vergleichs auf n...
  • BFH 23.11.2016, SIS 17 04 03, Ausgleichszahlung zur Abfindung des Versorgungsausgleichs: 1. Eine Ausgleichszahlung für den Ausschluss d...
  • BFH 12.7.2016, SIS 16 22 91, Entschädigungen als Ersatz für entgangene Gehalts- und Rentenansprüche bei geleisteten Schadensersatzzahl...
  • BFH 27.10.2015, SIS 16 09 74, Tarifbegünstigte Besteuerung von Abschlagszahlungen an einen Handelsvertreter: 1. Zur Vertragsauslegung d...
  • BFH 16.9.2015, SIS 15 28 35, Entschädigung für die vorzeitige Beendigung eines Grundstückspachtvertrages: Wird ein mehrjähriger Pachtv...
  • BFH 25.8.2015, SIS 15 23 30, Besteuerung einer Entschädigungszahlung für entgehende Einnahmen aufgrund einer Vergleichsvereinbarung: V...
  • BFH 11.2.2015, SIS 15 11 57, Besteuerung einer Entschädigungszahlung für entgehende Einnahmen aus Genussrechten: 1. Wird dem Inhaber v...
  • Niedersächsisches FG 12.11.2013, SIS 14 03 45, Abfindung, Zusammenballung von Einkünften: 1. Die ermäßigte Besteuerung einer Abfindung setzt voraus, das...
  • FG Münster 27.4.2013, SIS 13 20 66, Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit, Entschädigung, Fünftelregelung: 1. Die Pauschalvergütung für e...
  • BFH 29.8.2012, SIS 12 30 19, Divergenz, zur Abfindung von Erfinderansprüchen: Geht das FG einerseits - auf der Basis der zugrunde lieg...
  • BFH 10.7.2012, SIS 12 28 22, Rechtsberatungsvertrag, Entschädigung bei arbeitnehmerähnlicher Ausgestaltung: Schuldet ein Rechtsanwalt ...
Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

 

1

I. Die Beteiligten streiten über Arbeitnehmererfindervergütungen als außerordentliche Einkünfte.

 

 

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1967 als Techniker bei einer GmbH tätig, die sich mit systemgebundenen Produkten für Hoch- und Tiefbau beschäftigt. Die GmbH entwickelte technische Geräte und Verfahren, woran der Kläger wesentlich beteiligt war. Er machte für die GmbH zahlreiche Erfindungen, die auch patentiert worden sind. Die GmbH erarbeitete zusammen mit dem Kläger über jede einzelne Erfindung ein Konzept zur Abrechnung der Erfindervergütungen, die jeweils bis zum Ende der Laufzeit des Patents - in der Regel jährlich - bezahlt wurden.

 

 

3

Nach seinem Eintritt in den Ruhestand schlossen der Kläger und die GmbH am 31.5.2006 eine Abfindungsvereinbarung. Darin lösten sie die zwischen ihnen bestehende Vereinbarung über Arbeitnehmererfindervergütungen zum 31.5.2006 auf. Als Ausgleich für den Verlust zurückliegender und zukünftiger Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung erhielt der Kläger eine einmalige Abfindung in Höhe von 518.250 EUR. Die Vertragsparteien ermittelten die Abfindungsvergütung, indem sie die Patentlaufzeit und einen Abzinsungsfaktor berücksichtigten. Bei einer Vergütungshöhe von 925.875 EUR ergab sich ein abgezinster Wert in Höhe der Abfindung.

 

 

4

Der Kläger erklärte den Abfindungsbetrag im Rahmen der Veranlagung des Streitjahres (2006) als sonstige Einkünfte und beantragte, die Versteuerung nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorzunehmen. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) auch im Einspruchsverfahren ab.

 

 

5

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah in der Abfindung keine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG) und folgte insoweit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.1.2005 VI R 43/00 (BFH/NV 2005, 888 = SIS 05 22 14). Es lehnte überdies die Voraussetzungen einer Entschädigung (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) ab, weil es an einer Zwangssituation fehle.

 

 

6

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Die Vereinbarung sei abweichend vom Sachverhalt, über den der BFH in BFH/NV 2005, 888 = SIS 05 22 14 entschieden habe, nicht auf eine Vergütung nach § 9 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen zu reduzieren. Außerdem habe sich der Kläger in einer Zwangssituation befunden, indem er dem tatsächlichen Druck der GmbH frühzeitig nachgegeben habe.

 

 

7

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 8.4.2011 zu ändern, indem die Zahlung von 503.250 EUR nach § 34 EStG begünstigt besteuert wird.

 

 

8

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

9

II. Die Revision ist begründet. Der BFH entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und gibt der Klage statt. FA und FG haben die Abfindung unzutreffend nicht nach § 34 Abs. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG einer ermäßigten Besteuerung unterworfen.

 

 

10

1. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte die Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz (§ 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG) zu berechnen. Außerordentliche Einkünfte sind gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG.

 

 

11

a) Die Abfindung, um die es hier geht, erfüllt die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Entschädigungen sind Leistungen, die „als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen“ gewährt werden, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen treten. Der Steuerpflichtige muss einen Schaden durch Wegfall von Einnahmen erlitten haben und die Zahlung muss unmittelbar dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11.1.2005 IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044 = SIS 05 25 69, und vom 9.7.2002 IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21 = SIS 03 06 39).

 

 

12

Diese Bedingungen sind nach dem durch das FG festgestellten Sachverhalt ersichtlich erfüllt; denn durch die Vereinbarung vom 31.5.2006 tritt die Abfindung an die Stelle der künftigen Ansprüche aus der Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung, die sich mit der Erfüllung der Abfindungsvereinbarung erledigen.

 

 

13

b) Dass die Entschädigung im konkreten Fall als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt wurde, ist zwar grundsätzlich aus der Sicht der Vertragsparteien vom FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen (BFH-Urteil vom 18.10.2011 IX R 58/10, BFH/NV 2012, 501 = SIS 12 03 26). Der im Streitfall offenkundige Entschädigungscharakter der Abfindung ist indes zwischen den Beteiligten im Kern gar nicht streitig. Es geht ihnen vielmehr um ein weiteres von der Rechtsprechung entwickeltes Merkmal der Entschädigung, nämlich um die Zwangssituation.

 

 

14

Danach setzt eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ferner voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, wenn er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand. Eine Steuerermäßigung soll danach nur gerechtfertigt sein, wenn der Steuerpflichtige sich dem zusammengeballten Zufluss der Einnahmen nicht hat entziehen können (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 1044 = SIS 05 25 69, und vom 27.7.2004 IX R 64/01, BFH/NV 2005, 191 = SIS 05 07 58, jeweils m.w.N.).

 

 

15

Davon ist im Streitfall entgegen der Auffassung des FG auszugehen: Der Kläger ist auf das Angebot seines Arbeitgebers, das diesem vom Patentanwalt „nahe gelegt“ wurde, aus Gründen der Loyalität und zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten eingegangen, obschon ihm weiterhin jährliche Zahlungen lieber gewesen wären. Damit stand der Kläger unter tatsächlichem Druck, dem er frühzeitig nachgegeben hat. Sein Interesse, die ursprüngliche Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung weiterzuführen, stieß auf das damit in Konflikt tretende Interesse seines Arbeitgebers an einer Einmalzahlung, um alle Rechtsbeziehungen zu erledigen. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließlich eine Lösung im Konsens finden, so entspricht es nicht dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation, würde man bei dieser gütlichen Einigung einer konfligierenden Interessenslage einen tatsächlichen Druck negieren. Das würde - worauf die Revision zutreffend hinweist - geradezu dazu anhalten, es auf einen - an sich vermeidbaren - Rechtsstreit ankommen zu lassen. Es reicht vielmehr aus, wenn der Steuerpflichtige sich dem Ansinnen des Arbeitgebers an einer Einmalzahlung nicht mehr widersetzt - und sich dem Zufluss der Abfindung deshalb nicht entziehen kann.

 

 

16

c) Die Abfindung führt auch zu einem zusammengeballten Zufluss im Streitjahr. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (eingehend dazu BFH-Urteil vom 26.1.2011 IX R 20/10, BFHE 232, 471 = SIS 11 13 63). Nach den Feststellungen, die den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, liegt im Streitfall eine derartige Ausnahmesituation ersichtlich vor und bedarf keiner weiteren Begründung.

 

 

17

2. Da das angefochtene Urteil diesen Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Unter Berücksichtigung der festgestellten Tatsachen erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG und seiner Klage ist stattzugeben.

 

Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

Die Entscheidung erleichtert – normzweckgerecht – die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung ohne Zwang zur Durchführung eines Rechtsstreits, überantwortet aber die Feststellung einer nach wie vor erforderlichen „Drucksituation“ der Tatsacheninstanz mit der Folge, dass dort die entsprechenden Voraussetzungen unter Beweisantritt umfassend darzustellen sind.