Zuordnung von Anschaffungskosten bei Aufgeld im Rahmen einer Kapitalerhöhung: 1. Ein für den Erwerb eines GmbH-Anteils im Rahmen einer Kapitalerhöhung gezahltes Aufgeld (Agio) ist ausschließlich dem neu erworbenen Anteil als Anschaffungskosten zuzuordnen; es handelt sich nicht (auch) um nachträgliche Anschaffungskosten auf die bereits vorher bestehende Beteiligung. - 2. Das gilt auch dann, wenn die Summe aus dem Nennbetrag des neuen Anteils und des Aufgeldes den Verkehrswert des neuen Anteils übersteigt. Das Aufgeld ist in Höhe des "Überpreises" keine verdeckte Einlage. - Urt.; BFH 27.5.2009, I R 53/08; SIS 09 37 61
I. Streitpunkt ist die Bemessung der
Anschaffungskosten bei der Ermittlung des
Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf
einbringungsgeborener Anteile.
Die Klägerin, Revisionsbeklagte und
Anschlussrevisionsklägerin (Klägerin) ist
Gesamtrechtsnachfolgerin der im Jahr 1998 verstorbenen E. Diese war
zum 31.12.1993 mit Geschäftsanteilen von nominal 1.503.450 DM
an der D-GmbH beteiligt, deren Stammkapital sich auf 51.970.650 DM
belief. Von den Anteilen der E waren zu diesem Zeitpunkt 52,87 % -
das entspricht Geschäftsanteilen im Betrag von nominal 794.917
DM - als sog. einbringungsgeborene Anteile gemäß §
21 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei
Änderung der Unternehmensform (UmwStG 1977) steuerverstrickt.
Diesen Anteilen waren Anschaffungskosten von 92.420 DM
zuzuordnen.
Im Rahmen zweier Kapitalerhöhungen
führten die Gesellschafter der D-GmbH im Januar und im April
des Streitjahres (1994) Kapital zu. Hierfür wurden
Gewinnanteile der Gesellschafter verwendet, die diesen mit der
Ausgabe der neuen Anteile gegen Aufgeld zur Verfügung gestellt
wurden. E übernahm anlässlich der Kapitalerhöhungen
jeweils einen neuen Anteil im Betrag von nominal 867.900 DM; sie
leistete darauf über den Nominalbetrag hinaus Aufgelder in
Höhe von 3.073.630 DM (Januar 1994) und 3.905.400 DM (April
1994). Der Anteil der steuerverstrickten Anteile der E sank infolge
der Kapitalerhöhung vom Januar 1994 auf 33,52 % und nach der
Kapitalerhöhung vom April 1994 auf 24,54 %. Am 10. November
des Streitjahres übertrug E Geschäftsanteile im
Nominalbetrag von 3.238.250 DM - darunter alle steuerverhafteten
Anteile - auf die D-GmbH. Sie erhielt dafür einen Preis von
11.236.727,50 DM (347 DM je 100 DM des Nennwerts).
Die Klägerin erklärte aus der
Übertragung der steuerverstrickten Anteile einen
Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.190.154 DM. Dabei
rechnete sie die im Rahmen der Kapitalerhöhungen vom Januar
und im April des Streitjahres geleisteten Aufgelder zu einem Teil
auch den bereits vorher vorhandenen Anteilen (einschließlich
der steuerverstrickten Anteile) als nachträgliche
Anschaffungskosten zu. Der Beklagte, Revisionskläger und
Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) wertete
demgegenüber die Aufgelder ausschließlich als
Anschaffungskosten für die neuen Anteile und errechnete
deshalb einen um 474.918 DM höheren
Veräußerungsgewinn. Auf dieser Grundlage setzte er die
Einkommensteuer der E für das Streitjahr fest. Die deswegen
erhobene Klage - mit der die Klägerin zuletzt die
Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns von
1.309.105 DM begehrte - hatte teilweise Erfolg; das Finanzgericht
(FG) München ging von einem steuerpflichtigen
Veräußerungsgewinn von 2.134.676 DM aus und reduzierte
die festgesetzte Einkommensteuer entsprechend. Sein Urteil vom
8.4.2008 2 K 863/06 ist in EFG 2008, 1444 = SIS 08 26 08
abgedruckt.
Gegen das FG-Urteil richten sich die
Revision des FA und die Anschlussrevision der
Klägerin.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen. Im Wege der Anschlussrevision beantragt sie,
das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer auf der Grundlage
eines um 74.035 DM geringeren Veräußerungserlöses
festzusetzen.
Das FA beantragt, die Anschlussrevision
zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist begründet und
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des FG-Urteils und zur
Abweisung der Klage. Die Anschlussrevision der Klägerin ist
unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO
zurückzuweisen. Das FA hat den gemäß § 21 Abs.
1 Satz 1 UmwStG 1977 i.V.m. § 16 des Einkommensteuergesetzes
zu versteuernden Veräußerungsgewinn der E aus dem
Verkauf ihrer einbringungsgeborenen Anteile an der D-GmbH vom 10.
November des Streitjahres zutreffend ermittelt.
1. Veräußerungsgewinn ist
gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1977 der Betrag, um
den der Veräußerungspreis nach Abzug der
Veräußerungskosten die Anschaffungskosten
übersteigt. Als Anschaffungskosten gilt nach § 21 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 4 UmwStG 1977 bei
einbringungsgeborenen Anteilen der Wert, mit dem die
Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt.
Nach den nicht angegriffenen und den Senat gemäß §
118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz betrugen die
auf die einbringungsgeborenen Anteile entfallenden
Anschaffungskosten 92.420 DM. In dieser Höhe sind die
Anschaffungskosten bei der Ermittlung des
Veräußerungsgewinns in dem angefochtenen Bescheid
berücksichtigt worden.
2. Die von E im Rahmen der beiden
Kapitalerhöhungen im Streitjahr für den Erwerb der neuen
Anteile gezahlten Beträge sind einschließlich der
Aufgelder als Anschaffungskosten hinsichtlich des Erwerbs der neuen
Anteile anzusehen. Sie sind nicht teilweise den Altanteilen als
nachträgliche Anschaffungskosten zuzurechnen und mindern
deshalb nicht den Veräußerungsgewinn in Bezug auf die
einbringungsgeborenen Altanteile.
a) Ein Aufgeld (Agio), das ein Erwerber neuer
Geschäftsanteile aufgrund der getroffenen Einlagevereinbarung
über den Nennbetrag der Einlage hinaus an eine
Kapitalgesellschaft zu leisten hat und welches gemäß
§ 272 Abs. 2 Nr. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) in der Bilanz
als Kapitalrücklage auszuweisen ist, ist Bestandteil der
Gegenleistung, die der Erwerber aufbringen muss, um die
Beteiligungsrechte zu erwerben (vgl. Senatsurteil vom 24.4.2007 I R
35/05, BFHE 218, 97, BStBl II 2008, 253 = SIS 07 25 16 zum Aufgeld
bei einer Sacheinlage). Es ist deshalb nur jenen
Geschäftsanteilen als Anschaffungskosten zuzurechnen, für
deren Erwerb es aufzubringen war.
b) Das gilt entgegen der Auffassung des FG
auch insoweit, als nach dessen Feststellungen die Summe aus dem
Nennbetrag des übernommenen Geschäftsanteils und dem
Aufgeld den Verkehrswert des übernommenen
Geschäftsanteils überstieg
(„Überpreis“). Es handelt sich bei dem den
Verkehrswert übersteigenden Teilbetrag nicht um eine verdeckte
Einlage, welche den Anschaffungskosten der Beteiligung zugerechnet
(vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 28.4.2004 I R 20/03, BFH/NV 2005,
19 = SIS 05 03 91) und daher auch den vom Erwerber bereits vor der
Übernahme der neuen Anteile gehaltenen Altanteilen zugeordnet
werden könnte.
aa) Unter einer verdeckten Einlage ist die
Zuwendung eines bilanzierbaren Vermögensvorteils aus
gesellschaftsrechtlichen Gründen ohne Entgelt in Gestalt von
Gesellschaftsrechten zu verstehen (vgl. z.B. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.12.2000 VIII R 22/92, BFHE 194,
108, BStBl II 2001, 385 = SIS 01 05 18; vom 15.10.1997 I R 80/96,
BFH/NV 1998, 624 = SIS 98 08 35; in BFH/NV 2005, 19 = SIS 05 03 91;
vgl. auch Beschluss des Großen Senats des BFH vom 9.6.1997
GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307 = SIS 97 17 34). Nach
diesen Maßstäben kann ein Aufgeld nicht als verdeckte
Einlage angesehen werden. Denn das Aufgeld ist Bestandteil der
Gegenleistung für die Verschaffung von Gesellschaftsrechten
und wird folglich nicht unentgeltlich entrichtet. Darin
unterscheidet es sich von der freiwilligen Zuzahlung in das
Gesellschaftsvermögen, die gemäß § 272 Abs. 2
Nr. 4 HGB ebenfalls in die Kapitalrücklage einzustellen ist,
bei der es sich jedoch um eine unentgeltliche Leistung des
Gesellschafters handelt, die nicht in Zusammenhang mit dem Erwerb
von individuellen Gesellschaftsrechten steht (Senatsurteil in BFHE
218, 97, BStBl II 2008, 253 = SIS 07 25 16).
bb) Der Senat teilt nicht die Auffassung der
Vorinstanz, die Aufgelder ließen sich im Streitfall nach
Fremdvergleichsmaßstäben in einen entgeltlichen und
einen unentgeltlichen Teil aufspalten. Eine
Veranlassungsprüfung unter Heranziehung eines Fremdvergleichs
ist geboten, um durch das Gesellschaftsverhältnis verursachte
von den schuldrechtlich veranlassten bilanziellen
Vermögensmehrungen abzugrenzen. Sie taugt aber nicht zur
Abgrenzung der offenen von einer verdeckten Einlage und ist kein
Maßstab dafür, welchen Geschäftsanteilen eines
Gesellschafters welche Anschaffungskosten zuzuordnen sind. Die
Beteiligten haben die Aufgelder durch die im Rahmen der
Kapitalerhöhungen getroffenen Einlagevereinbarungen eindeutig
und ausschließlich den neuen Anteilen zugeordnet und
müssen sich daran auch für die steuerliche Beurteilung
festhalten lassen. Dass ihnen auch eine Gestaltung in der Weise
möglich gewesen wäre, die Zahlungen anstatt als Aufgelder
als freiwillige Zuzahlungen in das Gesellschaftsvermögen zu
leisten, führt zu keinem abweichenden Ergebnis.
3. Die Ermittlung der Verhaftungsquote der
einbringungsgeborenen Anteile durch das FG ist nicht zu
beanstanden. Die Steuerverhaftungsquote der einbringungsgeborenen
Altanteile der E hat sich - wie auch das FG zutreffend entschieden
hat - durch die Vereinbarung von Überpreisen bei den
Kapitalerhöhungen des Streitjahres nicht reduziert.
a) Nach den Feststellungen des FG und der
Auffassung beider Beteiligter haben die von E im Zuge der
Kapitalerhöhungen erbrachten Zahlungen einschließlich
Aufgelder den tatsächlichen Wert der Geschäftsanteile vor
Kapitalerhöhung jedenfalls nicht unterschritten. Die mit den
Kapitalerhöhungen verbundene Abspaltung von stillen Reserven
des Sacheinlagegegenstands, für den E die
einbringungsgeborenen Anteile erhalten hatte, von den
einbringungsgeborenen Altanteilen auf die neuen Anteile ist somit
vollständig entgolten worden. Die neuen Anteile sind deshalb
nicht nach der sog. Wertabspaltungstheorie (vgl. Senatsurteile vom
8.4.1992 I R 128/88, BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761 = SIS 92 13 29; vom 28.11.2007 I R 34/07, BFHE 220, 58, BStBl II 2008, 533 =
SIS 08 20 26) von der Steuerverhaftung ergriffen worden.
b) Der vom FG angenommene Überpreis
für die von E übernommenen neuen Anteile führt nicht
- wie die Klägerin meint - in gleichsam umgekehrter Anwendung
der Wertabspaltungstheorie zu einer Reduzierung der
Verhaftungsquote der einbringungsgeborenen Anteile. Denn die von
den einbringungsgeborenen Anteilen vermittelte
Beteiligungshöhe der E in Bezug auf die stillen Reserven des
Sacheinlagegegenstands wird durch die Höhe des von E
geleisteten Überpreises für die neuen Anteile nicht
beeinflusst.
4. Das FG ist teilweise von einer anderen
rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb
aufzuheben; die Klage ist abzuweisen.