1
|
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine GmbH mit einem vom Kalenderjahr
abweichenden Wirtschaftsjahr zum 30. September, die im Streitjahr
1998 ein Unternehmen zur Erbringung von interaktiven multimedialen
Diensten betrieb. Sie hatte durch Kauf- und
Übertragungsvertrag vom 25.9.1998 sämtliche dem Bereich
„...“ zuzuordnenden aktiven und passiven
Wirtschaftsgüter zu einem Kaufpreis von 3.060.528 DM von einer
konzernangehörigen Gesellschaft, der M-GmbH, erworben. Im
Rahmen dieses Erwerbes wurden auch die Verpflichtungen aus zwei
Verträgen zur Anmietung eines Satelliten sowie einer
Antennenanlage von der M-GmbH gegenüber den Vermietern
übernommen. Da beide Mietverträge bereits für die
M-GmbH keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr versprachen, hatte diese
eine entsprechende sog. Drohverlustrückstellung in Höhe
von 819.015 DM gebildet. Mit der Übernahme des
Geschäftsbereichs „...“ durch die Klägerin
hatte diese die Verlustrückstellungen im Erwerbszeitpunkt
(30.9.1998 0 Uhr) passiviert und zu diesem Bilanzstichtag
beibehalten. Dementsprechend wurde die Klägerin vom dem
Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - )
zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung
veranlagt.
|
|
|
2
|
Nach Durchführung einer
Außenprüfung war das FA hingegen der Auffassung, dass
die Klägerin zwar verpflichtet gewesen sei, die
Drohverlustrückstellung im Zeitpunkt des Erwerbes zu bilden,
der Ansatz einer solchen Verlustrückstellung in der
Schlussbilanz zum 30.9.1998 jedoch nach § 5 Abs. 4a des
Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) nicht mehr zulässig sei.
Die Rückstellung zum 30.9.1998 sei deswegen
aufzulösen.
|
|
|
3
|
Die Klage gegen die hiernach
geänderten Steuerbescheide war erfolgreich; das Finanzgericht
(FG) Düsseldorf gab ihr durch Urteil vom 9.9.2008 6 K 1161/04
K,F, abgedruckt in EFG 2009, 167 = SIS 09 04 00, statt.
|
|
|
4
|
Seine Revision stützt das FA auf
Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
5
|
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
6
|
Das dem Revisionsverfahren beigetretene
Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich in der Sache dem FA
angeschlossen, jedoch keine Anträge gestellt.
|
|
|
7
|
II. Die Revision ist unbegründet.
|
|
|
8
|
1. Gemäß § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz
1 EStG 1997 hat die Klägerin in ihren Bilanzen das
Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen
Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)
auszuweisen ist. Die „handelsrechtlichen“ GoB
ergeben sich u.a. aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des
Dritten Buchs „Vorschriften für alle
Kaufleute“ der §§ 238 ff. des
Handelsgesetzbuchs (HGB). Sie werden für Kapitalgesellschaften
ergänzt durch die Bestimmungen der §§ 264 ff.
HGB.
|
|
|
9
|
2. Zu den wesentlichen GoB zählt das
Gebot, Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am
Abschlussstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz
2 HGB). Daraus folgt u.a., dass Anschaffungsvorgänge
erfolgsneutral zu behandeln sind. Der Zugang von
Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen führt zu
einer bloßen Umschichtung in der Bilanz in Höhe der
Anschaffungskosten; ein unterschiedlicher Ansatz von Zu- und
Abfluss ist ausgeschlossen. Eine Gewinnrealisierung kann nur
aufgrund nachfolgender betrieblicher Umsatzakte erfolgen.
|
|
|
10
|
Anschaffungskosten sind gemäß
§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet
werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen
betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem
Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können.
Dieser handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten ist in
Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz
auch der steuerbilanziellen Beurteilung (gemäß § 6
Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997) zugrunde zu legen (Senatsurteil vom
26.4.2006 I R 49, 50/04, BFHE 213, 374, BStBl II 2006, 656 = SIS 06 29 99, m.w.N.). Die bei der Übernahme von Verbindlichkeiten
zutreffend erhöhten Anschaffungskosten bilden die
Ausgangsgröße für die weitere bilanzielle
Entwicklung eines zugegangenen Wirtschaftsgutes.
|
|
|
11
|
3. Der Grundsatz der erfolgsneutralen
Behandlung von Anschaffungsvorgängen findet auch auf
übernommene Passivpositionen und hierbei unabhängig davon
Anwendung, ob der Ausweis dieser Passivpositionen in der
Steuerbilanz einem - von der Handelsbilanz abweichenden -
Ausweisverbot ausgesetzt ist. Denn auch die Übernahme
steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten ist
Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts (vgl. Senatsurteil
vom 17.10.2007 I R 61/06, BFHE 219, 529, BStBl II 2008, 555 = SIS 08 20 27, m.w.N.) und erhöht mithin dessen Anschaffungskosten.
Das gilt auch für das entsprechende Verbot in § 5 Abs. 4a
EStG 1997. Denn dieses Verbot will - lediglich - am Stichtag
bereits vorhandene Verluste entgegen den Vorgaben des
(handels-)bilanzrechtlichen Imparitätsprinzips (§ 252
Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB) auf künftige
Veranlagungszeiträume verlagern: Steuerbilanziell wird der
Verlust aus schwebenden Geschäften erst bei seiner Realisation
effektuiert, nicht bereits bei seiner Entstehung. Wird der
verlustbedrohte Vertrag aber entgeltlich gegen Schuldübernahme
erworben, dann ist der Erwerber im Verhältnis zum
Veräußerer verpflichtet, ihn von der gegenüber dem
Gläubiger der Schuld weiter bestehenden Zahlungspflicht - im
Streitfall die Verpflichtung zur Mietzahlung - freizustellen. Bei
dieser Freistellungsverpflichtung handelt es sich nicht um den Teil
eines schwebenden Geschäfts; denn das Geschäft wurde
infolge des Erwerbsvorgangs bereits erfüllt. Die
Freistellungsverpflichtung ist mithin vom Erwerber sowohl in der
Handels- als auch in der Steuerbilanz nach den für ungewisse
Verbindlichkeiten geltenden Grundsätzen und nicht als
Drohverlustrückstellung zu passivieren (zutreffend
Bogenschütz, Die Unternehmensbesteuerung - Ubg - 2008, 135,
139; im Ergebnis ebenso Ley, DStR 2007, 589, 591 f.; Hoffmann,
GmbH-Steuerberater 2009, 144, 145; Koch, BB 2008, 2736). Der
Bildung eines besonderen Ausgleichspostens, um die
Bewertungsdifferenz anderweitig „abzufangen“
(vgl. dazu Ley, DStR 2007, 589, 591; s. auch - aber aus Sicht des
Erwerbers für den umgekehrten Fall einer Entgeltzuzahlung -
Senatsurteil in BFHE 213, 374, BStBl II 2006, 656 = SIS 06 29 99),
bedarf es dazu nicht.
|
|
|
12
|
4. Den dagegen gerichteten Einwendungen des
BMF und des FA ist nicht beizupflichten.
|
|
|
13
|
a) Insbesondere geht es fehl, den eigentlichen
Anschaffungsvorgang von der (nachfolgenden) Bilanzierung auf den
Bilanzstichtag und auf diese Weise den erfolgsneutralen
Anschaffungsvorgang und den rückstellungsgesperrten
Bilanzansatz voneinander zu trennen. Umfang und Höhe der
Anschaffungskosten werden durch tatsächliche Gegebenheiten
bestimmt. In diesem Umfang und in jener Höhe, in denen sie
tatsächlich entstanden sind, gehen sie erfolgsneutral in die
(nachfolgende) Bilanzierung ein und darf ihr Bewertungsansatz dabei
(nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997) weder über- noch
unterschritten werden. Das betrifft auch
„miterworbene“ Schulden in Gestalt -
ursprünglich - drohender Verluste aus schwebenden
Geschäften, die als solche einem steuerlichen Ausweisverbot
unterworfen sind. Andernfalls würde genau jener
„Erwerbsgewinn“ ausgewiesen, der dem
Anschaffungskostenbegriff und –verständnis fremd ist
(zutreffend Bogenschütz, Ubg 2008, 135, 140).
|
|
|
14
|
b) Ob sich ein abweichendes Ergebnis für
die hier in Rede stehende Problematik ergeben könnte, wenn die
Klägerin durch eine wechselseitige Vereinbarung mit der M-GmbH
als Veräußerin und den Vermietern eine
Vertragsübernahme in der Weise vereinbart hätte, dass die
Klägerin an Stelle der Veräußerin in die
Mietverträge eingetreten wäre, kann dahinstehen (vgl.
dazu Ley, DStR 2007, 589, 591). Für eine solche - vom BMF
erwogene - Annahme gibt der vom FG festgestellte und den Senat
bindende (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
) Sachverhalt nichts her.
|
|
|
15
|
5. Angesichts der vorstehenden Ergebnisse
erübrigen sich schließlich Überlegungen dazu, ob
nach den Maßstäben des sog. subjektiven Fehlerbegriffs
einerseits die Klägerin sich an der gewählten und im
Bilanzierungszeitpunkt „richtigen“ Bilanzierung
festhalten lassen muss, andererseits aber auch das FA nicht (mehr)
berechtigt ist, diese Bilanzierung zu korrigieren, wenn es sie
zunächst im Rahmen der Steuerveranlagung
erklärungsgemäß hingenommen hat (Senatsurteil vom
5.6.2007 I R 47/06, BFHE 218, 221, BStBl II 2007, 818 = SIS 07 31 76; vgl. dazu Werra/Rieß, DB 2007, 2502;
Rödder/Hageböke, Ubg 2008, 401; Gosch, BFH/PR 2008, 336;
Pohl, FR 2009, 279).
|