GrESt, Steuerumgehung, Gesamthand, Anteilsschenkung: § 5 Abs. 3 GrEStG setzt die objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung voraus und ist daher einschränkend dahingehend auszulegen, dass - trotz der Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesamthänders - die Vergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG nicht entfällt, wenn aufgrund einer Anteilsschenkung eine Steuerumgehung objektiv ausscheidet. - Urt.; BFH 7.10.2009, II R 58/08; SIS 09 36 67
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) wurde durch Vertrag vom ...12.2001 gegründet.
Unternehmensgegenstand ist die Verwaltung und Nutzung von
Grundstücken sowie von Anlagen und Einrichtungen.
Gründungsgesellschafter waren als Komplementärin die
A-GmbH und B als Kommanditist. Die A-GmbH leistete keine Einlage, B
eine solche in Höhe von 50.000 EUR.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
...12.2002 brachte B alle aktiven und passiven
Vermögensgegenstände seines Einzelunternehmens
einschließlich des Grundstücks in X in die Klägerin
ein. Am ...12.2002 schenkte er dann seinen Söhnen C und D
sowie Frau E jeweils einen Anteil am Kommanditkapital der
Klägerin in Höhe von 8.000 EUR (16 v.H. des
Kommanditkapitals).
Mit Bescheid vom 31.7.2003 stellte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) den
Grundstückswert für das zuvor genannte Grundstück
zum 6.12.2002 auf ... EUR fest und rechnete diesen Wert in vollem
Umfang der Klägerin zu. Durch Bescheid vom 17.9.2004 setzte
das FA für die Grundstückseinbringung in die
Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von ... EUR für
den auf E entfallenden Anteil des Grundstückswertes fest; in
Höhe der verbleibenden Quote von 84 v.H. wurde die Steuer
nicht erhoben.
Die dagegen nach erfolglosem
Einspruchsverfahren eingelegte Klage hatte Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) folgte in seinem in EFG 2008, 1740 = SIS 08 37 46 veröffentlichten Urteil der Rechtsauffassung der
Klägerin, wonach der streitbefangene Einbringungsvorgang zwar
grunderwerbsteuerbar sei, die Steuer aber gemäß § 5
Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) insgesamt nicht
erhoben werde. Dem stehe § 5 Abs. 3 GrEStG nicht entgegen.
Diese Vorschrift diene der Vermeidung von Steuerausfällen,
indem durch die Mindestbehaltensfrist verhindert werden solle, dass
Grundbesitz steuerbegünstigt in eine Gesamthand eingebracht
und unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der
Anteilsübertragung steuerbefreit weitergegeben werde. Eine
danach zu fordernde objektive Möglichkeit der Steuerumgehung
liege im Streitfall aber nicht vor.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
welches die fehlerhafte Rechtsanwendung des § 5 Abs. 2 und 3
GrEStG rügt.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist unbegründet
und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend angenommen,
dass der Grundstückserwerb der Klägerin insgesamt nach
§ 5 Abs. 2 GrEStG steuerfrei zu belassen und dessen Anwendung
nicht nach § 5 Abs. 3 GrEStG ausgeschlossen ist.
1. Nach § 5 Abs. 2 GrEStG wird die
Grunderwerbsteuer in dem Fall, dass ein Grundstück von einem
Alleineigentümer auf eine Gesamthand übergeht, in
Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der
Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt
war. Da B als vormaliger Eigentümer des Grundstücks nach
der aufgrund des notariell beurkundeten Vertrages vom ...12.2002
vorgenommenen Einbringung desselben allein am Vermögen der
Klägerin beteiligt war, waren die Voraussetzungen für die
Nichterhebung der Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG gegeben.
2. Die Anwendung des § 5 Abs. 2 GrEStG
scheidet, soweit sich der Anteil des B am Vermögen der
Klägerin durch die am ...12.2002 vorgenommene Schenkung von
jeweils 16 v.H. am Kommanditkapital an E vermindert hat, entgegen
der Auffassung des FA auch nicht nach § 5 Abs. 3 GrEStG aus.
Zwar hat sich - dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 GrEStG
gemäß - der Anteil des B am Vermögen der
Klägerin insoweit vermindert; indessen ist mit Blick auf die
in § 3 Nr. 2 GrEStG geregelten Fälle eine teleologische
Reduktion des § 5 Abs. 3 GrEStG geboten.
a) § 5 Abs. 3 GrEStG dient der Vermeidung
von Steuerausfällen, indem durch die dort geregelte
Mindestbehaltefrist verhindert werden soll, dass Grundbesitz
steuerbegünstigt in eine Gesamthand eingebracht und unter
bestimmten Voraussetzungen im Wege der Anteilsübertragung
steuerfrei weitergegeben wird (BRDrucks 910/98, S. 203; BTDrucks
14/265, S. 204). Die Vorschrift zielt somit darauf ab, nur für
solche Einbringungsvorgänge die Steuervergünstigung nach
§ 5 GrEStG bestehen zu lassen, bei denen der
grundstückseinbringende Gesamthänder auch nach der
Einbringung über einen Zeitraum von fünf Jahren seine
gesamthänderische Mitberechtigung aufrecht erhält und
darüber an dem eingebrachten Grundstück
vermögensmäßig beteiligt bleibt. Die
Gesetzesformulierung „Verminderung des Anteils des
Veräußerers am Vermögen der Gesamthand“
ist gemessen an der Zielrichtung des § 5 GrEStG und dem
Charakter des Abs. 3 als Missbrauchsverhinderungsvorschrift aber
nicht präzise und deshalb auslegungsbedürftig (vgl.
Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., § 5
Rz 74). Im Sinne der Missbrauchsverhinderung setzt § 5 Abs. 3
GrEStG die objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung voraus.
Die Vorschrift ist daher einschränkend dahingehend auszulegen,
dass - trotz der Aufgabe der gesamthänderischen
Mitberechtigung oder der Verminderung der
vermögensmäßigen Beteiligung des
grundstückseinbringenden Gesamthänders - die
Vergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG nicht
entfällt, wenn die vom Gesetz geforderte Steuerumgehung
objektiv ausscheidet (Viskorf in Boruttau, a.a.O., § 5 Rz 88;
Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 5 Rz
25a; Behrens/Schmitt, Umsatz- und Verkehrsteuer-Recht - UVR - 2004,
270, 272). In den in § 3 Nr. 2 GrEStG genannten Fällen
des Grundstückserwerbs von Todes wegen bzw. der
Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes fehlt es aber
regelmäßig an einer derartigen objektiven
Steuerumgehungsmöglichkeit, weil der entsprechende
Erwerbsvorgang bei einer unmittelbaren
Grundstücksübertragung auf die Erwerber von der
Grunderwerbsteuer befreit wäre. Entsprechend liegen die
genannten Fälle nicht in der Zielrichtung des § 5 Abs. 3
GrEStG und sind im Wege einer teleologischen Reduktion der Norm aus
ihrem Anwendungsbereich auszuscheiden (vgl. Viskorf in Boruttau,
a.a.O., § 5 Rz 81; G. Hofmann, BB 2000, 2605, 2607; Urteil des
FG Nürnberg vom 1.4.2008 IV 278/2005, EFG 2009, 611 = SIS 08 33 83; Fumi, EFG 2009, 613, 614; Behrens/Schmitt, BB 2009, 818,
819).
b) Auf die Frage, ob sich die in § 3 Nr.
2 GrEStG genannten Erwerbe im Wege einer interpolierenden
Betrachtungsweise als „personenbezogene Beziehung von
grunderwerbsteuerlicher Bedeutung“ der Klägerin
zurechnen lassen (so Franz in Pahlke/Franz,
Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 5 Rz 65;
Hofmann, a.a.O., § 3 Rz 3; Behrens, BB 2007, 368; Urteil des
FG Baden-Württemberg vom 3.12.2003 5 K 243/03, EFG 2004, 366 =
SIS 04 08 20), kommt es danach ebenso wenig an wie darauf, ob das
genannte Auslegungsergebnis den Ausführungen im Urteil des
Bundesfinanzhofs vom 12.10.2006 II R 79/05 (BFHE 215, 286, BStBl II
2007, 409 = SIS 07 04 73) zur Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG
im Zusammenspiel mit § 1 Abs. 2a GrEStG entspricht. Soweit
sich das FA insoweit auf den Erlass des Finanzministeriums des
Saarlandes vom 18.5.2005 (B/3 - 2 - 96/2005 - S 4500 = SIS 05 21 48) berufen hat, ist dieser im Übrigen inzwischen durch
weiteren Erlass vom 17.10.2007 (B/5 - 211/2007 - S 4500 = SIS 07 38 28) aufgehoben worden.