LuF, Betriebsaufgabegewinn, nachträgliche Erhöhung: Wird bei der Veräußerung landwirtschaftlich genutzter Flächen im Rahmen einer Betriebsaufgabe eine nachträgliche Kaufpreiserhöhung für den Fall vereinbart, dass die Flächen Bauland werden, so erhöht die Nachzahlung den steuerbegünstigten Aufgabegewinn im Kalenderjahr der Betriebsaufgabe. - Urt.; BFH 31.8.2006, IV R 53/04; SIS 06 40 92
A. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Ehegatten, die im Streitjahr (1993) zur
Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger
bewirtschaftete bis zum 30.6.1993 einen landwirtschaftlichen
Betrieb, den er zum 1.7.1993 an die Klägerin verpachtete. Mit
Schreiben vom 15.9.1993 erklärte er dem Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA
- ) gegenüber die Betriebsaufgabe mit Wirkung vom
30.6.1993.
Zuvor hatte er durch notariellen Vertrag
vom 8.6.1993 eine zum Betriebsvermögen gehörende
Teilfläche von 7,1988 ha zum Preis von 2.035.000 DM verkauft.
Dabei gingen die Vertragsbeteiligten davon aus, dass wenigstens
Teile der veräußerten Flurstücke (ca. 3,8900 ha) im
zu erstellenden Bebauungsplan als Baugelände ausgewiesen
würden und dass die übrigen nicht als Bauland
auszuweisenden Flächen zukünftig einmal ebenfalls einer
baulichen Nutzung zugeführt werden könnten. Für
diesen Fall verpflichtete sich die Erwerberin, „den sich
aufgrund der Nutzungsänderung aus heutiger Sicht ergebenden
Mehrwert auszugleichen“. Die rechnerische Ermittlung dieses
Mehrwerts wurde in § 5 des notariellen Vertrags vom 8.6.1993
verbindlich geregelt.
Bereits im Oktober 1994 konkretisierte sich
die Bebauungsmöglichkeit der ursprünglich nicht als
Bauland ausgewiesenen Flächen. Unter Bezugnahme auf § 5
des Kaufvertrages vom 8.6.1993 ermittelten die Vertragspartner in
der notariellen Urkunde vom 7.10.1994 für eine Fläche von
2,7400 ha einen Ausgleichsbetrag von 1.315.200 DM, der dem
Kläger zusätzlich gezahlt wurde. Nach einer
Betriebsprüfung bezog das FA diesen Betrag bei Ermittlung des
Aufgabegewinns für das Streitjahr mit ein und änderte den
unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden, bereits mehrfach
geänderten Einkommensteuerbescheid 1993 entsprechend.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) bezog sich im Wesentlichen auf die
Gründe der Einspruchsentscheidung und führte
ergänzend aus, die einvernehmliche Erhöhung des
Veräußerungspreises aufgrund der vereinbarten
Nachforderungsklausel sei ein rückwirkendes Ereignis i.S. des
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und
wirke auf den Zeitpunkt der Veräußerung
zurück.
Mit ihrer dagegen gerichteten Revision
rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen
Rechts.
Sie tragen vor:
1. Das angefochtene Urteil sei in
zweifacher Hinsicht nicht mit Entscheidungsgründen versehen
und verstoße damit sowohl gegen § 119 Nr. 6 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) als auch gegen § 105 Abs. 5 FGO.
Der Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
13.9.2000 X R 148/97 (BFHE 193, 129, BStBl II 2001, 641 = SIS 01 01 28) und die wörtliche Übernahme von Teilen der
Begründung daraus seien eine unzulässige
begründungsersetzende Verweisung, die zu einem
Verfahrensfehler nach § 119 Nr. 6 FGO führe. Auch die
Verweisung auf die Einspruchsentscheidung sei unzulässig, weil
das FG dadurch ein selbständiges Angriffs- oder
Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen habe. Erst
im Klageverfahren sei vorgetragen worden, dass es an einem
Kausalzusammenhang zwischen der Aufstellung des Bebauungsplans und
dem ursprünglichen Veräußerungsgeschäft
gefehlt habe. Das habe daher im Einspruchsverfahren noch nicht
berücksichtigt werden können.
Schließlich habe das FG den
Akteninhalt unzureichend gewürdigt und dadurch seine
Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 FGO
verletzt. Obwohl die Grundstücksfläche Nr. 9/10 (richtig
9/4) 3,3589 ha umfasse, sei der Ausgleichsbetrag von 48 DM/qm nur
für eine Teilfläche von 2,74 ha gezahlt worden. Da aber
hinsichtlich der Flächendifferenz von 0,6189 ha auf
Ausgleichsansprüche verzichtet worden sei, könne der
Vorgang nicht als Kaufpreisanpassung, sondern nur als
eigenständiger Erwerbsvorgang gewürdigt werden.
2. Die Vorentscheidung sei auch
materiell-rechtlich fehlerhaft, denn die nachträgliche
Berücksichtigung nach § 175 AO 1977 und § 16 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - setze zwingend das Bestehen einer
Forderung im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe voraus. Zu Unrecht sei
das FG von einem einheitlichen Veräußerungsvorgang
ausgegangen und habe den entgeltlich vereinbarten
„Rechtsverzicht“ außer Acht gelassen, der
vollständig isoliert vom Kaufvertrag zu sehen sei. Aus dem
Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.7.1993 GrS 2/92
(BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33) und der danach
ergangenen Rechtsprechung (z.B. Senatsurteil vom 10.2.1994 IV R
37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564 = SIS 94 13 16) folge,
dass ein rückwirkendes Ereignis nur dann anzunehmen sei, wenn
im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe eine Forderung bestanden habe.
Nach zivil- und bilanzrechtlichen Grundsätzen habe die
zwischen den Parteien vereinbarte Nachforderungsklausel aber keine
Forderung begründet, deren spätere
„Realisierung“ zu einer nachträglichen
Änderung des Betriebsaufgabegewinns hätte führen
können.
Da der Anspruch auf Ausgleich des Mehrwerts
unter der aufschiebenden Bedingung entstanden sei, dass die
fragliche Fläche als Bauland ausgewiesen werde, sei mit dem
Kaufvertrag vom 8.6.1993 lediglich ein Anwartschaftsrecht auf
Wertausgleich entstanden, das nicht zu einem Schuldverhältnis
zwischen den Beteiligten geführt habe. Eine Erfassung dieses
Anwartschaftsrechts würde im Übrigen gegen das
Realisations- und Imparitätsprinzip verstoßen, denn
grundsätzlich seien Forderungen und Schulden nur in dem Umfang
auszuweisen, als jeder Beteiligte nur Zug um Zug gegen Leistung
eines anderen verpflichtet sei. In diesem Zusammenhang sei das FG
rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass § 16 Abs. 2 EStG als
spezialgesetzlicher Regelung Vorrang vor den Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung zukomme. Im Streitfall sei der vereinbarte
Kaufpreis nicht nachträglich geändert, sondern es sei ein
Anwartschaftsrecht begründet worden, das in keinem
Zusammenhang zur Vereinbarung des Kaufpreises stehe, und das als
aufschiebend bedingte Forderung nach der Rechtsprechung des BFH
auch nicht aktivierungsfähig sei (BFH-Urteil vom 26.4.1995 I R
92/94, BFHE 177, 444, BStBl II 1995, 594 = SIS 95 16 18).
Nach alledem sei der Mehrwertbetrag auf
Grund der Vereinbarung vom 7.10.1994 bei Eintritt der Bedingung
gezahlt worden. Da sie, die Kläger, hierauf keinen Einfluss
hätten nehmen können, sei die Zahlung der nicht
steuerbaren Vermögenssphäre zuzuordnen (BFH-Urteil vom
1.4.1998 X R 150/95, BFHE 186, 70, BStBl II 1998, 569 = SIS 98 17 21). Eine spätere Änderung der baurechtlichen
Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks infolge eines
zuvor nicht bekannten Sinneswandels der Gemeinde könne nicht
auf den Betriebsaufgabezeitpunkt zurückwirken (Senatsurteil
vom 2.3.1989 IV R 201/85, BFH/NV 1990, 88). Die rückwirkende
Änderung des Betriebsaufgabegewinns könne
schließlich auch nicht von der zeitlichen Nähe des
Eintritts der Bedingung abhängen; denn wäre der
Bebauungsplan erst zu einem viel späteren Zeitpunkt
aufgestellt worden, so wäre eine Behandlung als
Privatvermögen unumgänglich gewesen. Auch im Streitfall
sei die Nachzahlung so spät erfolgt, dass sie schon deshalb
nicht mehr der Betriebsaufgabe zugeordnet werden könne, weil
der für die Betriebsaufgabe erforderliche kurze Zeitraum
überschritten sei (BFH-Urteil vom 26.4.2001 IV R 14/00, BFHE
195, 290, BStBl II 2001, 798 = SIS 01 10 97).
Die Kläger beantragen, die
Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und
unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 1993
den Veräußerungsgewinn um 1.315.200 DM
herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
B. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das angefochtene
Urteil des FG verstößt weder gegen formelles noch gegen
materielles Recht.
I. Die Vorentscheidung ist verfahrensrechtlich
nicht zu beanstanden. Weder die gerügten
Begründungsmängel noch der geltend gemachte Verstoß
gegen den Untersuchungsgrundsatz liegen vor.
1. Das Urteil des FG ist mit Gründen
versehen.
a) Zu Unrecht beruft sich die Revision auf den
Verfahrensmangel einer begründungsersetzenden Bezugnahme, weil
das FG in den Entscheidungsgründen auf das Urteil des BFH in
BFHE 193, 129, BStBl II 2001, 641 = SIS 01 01 28 hingewiesen hat.
Dieser Hinweis ist keine an Stelle von Entscheidungsgründen
aufgenommene Verweisung auf die Gründe eines anderen Urteils,
die nur dann unschädlich ist, wenn die Beteiligten von diesen
Entscheidungsgründen hinreichend Kenntnis nehmen können;
sei es, dass dieses Urteil als Anlage beigefügt oder zuvor in
einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden ist (s. dazu
BFH-Urteil vom 14.5.1992 V R 96/90, BFHE 168, 306, BStBl II 1992,
1040 = SIS 92 21 95 zu II.2.b der Gründe). Vielmehr handelt es
sich um ein übliches Zitat, das allenfalls als
begründungsergänzende Bezugnahme die vorangestellte
Aussage zur Rückbeziehung der Kaufpreiserhöhung belegen
soll.
b) Entgegen der Auffassung der Kläger
folgt aber auch aus dem Umstand, dass sich das FG Formulierungen
aus den Gründen der zitierten Entscheidung des BFH in BFHE
193, 129, BStBl II 2001, 641 = SIS 01 01 28 zu Eigen gemacht hat,
kein Begründungsmangel. Die Wiedergabe der
Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen
rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts
für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren. Ein
Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. des § 119 Nr. 6 FGO
liegt deshalb nur vor, wenn den Beteiligten die Grundlage entzogen
ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und
Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Diese
Prüfungsmöglichkeit der Beteiligten wird aber nicht
dadurch eingeschränkt, dass sich ein Gericht der
Formulierungen anderer Entscheidungen bedient. Jedenfalls kann aus
einer solchen Übernahme einzelner Passagen der
Urteilsbegründung in anderen Verfahren nicht geschlossen
werden, das Gericht habe keine eigenständigen rechtlichen
Erwägungen angestellt.
c) Schließlich ist auch die in den
Gründen der Vorentscheidung enthaltene Verweisung auf die
Einspruchsentscheidung des FA vom 3.9.1998 verfahrensrechtlich
nicht zu beanstanden. Die Kläger meinen, dem FG sei die
Begründungserleichterung des § 105 Abs. 5 FGO deshalb
verwehrt gewesen, weil sich die Einspruchsentscheidung noch nicht
mit dem im Klageverfahren vorgetragenen Argument des fehlenden
Kausalzusammenhangs zwischen der Veräußerung und der
Kaufpreiserhöhung auseinander gesetzt habe; insoweit fehlten
daher die Entscheidungsgründe, weil das FG ein
selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit
Stillschweigen übergangen habe.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
Denn einmal handelt es sich bei der Berufung auf den fehlenden
Kausalzusammenhang nicht um ein selbständiges Angriffs- oder
Verteidigungsmittel, wie es vom erkennenden Senat in seiner
Entscheidung vom 23.4.1998 IV R 30/97 (BFHE 186, 120, BStBl II
1998, 626 = SIS 98 19 93) mit dem Vorbringen zur Höhe eines
Veräußerungsgewinns zu beurteilen war, sondern lediglich
um die Äußerung einer Rechtsansicht. Zum anderen aber
hatte sich das FA in seiner Einspruchsentscheidung sehr wohl
bereits mit diesem Vorbringen der Kläger auseinander gesetzt
und (auf S. 5) ausgeführt, die „gegenteilige
Auffassung ..., nach der der nachträgliche Eintritt des
vertraglich ausbedungenen Ereignisses ein rechtlich
selbständiges und somit isoliert zu betrachtendes
Ereignis“ darstelle, „das nicht auf die
ursprüngliche Veräußerung“
zurückwirke, finde „weder in der Rechtsprechung noch
im tatsächlich verwirklichten Sachverhalt eine
Stütze“.
2. Der von den Klägern gerügte
Verfahrensverstoß im erstinstanzlichen Verfahren wegen
Verletzung der Amtsermittlungspflicht (vgl. § 76 FGO) ist
nicht erkennbar. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren
Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).
II. Das Urteil des FG hat auch
materiell-rechtlich Bestand. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon
ausgegangen, dass die Erhöhung des
Veräußerungspreises aufgrund der vereinbarten
Nachforderungsklausel bei Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns zu
berücksichtigen ist. Dies folgt indessen nicht aus § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977, sondern aus § 164 Abs. 2 Satz 1
AO 1977 und unmittelbar aus § 14 i.V.m. § 16 Abs. 2 und 3
Sätze 1 und 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden
Fassung (EStG a.F., jetzt: § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG).
Gleichwohl ist die zu § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977
ergangene Rechtsprechung des Großen Senats des BFH im
Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33 auch
im Streitfall - hier zur Bestimmung des
„Veräußerungspreises“ (s. unten Nr. 2
a und b) - zu berücksichtigen.
1. Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus,
dass dem Kläger mit der Verpachtung seines Betriebs (an die
Klägerin) das sog. Verpächterwahlrecht mit der
Möglichkeit der Betriebsfortführung oder jederzeitigen
Erklärung der Betriebsaufgabe zustand. Zwar hat der
Kläger die Betriebsaufgabe nach den Feststellungen des FG auf
den 30.6.1993 erklärt, den Betrieb aber erst zum 1.7.1993
verpachtet, so dass die Betriebsaufgabeerklärung auch erst zum
1.7.1993 wirksam werden konnte. Für den Streitfall ist dies
jedoch ohne Bedeutung, weil der Betriebsaufgabegewinn nicht einem
vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr, sondern nach §
4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG dem Kalenderjahr hinzuzurechnen ist, in
dem er entstanden ist.
Übereinstimmend haben die Beteiligten
auch den Gewinn aus der Veräußerung der
landwirtschaftlichen Flächen dem Aufgabegewinn hinzugerechnet.
Daran könnten Zweifel bestehen, weil das von der
Rechtsprechung geschaffene Verpächterwahlrecht (grundlegend
Urteil des Großen Senats des BFH vom 13.11.1963 GrS 1/63 S,
BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124 = SIS 64 00 77) von einer durch
bloße Erklärung bewirkten Betriebsaufgabe uno actu
ausgeht. Der Kläger hätte daher mit einer vorgezogenen
Veräußerung einzelner Flächen, ungeachtet dessen,
ob es sich dabei um wesentliche oder unwesentliche
Betriebsgrundlagen handelte, einen laufenden Gewinn erzielt, um
dann einen verkleinerten Betrieb zu verpachten. Der Senat wäre
jedoch an einer Neuberechnung des Aufgabegewinns aufgrund des revisionsrechtlichen
Verböserungsverbots gehindert, das es dem Revisionsgericht
untersagt, die Rechtsstellung des Revisionsführers, wie sie
sich auf Grund des FG-Urteils ergibt, zu seinen Ungunsten zu
ändern (Senatsurteile vom 19.8.1999 IV R 67/98, BFHE 190, 150,
BStBl II 2000, 179 = SIS 00 01 43 unter 3. der Gründe, und vom
20.1.2005 IV R 22/03, BFHE 209, 108, BStBl II 2005, 559 = SIS 05 19 00 unter 5. der Gründe).
2. Geht der Senat daher mit den Beteiligten
davon aus, dass der Gewinn aus der Veräußerung der
beiden Flächen Teil des begünstigten Aufgabegewinns ist,
so hat das FA diesen Gewinn zutreffend um den Betrag erhöht,
der dem Kläger auf Grund der Nachforderungsklausel gezahlt
wurde.
a) Nach § 14 i.V.m. § 16 Abs. 2 und
3 Sätze 1 und 2 EStG a.F. gilt als Veräußerung auch
die Aufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, wobei die
Veräußerungspreise anzusetzen sind, wenn einzelne dem
Betrieb gewidmete Wirtschaftsgüter im Rahmen der
Betriebsaufgabe veräußert werden. Während der
Begriff des Veräußerungsgewinns gesetzlich definiert ist
(§ 16 Abs. 2 EStG), bestimmt das Gesetz den Begriff
„Veräußerungspreis“ nicht näher;
er bedarf deshalb der Auslegung.
Nach Auffassung des Senats stimmen die
Begriffe des Veräußerungspreises in § 16 Abs. 2
Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 (heute Satz 6) EStG a.F. überein.
Zwar bezieht sich der Begriff des Veräußerungspreises
nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG a.F. nur auf einzelne
Wirtschaftsgüter, die im Rahmen der Betriebsaufgabe
veräußert werden. Die Übereinstimmung der Begriffe
folgt indes bereits aus der Gleichstellungsfiktion des
Aufgabegewinns mit dem Veräußerungsgewinn. Danach ist
unter dem Begriff des Veräußerungspreises der
tatsächlich erzielte Erlös zu verstehen (BFH-Beschluss in
BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33 unter C.II.2 der
Gründe).
b) Wie der BFH im Beschluss in BFHE 172, 66,
BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33 ausgeführt hat, ist nach dem
Wortsinn als Veräußerungspreis der Preis zu verstehen,
den der Veräußerer tatsächlich erzielt. Die vom
Großen Senat des BFH zur Betriebsveräußerung
angeführten, für diese Auslegung sprechenden Gründe
(s. hierzu BFH-Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33 unter C.II.2.b der Gründe), treffen in gleicher Weise
auf die Betriebsaufgabe zu. Soweit daher im Rahmen einer
Betriebsaufgabe eine Veräußerung stattfindet, kann auch
insoweit nur der tatsächlich erzielte Gewinn
Anknüpfungspunkt einer begünstigten Besteuerung sein.
Nicht anders als bei einer
Betriebsveräußerung erfordert dies auch bei einer
Veräußerung im Rahmen einer Betriebsaufgabe, später
eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten
Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich
auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen,
als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises
noch nicht erfüllt hat. Dabei ist es unerheblich, welche
Gründe für die Minderung oder Erhöhung des
Erlöses maßgebend waren (BFH-Beschluss in BFHE 172, 66,
BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33, a.a.O.).
Spätere Veränderungen des
Veräußerungspreises wirken danach steuerrechtlich auf
den Zeitpunkt der Veräußerung zurück. Der Vorgang
ist damit noch dem betrieblichen Bereich zuzuordnen. Mithin ist es
nicht entscheidungserheblich, ob eine auf der
Veräußerung eines dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsguts
beruhende Kaufpreisforderung auch weiterhin Betriebsvermögen
des Veräußerers bleibt oder ob sie dessen
Privatvermögen wird, ggf. unter welchen Voraussetzungen, in
welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt.
c) Für den Streitfall folgt daraus, dass
die Erhöhung des Veräußerungspreises für eine
der veräußerten Flächen auf Grund der vereinbarten
Nachforderungsklausel den in den Aufgabegewinn einzubeziehenden
Veräußerungsgewinn für das Wirtschaftsgut
erhöht. Diese Auffassung zur Auswirkung einer
Nachforderungsklausel wird - allerdings für den Fall der
Betriebsveräußerung - auch im Schrifttum einhellig
vertreten und als hinreichender Grund für die Änderung
bestandskräftiger Bescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 AO 1977 gesehen (Bordewin, FR 1994, 555, 559; Hörger/Rapp in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 16
Rn 111 a.E.; Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Anm.
346; Reiß in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, §
16 Rdnr. E 91; Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl., § 16 Rz 386;
Stahl in Korn, § 16 EStG Rz. 232). Für die im Streitfall
erfolgte Änderung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3
Satz 1 AO 1977 gilt dies umso mehr.
3. Die Einwendungen der Kläger dagegen
erweisen sich als unbegründet.
a) Insbesondere ist es unbeachtlich, ob im
Zeitpunkt der Betriebsaufgabe tatsächlich eine
aktivierungsfähige Forderung auf Zahlung des erhöhten
Kaufpreises bestanden hat. Bei der Aufgabe- oder
Veräußerungsbilanz sind die Regeln der laufenden
Bilanzierung, vor allem die zur periodengerechten Gewinnermittlung
entwickelten Grundsätze, ohne
Bedeutung (BFH-Urteile vom 3.7.1991 X R 163-164/87, BFHE 164, 556,
BStBl II 1991, 802, 805 = SIS 91 18 12 zu 2.e der Gründe, und
vom 19.5.2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637 = SIS 05 25 39 unter II.2 der Gründe). Damit kann auch dem Einwand,
die hier vertretene Auffassung verstoße gegen das
Realisations- und Imparitätsprinzip, nicht gefolgt werden. Der
Große Senat des BFH hat hierzu bemerkt, dass den Bestimmungen
des § 16 EStG als spezialgesetzlicher Regelung über die
Ermittlung des Veräußerungsgewinns Vorrang vor den
Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung zukommt
(BFH-Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33 unter C.II.3 der Gründe).
b) Zu Unrecht berufen sich die Kläger
auch auf das Urteil des BFH in BFHE 186, 70, BStBl II 1998, 569 =
SIS 98 17 21, wonach der gemeine Wert eines Grundstücks, der
zur Ermittlung eines Aufgabegewinns gemäß § 16 Abs.
3 Satz 3 EStG „im Zeitpunkt der Aufgabe“
anzusetzen ist, durch einen später auftretenden
Altlastenverdacht nicht gemindert wird und dieser Verdacht daher
auch kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO 1977 sein kann. Im Streitfall geht es nicht um die
Frage, welchen Einfluss eine zuvor nicht absehbare, spätere
Änderung der Verhältnisse auf den bei der Betriebsaufgabe
anzusetzenden gemeinen Wert eines Wirtschaftsguts haben kann,
sondern um die Bestimmung des Veräußerungspreises
für ein Grundstück auf Grund einer Nachforderungsklausel.
Maßgebend dafür ist eine zweckgerichtete Auslegung des
Begriffs des Veräußerungspreises i.S. des § 16 Abs.
2 und 3 EStG, die nicht ohne weiteres auf den Begriff des gemeinen
Werts zu übertragen ist. Nichts anderes gilt für die
Bezugnahme auf das Urteil des Senats in BFH/NV 1990, 88, das zudem
vor der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 172, 66, BStBl
II 1993, 897 = SIS 93 23 33 ergangen ist.