Kindergeld, Ansparrücklage: Bei der Ermittlung der kindergeldschädlichen Einkünfte und Bezüge des Kindes ist eine vom Kind gebildete Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG 2002, die es gemäß § 7 g Abs. 6 EStG 2002 bei seinen gewerblichen Einkünften als Betriebsausgaben abgezogen hat, nicht entsprechend § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 als Bezug anzusetzen. - Urt.; BFH 28.5.2009, III R 8/06; SIS 09 25 64
I. Der im Jahr 1975 geborene Sohn (S) des
Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) leistete in der
Zeit vom 4.9.1995 bis 30.9.1996 seinen Zivildienst. Von November
2000 bis Oktober 2003 absolvierte er eine Ausbildung zum
Physiotherapeuten, daneben war er als Eventmanager gewerblich
tätig.
S erzielte im Jahr 2002 Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 2.948 EUR und
Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 3.692 EUR, die
er nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 2002
durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt hatte. Bei den
Einkünften aus Gewerbebetrieb hatte er eine Rücklage
für die zukünftige Anschaffung eines Kfz in Höhe von
6.000 EUR gemäß § 7g Abs. 6 EStG 2002 als
Betriebsausgabe abgezogen. Nachdem S sich entschieden hatte,
anstelle einer Anschaffung das Kfz im Jahr 2003 zu leasen,
löste er die Rücklage zum 31.12.2003 wieder auf und
berücksichtigte sie als Betriebseinnahme.
Die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) setzte mit Bescheid vom 21.3.2001 Kindergeld
für den Zeitraum 1.1.2000 bis 30.9.2003 fest.
Erst bei der Überprüfung der
Einkünfte für das Jahr 2003 wurde der Familienkasse
bekannt, dass S von den gewerblichen Einkünften im Jahr 2002
eine Rücklage von 6.000 EUR als Betriebsausgabe abgezogen
hatte. Die Familienkasse war der Auffassung, die Rücklage sei
nach § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 als Bezug anzusetzen, sodass
der maßgebliche Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz
2 EStG 2002 in Höhe von 7.188 EUR überschritten werde.
Sie hob daher mit Bescheid vom 8.3.2005 die Festsetzung des
Kindergeldes nach § 70 Abs. 4 EStG 2002 von Januar bis
Dezember 2002 auf. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
und hob den Bescheid vom 8.3.2005 durch Urteil vom 12.1.2006 14 K
2060/05 Kg (EFG 2006, 818 = SIS 06 19 44) auf. Eine Rücklage
sei keine Sonderabschreibung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG
2002 und daher nicht als Bezug anzusetzen.
Mit ihrer Revision rügt die
Familienkasse die Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG 2002.
Auch wenn die Rücklage keine Sonderabschreibung i.S. des
§ 7a Abs. 4 EStG 2002 sei, sei sie den in § 32 Abs. 4
Satz 4 EStG 2002 genannten Sonderabschreibungen und erhöhten
Absetzungen vergleichbar, da sie ihren Grund nicht in einer
geminderten steuerlichen Leistungsfähigkeit des Kindes habe,
sondern soziale Zwecke bzw. Subventionszwecke erfülle. Bei der
Bildung der Rücklage handle es sich lediglich um einen
buchhalterischen Vorgang, der nicht die Leistungsfähigkeit des
Kindes mindere, da der entsprechende Betrag aufgrund lediglich
geplanter betrieblicher Investitionen nicht tatsächlich
gebunden sei. Der Betrag stehe vielmehr weiterhin zur Bestreitung
des Lebensunterhalts bzw. der Berufsausbildung zur Verfügung.
Bei der Rücklage werde nur die spätere Absetzung für
Abnutzung in ihrer Aufwandswirkung vorgezogen, da sie bei der
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 2002 im Zeitpunkt ihrer
Bildung als Betriebsausgabe behandelt werde. Daher sei die
Rücklage aufgrund ihrer Wirkung als vorweggenommene
Sonderabschreibung den in § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG 2002
genannten Sonderabschreibungen zuzurechnen und deshalb bei S als
Bezug anzusetzen.
Die Familienkasse beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und wird
zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
Nach zutreffender Entscheidung des FG
übersteigen die Einkünfte und Bezüge des S nicht den
Jahresgrenzbetrag, sodass dem Kläger für das Jahr 2002
Kindergeld zusteht.
1. Unter weiteren - hier nicht streitigen -
Voraussetzungen hat der Kindergeldberechtigte Anspruch auf
Kindergeld, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur
Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt und
geeignet sind, von nicht mehr als 7.188 EUR hat (§ 32 Abs. 4
Satz 2 EStG 2002).
a) Der Begriff der Einkünfte ist in
§ 2 Abs. 2 EStG 2002 gesetzlich definiert - je nach
Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen
über die Werbungskosten. Diese Begriffsbestimmung gilt nach
dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.1.2005 2 BvR
167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 = SIS 05 30 28) grundsätzlich auch für den Begriff der Einkünfte
in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 (vgl. auch Senatsurteil vom
26.9.2007 III R 4/07, BFHE 219, 112, BStBl II 2008, 738 = SIS 08 08 32). Erzielt das Kind Einkünfte aus Gewerbebetrieb und
ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung
gemäß § 4 Abs. 3 EStG 2002, ist daher der
Überschuss der Betriebseinnahmen über die
Betriebsausgaben bei den Einkünften anzusetzen.
b) Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Satz
2 EStG 2002 sind alle Zuflüsse in Geld oder Naturalleistungen,
die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen
Einkünfteermittlung erfasst werden (z.B. Senatsurteil vom
29.5.2008 III R 33/06, BFH/NV 2008, 1664 = SIS 08 35 78). Nach
§ 32 Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 gehören zu den Bezügen
auch der Versorgungsfreibetrag (§ 19 Abs. 2 EStG 2002), der
Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG 2002) sowie
Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit sie die
höchstmöglichen Absetzungen für Abnutzung nach
§ 7 EStG 2002 übersteigen.
2. Die Einkünfte des S liegen unterhalb
des Jahresgrenzbetrags.
Nach § 7g Abs. 3 EStG 2002 können
Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder
Herstellung von bestimmten Wirtschaftsgütern eine den Gewinn
mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Ermittelt der
Steuerpflichtige den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG 2002, ist die
Bildung der Rücklage nach § 7g Abs. 6 EStG 2002 als
Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als
Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln. Im Streitfall mindert die
Rücklage daher die gewerblichen Einkünfte des S mit der
Folge, dass dessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus
nichtselbständiger Arbeit den Jahresgrenzbetrag nicht
übersteigen.
3. Eine Rücklage nach § 7g Abs. 3
EStG 2002 ist entgegen der Auffassung der Familienkasse, die zum
Teil auch im Schrifttum vertreten wird (z.B.
Blümich/Heuermann, § 32 EStG Rz 116; Dötsch, Juris
Praxis-Report Steuerrecht 4/2005; Haferkamp, EFG 2004, 347), nicht
als Bezug anzusetzen.
Nach § 7g Abs. 3 EStG 2002 kann der
Steuerpflichtige „im Vorgriff auf spätere
Abschreibungsmöglichkeiten“ (BTDrucks 12/4487, S.
33) zur Finanzierung künftiger Investitionen eine
Rücklage bilden. Dadurch hat er die Möglichkeit,
Gewinnminderungen durch künftige Abschreibungen (z.B.
Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 EStG 2002) in die
Ansparphase vorzuverlegen (Lambrecht, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7g Rz D 1;
Schmidt/Drenseck, EStG, 21. Aufl., § 7g Rz 20). Dies kommt
auch in dem vom Gesetzgeber verwendeten Begriff
„Ansparabschreibung“ zum Ausdruck. Dieser
Begriff ist jedoch irreführend. Denn rechtstechnisch handelt
es sich bei der Ansparabschreibung um eine den Gewinn mindernde
Rücklage (Lambrecht, a.a.O., § 7g Rz D 1) und nicht um
eine unter § 7a EStG 2002 fallende Sonderabschreibung wie sie
z.B. in § 7g Abs. 1 EStG 2002 vorgesehen ist.
Die Rücklage ist auch
Sonderabschreibungen nicht gleichzusetzen. Ohne gesetzliche
Grundlage kann das Ergebnis der Einkünfteermittlung (hier der
Abzug der Rücklage als Betriebsausgabe) nicht dadurch
korrigiert werden, dass die Rücklage als Bezug angesetzt wird
(vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.9.2000 VI R
85/99, BFHE 192, 485, BStBl II 2000, 684 = SIS 00 13 53, und vom
27.10.2004 VIII R 35/04, BFHE 207, 318, BStBl II 2008, 737 = SIS 05 04 75).
Dem Ansatz der Rücklage als Bezug steht
zudem entgegen, dass nur Bezüge angesetzt werden dürfen,
die zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung
bestimmt und geeignet sind. Durch die zu einer Steuerstundung
führende Rücklage sollen aber Mittel angespart werden
können, um dem Unternehmen die Finanzierung von Investitionen
zu erleichtern. Auch wenn die Mittel wirtschaftlich nicht gebunden
sind, sind sie aber doch in einer solchen Weise
„verplant“, dass sie nicht zur Bestreitung des
Lebensunterhaltes oder der Berufsausbildung des Kindes herangezogen
werden können (BFH-Urteil in BFHE 207, 318, BStBl II 2008, 737
= SIS 05 04 75, m.w.N.).