Gewinnfeststellungsbescheid, rückwirkendes Ereignis, Verfahren: Die Entscheidung darüber, ob die Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids auf einem rückwirkenden Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und damit zugleich auch auf einem rückwirkenden Ereignis i.S. von § 233 a Abs. 2a AO beruht, ist im Feststellungsverfahren zu treffen. - Urt.; BFH 19.3.2009, IV R 20/08; SIS 09 25 86
I. Am Betrieb der H-GmbH (GmbH) waren Herr
G. und Herr M. - die Kläger und Revisionsbeklagten zu 1. und
2. (Kläger zu 1. und 2.) - als atypisch stille Gesellschafter
beteiligt. Das Gesellschaftsverhältnis wurde im Jahre 1991
(Streitjahr) beendet und die Auseinandersetzungsansprüche auf
der Grundlage eines Verkaufsangebots für das
Betriebsgrundstück der GmbH (2,2 Mio. DM) berechnet. Hieraus
ergaben sich Veräußerungsgewinne der Kläger zu 1.
und 2. in Höhe von rd. 1,6 Mio. DM, die in dem
Gewinnfeststellungsbescheid 1991 vom 14.7.1993 (Erstbescheid)
erfasst worden sind. Der hiermit verbundene
Nachprüfungsvorbehalt wurde - im Anschluss an den zu einer
Betriebsprüfung gefertigten Aktenvermerk - mit Bescheid vom
3.3.1997 aufgehoben. Das mit 9 % verzinsliche
Auseinandersetzungsguthaben sollte erst nach Eingang des
Erlöses aus dem Grundstücksverkauf ausbezahlt
werden.
Die GmbH konnte das Grundstück
zunächst nicht veräußern. Da anlässlich eines
im Jahre 2002 beabsichtigten Verkaufs Bodenkontaminationen
festgestellt wurden, verständigten sich die Gesellschafter am
9.12.2002 auf einen Grundstücksverkehrswert von nur noch rd.
80.000 EUR; zugleich verzichteten sie auf einen erheblichen Teil
der zunächst angenommenen
Auseinandersetzungsansprüche.
Antragsgemäß sah der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) in der Minderung
der Auseinandersetzungsansprüche ein rückwirkendes
Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung
(AO) und änderte am 10.4.2003 die Gewinnfeststellung 1991. Der
Änderungsbescheid weist für die Kläger zu 1. und 2.
Veräußerungsverluste aus. Der Bescheid ist in
Bestandskraft erwachsen.
Nachdem der Kläger zu 2. gegen die -
mit der Festsetzung der Einkommensteuer verbundene -
Zinsfestsetzung (§ 233a AO) Klage erhoben hatte, erließ
das FA am 3.11.2004 einen ergänzenden Feststellungsbescheid
1991 (§ 179 Abs. 3 AO), der Gegenstand dieses Verfahrens ist
und mit dem festgestellt wurde, dass „die Änderungen im
Feststellungsbescheid vom 10.4.2003 ausschließlich wegen
eines im Jahre 2002 eingetretenen rückwirkenden Ereignisses
(erfolgt seien)“.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen
Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben, weil die
verfahrensrechtliche Grundlage eines Änderungsbescheids nicht
zu den festzustellenden anderen Besteuerungsgrundlagen
gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gehöre.
Die Frage der Rückwirkung einer Vereinbarung sei vielmehr eine
nicht bindende Feststellungsgrundlage (Hinweis auf
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 23.2.2000 II 87/99, EFG
2000, 412 = SIS 01 69 17, rechtskräftig). Zulässig sei
deshalb lediglich eine nachrichtliche Mitteilung.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision
beantragt das FA sinngemäß,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben sich während des
Revisionsverfahrens nicht geäußert.
II. Die Revision ist begründet. Das
Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Klage abzuweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
1. Das FG ist von der Klägerstellung der
GmbH ausgegangen. Dem kann der Senat nicht beipflichten. Er stellt
insoweit klar, dass die Klage lediglich von Herrn G. und Herrn M. -
den atypisch still beteiligten Klägern zu 1. und 2. - erhoben
worden und das Rubrum des vorinstanzlichen Urteils entsprechend zu
berichtigen ist (vgl. zur Befugnis des Revisionsgerichts zur
Auslegung von Prozesserklärungen z.B. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.4.1999 VIII R 81/94, BFH/NV 1999,
1457 = SIS 99 53 01; Senatsbeschluss vom 28.11.2008 IV R 87/05,
juris, jeweils m.w.N.).
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist in
Verfahren betreffend die einheitliche Gewinnfeststellung einer
atypisch stillen Gesellschaft der Inhaber des Handelsgewerbes
(§ 230 des Handelsgesetzbuches - HGB - ; hier: GmbH) nicht als
Prozessstandschafter gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 1.
Halbsatz FGO klagebefugt. Mangels eines zur Vertretung berufenen
Geschäftsführers kommt allenfalls eine Klagebefugnis als
klagebevollmächtigter Prozessstandschafter gemäß
§ 48 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz FGO in Betracht (BFH-Beschluss
vom 3.3.1998 VIII B 62/97, BFHE 185, 131, BStBl II 1998, 401 = SIS 98 14 46). Im Streitfall vermag jedoch auch diese Vorschrift der
GmbH die Klägerstellung nicht zu vermitteln. Dabei kann
offenbleiben, ob bis zur Beendigung der Gesellschaft die
Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz i.V.m.
§ 48 Abs. 2 FGO vorgelegen haben. Jedenfalls ist die atypisch
stille Gesellschaft zwischen der GmbH und den Klägern zu 1.
und 2. zum 31.12.1991 aufgelöst und hiermit auch vollbeendet
worden (herrschende Lehre; vgl. BFH-Beschluss vom 24.11.1988 VIII B
90/87, BFHE 155, 32, BStBl II 1989, 145 = SIS 89 15 54; Steinhauff
in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 48 FGO Rz 118; zur
Gegenansicht s. Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 234 Rz 1).
Damit ist aber zugleich die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 2 FGO
- mangels eines intakten Gesellschaftsverhältnisses -
entfallen (BFH-Urteile vom 7.7.1998 VIII R 16/96, BFH/NV 1999, 471
= SIS 98 52 83; vom 7.7.1998 VIII R 17/96, BFH/NV 1999, 473 = SIS 98 52 84; Steinhauff in HHSp, § 48 FGO Rz 145; Brandis in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 48 FGO
Rz 20).
b) Die Befugnis, gegen den
Ergänzungsbescheid vom 3.11.2004 zu klagen, richtet sich
deshalb nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO. Auch wenn die Vorschrift -
gleich § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO (betreffend ausgeschiedene
Gesellschafter) - nach ihrem Wortlaut lediglich voraussetzt, dass
gegen den Gesellschafter ein Feststellungsbescheid ergangen ist,
muss beachtet werden, dass § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO - ebenso wie
§ 48 Abs. 1 Nr. 3 - nur ein beschränktes Klagerecht
vermittelt und der Gesellschafter deshalb nur die Feststellungen
angreifen kann, die ihn selbst betreffen und - ihre
Rechtswidrigkeit unterstellt - ihn in seinen eigenen Rechten
(§ 40 Abs. 2 FGO) verletzen (BFH-Beschluss in BFHE 185, 131,
BStBl II 1998, 401 = SIS 98 14 46; Steinhauff in HHSp, § 48
FGO Rz 201 und 235; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 48 FGO
Rz 24; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl.,
§ 48 Rz 32).
aa) Hiernach kann zwar über die
Klagebefugnis von Herrn G. und Herrn M. (atypisch still Beteiligte;
Kläger zu 1. und 2.) kein Zweifel bestehen. Sie sind deshalb
durch den angegriffenen Ergänzungsbescheid beschwert, weil
dieser (nach seinem Verfügungssatz) regelt, dass die
Änderung des Erstbescheids (betreffend den Ansatz von
Veräußerungsgewinnen) auf der Vorschrift des § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) beruht und sie
hierdurch - ohne dass es einer konkreten Prüfung der
Auswirkungen auf die Zinsfestsetzung (§ 233a AO) bedarf - in
ihren eigenen Rechten verletzt sein können (vgl. BFH-Urteil
vom 14.6.1994 VIII R 20/93, BFH/NV 1995, 318; Steinhauff in HHSp,
§ 48 FGO Rz 235).
bb) Eine Beschwer der GmbH ist hingegen -
abweichend von der Einschätzung der Vorinstanz - zu verneinen.
Da der Änderungsbescheid vom 10.4.2003 sich auf eine Korrektur
der steuerlichen Veräußerungsergebnisse betreffend Herrn
G. und Herrn M. beschränkte und mithin den für die GmbH
festgestellten Ergebnisanteil unberührt ließ, konnte mit
dem angefochtenen Ergänzungsbescheid - auch dann, wenn man von
den konkreten Folgewirkungen dieses Bescheids absieht (s.o.) -
keine Beschwer für die GmbH verbunden sein.
Demgemäß ist in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass
ausgeschiedene Gesellschafter im Hinblick auf Streitfragen, die nur
die (anderen) Mitgesellschafter persönlich angehen, nicht nach
§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klagebefugt sind (BFH-Beschluss vom
23.8.1985 IV B 53/85, BFH/NV 1987, 584; Steinhauff in HHSp, §
48 FGO Rz 236). Für die vorliegend zu beurteilende
Klagebefugnis gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO kann -
wie aufgezeigt - nichts anderes gelten.
c) Die namens der „GmbH und atypisch
stille Gesellschaft“ erhobene Klage war deshalb in dem
vorgenannten Sinne auszulegen. Dies gebietet nicht nur der
Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung; hinzu kommt,
dass die Bevollmächtigte dieses Verständnis nach Erhebung
der Klage mit Schreiben vom 18.2.2005 ausdrücklich
klargestellt hat. Gleiches gilt darüber hinaus für den -
ebenfalls namens der atypisch stillen Gesellschaft - eingelegten
Einspruch, da dem FA - als Adressat dieser Erklärung - die
Auflösung der Gesellschaft zum 31.12.1991 spätestens zu
Beginn des Jahres 1993 (Eingang der Feststellungserklärung
1991) mitgeteilt worden ist. Unter Berücksichtigung der
vorstehenden Erläuterungen musste deshalb auch das FA davon
ausgehen, dass der Einspruch nur von den stillen Gesellschaftern
eingelegt worden ist mit der weiteren Folge, dass die
Einspruchsentscheidung (betreffend „GmbH und atypisch
stille Gesellschaft“) auch nur diesen gegenüber
ergehen konnte und nach den dargelegten Auslegungsgrundsätzen
nur diesen gegenüber ergangen ist.
2. Der Senat kann der Vorinstanz auch in der
Sache nicht beipflichten.
Nach § 179 Abs. 3 AO ist eine notwendige
Feststellung, die in einem Feststellungsbescheid unterblieben ist,
in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen. Die Voraussetzungen
dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt.
a) Die Ansicht des FG, dass die
verfahrensrechtliche Grundlage für den Erlass eines
Änderungsbescheids nicht zu den festzustellenden (anderen)
Besteuerungsgrundlagen i.S. von § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
i.V.m. § 179 Abs. 3 AO gehöre, verkennt nicht nur, dass
gerade die - vorliegend streitige - Änderungsnorm des §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in materiell-rechtlicher Hinsicht
Einfluss auf den Zinslauf nach § 233a Abs. 2a AO nimmt. Sie
lässt vor allem außer Acht, dass gemäß §
239 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AO die Vorschriften über die
Steuern - und mithin auch die Regelungen der §§ 155 ff.
(Steuerfestsetzung) und §§ 179 ff. AO (Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen) - auf Zinsen nicht unmittelbar, sondern
lediglich entsprechend anzuwenden sind (vgl. § 3 Abs. 4 i.V.m.
§ 1 Abs. 3 Satz 2 AO).
aa) Hieraus hat der BFH in ständiger
Rechtsprechung abgeleitet, dass - in Entsprechung zu den
Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 179 Abs. 1
Satz 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO - über die Frage, ob und
in welchem Umfang Steuernachforderungen auf
Hinterziehungshandlungen beruhen und somit tatbestandlich den
Zinsanspruch des § 235 AO auslösen, im Verfahren der
einheitlichen und gesonderten Feststellung zu entscheiden ist
(BFH-Urteil vom 19.4.1989 X R 3/86, BFHE 156, 383, BStBl II 1989,
596 = SIS 89 17 52; BFH-Beschlüsse vom 10.12.2003 X B 134/02,
BFH/NV 2004, 906 = SIS 04 22 46; vom 10.10.1994 I B 30/94, BFH/NV
1995, 471 - betreffend Sonderbetriebseinnahmen - ; zustimmend
Bublitz, DStR 1990, 438, 440; Schwarz, AO, § 239 Rz 3b).
Unterbleibt dies, ist der Gewinnfeststellungsbescheid zu
ergänzen (§ 179 Abs. 3 i.V.m. § 239 Abs. 1 Satz 1
AO; vgl. BFH-Urteil vom 13.7.1994 XI R 21/93, BFHE 175, 13, BStBl
II 1994, 885 = SIS 94 20 78). Der - ggf. ergänzte -
Feststellungsbescheid ist deshalb nicht nur für die
Folgesteuern bindend, sondern zugleich auch Grundlagenbescheid
für die Zinsfestsetzung nach § 235 AO (§§ 182
Abs. 1 Satz 1, 171 Abs. 10 i.V.m. § 239 Abs. 1 Satz 1 AO;
BFH-Urteile in BFHE 175, 13, BStBl II 1994, 885 = SIS 94 20 78; vom
16.3.1993 XI R 42/90, BFH/NV 1994, 75).
bb) Nichts anderes kann für den Zinslauf
gemäß § 233a Abs. 2a AO gelten. Auch hier gebietet
es der Zweck des Feststellungsverfahrens, die
Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung sicherzustellen und
etwaige Streitfragen in einem Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren
zu bündeln (BFH-Urteil in BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596 =
SIS 89 17 52; Bublitz, DStR 1990, 438, 441), die Entscheidung
darüber, ob die Änderung eines
Gewinnfeststellungsbescheids auf einem rückwirkenden Ereignis
i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und damit zugleich auch
auf einem rückwirkenden Ereignis i.S. von § 233a AO
(BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R 60/98, BFHE 188, 542, BStBl II 1999,
634, 635 = SIS 99 17 42) beruht, gegenüber allen
Feststellungsbeteiligten mit bindender Wirkung einheitlich zu
treffen (gl.A. Anwendungserlass zur AO - AEAO - Nr. 74 zu §
233a AO; Heuermann in HHSp, § 233a AO Rz 38). Unter welchen
Voraussetzungen hiervon wegen geringer Bedeutung des Falls (§
239 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO)
abgesehen werden kann (s. - zu § 235 AO - FG
Baden-Württemberg, Beschluss vom 6.11.2000 2 K 279/99, EFG
2001, 405 = SIS 01 71 28), braucht mit Rücksicht auf den
zwischen den Beteiligten bestehenden Streit über das Vorliegen
eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 AO i.V.m. § 233a Abs. 2a AO) im anhängigen Verfahren
nicht entschieden zu werden (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 180 AO Rz 50).
b) Die Tatbestandsvoraussetzungen des §
179 Abs. 3 AO (i.V.m. § 239 Abs. 1 Satz 1 AO) sind ferner
insoweit erfüllt, als der Bescheid vom 10.4.2003 keine
Feststellung zur Rechtsgrundlage der Änderung enthielt und
damit (insoweit) lückenhaft war.
Zwar wird in dem Bescheid unter der
Überschrift „Art der Feststellung“ darauf
hingewiesen, dass „(er) nach § 175 Abs. 1 (Satz 1)
Nr. 2 AO geändert (ist)“. Hiermit war jedoch weder
nach dem Willen des FA noch nach der (maßgeblichen) Sicht
eines verständigen Empfängers die Feststellung einer
Besteuerungsgrundlage verbunden. Hiergegen spricht nicht nur, dass
erst im Anschluss an den genannten Hinweis auf § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO unter der Überschrift „Feststellung
der Besteuerungsgrundlagen“ die insgesamt erzielten
Einkünfte, deren Verteilung auf die Gesellschafter sowie die
weiteren Qualifikationsmerkmale (z.B. Höhe der
Veräußerungsgewinne/-verluste; § 32c des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ) ausgewiesen werden. Hinzu kommt,
dass dieser Teil des Bescheids mit der Erläuterung
schließt, dass die „festgestellten
Besteuerungsgrundlagen ... den Veranlagungen der Beteiligten ...
zugrunde gelegt (werden)“.
c) Der Ergänzungsbescheid ist ferner
innerhalb der Feststellungsfrist ergangen. Letztere beträgt im
Hinblick auf die Grundlagen zur Festsetzung der Zinsen nach §
233a Abs. 2a AO ein Jahr (vgl. § 239 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz
i.V.m. §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 169 AO; BFH-Urteil in BFHE
175, 13, BStBl II 1994, 885 = SIS 94 20 78) und beginnt nach §
239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem
die Steuer festgesetzt, geändert oder aufgehoben worden ist.
Der Senat geht hierbei davon aus, dass die Einkommensteuerbescheide
der Kläger zu 1. und 2. im Anschluss an den
Änderungsbescheid vom 10.4.2003 angepasst wurden. Die
einjährige Feststellungsfrist hat demnach mit Ablauf des
Jahres 2003 begonnen und war bei Erlass des
Ergänzungsbescheids vom 3.11.2004 noch nicht abgelaufen.
d) Schließlich ist das FA auch zu Recht
davon ausgegangen, dass der Erlass des Änderungsbescheids vom
10.4.2003 auf einem rückwirkenden Ereignis i.S. von § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 233a Abs. 2a AO beruhte. Der
Senat teilt insbesondere nicht die von den Klägern im
erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachte Ansicht, dass der
Erlass des Änderungsbescheids deshalb auf einer
nachträglich bekanntgewordenen Tatsache i.S. des § 173
Abs. 1 Nr. 2 AO beruhte, weil die Bodenverunreinigungen bereits im
Jahre 1991 vorhanden gewesen seien.
aa) Die nachträglich bekanntgewordene
Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (i.V.m. § 181
Abs. 1 AO) erfordert die nachträgliche Kenntnis von einem bei
Erlass des Bescheids bereits gegebenen Sachverhalt, der zudem auf
den Regelungsgehalt des ergangenen Bescheids in der Weise einwirken
muss, dass er entweder zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung oder
- wie im Streitfall - zu einer günstigeren
(regelmäßig: niedrigeren) Feststellung einer
quantifizierbaren Besteuerungsgrundlage (hier:
Veräußerungsgewinn) führt (vgl. zu Letzterem von
Groll in HHSp, § 173 AO Rz 140, 142, 151, jeweils m.w.N.).
Demgegenüber ist für ein Ereignis, das i.S. von §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO steuerliche Wirkung für die
Vergangenheit hat, kennzeichnend, dass der in Frage stehende
rechtlich bedeutsame Vorgang (einschließlich
tatsächlicher Lebensvorgänge) erst nach Erlass des zu
ändernden Bescheids eingetreten ist und ihm nach dem
einschlägigen materiellen Recht eine rückwirkende
steuerliche Bedeutung zukommt (Beschluss des Großen Senats
des BFH vom 19.7.1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 =
SIS 93 23 33; BFH-Urteile vom 6.3.2003 XI R 13/02, BFHE 201, 421,
BStBl II 2003, 554 = SIS 03 23 69; vom 21.4.1988 IV R 215/85, BFHE
153, 485, BStBl II 1988, 863 = SIS 88 19 42; von Groll in HHSp,
§ 173 AO Rz 37, m.w.N.).
bb) Im Streitfall ist von dem für den
Ansatz von Veräußerungsgewinnen nach § 16 EStG
einschlägigen materiellen Recht auszugehen.
aaa) Der Große Senat des BFH hat hierzu
mit Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33
(betreffend Ausfall gestundeter Kaufpreisforderungen) entschieden,
dass der Begriff des Veräußerungspreises (§ 16 Abs.
2 Satz 1 EStG) - entsprechend dem Grundsatz der Besteuerung nach
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit zur
Vermeidung sowohl einer Übermaßbesteuerung als auch
einer dem Zweck der Tarifentlastung gemäß §§
16, 34 EStG widerstreitenden Überentlastung - nach dem
tatsächlich erzielten Erlös zu bestimmen ist. Auch nach
der Veräußerung eintretende Veränderungen des
ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreises sind
demnach solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt
der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber
seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht
erfüllt hat. Unerheblich ist hierbei, welche Gründe
für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses
maßgeblich waren (vgl. auch Beschluss des Großen Senats
des BFH vom 19.7.1993 GrS 1/92, BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894 =
SIS 93 23 32, betreffend Ausfall einer Freistellungsvereinbarung).
Diese Rechtsprechung gilt gleichermaßen für die
Veräußerung von Mitunternehmeranteilen (BFH-Urteil vom
28.7.1994 IV R 53/91, BFHE 175, 353, BStBl II 1995, 112 = SIS 95 01 14; Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 16 Rz 461, m.w.N.)
sowie die Veräußerung von Wirtschaftsgütern im
Rahmen einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG;
BFH-Urteil vom 31.8.2006 IV R 53/04, BFHE 214, 550, BStBl II 2006,
906 = SIS 06 40 92; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 292, 384;
zur Abgrenzung s. BFH-Urteil vom 1.4.1998 X R 150/95, BFHE 186, 70,
BStBl II 1998, 569 = SIS 98 17 21).
bbb) Hiernach kann im Streitfall kein Zweifel
daran bestehen, dass der geänderte Gewinnfeststellungsbescheid
vom 10.4.2003, mit dem - im Anschluss an die (nach Entdeckung der
Bodenverunreinigungen) angepasste Auseinandersetzungsabrede vom
9.12.2002 - für die Kläger zu 1. und 2.
Veräußerungsverluste ausgewiesen wurden, nur auf der
Grundlage eines rückwirkenden Ereignisses i.S. von § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ergehen konnte (gl.A. bereits Senatsurteil
vom 26.7.1984 IV R 10/83, BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786 = SIS 84 19 45, betreffend Vergleich über zunächst strittigen
Abfindungsbetrag). Der Ansicht der Kläger, nach der die
bereits im Jahre 1991 (Beendigung der stillen Gesellschaft)
vorhandene und erst im Jahre 2002 entdeckte Bodenbelastung als eine
nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. von § 173
Abs. 1 Nr. 2 AO zu qualifizieren sei, die zu einer niedrigeren
Steuer (bzw. entsprechend geänderten Feststellung) führe,
steht entgegen, dass - wie ausgeführt - dem
Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG das
tatsächlich vereinbarte Entgelt zugrunde zu legen ist und
deshalb die hierfür wertbildenden Faktoren (im Fall:
Bodenkontamination) erst dann zu einer niedrigeren Steuer
führen, d.h. auf den Regelungsgehalt des Steuerbescheids (oder
Feststellungsbescheids; vgl. oben sowie von Groll in HHSp, §
173 AO Rz 140, 142) einwirken können, wenn sie von den
Vertragsparteien in Form einer (geänderten) Abrede über
den Veräußerungs- oder Auseinandersetzungserlös
berücksichtigt worden sind.
ccc) Der Senat weicht mit dieser Beurteilung
nicht vom Urteil des VIII. Senats des BFH vom 19.4.2005 VIII R
68/04 BFHE 209, 476, BStBl II 2005, 762 = SIS 05 36 06 ab.
Allerdings führt die Entscheidung aus, dass § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO die jeweilige Änderungsvorschrift - gemeint:
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO - ergänzen könne. Die Aussage
ist indes auf den vom VIII. Senat entschiedenen Sachverhalt
zugeschnitten, nach dem dem FA erst im Jahre 1999
(Bedingungseintritt für ein höheres
Veräußerungsentgelt) bekannt wurde, dass der
Steuerpflichtige in dem - bestandskräftig veranlagten - Jahr
1998 (Veräußerungsjahr = Streitjahr) über
Anwartschaftsrechte i.S. von § 17 EStG verfügt hatte. In
einem solchen Fall mögen zwar - wie vom VIII. Senat angenommen
- beide Korrekturtatbestände (§§ 173 Abs. 1 Nr. 1,
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) nebeneinander treten und einander
ergänzen. Dies lässt sich jedoch bereits im Ausgangspunkt
auf die Verhältnisse des anhängigen Verfahrens nicht
übertragen, weil dem FA mit der Erklärung zur
Gewinnfeststellung 1991 die Auflösung der atypisch stillen
Gesellschaft ausdrücklich mitgeteilt und zudem unmittelbar
nach Erlass des Erstbescheids (14.7.1993) mit Schreiben der
steuerlichen Berater vom 23.7.1993 eine Kopie der
ursprünglichen Auseinandersetzungsabrede übersandt worden
ist. Hinzu kommt, dass der VIII. Senat selbst für den Fall des
Zusammentreffens der beiden genannten
Änderungstatbestände ausdrücklich darauf hingewiesen
hat, dass im Rahmen einer durch § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
eröffneten Korrektur die Rechtsgrundlage dafür, eine erst
nach dem Jahr der Veräußerung erhöhte Gegenleistung
rückwirkend bei der Bestimmung des
Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen, in §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu sehen sei.