1
|
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) lebte im Streitjahr (2005) mit Frau E in einer
eheähnlichen Gemeinschaft. Zum gemeinsamen Haushalt
gehörte auch das 2004 geborene gemeinsame Kind. Der
Kläger leistete an E Unterhalt in Höhe von 7.680 EUR. E
bezog im Streitjahr lediglich Lohnersatzleistungen von 253 EUR,
aber keine Sozialleistungen. Der Kläger erhielt einen
Bruttoarbeitslohn von 21.345 EUR, dazu 924 EUR Kindergeld sowie
eine Einkommensteuererstattung von 41 EUR. Er zahlte Lohnsteuer und
Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.465 EUR und den
Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe
von 4.388 EUR. Ihm entstanden Werbungskosten von 920 EUR. Der
danach verbleibende Nettobetrag betrug 14.537 EUR.
|
|
|
2
|
In seiner Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machte der Kläger die
Unterhaltsleistungen an E als außergewöhnliche Belastung
geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA
- ) berücksichtigte in der Einspruchsentscheidung lediglich
3.489 EUR und begründete dies damit, dass nach der sog.
Opfergrenze nur 24 % des Nettoeinkommens des Klägers abziehbar
seien.
|
|
|
3
|
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
(Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst 2009, 408).
|
|
|
4
|
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
5
|
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
6
|
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
7
|
II. Die Revision des FA ist teilweise
begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen
Urteils und zur teilweisen Stattgabe der Klage. Der Senat kann in
der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Recht hat das FG die
Unterhaltsleistungen des Klägers ohne Berücksichtigung
einer Opfergrenze als außergewöhnliche Belastung zum
Abzug zugelassen. Bei der gebotenen gleichmäßigen
Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel unter in einer
Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen ist allerdings der
Mindestunterhaltsbedarf des Kindes zu berücksichtigen.
|
|
|
8
|
1. Aufwendungen für den Unterhalt einer
gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich
unterhaltsberechtigten Person können nach § 33a Abs. 1
Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Antrag bis zu einem
bestimmten Betrag (im Streitjahr 7.680 EUR) vom Gesamtbetrag der
Einkünfte abgezogen werden. Den gesetzlich
unterhaltsberechtigten Personen ist nach § 33a Abs. 1 Satz 2
EStG eine Person gleichgestellt, wenn ihr zum Unterhalt bestimmte
inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die
Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29.5.2008 III R 23/07,
BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363 = SIS 08 36 19). Diese
Voraussetzungen sind hier, wie im angefochtenen Urteil
ausgeführt, gegeben.
|
|
|
9
|
2. Die sog. Opfergrenze ist auf
Unterhaltsleistungen an den in Haushaltsgemeinschaft lebenden
nichtehelichen Partner nicht anzuwenden.
|
|
|
10
|
a) Unterhaltsaufwendungen für andere als
gemäß § 1609 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorrangig
unterhaltsberechtigte Personen können nach der ständigen
Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen nur dann als
zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche
Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen
Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem
nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel
zur Bestreitung des Lebensbedarfs für sich sowie ggf. für
seine Ehefrau und seine Kinder verbleiben (sog. Opfergrenze; vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 30.6.1989 III R 258/83, BFHE 157, 422, BStBl II 1989, 1009 = SIS 89 19 01, m.w.N.). Denn nach § 1603
BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei
Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen
außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen
Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
|
|
|
11
|
b) Gegenüber den nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG gleichgestellten
Personen besteht grundsätzlich keine Unterhaltspflicht. Der
gesetzgeberische Grund der Gleichstellung in § 33a Abs. 1 EStG
liegt darin, dass der Unterhalt Leistende sich in einer
vergleichbaren - sittlichen, nicht rechtlichen - Zwangslage wie der
gesetzlich zum Unterhalt Verpflichtete befindet, wenn der
Unterhaltsbedürftige durch Versagung von Sozialleistungen de
facto auf das Einkommen seines Lebenspartners verwiesen wird.
|
|
|
12
|
Die der Opfergrenze zugrunde liegende Wertung
lässt sich aber auch auf sittliche Unterhaltsverpflichtungen
übertragen, denn grundsätzlich wird von niemandem
erwartet, den eigenen angemessenen Unterhalt durch dem Grunde nach
sittlich gebotene Unterhaltsleistungen zu gefährden.
|
|
|
13
|
Nach Auffassung des III. Senats des BFH ist
dies aber anders, wenn zusammen lebende Partner eine
sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft bilden und daher gemeinsam
wirtschaften müssen. Erzielt nur einer der Partner
Einkünfte oder Bezüge, so ist es - jedenfalls bei
Steuerpflichtigen in einfachen Verhältnissen - praktisch
unumgänglich, daraus die größten Ausgaben wie Miete
samt Nebenkosten, Nahrungsmittel und Kleidung für beide zu
begleichen. In derartigen Fällen wäre es, so der BFH,
auch sittlich nicht zu billigen, den bedürftigen Partner,
welchem mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen
öffentliche Mittel verweigert werden, nur unzureichend zu
unterstützen. Vielmehr ist in einem solchen Fall von der
gleichmäßigen Verteilung der zur Verfügung
stehenden Mittel zwischen dem verdienenden und dem bedürftigen
Partner auszugehen (BFH-Urteil in BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363
= SIS 08 36 19).
|
|
|
14
|
c) Nach dieser Rechtsprechung, der sich der
Senat anschließt, ist auch im Streitfall davon auszugehen,
dass der Kläger und E das ihnen gemeinsam zur Verfügung
stehende Nettoeinkommen gleichmäßig aufgeteilt haben. Da
hier aber, anders als im Fall des BFH-Urteils in BFHE 222, 250,
BStBl II 2009, 363 = SIS 08 36 19, ein gegenüber dem
Kläger gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB i.d.F.
des Streitjahrs bevorrechtigt unterhaltsberechtigtes Kind zur
Haushaltsgemeinschaft gehört, ist bei der Ermittlung des
verfügbaren Nettoeinkommens der Mindestunterhaltsbedarf dieses
Kindes in Abzug zu bringen.
|
|
|
15
|
Der Mindestunterhalt ist in Höhe des
doppelten Freibetrags für das sächliche Existenzminimum
des Kindes gemäß § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG (3.648
EUR) anzusetzen. Eine vergleichbare Regelung findet sich für
das zivilrechtliche Unterhaltsrecht in § 1612a Abs. 1 BGB in
der ab 1.1.2008 geltenden Fassung. Da erfahrungsgemäß
ältere Kinder höhere Kosten als jüngere Kinder
verursachen (vgl. dazu MünchKomm BGB/Born, 5. Aufl., §
1612a Rz 39), ist der Mindestunterhalt altersabhängig zu
gestalten. Insoweit kann die Altersstufenregelung in § 1612a
Abs. 1 Satz 3 BGB in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung entsprechend
herangezogen werden.
|
|
|
16
|
Dem verdienenden Partner muss auch kein
verfügbares Einkommen in Höhe des steuerrechtlichen
Existenzminimums verbleiben, da im Rahmen einer sozialrechtlichen
Bedarfsgemeinschaft das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen
gleichmäßig aufzuteilen ist. Insoweit folgt der Senat
nicht der Auffassung des III. Senats des BFH in BFHE 222, 250,
BStBl II 2009, 363 = SIS 08 36 19, die in jenem Fall im
Übrigen nicht entscheidungserheblich war.
|
|
|
17
|
3. Da das FG teilweise von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist das vorinstanzliche
Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in Gestalt der
Einspruchsentscheidung des FA ist dahingehend abzuändern, dass
außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 6.270 EUR
berücksichtigt werden:
|