Veräußerungsgewinn, Berechnung bei Rückstellungsverboten: Bei der Berechnung des Gewinns aus einer Betriebsveräußerung sind vom Erwerber übernommene betriebliche Verbindlichkeiten, die aufgrund von Rückstellungsverboten (für Jubiläumszuwendungen und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften) in der Steuerbilanz nicht passiviert worden sind, nicht gewinnerhöhend zum Veräußerungspreis hinzuzurechnen. - Urt.; BFH 17.10.2007, I R 61/06; SIS 08 20 27
I. Streitpunkt ist, wie sich die
Übertragung steuerbilanzrechtlich nicht zu passivierender
Rückstellungen auf einen Veräußerungsgewinn
auswirkt.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit
abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1. Februar bis 31. Januar. Ihre
Handelsbilanz zum 31.1.2000 enthielt Rückstellungen in
Höhe von 2.738.162 DM für drohende Verluste aus einem
Mietverhältnis und in Höhe von 713.878 DM für
Verpflichtungen für Zuwendungen aus Dienstjubiläen. Beide
Rückstellungen wurden gemäß § 5 Abs. 4, Abs.
4a des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) in der Steuerbilanz der
Klägerin für 2000 nicht erfasst.
Zum 1.8.2000 übertrug die
Klägerin ihren Geschäftsbetrieb auf die A-GmbH. Dabei
wurde - mit wenigen Ausnahmen - das gesamte Betriebsvermögen
übereignet. Die A-GmbH übernahm im Wege der befreienden
Schuldübernahme alle am Übertragungsstichtag
begründeten und zum Unternehmen gehörenden
Verpflichtungen, mithin auch jene, auf denen die beiden
Rückstellungen beruhten. Als Kaufpreis wurde der nach
handelsrechtlichen Grundsätzen zu ermittelnde Buchwert zum
31.7.2000 zuzüglich einer Vergütung von insgesamt 2 Mio.
DM für im Betriebsvermögen enthaltene stille Reserven
vereinbart.
In ihrer Handelsbilanz zum 31. Januar des
Streitjahres 2001 wies die Klägerin aus der
Betriebsübertragung einen Gewinn von 2 Mio. DM aus. In der
Steuerbilanz des Streitjahres brachte sie hiervon als
„steuerliches Mehrkapital“ den Betrag von 3.452.040 DM
(Summe der beiden Rückstellungen) in Abzug und errechnete auf
diese Weise einen steuerlichen Veräußerungsverlust von
1.452.040 DM. Den Grund für den Abzug sah sie darin, dass sich
die steuerlich bis dahin nicht erfassten Verluste bzw.
Verbindlichkeiten aus den beiden Rückstellungen mit der
Betriebsübertragung durch den entsprechenden Kaufpreisabschlag
für sie realisiert hätten und insoweit steuerlich zu
berücksichtigender Aufwand entstanden sei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) legte demgegenüber im Rahmen der
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.
Dezember des Streitjahres auch steuerlich einen
Veräußerungsgewinn von 2 Mio. DM zu Grunde. Die
hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG)
Baden-Württemberg abgewiesen. Sein Urteil vom 2.6.2005 6 K
247/03 ist in EFG 2005, 1715 = SIS 05 43 71 abgedruckt.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision
der Klägerin.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über die
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.2001 dahin zu ändern, dass der vortragsfähige
Gewerbeverlust mit 13.356.715 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Bei der
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes der
Klägerin auf den 31. Dezember des Streitjahres ist aus der
Übertragung des Geschäftsbetriebs auf die A-GmbH ein
Veräußerungsverlust von 1.452.040 DM anzusetzen.
1. Der für die Bemessung der
Gewerbesteuer maßgebliche Gewerbeertrag umfasst bei
Kapitalgesellschaften gemäß § 7 Satz 1 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG), § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz
1 EStG 1997 auch Gewinne (oder Verluste) aus der
Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines
Teilbetriebs.
2. Bei der Übertragung des
Geschäftsbetriebs auf die A-GmbH handelt es sich nach den
Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, um eine
Betriebsveräußerung in diesem Sinne. Soweit die
Klägerin jetzt „hilfsweise“ geltend macht,
die tatsächlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1
Satz 1 EStG 1997 seien wegen der Zurückbehaltung einer
für den Geschäftsbetrieb wesentlichen Beteiligung nicht
erfüllt, kann sie hiermit nicht gehört werden. Denn sie
legt nicht dar, welche revisionsrechtlich beachtlichen Fehler dem
FG insoweit bei der Sachverhaltsermittlung oder der
Tatsachenwürdigung unterlaufen sein sollen.
3. Der Klägerin ist aus der
Betriebsübertragung ein steuerlicher
Veräußerungsverlust in Höhe von 1.452.040 DM
entstanden.
a) Die Bemessung des für die
Ertragsbesteuerung maßgeblichen
Veräußerungsgewinns richtet sich bei der
Betriebsübertragung nach § 16 Abs. 2 EStG 1997. Danach
ist der Veräußerungsgewinn jener Betrag, um den der
Veräußerungspreis (nach Abzug im Streitfall für die
Klägerin nicht angefallener Veräußerungskosten) den
Wert des übertragenen Betriebsvermögens übersteigt
(§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG 1997). Der Wert des übertragenen
Betriebsvermögens ist nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG 1997
zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997).
b) Der Wert des Betriebsvermögens ist bei
der Ermittlung des Veräußerungsgewinns somit - wie auch
das FG zutreffend angenommen hat - nach steuerbilanziellen
Grundsätzen zu bemessen und ist grundsätzlich identisch
mit dessen Buchwert in der letzten Schlussbilanz. Er
berücksichtigt mithin auch die vom Erwerber übernommenen
Schulden, die in der Konsequenz den Veräußerungspreis
nicht erhöhen dürfen („Nettomethode“,
vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.3.1991 VIII R
315/84, BFHE 166, 7, BStBl II 1992, 472 = SIS 92 07 24; BFH-Urteil
vom 21.3.2002 IV R 1/01, BFHE 198, 537, BStBl II 2002, 519 = SIS 02 09 59; Reiß in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 16 Rz 410;
offenlassend Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl., § 16 Rz 312).
Die bei der Klägerin handelsrechtlich gebildeten
Rückstellungen, die gemäß § 5 Abs. 4, Abs. 4a
EStG 1997 steuerbilanziell nicht passiviert werden durften, sind
bei der Bemessung des Wertes des Betriebsvermögens nicht
vermögensmindernd zu berücksichtigen. Mithin
überstieg der nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997
anzusetzende Wert des Betriebsvermögens dessen
handelsrechtlichen Buchwert um den Betrag der Rückstellungen
(3.452.040 DM).
c) Der Veräußerungspreis
gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 umfasst die
Gesamtheit der Vorteile, die dem Veräußerer aus Anlass
der Veräußerung zufließen (Senatsurteil vom
17.12.1975 I R 29/74, BFHE 117, 483, BStBl II 1976, 224 = SIS 76 01 21). Grundsätzlich ist dies der Anspruch auf das
Veräußerungsentgelt (Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16
Rz 265). Dieses Entgelt setzte sich im Streitfall aus dem vom FG
der Höhe nach nicht festgestellten handelsrechtlichen Buchwert
des Übertragungsgegenstandes und den zusätzlichen 2 Mio.
DM für die stillen Reserven zusammen. Die Summe aus diesen
beiden Positionen ist deshalb als Veräußerungspreis
anzusetzen.
aa) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
sind zum Veräußerungspreis nicht die steuerbilanziell
bis dahin (zu Recht) unberücksichtigt gebliebenen
Verbindlichkeiten hinzuzurechnen, für die die Klägerin
handelsrechtlich die Drohverlust- und die
Jubiläumsrückstellung passiviert hatte. Zwar ist die
Übernahme zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten Teil
des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts (vgl. zum
Entgeltcharakter der Schuldübernahme Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 5.7.1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317,
BStBl II 1990, 847 = SIS 90 21 04). Im Unterschied zu den
passivierten Verbindlichkeiten (vgl. oben II.3.b zur Nettomethode)
wirkt sich deren Bestehen auch nicht wertmindernd auf das nach
§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 zu ermittelnde
Betriebsvermögen aus, so dass die übernommenen nicht
passivierten Verbindlichkeiten zur Ermittlung des
Veräußerungsgewinns grundsätzlich zum
Veräußerungspreis hinzugerechnet werden müssen
(BFH-Urteil vom 12.1.1983 IV R 180/80, BFHE 137, 481, BStBl II
1983, 595 = SIS 83 07 20; Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 16 Rz
266; Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 16 EStG Rz
308; Blümich/Stuhrmann, EStG, KStG, GewStG, § 16 EStG Rz
389).
Indes würde eine den
Veräußerungsgewinn erhöhende Hinzurechnung der
steuerlich nicht erfassten Rückstellungsbeträge zum
Veräußerungspreis im Streitfall zu einem unzutreffenden
Ergebnis führen, weil dadurch steuerlich unberücksichtigt
bliebe, dass sich die mit den betreffenden Verbindlichkeiten
verbundenen Verluste von insgesamt 3.452.040 DM für die
Klägerin mit der kaufpreisreduzierenden Übertragung auf
die A-GmbH endgültig realisiert haben (zutreffend Ley, DStR
2007, 589, 590 zum vorinstanzlichen Urteil). Handelsrechtlich haben
sich die Verluste bereits zum Zeitpunkt der Bildung der
Rückstellungen in voller Höhe ergebnismindernd
ausgewirkt. Durch die Rückstellungsverbote des § 5 Abs.
4, Abs. 4a EStG 1997 sollte zwar in Abweichung vom
bilanzrechtlichen Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4
Halbsatz 1 des Handelsgesetzbuchs - HGB - ) die vorgezogene
Erfassung der bislang nur drohenden Verluste aus schwebenden
Geschäften (§ 5 Abs. 4a EStG 1997) und der noch nicht
ausbezahlten Jubiläumszuwendungen (§ 5 Abs. 4 EStG 1997)
steuerbilanziell vermieden werden. Die Rückstellungsverbote
besagen jedoch nicht, dass die betreffenden Verluste auch im Falle
ihrer tatsächlichen Realisierung nicht steuerwirksam werden
sollen. Für die Klägerin ist die endgültige
Verlustrealisierung mit der Übertragung auf die A-GmbH gegen
Reduzierung des Kaufpreises eingetreten. Da die mit den Verlusten
verbundene Vermögensminderung steuerlich bislang nicht erfasst
worden ist, ist sie im Rahmen der Bemessung des
Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.
Anders als das FG meint, wird auf diese Weise
die Vermögensminderung bei der Bemessung des
Veräußerungspreises nicht zweimal, nämlich einmal
in Form der Kaufpreisreduzierung und ein weiteres Mal durch das
Unterbleiben der Hinzurechnung der nicht bilanzierten
Rückstellungsbeträge zum Veräußerungspreis,
berücksichtigt. Es ist vielmehr umgekehrt so, dass das FG die
Kaufpreisreduzierung im Ergebnis steuerlich negiert, indem es den
Minderungsbetrag bei der Bemessung des
Veräußerungsgewinns wieder auf den vereinbarten
Kaufpreis aufschlägt. Dass dies nicht richtig sein kann, zeigt
ein Vergleich mit der Rechtslage, die sich ohne die gesetzlichen
Rückstellungsverbote des § 5 Abs. 4, Abs. 4a EStG 1997
ergeben hätte: Dann wären zum einen die Verluste bzw.
Verbindlichkeiten in Höhe von 3.452.040 DM in den
Festsetzungszeiträumen, in denen die entsprechenden
Rückstellungen gebildet worden sind, auch steuerlich in voller
Höhe ergebniswirksam geworden; zum anderen hätte sich der
Veräußerungsgewinn der Klägerin nach § 16 Abs.
2 EStG 1997 - dann im Gleichklang mit der handelsrechtlichen Lage -
auf 2 Mio. DM belaufen. Das FG gelangt im Streitfall zu dem
gleichen Ergebnis - Veräußerungsgewinn von 2 Mio. DM -
auch ohne vorherige steuerliche Ergebniswirksamkeit der Verluste.
Nach dieser Lösung wird als Veräußerungsgewinn im
Ergebnis nur der Betrag der am Übertragungsstichtag
handelsrechtlich vorhandenen stillen Reserven ausgewiesen. Keine
Berücksichtigung findet hingegen, dass sich aus
steuerbilanzieller Sicht der Buchwert des Betriebsvermögens
seit dem Stichtag der letzten Schlussbilanz um 3.452.040 DM
gemindert hat. Dies ließe sich nur rechtfertigen, wenn man
den gesetzlichen Rückstellungsverboten entnehmen wollte, dass
die betreffenden Verluste bzw. Verbindlichkeiten steuerlich selbst
dann nicht ergebniswirksam werden dürfen, wenn sie sich
vermögensmindernd realisiert haben. Hierfür besteht aber
kein Anhalt.
bb) Der Senat weicht damit nicht i.S. von
§ 11 Abs. 2 FGO vom Urteil des IV. Senats in BFHE 137, 481,
BStBl II 1983, 595 = SIS 83 07 20 ab. Der IV. Senat hat dort zwar
ausgeführt, im Rahmen der Ermittlung des
Veräußerungsgewinns müssten vom Erwerber
übernommene Freistellungspflichten sowohl hinsichtlich
privater Verbindlichkeiten des Veräußerers als auch
hinsichtlich betrieblicher, aber zu Recht nicht bilanzierter
Schulden, z.B. einer betrieblichen Versorgungsrentenverpflichtung,
als Teil des Veräußerungspreises angesehen werden
(Gliederungspunkt 1.b). Jedoch ging es im Urteilsfall um eine
Freistellung von einer privaten, nicht aber einer betrieblichen
Schuld des Veräußerers (vgl. dort Gliederungspunkt 1.c).
In Bezug auf die Freistellung von privaten Schulden des
Veräußerers ergibt sich die Hinzurechnung aber, wie die
Revision zutreffend geltend macht, bereits aus § 4 Abs. 1 EStG
1997, weil der Vorgang - wie die Überführung einer
privaten Verbindlichkeit des Gesellschafters in das
Betriebsvermögen - als Entnahme zu werten ist. Bei den
Ausführungen des IV. Senats zu nicht bilanzierten
betrieblichen Verbindlichkeiten handelt es sich demgegenüber
um eine die Entscheidung nicht tragende Erwägung. Sie wird
lediglich als eine von zwei selbständigen
Begründungsalternativen im Zusammenhang mit der Verneinung
eines Vertrauenstatbestandes beim Steuerpflichtigen gebracht
(Gliederungspunkt 2.b,c), so dass ihr eine tragende Bedeutung nicht
zukommt.
d) Sonach ergibt sich folgende Berechnung des
Veräußerungsgewinns (x = handelsrechtlicher Buchwert des
Übertragungsobjekts):
Veräußerungspreis:
|
x +
2.000.000 DM
|
./. Steuerlicher Buchwert:
|
x +
3.452.040 DM
|
Veräußerungsgewinn:
|
./.
1.452.040 DM
|
4. Das FG ist von einer anderen rechtlichen
Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist aufzuheben und die
angefochtenen Bescheide sind gemäß § 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 FGO entsprechend dem Klagebegehren zu ändern. Die
Berechnung der Höhe des festzustellenden vortragsfähigen
Gewerbeverlustes wird gemäß § 121 Satz 1, §
100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.