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Keine Opfergrenze, aber Berücksichtigung des Kindesunterhalts bei Unterhalt an Lebensgefährtin

Keine Opfergrenze, aber Berücksichtigung des Kindesunterhalts bei Unterhalt an Lebensgefährtin: 1. Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen an seine mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebende, mittellose Lebenspartnerin sind ohne Berücksichtigung der sog. Opfergrenze als außergewöhnliche Belastung nach § 33 a Abs. 1 EStG abziehbar (Anschluss an BFH-Urteil vom 29.5.2008 III R 23/07, BFHE 222 S. 250, BStBl 2009 II S. 363 = SIS 08 36 19). - 2. Gehört der Haushaltsgemeinschaft ein unterhaltsberechtigtes Kind an, sind die für Unterhaltsleistungen zur Verfügung stehenden Mittel um den nach § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG bemessenen Mindestunterhaltsbedarf des Kindes zu kürzen. - 3. Der Mindestunterhalt ist in Höhe des doppelten Freibetrags für das sächliche Existenzminimum des Kindes anzusetzen. § 1612 a Abs. 1 Satz 3 BGB kommt entsprechend zur Anwendung. - Urt.; BFH 17.12.2009, VI R 64/08; SIS 10 02 67

Kapitel:
Privatbereich > Unterhaltsleistung
Fundstellen
  1. BFH 17.12.2009, VI R 64/08
    BStBl 2010 II S. 343
    NJW 2010 S. 1838
    LEXinform 0179491

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 24.3.2010
    ge in DStR 7/2010 S. 313
    -/- in NWB 8/2010 S. 572
    St.Sch. in BFH/PR 5/2010 S. 167
    W.B. in HFR 4/2010 S. 371
    erl in StuB 10/2010 S. 400
    N.B. in AktStR 3/2010 S. 409
Normen
[EStG] § 33 a Abs. 1
[BGB] § 1609, § 1603, § 1612 a Abs. 1, § 1615 l Abs. 3
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: Thüringer FG, 07.05.2008, SIS 09 03 91, Unterhalt, Opfergrenze, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, Rückwirkung
  • vor: Thüringer FG, 07.05.2008, SIS 09 03 91, Unterhalt, Opfergrenze, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, Rückwirkung
Zitiert in... / geändert durch...
  • BMF 6.4.2022, SIS 22 05 19, Allgemeine Hinweise zur Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen nach § 33 a Abs. 1 EStG als außergewö...
  • BFH 28.4.2020, SIS 20 11 43, Keine Kürzung des Unterhaltshöchstbetrags bei Unterhaltsleistungen an ein mit dem Lebensgefährten zusamme...
  • Sächsisches FG 15.8.2019, SIS 21 06 62, Unterhaltszahlungen an die nichteheliche Lebensgefährtin als außergewöhnliche Belastungen: 1. Unterhaltsz...
  • BFH 9.3.2017, SIS 17 09 93, Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags bei gleichgestellten Personen: Bei der Berechnung des Unterhaltshö...
  • BFH 28.4.2016, SIS 16 15 20, Berechnung nach § 33 a EStG abziehbarer Unterhaltsleistungen bei Selbständigen: 1. Bei Selbständigen und ...
  • FG des Saarlandes 5.4.2016, SIS 16 13 61, Unterhaltsaufwendungen gegenüber volljährigen Kindern bei Haushaltsgemeinschaft, Berechnung der Opfergren...
  • FG Köln 21.10.2015, SIS 16 08 13, Vorweggenommene Werbungskosten bei § 19 EStG bei vergeblichen Aufwendungen für den Erwerb einer Kapitalbe...
  • FG Baden-Württemberg 21.7.2015, SIS 17 17 28, Abzug von Unterhaltszahlungen an in Italien lebende Angehörige als außergewöhnliche Belastungen: 1. Unter...
  • Niedersächsisches FG 19.2.2015, SIS 16 13 66, Berücksichtigung von Vermögen bei der Opfergrenze nach § 33 a Abs. 1 EStG: Einsatzfähiges, nicht nur geri...
  • BFH 6.2.2014, SIS 14 18 41, Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags beim Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnlic...
  • Niedersächsisches FG 24.4.2012, SIS 12 18 41, Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung: 1. Zur Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen...
  • BFH 16.4.2012, SIS 12 21 49, Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen nach § 33 a EStG, Einkünfte und Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Sät...
  • BFH 28.3.2012, SIS 12 13 98, Berechnung nach § 33 a EStG abziehbarer Unterhaltsleistungen bei Selbständigen: 1. Die Berechnung der nac...
  • FG Hamburg 26.1.2012, SIS 14 06 10, Berechnung der abzugsfähigen Unterhaltsaufwendungen einer den Unterhaltsberechtigten gleichgestellten Per...
  • BMF 7.6.2010, SIS 10 14 86, Außergewöhnliche Belastung, Unterhaltsaufwendungen: Das Bundesfinanzministerium hat allgemeine Hinweise z...
Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

 

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebte im Streitjahr (2005) mit Frau E in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Zum gemeinsamen Haushalt gehörte auch das 2004 geborene gemeinsame Kind. Der Kläger leistete an E Unterhalt in Höhe von 7.680 EUR. E bezog im Streitjahr lediglich Lohnersatzleistungen von 253 EUR, aber keine Sozialleistungen. Der Kläger erhielt einen Bruttoarbeitslohn von 21.345 EUR, dazu 924 EUR Kindergeld sowie eine Einkommensteuererstattung von 41 EUR. Er zahlte Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.465 EUR und den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von 4.388 EUR. Ihm entstanden Werbungskosten von 920 EUR. Der danach verbleibende Nettobetrag betrug 14.537 EUR.

 

 

2

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die Unterhaltsleistungen an E als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte in der Einspruchsentscheidung lediglich 3.489 EUR und begründete dies damit, dass nach der sog. Opfergrenze nur 24 % des Nettoeinkommens des Klägers abziehbar seien.

 

 

3

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst 2009, 408).

 

 

4

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

5

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

6

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

7

II. Die Revision des FA ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur teilweisen Stattgabe der Klage. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Recht hat das FG die Unterhaltsleistungen des Klägers ohne Berücksichtigung einer Opfergrenze als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen. Bei der gebotenen gleichmäßigen Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel unter in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen ist allerdings der Mindestunterhaltsbedarf des Kindes zu berücksichtigen.

 

 

8

1. Aufwendungen für den Unterhalt einer gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigten Person können nach § 33a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Antrag bis zu einem bestimmten Betrag (im Streitjahr 7.680 EUR) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen ist nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG eine Person gleichgestellt, wenn ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29.5.2008 III R 23/07, BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363 = SIS 08 36 19). Diese Voraussetzungen sind hier, wie im angefochtenen Urteil ausgeführt, gegeben.

 

 

9

2. Die sog. Opfergrenze ist auf Unterhaltsleistungen an den in Haushaltsgemeinschaft lebenden nichtehelichen Partner nicht anzuwenden.

 

 

10

a) Unterhaltsaufwendungen für andere als gemäß § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorrangig unterhaltsberechtigte Personen können nach der ständigen Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs für sich sowie ggf. für seine Ehefrau und seine Kinder verbleiben (sog. Opfergrenze; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30.6.1989 III R 258/83, BFHE 157, 422, BStBl II 1989, 1009 = SIS 89 19 01, m.w.N.). Denn nach § 1603 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

 

 

11

b) Gegenüber den nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG gleichgestellten Personen besteht grundsätzlich keine Unterhaltspflicht. Der gesetzgeberische Grund der Gleichstellung in § 33a Abs. 1 EStG liegt darin, dass der Unterhalt Leistende sich in einer vergleichbaren - sittlichen, nicht rechtlichen - Zwangslage wie der gesetzlich zum Unterhalt Verpflichtete befindet, wenn der Unterhaltsbedürftige durch Versagung von Sozialleistungen de facto auf das Einkommen seines Lebenspartners verwiesen wird.

 

 

12

Die der Opfergrenze zugrunde liegende Wertung lässt sich aber auch auf sittliche Unterhaltsverpflichtungen übertragen, denn grundsätzlich wird von niemandem erwartet, den eigenen angemessenen Unterhalt durch dem Grunde nach sittlich gebotene Unterhaltsleistungen zu gefährden.

 

 

13

Nach Auffassung des III. Senats des BFH ist dies aber anders, wenn zusammen lebende Partner eine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft bilden und daher gemeinsam wirtschaften müssen. Erzielt nur einer der Partner Einkünfte oder Bezüge, so ist es - jedenfalls bei Steuerpflichtigen in einfachen Verhältnissen - praktisch unumgänglich, daraus die größten Ausgaben wie Miete samt Nebenkosten, Nahrungsmittel und Kleidung für beide zu begleichen. In derartigen Fällen wäre es, so der BFH, auch sittlich nicht zu billigen, den bedürftigen Partner, welchem mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen öffentliche Mittel verweigert werden, nur unzureichend zu unterstützen. Vielmehr ist in einem solchen Fall von der gleichmäßigen Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel zwischen dem verdienenden und dem bedürftigen Partner auszugehen (BFH-Urteil in BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363 = SIS 08 36 19).

 

 

14

c) Nach dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass der Kläger und E das ihnen gemeinsam zur Verfügung stehende Nettoeinkommen gleichmäßig aufgeteilt haben. Da hier aber, anders als im Fall des BFH-Urteils in BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363 = SIS 08 36 19, ein gegenüber dem Kläger gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB i.d.F. des Streitjahrs bevorrechtigt unterhaltsberechtigtes Kind zur Haushaltsgemeinschaft gehört, ist bei der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens der Mindestunterhaltsbedarf dieses Kindes in Abzug zu bringen.

 

 

15

Der Mindestunterhalt ist in Höhe des doppelten Freibetrags für das sächliche Existenzminimum des Kindes gemäß § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG (3.648 EUR) anzusetzen. Eine vergleichbare Regelung findet sich für das zivilrechtliche Unterhaltsrecht in § 1612a Abs. 1 BGB in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung. Da erfahrungsgemäß ältere Kinder höhere Kosten als jüngere Kinder verursachen (vgl. dazu MünchKomm BGB/Born, 5. Aufl., § 1612a Rz 39), ist der Mindestunterhalt altersabhängig zu gestalten. Insoweit kann die Altersstufenregelung in § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung entsprechend herangezogen werden.

 

 

16

Dem verdienenden Partner muss auch kein verfügbares Einkommen in Höhe des steuerrechtlichen Existenzminimums verbleiben, da im Rahmen einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen gleichmäßig aufzuteilen ist. Insoweit folgt der Senat nicht der Auffassung des III. Senats des BFH in BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363 = SIS 08 36 19, die in jenem Fall im Übrigen nicht entscheidungserheblich war.

 

 

17

3. Da das FG teilweise von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist das vorinstanzliche Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in Gestalt der Einspruchsentscheidung des FA ist dahingehend abzuändern, dass außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 6.270 EUR berücksichtigt werden:

 

18

Dem Kläger zur Verfügung stehende Mittel:

14.537 EUR

 

E zur Verfügung stehende Mittel: (Kindergeld und Lohnersatzleistung)

1.177 EUR

 

Summe:

15.714 EUR

 

abzüglich Mindestunterhalt Kind: (87 % von 3.648 EUR)

3.174 EUR

 

Summe:

12.540 EUR

 

aufgeteilt auf Kläger und E je

6.270 EUR

 

19

4. Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 FGO).

 

Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

Mit dieser Methode weicht der BFH von der Berechnung in dem o.a. Urteil v. 29.5.2008, III R 23/07 (BStBl 2009 II S. 363 = SIS 08 36 19) insoweit ab, als er – anders als in dem vorgenannten Urteil – nicht mehr davon ausgeht, dem Steuerpflichtigen müsse jedenfalls ein verfügbares Einkommen in Höhe des steuerrechtlichen Existenzminimums verbleiben. Denn im Rahmen einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft ist das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen gleichmäßig aufzuteilen. Bei der Bemessung des Kindsbedarfs orientiert sich der BFH an der vorrangigen Unterhaltsberechtigung nach § 1612 a Abs. 1 BGB n.F. Diese Anknüpfung erscheint sachgerecht und verdient den Vorzug vor einer pauschalen Verteilung nach Köpfen.