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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erwarb mit einheitlichem notariellem Vertrag vom
16./17.7.1999 mit sofortiger Wirkung zunächst einen
Geschäftsanteil von 12,6 % an der K GmbH von der H GmbH. Das
Stammkapital der K GmbH betrug 25.565 EUR (50.000 DM). Die H GmbH -
seit Gründung der K GmbH am 4.12.1996 alleinige
Gesellschafterin - splittete ihre Beteiligung in einen Anteil zu
9.458,90 EUR (18.500 DM) und je fünf Anteile zu 3.221,14 EUR
(6.300 DM), von denen der Kläger einen und die H GmbH selbst
ebenfalls einen erhielt. Nach diesem Vertrag hielten die
„Erschienenen“ - darunter auch der Kläger bzw.
sein Stellvertreter - sodann unter Verzicht auf alle Frist- und
Formvorschriften eine Gesellschafterversammlung der K GmbH ab und
beschlossen eine Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft
auf 24.000.000 EUR. Damit verminderte sich die Beteiligung des
Klägers auf 0,0208 %. Der Kläger wurde als einer von drei
Geschäftsführern bestellt. Erst dann wurde der Vertrag
von den Vertragsparteien unterzeichnet und notariell
beurkundet.
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Am 22.8.2000 veräußerte der
Kläger seinen Gesellschaftsanteil für 1.533.875 EUR
(3.000.000 DM). Der Veräußerungsgewinn betrug 1.528.875
EUR (2.990.220 DM)/Veräußerungspreis 1.533.875 EUR
(3.000.000 DM) ./. Anschaffungskosten 5.000 EUR (9.780 DM). Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) besteuerte
diesen Gewinn nach § 17 des Einkommensteuergesetzes in der im
Streitjahr maßgebenden Fassung (EStG). Der Einspruch hatte
keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
seinem in EFG 2010, 1499 = SIS 10 24 50 veröffentlichten
Urteil ab. Insbesondere sei der Kläger an der K GmbH
wesentlich, d.h. zu mindestens 10 % i.S. des § 17 Abs. 1
Sätze 1 und 4 EStG beteiligt gewesen. Die Übertragung
eines Gesellschaftsanteils in Höhe von 3.221,14 EUR (6.300 DM)
an der K GmbH mit einem Stammkapital von 25.565 EUR (50.000 DM) sei
zivilrechtlich wie auch steuerrechtlich wirksam gewesen.
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Hiergegen richtet sich die Revision des
Klägers, mit der dieser die Verletzung materiellen Rechts
(§ 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1
Satz 1 der Abgabenordnung - AO - ) rügt. Der Kläger habe
zu keinem Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum i.S. des § 39
Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO an einer 12,6 %igen Beteiligung an dem
Stammkapital der K GmbH innegehabt.
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Der Kläger habe die Beteiligung in
Höhe von 12,6 % von Seiten der ehemaligen Alleininhaberin
sämtlicher Geschäftsanteile, der H GmbH, nur zu dem Zweck
erhalten, um in der unmittelbar anschließend folgenden
Gesellschafterversammlung an der Herstellung der von Anfang an
zwischen den Geschäftspartnern verabredeten
Gesellschaftsstruktur mitzuwirken. Es habe auch von Anfang an
festgestanden, dass der Kläger keine vermögensrechtlichen
Ansprüche aus dieser Beteiligung in Höhe von 12,6 %
würde geltend machen können.
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Der gesamte Beurkundungsvorgang sei unter
der Prämisse des Joint Venture Agreements gestanden, die
Herstellung der von den Geschäftspartnern verabredeten
gesellschaftsrechtlichen Strukturen zu bewerkstelligen. Die beiden
Hauptgesellschafter hätten es aufgrund der Einheitlichkeit des
Beurkundungsvorgangs in der Hand gehabt, die Einhaltung der
„Spielregeln“ bis zur abschließenden
Unterzeichnung der Urkunde sowie bis zu der notariellen Beurkundung
zu kontrollieren. Die Geschäftsanteilsübertragung auf den
Kläger sei erst nach abschließender Unterzeichnung der
Urkunde und der notariellen Beurkundung, also nach der
vollständigen Umsetzung des verabredeten Konzepts, wirksam
geworden. Hätte der Kläger sein Stimmrecht in der
Gesellschafterversammlung nicht wie von Anfang an verabredet
ausgeübt, wäre die Unterzeichnung der Urkunde und die
erforderliche notarielle Beurkundung unterblieben.
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Auch unter Berücksichtigung der
Gesamtplanrechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne
vorliegend nicht von einer wesentlichen Beteiligung i.S. des §
17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG ausgegangen werden.
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Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2000 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 18.2.2003, zuletzt geändert durch
den Einkommensteuerbescheid vom 19.12.2003, mit der Maßgabe
zu ändern, dass der aus der Veräußerung der
Geschäftsanteile an der GmbH erzielte Gewinn in Höhe von
2.990.220 DM (1.528.875 EUR) keine Berücksichtigung
findet.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Nach der tatrichterlichen
Überzeugungsbildung sei der Gewinn aus der
Veräußerung des Geschäftsanteils an der K GmbH zu
Recht als Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG
erfasst worden. Dass der Kläger auch wirtschaftlich über
seine Beteiligung verfügte, indem erst nach dem Erwerb seiner
wesentlichen Beteiligung an einer Gesellschafterversammlung
teilgenommen habe und dabei in dieser Gesellschafterfunktion die
Kapitalerhöhung mit beschlossen habe, ergebe sich aus dem
insoweit ebenfalls unstrittigen Sachverhalt.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur
Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung). Zu Unrecht ist das FG von einer
wesentlichen Beteiligung des Klägers i.S. von § 17 Abs. 1
EStG an der K GmbH ausgegangen und hat den Gewinn aus der
Veräußerung des Geschäftsanteils des Klägers
der Besteuerung unterworfen.
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1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG
gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der
Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der
letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich
beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen
gehalten hat.
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Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn
der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 %
unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4
EStG). Die Anteilshöhe einer wesentlichen Beteiligung bestimmt
sich nach der im Zeitpunkt der Veräußerung geltenden
Gesetzeslage (s. BFH-Beschluss vom 17.11.2004 VIII B 129/04, BFH/NV
2005, 540 = SIS 05 15 86; BFH-Urteil vom 9.10.2008 IX R 73/06, BFHE
223, 145, BStBl II 2009, 140 = SIS 08 44 63, unter II.2.).
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Eine Veräußerung i.S. von § 17
EStG wird mit der entgeltlichen Übertragung des
(zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums durch den
Veräußerer auf den Erwerber verwirklicht (ständige
Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil in BFHE 223, 145, BStBl II 2009,
140 = SIS 08 44 63, unter II.2.). Notwendige und hinreichende
Voraussetzung für die Zurechnung einer
(weiterveräußerten) Beteiligung i.S. des § 17 EStG
ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum (vgl. BFH-Urteile vom
22.7.2008 IX R 61/05, BFH/NV 2008, 2004 = SIS 08 41 28; vom
17.2.2004 VIII R 26/01, BFHE 205, 204, BStBl II 2004, 651 = SIS 04 22 01, m.w.N.). Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist die
Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers dadurch
gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im
Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der
Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen
kann. Ihm muss also auch der wirtschaftliche Erfolg aus der
(Weiter-)Veräußerung gebühren (vgl. BFH-Urteile vom
7.7.1992 VIII R 54/88, BFHE 169, 49, BStBl II 1993, 331 = SIS 92 22 25, unter 1.; vom 16.5.1995 VIII R 33/94, BFHE 178, 197, BStBl II
1995, 870 = SIS 95 23 06, unter II.1.a ee, und vom 18.5.2005 VIII R
34/01, BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857 = SIS 05 44 63, unter
II.1.c cc).
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Das wirtschaftliche Eigentum an einem
Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über
(§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO), wenn der Käufer des Anteils (1)
aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts
bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts
gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht
mehr entzogen werden kann, und (2) die mit dem Anteil verbundenen
wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte (insbesondere
Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie (3) Risiko und Chance von
Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140 = SIS 08 44 63,
unter II.2.,und vom 11.7.2006 VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl II
2007, 296 = SIS 06 45 71, m.w.N.).
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Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum, wer
nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung
verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und
Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht)
ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857 = SIS 05 44 63;
vom 8.11.2005 VIII R 11/02, BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253 = SIS 06 03 71; in BFH/NV 2008, 2004 = SIS 08 41 28).
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Der Übergang des wirtschaftlichen
Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen
Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Eine von
der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines
Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die
vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang
erfüllt sind. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung
des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder
formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte
und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (vgl. BFH-Urteile
in BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296 = SIS 06 45 71; in BFHE 223,
145, BStBl II 2009, 140 = SIS 08 44 63, unter II.2., m.w.N.).
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2. Diesen Grundsätzen entspricht die
Vorentscheidung nicht, sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif; der Klage ist stattzugeben. Der Kläger war
innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der K GmbH nicht
wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 EStG beteiligt, so dass der
Gewinn aus der Veräußerung seines GmbH-Anteils nicht der
Besteuerung unterliegt.
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Der Kläger hat vor der inkongruenten
Kapitalerhöhung keine tatsächliche freie
Verfügungsbefugnis über eine Beteiligung von 12,6 %
erworben. Es war ihm zu keinem Zeitpunkt möglich, aus einer
wesentlichen Beteiligung resultierende Rechte - jenseits der
Mitwirkung an der inkongruenten Kapitalerhöhung -
auszuüben. Seine Position bestand allein in der gebundenen
Mitwirkung an der Herstellung der vorweg vereinbarten
Gesellschaftsstruktur unter Reduzierung der eigenen
Beteiligungsquote. Die aus der Beteiligung resultierenden
Verwaltungsrechte standen dem Kläger ausschließlich in
Gestalt einer einmaligen vorweg gebundenen Stimmrechtsausübung
zu. Für die tatsächliche Wahrnehmung von
vermögensrechtlichen Ansprüchen ließ die konkrete
Vertragsgestaltung keinerlei Raum.
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