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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erzielte im Streitjahr 2008 Einkünfte aus
Gewerbebetrieb. In seiner Einkommensteuererklärung machte er
Unterhaltszahlungen an seine Mutter, mit der er nicht in einem
Haushalt lebt, als außergewöhnliche Belastung geltend. Er
hat eine am 6.5.2008 geborene Tochter. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die
insgesamt gezahlten Beträge in Höhe von 4.284 EUR
lediglich mit 1.379 EUR.
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Dem liegt folgende Berechnung
zugrunde:
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Einkünfte
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18.892 EUR
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Steuern
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8.587 EUR
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9.848 EUR,
davon 14 % = 1.379 EUR
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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob
der Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) aus den in EFG
2012, 328 = SIS 11 37 74 veröffentlichten Gründen als
unbegründet abwies.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG Sachsen vom 20.4.2011 2 K
1565/10 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2008 vom
7.1.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.8.2010
dahingehend abzuändern, dass Unterhaltsleistungen in Höhe
von 4.284 EUR als außergewöhnliche Belastung i.S. des
§ 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt
werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. 1. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG. Die vom FA vorgenommene
Berechnung der nach § 33a EStG abziehbaren
Unterhaltsleistungen auf der Grundlage der vom Kläger im
Streitjahr 2008 erzielten Einkünfte entspricht nicht den
Vorgaben des § 33a EStG.
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2. Erwachsen dem Steuerpflichtigen
Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen
oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich
unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die
Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen
bis zu 7.680 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der
Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1
EStG).
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a) Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG
vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich nach
dem Zivilrecht. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit
diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige
unterhaltsverpflichtet ist. Hierunter fällt nach § 1601
des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch die Mutter des
Klägers als Verwandte in gerader Linie. Nach der sog.
konkreten Betrachtungsweise setzt die Abziehbarkeit von Leistungen
des Steuerpflichtigen an dem Grunde nach unterhaltsberechtigte
Personen zudem voraus, dass die unterhaltene Person bedürftig
ist (§ 1602 BGB; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
5.5.2010 VI R 29/09, BFHE 230, 12, BStBl II 2011, 116 = SIS 10 23 01). Darüber hinaus ist § 1603 BGB zu beachten. Nach
dieser Vorschrift ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei
Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen
außerstande ist, den Unterhalt zu gewähren. Nach der
ständigen Rechtsprechung des BFH können daher
Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen nur dann als
zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche
Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen
Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem
nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel
zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben (BFH-Urteil vom
17.12.2009 VI R 64/08, BFHE 227, 491, BStBl II 2010, 343 = SIS 10 02 67). Die Opfergrenze ist lediglich auf Ehegatten und
minderjährige Kinder, mit denen der Steuerpflichtige alle ihm
verfügbaren Mittel teilen muss, sowie bei einer bestehenden
Haushaltsgemeinschaft mit der unterhaltenen Person
(sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft; BFH-Urteil in BFHE 227, 491,
BStBl II 2010, 343 = SIS 10 02 67) nicht anzuwenden.
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b) Die Berechnung des FA hält den
Vorgaben des § 33a EStG insoweit nicht Stand, als hinsichtlich
der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens lediglich auf
die im Streitjahr 2008 erzielten Einkünfte abgestellt
wird.
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Im Falle von Selbständigen, deren
Einkünfte naturgemäß stärkeren Schwankungen
unterliegen, ist der Berechnung der Unterhaltsleistungen nach
zivilrechtlichen Grundsätzen regelmäßig ein
längerer Zeitraum zugrunde zu legen (vgl. Urteil des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 2.6.2004 XII ZR 217/01, Zeitschrift
für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 2004, 1177 = SIS 04 37 92). Die durch das FA vorgenommene Berechnung berücksichtigt
dies nicht und legt die im streitigen Veranlagungszeitraum
erzielten Einkünfte zugrunde. Damit wird die zivilrechtliche
Unterhaltsverpflichtung insoweit im Steuerrecht nicht
nachvollzogen. Entsprechend kann es dazu kommen, dass in einem
Veranlagungszeitraum, in dem ein geringer Anteil der in mehreren
Jahren angefallenen Einkünfte erzielt wurde, gar kein oder nur
ein relativ geringer Betrag von Unterhaltszahlungen nach § 33a
EStG abziehbar wäre, obwohl zivilrechtlich aufgrund der
mehrjährigen Verrechnung tatsächlich ein deutlich
höherer Betrag zu zahlen war. Eine solche Vorgehensweise
entspricht nicht dem Zweck des § 33a EStG, der die
Berücksichtigung der konkreten Unterhaltsverpflichtung
verlangt. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die
Berechnung auf der Grundlage der von 2006 bis 2008 erzielten
Einkünfte vorzunehmen und dann auf das Kalenderjahr 2008 zu
beziehen ist.
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Der Notwendigkeit einer solchen Korrektur kann
nicht entgegengehalten werden, dass sich die Berechnungsweise
innerhalb eines Zeitraums von mehreren Jahren ausgleiche. Denn zu
einem steuerlichen Ausgleich kann es beispielsweise dann nicht mehr
kommen, wenn nur für ein Jahr eine Unterhaltsverpflichtung
besteht, weil der Unterhaltsempfänger nur in diesem Jahr keine
eigenen Einkünfte erzielt.
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3. Der vom FA vorgenommene Abzug der auch
andere Jahre als das Streitjahr betreffende Steuerzahlungen ist
nicht zu beanstanden. Denn auch die zivilrechtlichen Vorgaben zum
Abzug von Steuerzahlungen differenzieren grundsätzlich nicht
hinsichtlich des Jahres, das eine Steuerzahlung betrifft (vgl.
BGH-Urteil in FamRZ 2004, 1177).
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4. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die
Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückverwiesen. Die Feststellungen der Vorinstanz erlauben
keine abschließende Entscheidung des Streitfalls. Im zweiten
Rechtsgang wird das FG die nach § 33a EStG abziehbaren
Beträge auf der Grundlage des maßgeblichen Zeitraums
ermitteln.
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