1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden im Streitjahr (1997) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist, ob die
Veräußerung der Anteile an der „R-GmbH“ und
der „O-GmbH“ seitens der Klägerin gemäß
§ 17 des Einkommensteuergesetzes in der für das
Streitjahr geltenden Fassung (EStG) steuerbar ist und ggf. in
welcher Höhe ein Veräußerungsgewinn entstanden
ist.
|
|
|
2
|
Am Stammkapital der R-GmbH (500.000
DM) war der Kläger ursprünglich zu 100 % beteiligt. Am
27.12.1994 unterzeichneten die Kläger folgende notariell
beurkundete Vereinbarungen:
|
|
|
3
|
- Mit
Geschäftsanteilsübertragungsvertrag UR-Nr. ...1/94
veräußerte der Kläger - als mit
Geschäftsanteilen von 500.000 DM beteiligter
Alleingesellschafter - der Klägerin für 252.000 DM
Geschäftsanteile in derselben Höhe (Abtretung mit
„sofortiger dinglicher Wirkung“ und „insbesondere
auch mit dem anteiligen Gewinnbezugsrecht ab 1.1.1995“). Der
Kaufpreis war fällig und zahlbar bis zum 30.12.1994.
|
|
|
4
|
- Mit
Geschäftsanteilsübertragungsvertrag UR-Nr. ...2/94
veräußerte der Kläger - als mit
Geschäftsanteilen von 248.000 DM beteiligter Gesellschafter -
der Familienbeteiligungsgesellschaft, bestehend aus dem Kläger
mit einer Beteiligung von 10 % und seinen zwei Töchtern,
beteiligt zu je 45 %, für 52.000 DM Geschäftsanteile in
derselben Höhe (Abtretung mit „sofortiger dinglicher
Wirkung“ und „insbesondere auch mit dem anteiligen
Gewinnbezugsrecht ab 1.1.1995“). Der Kaufpreis war
fällig und zahlbar bis zum 30.12.1994.
|
|
|
5
|
- Lt. UR-Nr. ...3/94 wurde das Stammkapital
der R-GmbH um 508.000 DM auf 1.008.000 DM erhöht. Die
Gesellschafter (Kläger, Klägerin,
Familienbeteiligungsgesellschaft) hielten eine
Gesellschafterversammlung ab. Das Stammkapital betrug 500.000 DM,
eingeteilt in Stammeinlagen in Höhe von 196.000 DM
(Kläger), 252.000 DM (Klägerin) und 52.000 DM
(Familienbeteiligungsgesellschaft). Letztere übernahm auch die
neu gebildete Stammeinlage (508.000 DM). Die Erhöhung der
Stammeinlage wurde zur Eintragung in das Handelsregister
angemeldet.
|
|
|
6
|
- Lt. UR-Nr. ...4/94 unterbreitete die
Klägerin (Inhaberin einer Stammeinlage in Höhe von
252.000 DM) der Familienbeteiligungsgesellschaft ein
unwiderrufliches Angebot auf unentgeltliche
Rückübertragung der Stammeinlage in Höhe von 252.000
DM.
|
|
|
7
|
Die Kapitalerhöhung wurde im Januar
1995 ins Handelsregister eingetragen. Mit Vertrag vom 10.12.1997
wurden sämtliche Anteile an der R-GmbH mit Wirkung zum Ablauf
des 31.12.1997 für 4.000.000 DM veräußert.
|
|
|
8
|
Der Kläger war am Stammkapital der
O-GmbH in Höhe von 475.000 DM mit einem Anteil in
Höhe von 216.000 DM (= 45,47 %) beteiligt. Dafür hatte er
Anschaffungskosten einschließlich Nebenkosten in Höhe
von 277.500 DM aufgewendet.
|
|
|
9
|
Mit Vertrag vom 8.12.1988
veräußerte der Kläger von seinem
Geschäftsanteil an der O-GmbH in Höhe von 216.000 DM
einen Geschäftsanteil in Höhe von 111.500 DM an die
Familienbeteiligungsgesellschaft, an der er zu 10 % und seine
beiden Töchter zu je 45 % beteiligt waren.
|
|
|
10
|
Mit Vertrag vom 2.7.1991 erwarb die
Klägerin von Dritten einen Geschäftsanteil in Höhe
von 118.700 DM. Die R-GmbH erwarb mit Vertrag vom gleichen Tag die
restlichen Anteile an der O-GmbH in Höhe von 140.300 DM von
Dritten.
|
|
|
11
|
Am 27.12.1994 folgten folgende die O-GmbH
betreffende Vereinbarungen:
|
|
|
12
|
- Mit
Geschäftsanteilsübertragungsvertrag UR-Nr. ...5/94
veräußerte der Kläger - als mit
Geschäftsanteilen von 104.500 DM beteiligter Gesellschafter -
der Klägerin für 2.800 DM Geschäftsanteile in
derselben Höhe (Abtretung mit „sofortiger dinglicher
Wirkung“ und „insbesondere auch mit dem anteiligen
Gewinnbezugsrecht ab 1.1.1995“). Der Kaufpreis war
fällig und zahlbar bis zum 30.12.1994.
|
|
|
13
|
- Mit
Geschäftsanteilsübertragungsvertrag UR-Nr. ...6/94
veräußerte der Kläger - als mit
Geschäftsanteilen von 101.700 DM beteiligter Gesellschafter -
der Familienbeteiligungsgesellschaft, bestehend aus dem Kläger
und seinen zwei Töchtern für 7.200 DM
Geschäftsanteile in derselben Höhe (Abtretung mit
„sofortiger dinglicher Wirkung“ und „insbesondere
auch mit dem anteiligen Gewinnbezugsrecht ab 1.1.1995“). Der
Kaufpreis war „fällig und zahlbar bis zum
30.12.1994“.
|
|
|
14
|
- Mit
Geschäftsanteilsübertragungsvertrag UR-Nr.
„...7/94“ veräußerte die R-GmbH - als mit
Geschäftsanteilen von 140.300 DM beteiligter Gesellschafter -
der Familienbeteiligungsgesellschaft, bestehend aus dem Kläger
und seinen zwei Töchtern für 187.000 DM sämtliche
ihr gehörenden Geschäftsanteile (Abtretung mit
„sofortiger dinglicher Wirkung“ und „insbesondere
auch mit dem Gewinnbezugsrecht mit Wirkung für alle noch nicht
ausgeschütteten Gewinne“). Der Kaufpreis war
„fällig und zahlbar bis zum 30.12.1994“.
|
|
|
15
|
- Lt. UR-Nr. „...8/1994“ wurde
das Stammkapital um 11.000 DM auf 486.000 DM erhöht. An der
O-GmbH waren lt. Urkunde allein der Kläger, die Klägerin
und die Familienbeteiligungsgesellschaft, diese vertreten durch den
Kläger, beteiligt. Es wurde eine Gesellschafterversammlung
abgehalten. Die neu gebildete Stammeinlage in Höhe von 11.000
DM wurde von der Familienbeteiligungsgesellschaft übernommen.
Unter Berücksichtigung der beschlossenen Kapitalerhöhung
war das Stammkapital wie folgt verteilt: 94.500 DM, gehalten vom
Kläger, 121.500 DM, gehalten von der Klägerin, und
270.000 DM, gehalten von der
Familienbeteiligungsgesellschaft.
|
|
|
16
|
Die Kapitalerhöhung wurde im März
1995 ins Handelsregister eingetragen. Sämtliche Anteile an der
O-GmbH wurden mit Vertrag vom 10.12.1997 mit Wirkung zum Ablauf des
31.12.1997 für 16.500.000 DM veräußert. Die
Kläger gingen davon aus, dass die Klägerin wegen dieses
Sachverhaltes keinen und der Kläger einen Gewinn in Höhe
von 483.570 DM zu versteuern habe.
|
|
|
17
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte bei der Einkommensteuerfestsetzung
für das Streitjahr auch für die Klägerin einen
Veräußerungsgewinn an, weil sie innerhalb der letzten
fünf Jahre mit mehr als 25 % an beiden Gesellschaften
beteiligt gewesen sei; ihre Beteiligungsquote sei erst infolge der
Kapitalerhöhung wieder auf 25 % gesunken.
|
|
|
18
|
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Im
Klageverfahren haben die Kläger - unwidersprochen -
vorgetragen, sämtliche notariell beurkundeten
Übertragungen hätten dazu gedient, die
Unternehmensbeteiligungen zwischen dem Kläger, der
Klägerin und den beiden Töchtern so zu verteilen, dass
jeder im Ergebnis mit 25 % beteiligt sei. Die Urkundenrollennummern
ließen keinen Rückschluss auf die Reihenfolge der
Unterzeichnung zu, denn die Urkunden seien von allen Beteiligten im
Notariat in willkürlicher Abfolge unterschrieben worden; die
Nummern seien erst im Nachhinein durch die Notariatsangestellten
eingefügt worden. Ein Gewinnbezugsrecht für Anteile von
mehr als 25 % habe der Klägerin nie zugestanden.
|
|
|
19
|
Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem
in EFG 2011, 961 = SIS 11 14 08 veröffentlichten Urteil, dass
das FA zu Recht davon ausgegangen sei, die Klägerin habe einen
Gewinn i.S. von § 17 EStG aus der Veräußerung der
Beteiligungen an der R-GmbH und der O-GmbH erzielt.
|
|
|
20
|
Die Klägerin habe aufgrund des
Vertrages UR-Nr. ...1/94 vom Kläger eine Beteiligung in
Höhe von 50,40 % an der R-GmbH erworben und vor Ablauf
von fünf Jahren am 10.12.1997 weiter veräußert. Die
Klägerin habe weiter aufgrund des Vertrages UR-Nr. ...5/94 vom
Kläger zu ihrer in diesem Zeitpunkt bereits bestehenden
unmittelbaren Beteiligung an der O-GmbH in Höhe von
24,99 % einen Geschäftsanteil in Höhe von 2.800 DM, d.h.
0,59 % des Kapitals hinzuerworben und sei danach mit 25,58 %
unmittelbar am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt gewesen.
Diese Anteile habe sie vor Ablauf von fünf Jahren am
10.12.1997 weiter veräußert.
|
|
|
21
|
Dass die Klägerin aufgrund der
Kapitalerhöhung nur noch mit 25 % beteiligt gewesen sei,
führe nicht dazu, dass kein Veräußerungsgewinn zu
erfassen sei; denn eine wesentliche Beteiligung des
Veräußerers müsse nur zu irgendeinem Zeitpunkt
innerhalb der letzten fünf Jahre vor der
Anteilsveräußerung bestanden haben, nicht notwendig noch
bei der Veräußerung.
|
|
|
22
|
Dem Erwerb einer wesentlichen Beteiligung
seitens der Klägerin am 27.12.1994 stehe nicht entgegen, dass
die Kapitalerhöhung an demselben Tag beschlossen worden sei
und nicht mehr festgestellt werden könne, in welcher
Reihenfolge die Urkunden unterzeichnet worden seien, insbesondere
deren Nummerierung willkürlich und erst nach Leistung der
Unterschriften erfolgt sei. Die Reihenfolge der Unterzeichnungen
sei unmaßgeblich, weil aus den Verträgen selbst
hervorgehe, in welcher Reihenfolge die Geschäfte nach dem
Willen aller Beteiligten abgewickelt worden seien, dass die Anteile
in Erfüllung des Geschäftes auch jeweils „mit
sofortiger dinglicher Wirkung“ abgetreten worden seien und
dass die Kapitalerhöhungen den Anteilsübertragungen
sofort nachfolgen sollten:
|
|
|
23
|
Es sei unerheblich, dass nach dem
Gesamtplan die Beteiligungshöhe der Klägerin infolge der
ebenfalls am 27.12.1994 beschlossenen Kapitalerhöhungen wieder
unter die Wesentlichkeitsschwelle von 25 % abgesenkt werden sollte.
Bei einer Kapitalerhöhung, die - wie im Streitfall - zu einer
Veränderung der bisherigen Beteiligungsquoten führe,
seien die neuen Beteiligungsverhältnisse grundsätzlich
erst ab dem Zeitpunkt maßgeblich, an dem die Erhöhung
des Stammkapitals durch Eintragung der entsprechenden
Satzungsänderung gemäß § 54 des Gesetzes
über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung wirksam
werde. Bis zur Eintragung sei die Klägerin daher an der R-GmbH
und an der O-GmbH mit mehr als 25 % am Stammkapital und damit
wesentlich beteiligt gewesen.
|
|
|
24
|
Zudem sei die Klägerin nicht nur
zivilrechtlich, sondern auch wirtschaftlich i.S. von § 39 der
Abgabenordnung (AO) Inhaberin der von ihr erworbenen Anteile
gewesen. Es sei kein Umstand ersichtlich, der zu einer von
Zivilrecht abweichenden Zurechnung führen könnte. Dass
alle an den Übertragungsvorgängen Beteiligten eine
wesentliche Beteiligung der Klägerin hätten vermeiden
wollen, führe zu keiner anderen Beurteilung. Es komme allein
darauf an, dass zivilrechtlich - wenn auch nur für eine
juristische Sekunde als Durchgangserwerb - eine Beteiligung von
mehr als einem Viertel bestanden habe.
|
|
|
25
|
Hiergegen richtet sich die Revision der
Kläger, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts
(§ 17 Abs. 1 EStG) rügen. Nach den Vorstellungen aller
Beteiligten im Beurkundungstermin am 27.12.1994 habe bei
Unterzeichnung der notariellen Urkunden kein Gesellschafter zu
irgendeinem Zeitpunkt zu mehr als 25 % an den Gesellschaften
beteiligt sein können. Die einzelnen Rechtsakte, die in den
notariellen Urkunden vom 27.12.1994 umgesetzt und von den
Klägern beherrscht worden seien, seien nur vor dem Hintergrund
des gesamtplanmäßig angestrebten (End-)Ergebnisses einer
Quartettbeteiligung wirtschaftlich sinnvoll und
verständlich.
|
|
|
26
|
Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG und die Einspruchsentscheidung des FA vom 22.2.2008 aufzuheben
und die Einkommensteuer unter Änderung des
Einkommensteuerbescheides für 1997 vom 12.6.2002 dahingehend
herabzusetzen, dass für die Klägerin keine Einkünfte
aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG erfasst werden,
|
|
hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben
und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
FG zurückzuverweisen.
|
|
|
27
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
28
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur
Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Unrecht ist das FG von einer
wesentlichen Beteiligung der Klägerin i.S. von § 17 Abs.
1 EStG an der R-GmbH und der O-GmbH ausgegangen und hat den Gewinn
aus der Veräußerung der Geschäftsanteile der
Klägerin der Besteuerung unterworfen.
|
|
|
29
|
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG
gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der
Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der
letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich
beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen
gehalten hat.
|
|
|
30
|
Eine solche Beteiligung ist gegeben, wenn der
Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als 25 %
unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4
EStG). Die für die Besteuerung maßgebliche
Anteilshöhe bestimmt sich nach der im Zeitpunkt der
Veräußerung geltenden Gesetzeslage (s. Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.11.2004 VIII B 129/04, BFH/NV 2005,
540 = SIS 05 15 86; BFH-Urteil vom 9.10.2008 IX R 73/06, BFHE 223,
145, BStBl II 2009, 140 = SIS 08 44 63, unter II.2.).
|
|
|
31
|
Eine Veräußerung i.S. von § 17
EStG wird mit der entgeltlichen Übertragung des Eigentums
durch den Veräußerer auf den Erwerber verwirklicht
(ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil in BFHE 223, 145,
BStBl II 2009, 140 = SIS 08 44 63, unter II.2.). Notwendige und
hinreichende Voraussetzung für die Zurechnung einer
(weiterveräußerten) Beteiligung i.S. des § 17 EStG
ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum (vgl. BFH-Urteile vom
22.7.2008 IX R 61/05, BFH/NV 2008, 2004 = SIS 08 41 28; vom
17.2.2004 VIII R 26/01, BFHE 205, 204, BStBl II 2004, 651 = SIS 04 22 01, m.w.N.). Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist die
Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers dadurch
gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im
Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der
Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen
kann. Ihm muss also auch der wirtschaftliche Erfolg aus der
(Weiter-)Veräußerung gebühren (vgl. BFH-Urteile vom
7.7.1992 VIII R 54/88, BFHE 169, 49, BStBl II 1993, 331 = SIS 92 22 25, unter 1.; vom 16.5.1995 VIII R 33/94, BFHE 178, 197, BStBl II
1995, 870 = SIS 95 23 06, unter II.1.a ee; vom 18.5.2005 VIII R
34/01, BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857 = SIS 05 44 63, unter
II.1.c cc).
|
|
|
32
|
Das wirtschaftliche Eigentum an einem
Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über
(§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO), wenn der Käufer des Anteils
|
|
(1) aufgrund eines
(bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine
rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete
Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr
entzogen werden kann, und
|
|
(2) die mit dem Anteil verbundenen
wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte (insbesondere
Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie
|
|
(3) Risiko und Chance von
Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind (vgl.
BFH-Urteile vom 11.7.2006 VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl II
2007, 296 = SIS 06 45 71, m.w.N.; in BFHE 223, 145, BStBl II 2009,
140 = SIS 08 44 63, unter II.2.). Danach erlangt wirtschaftliches
Eigentum, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der
Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und
Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht)
ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857 = SIS 05 44 63;
vom 8.11.2005 VIII R 11/02, BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253 = SIS 06 03 71; in BFH/NV 2008, 2004 = SIS 08 41 28).
|
|
|
33
|
Der Übergang des wirtschaftlichen
Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen
Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Eine von
der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines
Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die
vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang
erfüllt sind. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung
des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder
formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte
und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (vgl. BFH-Urteile
in BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296 = SIS 06 45 71; in BFHE 223,
145, BStBl II 2009, 140 = SIS 08 44 63, unter II.2., m.w.N.).
|
|
|
34
|
2. Diesen Grundsätzen entspricht die
Vorentscheidung nicht, sie ist daher aufzuheben. Die Klägerin
war innerhalb der letzten fünf Jahre weder am Kapital der
R-GmbH noch am Kapital der O-GmbH wesentlich i.S. des § 17
Abs. 1 EStG beteiligt, so dass der Gewinn aus der
Veräußerung ihrer GmbH-Anteile nicht der Besteuerung
unterliegt.
|
|
|
35
|
Die Klägerin hat vor den
Kapitalerhöhungen der streitbefangenen Gesellschaften keine
tatsächliche Verfügungsbefugnis über eine
Beteiligung von über 25 % erworben. Vielmehr wurde am
27.12.1994 in Gestalt der Anteilsübertragungen und
Kapitalerhöhungen betreffend die R-GmbH und die O-GmbH von
vorneherein ein endgültiger Anteilserwerb der Klägerin
von 25 % vereinbart. Die insoweit abweichende Vertragsauslegung des
FG bindet den Senat nicht (§ 118 Abs. 2 FGO), da sie in ihrer
rein formalen Orientierung am Wortlaut der Verträge ohne
Berücksichtigung der Gesamtumstände der
Vertragsschlüsse anerkannte Regeln der Vertragsauslegung
(§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) verletzt
(vgl. BFH-Urteil vom 9.12.2009 X R 41/07, BFH/NV 2010, 860 = SIS 10 11 86, unter II.3.b).
|
|
|
36
|
Die Klägerin hatte zu keinem realen
Zeitpunkt die tatsächliche Möglichkeit, aus einer
wesentlichen Beteiligung von über 25 % resultierende Rechte -
jenseits der Mitwirkung an der jeweiligen Kapitalerhöhung -
auszuüben oder gar im Konfliktfall effektiv durchzusetzen.
Während des Abschlusses der Vereinbarungen vom 27.12.1994
bestand die Position der Klägerin allein in der im Rahmen der
vertraglichen Gesamtkonzeption vorgesehenen und insoweit gebundenen
Mitwirkung an der Herstellung der vorweg vereinbarten
Gesellschaftsstruktur unter Reduzierung der eigenen
Beteiligungsquote. Die aus ihrer Beteiligung im Vorfeld der
Kapitalerhöhungen resultierenden Verwaltungsrechte konnte die
Klägerin ausschließlich in Gestalt einer entsprechend
gebundenen Stimmrechtsausübung wahrnehmen. Die an den
Verträgen vom 27.12.1994 Beteiligten unterzeichneten diese als
Teilakte eines von vornherein klaren Gesamtvertragskonzepts,
nämlich jeder Partei genau 25 % der Anteile an den beiden
Gesellschaften zu verschaffen. Für die tatsächliche
Wahrnehmung von vermögensrechtlichen Ansprüchen aus einer
Beteiligung von über 25 % ließ die konkrete
Vertragsgestaltung keinerlei Raum (vgl. BFH-Urteil vom 25.5.2011 IX
R 23/10, BFH/NV 2011, 1935 = SIS 11 30 83).
|
|
|
37
|
Dies gilt auch für die Zeit zwischen dem
27.12.1994 und der Eintragung der Kapitalerhöhungen ins
Handelsregister im Januar (R-GmbH) bzw. 3.1995 (O-GmbH). Auch die
Übertragung des jeweiligen Gewinnbezugsrechts in den einzelnen
Anteilsübertragungen ist Bestandteil des
Gesamtvertragskonzepts, das durch die Einzelverträge am
27.12.1994 verwirklicht wurde. Danach sind auch die
Übertragungen - vor dem Hintergrund des wirtschaftlich
Gewollten - nur so auszulegen, dass die Klägerin ein
Gewinnbezugsrecht lediglich in Höhe von 25 % übertragen
bekommen sollte. Auf den Zeitpunkt der Eintragung der
Kapitalerhöhung kommt es danach nicht an. Soweit die
frühere Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 14.3.2006 VIII R 49/04,
BFHE 213, 307, BStBl II 2006, 746 = SIS 06 35 39) in vergleichbaren
Zusammenhängen formal-rechtlichen Aspekten ein noch
stärkeres Gewicht beigemessen hat, hält der Senat daran
nicht mehr fest (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1935 = SIS 11 30 83).
|
|
|
38
|
3. Die Sache ist spruchreif; der Klage ist
stattzugeben.
|