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I. Streitpunkt ist, ob von der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im
Streitjahr 2003 bezogene Versorgungsleistungen einer Schweizer
Pensionskasse nach dem sog. Kassenstaatsprinzip des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem
Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom
11.8.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des
Protokolls vom 21.12.1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) -
DBA-Schweiz 1971/1992 - in Deutschland nicht besteuert werden
dürfen.
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Die im Dezember 1923 geborene Klägerin
hatte ihren Wohnsitz im Streitjahr in Deutschland. Sie war seit
1950 bis zu ihrer Pensionierung zum 1.5.1984 in einem nach
Schweizer Recht öffentlich-rechtlichen
Anstellungsverhältnis als medizinisch technische Angestellte
beim vormaligen Kantonsspital B/Schweiz beschäftigt, welches
vom Kanton X betrieben wurde. Die Klägerin und ihr Arbeitgeber
leisteten während des Beschäftigungsverhältnisses
Beiträge zur beruflichen Alters- und Invaliditätsvorsorge
an Pensionskassen, zuletzt an die Pensionskasse B. Bei diesen
Pensionskassen handelte es sich um öffentlich-rechtliche
Einrichtungen zur „beruflichen Vorsorge“ der
Arbeitnehmer von Bund, Kantonen, Gemeinden und anderen
öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern. Diese Form der Vorsorge
war während der Beschäftigungszeit der Klägerin
nicht gesetzlich vorgeschrieben; erst im Jahr 1985 führte die
Schweiz mit dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) eine obligatorische
berufliche Vorsorgeverpflichtung über ein System von
Pensionskassen ein.
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Im Streitjahr bezog die Klägerin von
der Pensionskasse B eine Altersrente von 24.672,60 CHF, von der
eine Quellensteuer in Höhe von 9 % (2.220,55 CHF) einbehalten
und an die Eidgenössische Steuerverwaltung abgeführt
wurde. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
unterwarf den mit 4.848,17 EUR bezifferten Ertragsanteil dieser
Rente der Einkommensteuer. Die einbehaltene Quellensteuer rechnete
das FA unter Bezugnahme auf § 34c Abs. 1 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) im Betrag von 423 EUR auf die
tarifliche Einkommensteuer an. Dabei ging es davon aus, dass die
Klägerin während ihrer Beschäftigung
Grenzgängerin gemäß Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992
gewesen und deshalb nach Art. 19 Abs. 5 i.V.m. Art. 15a Abs. 1 Satz
3 DBA-Schweiz 1971/1992 die anzurechnende Steuer auf 4,5 % der
Rentenzahlung zu beschränken sei.
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Die Klägerin ist der Auffassung, bei
der von der Pensionskasse B gezahlten Altersrente handele es sich
um ein Ruhegehalt i.S. des Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992, das
ausschließlich in der Schweiz als Zahlstaat/Kassenstaat zu
versteuern sei und in Deutschland nur im Rahmen des
Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden dürfe. Ihre
Klage blieb ohne Erfolg; das Finanzgericht (FG)
Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, hat sie mit
Urteil vom 24.9.2009 3 K 4130/08 (EFG 2010, 780 = SIS 10 07 34) als
unbegründet abgewiesen.
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Gegen das FG-Urteil richtet sich die
Revision, mit der die Klägerin die Verletzung materiellen
Rechts geltend macht.
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Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2003 vom
13.4.2005 dahingehend zu ändern, dass die Bezüge aus der
Pensionskasse B nicht der inländischen Besteuerung unterworfen
werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der
Ertragsanteil der von der Klägerin im Streitjahr empfangenen
Altersrente der Pensionskasse B in Deutschland zu versteuern
ist.
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1. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im
Inland und ist deshalb hier unbeschränkt steuerpflichtig
(§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002). Der Ertragsanteil ihrer
Altersrente gehörte im Streitjahr zu dem von ihr zu
versteuernden Einkommen. Es handelt sich bei der Altersrente der
Pensionskasse B um eine Leibrente i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3
EStG 2002 und nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit in Gestalt eines Ruhegeldes nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 EStG 2002. Das FG hat das zutreffend daraus abgeleitet, dass die
Altersrente aufgrund von während der Beschäftigungszeit
erbrachten Beitragsleistungen der Klägerin und deren
vormaligen Arbeitgebers gewährt wird, die im Zahlungszeitpunkt
als gegenwärtiger Arbeitslohn der Klägerin zu
qualifizieren waren. Steuerrechtlich wird die Altersrente deshalb
nicht aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt (vgl.
Urteile des Bundesfinanzhofs vom 22.11.2006 X R 29/05, BFHE 216,
124, BStBl II 2007, 402 = SIS 07 04 42; vom 5.7.2007 VI R 47/02,
BFH/NV 2007, 1876 = SIS 07 32 30, jeweils m.w.N.). Das steht -
soweit es das deutsche innerstaatliche Recht betrifft - zwischen
den Beteiligten nicht in Streit und muss deshalb nicht näher
ausgeführt werden.
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2. Die Besteuerung des Ertragsanteils der
Altersrente wird durch das DBA-Schweiz 1971/1992 nicht gehindert;
dieses weist das Besteuerungsrecht vielmehr ausschließlich
der Bundesrepublik Deutschland zu.
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a) Die sog. Kassenstaatsregelung des Art. 19
DBA-Schweiz 1971/1992 ist auf die Altersrente der Klägerin
nicht anzuwenden. Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992
können zwar Vergütungen, einschließlich der
Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat, Land, Kanton,
Bezirk, Kreis, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband oder von
einer juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses
Staates unmittelbar oder aus einem Sondervermögen an eine
natürliche Person für geleistete Dienste gewährt
werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Bei der von der
Pensionskasse B gezahlten Altersrente handelt es sich aber nicht um
eine Vergütung i.S. dieser Bestimmung; insbesondere ist sie
kein Ruhegehalt, das für geleistete Dienste gewährt
wird.
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aa) Der Begriff des Ruhegehalts ist im
DBA-Schweiz 1971/1992 nicht näher definiert. Soweit das FG aus
der fehlenden abkommensrechtlichen Definition indes schließt,
es sei für die Auslegung auf die nach dem deutschen
innerstaatlichen Recht maßgebliche Zuordnung zu Leibrenten
i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG 2002 oder zu den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (s. oben II.1.)
abzustellen (vgl. auch Rupp in Gosch/Kroppen/ Grotherr,
Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 18 OECD-MA Rz 25), pflichtet der
Senat dem nicht bei; für den Begriff der Leibrenten folgt dies
nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 7 DBA-Schweiz 1971/1992 schon
daraus, dass Leibrenten und Ruhegehälter dort
ausdrücklich nebeneinander gestellt werden. Ebenso wenig kann
der Auffassung der Revision zugestimmt werden, wonach sich die
Frage, welche Leistungen vom Kassenstaatsprinzip umfasst werden,
ausschließlich auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts
des Kassenstaats beurteilt. Welche Zahlungen als Ruhegehalt i.S.
des Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992 gelten, muss vielmehr unter
Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks des Art. 19
DBA-Schweiz 1971/1992 sowie seines systematischen Zusammenhangs mit
anderen Abkommensbestimmungen ermittelt werden (vgl. Senatsurteil
vom 27.1.1972 I R 37/70, BFHE 105, 8, BStBl II 1972, 459 = SIS 72 02 66 - zum DBA-Schweiz 1931 vom 15.7.1931 i.d.F. des
Zusatzprotokolls vom 20.3.1959, BStBl I 1959, 1006 - ; Wassermeyer
in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA Art. 19 Rz 100 i.V.m.
MA Art. 18 Rz 16; Ismer in Vogel/Lehner,
Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl., Art. 18 Rz 15 f.; Haase,
Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, 2009, Art. 18
MA Rz 10; Toifl in Gassner/Lang/Lechner/ Schuch/Staringer,
Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2003, S. 287,
294; Gassner/Konezny, ebenda, S. 311, 322).
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Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/1992 kommt
insoweit nicht zur Anwendung (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,
a.a.O., MA Art. 18 Rz 16; Ismer in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 18 Rz
29b; Haase, a.a.O., Art. 18 MA Rz 10). Nach dieser Bestimmung hat
bei Anwendung des Abkommens durch einen Vertragstaat, wenn der
Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder nicht anders
definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses
Staates über die Steuern zukommt, welche Gegenstand des
Abkommens sind (sog. lex-fori). Der Begriff
„Ruhegehalt“ wird jedoch im deutschen
innerstaatlichen Einkommensteuerrecht als Terminus technicus
lediglich in § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG 2002 verwendet, wo
das Ruhegehalt neben dem Witwen- und Waisengeld, den
Unterhaltszahlungen und anderen Bezügen und Vorteilen als
Versorgungsbezug aufgrund von beamtenrechtlichen Vorschriften
erwähnt wird. Der abkommensrechtliche Begriff des Ruhegehalts
kann hiermit nicht identisch sein; denn er findet sich außer
in Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992 auch in Art. 18 DBA-Schweiz
1971/1992, der - weil er gegenüber Art. 19 DBA-Schweiz
1971/1992 subsidiär ist - gerade diejenigen Vergütungen
betrifft, die nicht aus dem öffentlichen Dienst
herrühren.
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bb) Art. 19 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz
1971/1992 beschreibt Ruhegehälter als Vergütungen, die
von dem Arbeitgeber oder aus einem Sondervermögen
„für erbrachte Dienste“ gewährt
werden. Das legt es nahe, dass solche Versorgungsleistungen nicht
unter die Bestimmung fallen, die - ggf. auch nur anteilig -
wirtschaftlich vom Arbeitnehmer selbst durch Beitragszahlungen
veranlasst worden sind (vgl. Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer,
a.a.O., MA Art. 18 Rz 16 f.; Haase, a.a.O., Art. 18 MA Rz 13;
Gassner/Konezny in Gassner/Lang/Lechner/ Schuch/Staringer, a.a.O.,
S. 311, 320 ff.; im Ergebnis auch Rupp in Gosch/Kroppen/Grotherr,
a.a.O., Art. 18 OECD-MA Rz 25; anderer Auffassung Ismer in
Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 18 Rz 29).
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Ein Beleg für diese Sichtweise ist, dass
Renten aus gesetzlichen Sozialversicherungssystemen, die sich aus
Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen speisen, nach
früherer - auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA-Schweiz
1971 im Jahr 1971 - einhelliger Auffassung nicht zu den
Ruhegehältern i.S. der Art. 18, Art. 19 des Musterabkommens
der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD)
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen (OECD-MustAbk) gerechnet wurden
(vgl. Musterkommentar 1992 der OECD zum OECD-Musterabkommen -
OECD-MK -, Art. 18 Nr. 8; Ismer in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 18 Rz
29b; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 18 Rz 18;
Rupp in Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 18 OECD-MA Rz 40). Dem
entsprechend besteht auch zwischen den Finanzverwaltungen der
Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz bislang Einigkeit
darüber, dass Leistungen aus der deutschen gesetzlichen
Rentenversicherung und solche aus der Schweizerischen Alters- und
Hinterlassenenversorgung (AHV) keine Ruhegehälter i.S. der
Art. 18, Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992 sind (vgl. Verfügung
der Oberfinanzdirektion - OFD - Karlsruhe vom 28.11.2003, DB 2004,
267 = SIS 04 05 59; Brandis in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Schweiz
Art. 19 Rz 23; Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann,
Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 19 Rz 7; Rupp
in Gosch/Kroppen/ Grotherr, a.a.O., Art. 19 DBA-Schweiz Rz 18;
Decker/Looser, IStR 2009, 652, 654 f.; Locher/Meier/von
Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, B
19.1 Nr. 7).
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Soweit sich aus dem OECD-Musterkommentar 2005
- abweichend von der früheren Beurteilung - ergibt, dass
nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen aus der
gesetzlichen Sozialversicherung als Ruhegehälter i.S. der Art.
18, Art. 19 OECD-MustAbk anzusehen seien (vgl. OECD-MK 2005 Art. 18
Nr. 24), kann dies für die Auslegung des DBA-Schweiz 1971/1992
schon deshalb keine Bedeutung haben, weil die entsprechenden
Ausführungen erst nach dem Zustandekommen des DBA-Schweiz
1971/1992 und überdies erst nach dem Streitjahr in den
Musterkommentar eingefügt worden sind (vgl. auch Ismer in
Vogel/ Lehner, a.a.O., Art. 18 Rz 29b).
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cc) Nach dem Vorstehenden kann die der
Klägerin im Streitjahr zugeflossene Altersrente nicht als
Ruhegehalt i.S. des Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992 angesehen werden
(so zu den Rentenansprüchen aufgrund des Schweizerischen BVG
auch Brandis in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 19 Rz 23;
Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 18 Rz 14;
Rupp in Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 19 DBA-Schweiz Rz 21,
25; Decker/Looser, IStR 2009, 652, 653, 655; OFD Karlsruhe,
Verfügung in DB 2004, 267 = SIS 04 05 59; allgemein für
Pensionskassenleistungen, die auch durch Arbeitnehmerbeiträge
getragen worden sind: Haase, a.a.O., Art. 18 MA Rz 16; Toifl in
Gassner/Lang/ Lechner/Schuch/Staringer, a.a.O., S. 287, 297 ff.;
Gassner/ Konezny, ebenda, S. 311, 322; anderer Ansicht Ismer in
Vogel/ Lehner, a.a.O., Art. 18 Rz 30). Denn sie beruht - insoweit
ähnlich den Leistungen aus einer gesetzlichen
Sozialversicherung - auf Rentenansprüchen gegen die
Pensionskasse B, die die Klägerin auch aufgrund eigener
Beitragsleistungen erworben hat, so dass die Altersrente nicht als
Vergütung für erbrachte Dienste beurteilt werden
kann.
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Dass die Vorsorge über die betrieblichen
Pensionskassen in dem Zeitraum, in dem die Beitragsleistungen im
Streitfall erbracht worden sind, in der Schweiz noch nicht
gesetzlich vorgeschrieben war, sondern auf freiwilliger Basis
vorgenommen wurde, ändert an diesem Befund ebenso wenig wie
die von der Revision ins Feld geführte Steuerfreiheit der
geleisteten Arbeitnehmerbeiträge nach Schweizer Recht.
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dd) Die von der Revision gegen das
Abkommensverständnis des Senats vorgebrachten Einwendungen
führen zu keinem anderen Ergebnis. So lässt der Umstand,
dass Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992 - entsprechend dem vormaligen
Art. 19 OECD-MustAbk 1963 - so aufgebaut ist, dass die Zuweisung
des Besteuerungsrechts zum Kassenstaat in Bezug auf die
Ruhegehälter in Abs. 1 integriert ist, während im
OECD-Musterabkommen seit 1977 die Regelungen betreffend die
Ruhegehälter in Art. 19 Abs. 2
„ausgelagert“ worden sind, einen
Rückschluss auf unterschiedliche Definitionen des
Tatbestandsmerkmals „Ruhegehälter“ in
beiden Regelungsvarianten nicht zu.
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Soweit die Revision vorbringt, nach dem
geschilderten Begriffsverständnis könne es in
tatsächlicher Hinsicht überhaupt keine dem
Kassenstaatsprinzip unterliegenden Ruhegehälter aus der
Schweiz geben, weil im dortigen öffentlichen Dienst die
Altersvorsorge durchweg in gleicher Weise wie im privatrechtlichen
Bereich über die Versicherungssysteme des AHV und des BVG
organisiert sei und es dort Pensionszahlungen - wie für
deutsche Staatsbedienstete - nicht gebe, mag das zutreffen. Es
besteht aber kein Anhalt dafür, dass dieser Umstand beim
Abschluss des DBA-Schweiz 1971/1992 für einen der
Vertragsschließenden erkennbar von Bedeutung gewesen ist und
dass deshalb der Begriff der Ruhegehälter abweichend vom
seinerzeit üblichen abkommensrechtlichen Verständnis
auszulegen sein könnte. Insbesondere lässt sich daraus
nicht herleiten, dass aus übereinstimmender Sicht der
Abkommensparteien die aus dem - zum Zeitpunkt des Abschlusses des
DBA-Schweiz 1971 in der Schweiz noch nicht gesetzlich
vorgeschriebenen - Pensionskassensystem resultierenden Zusatzrenten
öffentlich Bediensteter - anders als deren
Sozialversicherungsrenten nach dem AHV - jedenfalls dem
Kassenstaatsprinzip unterfallen sollten.
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b) Da sonach kein Ruhegehalt im
abkommensrechtlichen Sinne vorliegt, greifen im Streitfall weder
die Zuweisung des Besteuerungsrechts zum Ansässigkeitsstaat
nach Art. 18 DBA-Schweiz 1971/1992 noch die Zuweisung zum
Kassenstaat nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992. Damit ist
die Auffangnorm des Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992 einschlägig,
nach der die in den vorstehenden Artikeln nicht ausdrücklich
erwähnten Einkünfte einer in einem Vertragstaat
ansässigen Person nur in diesem Staat - im Streitfall
Deutschland - besteuert werden können.
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3. Zutreffend hat das FG zudem entschieden,
dass im vorliegenden Verfahren eine Anrechnung der von der
Pensionskasse B einbehaltenen und an die Eidgenössische
Steuerverwaltung abgeführten Quellensteuer auf die
Einkommensteuer nicht möglich ist.
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a) Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz
1971/1992 wird bei den aus der Schweiz stammenden Einkünften
die in Übereinstimmung mit diesem Abkommen erhobene und nicht
zu erstattende schweizerische Steuer nach Maßgabe der
Vorschriften des deutschen Rechts über die Anrechnung
ausländischer Steuern auf den Teil der deutschen Steuer
angerechnet, der auf diese Einkünfte entfällt. Die
Anrechnung nach dieser Bestimmung scheitert im Streitfall daran,
dass die Abführung der Quellensteuer an die
Eidgenössische Steuerverwaltung nach der Rechtsauffassung des
Senats nicht in Übereinstimmung mit dem DBA-Schweiz 1971/1992
geschehen ist. Denn Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992 weist der
Bundesrepublik Deutschland das ausschließliche
Besteuerungsrecht an den von dieser Vorschrift umfassten
Einkünften zu; ein Quellenbesteuerungsrecht der Schweiz
besteht danach nicht. Vielmehr hat die Schweiz die gemäß
Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992 dem Besteuerungsrecht der
Bundesrepublik Deutschland unterfallenden Einkünfte von der
Besteuerung in der Schweiz auszuschließen (Brandis in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 21 Rz 36, m.w.N.). Die
sonach abkommenswidrig abgeführte Quellensteuer kann nicht
angerechnet werden (Senatsurteile vom 15.3.1995 I R 98/94, BFHE
177, 269, BStBl II 1995, 580 = SIS 95 15 15; vom 1.7.2009 I R
113/08, BFH/NV 2009, 1992 = SIS 09 36 33, m.w.N.).
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Entgegen der Annahme der Revision kann der
Besteuerungszugriff der Schweiz nicht aufgrund des Art. 3 Abs. 2
DBA-Schweiz 1971/1992 als abkommensgemäß angesehen
werden. Denn wie unter II.2.a aa ausgeführt, beruht das
Verständnis des in Art. 18 und Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992
verwendeten Begriffs „Ruhegehälter“ durch
den Senat nicht auf einem auf Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz
gestützten Rückgriff auf das innerstaatliche Recht,
sondern auf einer abkommensautonomen Auslegung, für die weder
das deutsche noch das Schweizer innerstaatliche Recht von
entscheidender Bedeutung sind.
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b) Eine Anrechnung der Quellensteuer nach
§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 scheidet ebenfalls aus. Zwar ist
danach bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit
ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die
Einkünfte stammen, zu einer der deutschen Einkommensteuer
entsprechenden Steuer herangezogen werden, die festgesetzte und
keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende
ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer
anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat
entfällt. Jedoch ist § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 im
Streitfall nicht anwendbar. Gemäß § 34c Abs. 6 Satz
1 EStG 2002 sind die Abs. 1 bis 3 des § 34c EStG 2002
nämlich nicht anzuwenden, wenn die ausländischen
Einkünfte aus einem Staat stammen, mit dem ein Abkommen zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht. Diese Voraussetzung ist
mit dem DBA-Schweiz 1971/1992 gegeben. Da im Streitfall die
Schweizer Quellensteuer auf aus der Schweiz stammende
Einkünfte erhoben wurde, ist eine Anrechnung nach § 34c
Abs. 1 EStG 2002 nicht möglich (vgl. Senatsurteil in BFH/NV
2009, 1992 = SIS 09 36 33).
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c) Auch auf § 34c Abs. 6 Satz 4 EStG 2002
kann eine Anrechnung nicht gestützt werden. Nach dieser
Vorschrift sind die Abs. 1 und 2 des § 34c EStG 2002 auch bei
Bestehen eines Abkommens anzuwenden, wenn die Doppelbesteuerung
nach den Vorschriften des Abkommens nicht beseitigt wird. Dieser
Fall ist jedoch nicht gegeben, da nach Art. 21 DBA-Schweiz
1971/1992 das Besteuerungsrecht in Bezug auf die von diesem Artikel
umfassten Einkünfte ausschließlich dem
Ansässigkeitsstaat zusteht. Entscheidend sind insoweit die
abstrakten Abkommensvorschriften (Senatsurteile in BFHE 177, 269,
BStBl II 1995, 580 = SIS 95 15 15, und in BFH/NV 2009, 1992 = SIS 09 36 33).
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d) Soweit das FA im Streitfall gleichwohl eine
teilweise Anrechnung der abgeführten Quellensteuer vorgenommen
hat, ist das als Billigkeitserweis i.S. von § 163 der
Abgabenordnung zu verstehen (vgl. auch OFD Karlsruhe,
Verfügung in DB 2004, 267 = SIS 04 05 59). Dieser ist nicht
Gegenstand des streitgegenständlichen
Festsetzungsverfahrens.
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4. Der Senat teilt die Auffassung der
Vorinstanz, wonach die im Streitfall faktisch gegebene
Doppelbesteuerung des Ertragsanteils der Altersrente nicht aufgrund
der gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote oder
Grundfreiheiten in Verbindung mit dem Abkommen vom 21.6.1999
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit
(BGBl II 2001, 810) von der Bundesrepublik Deutschland zu
beseitigen ist. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im
FG-Urteil, denen die Revision nicht entgegengetreten ist, wird
Bezug genommen.
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