Arbeitssuchendes Kind, Meldung bei Arbeitsvermittlung: Die Meldung eines volljährigen, aber noch nicht 21 Jahre alten Kindes als arbeitsuchend bei der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit wirkt nur drei Monate fort. Nach Ablauf dieser Frist muss sich das Kind erneut als Arbeitsuchender melden, da sonst der Kindergeldanspruch entfällt. - Urt.; BFH 19.6.2008, III R 68/05; SIS 08 31 15
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt für ihren 1985
geborenen Sohn (S) nach Beendigung der schulischen Ausbildung seit
September 2003 Kindergeld. Dieser meldete sich bei der
Arbeitsvermittlung am 24.9.2003 als arbeitsuchend. Da er nach
Mitteilung der Arbeitsvermittlung einen Termin am 12.3.2004 ohne
Angabe von Gründen nicht wahrnahm, meldete diese das
Bewerberangebot des S am 15.3.2004 ab. Aufgrund eines
entsprechenden Bearbeitungshinweises erhielt die Beklagte und
Revisionsbeklagte (Familienkasse) Kenntnis von dem
Meldeversäumnis sowie der Abmeldung. Da S auch nicht in der
Berufsberatung als Bewerber um einen Ausbildungsplatz gemeldet war,
stellte die Familienkasse die Kindergeldzahlung ab Juni 2004 ein.
Mit Bescheid vom 23.6.2004 hob die Familienkasse sodann die
Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) ab April 2004 auf und forderte das
für April und Mai 2004 gezahlte Kindergeld in Höhe von
308 EUR zurück. Nachdem S seine Meldung als arbeitsuchend am
1.7.2004 erneuert hatte, nahm die Familienkasse die
Kindergeldzahlung ab Juli 2004 wieder auf. Der Einspruch gegen den
Aufhebungsbescheid blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
Urteil vom 27.7.2005 10 K 5038/04 Kg (EFG 2006, 684 = SIS 06 14 16)
als unbegründet ab.
Auf die Beschwerde der Klägerin
ließ der Bundesfinanzhof (BFH) die Revision zu. Der
Zulassungsbeschluss wurde der Klägerin am 7.12.2005
zugestellt, mithin endete die Revisionsbegründungsfrist am
Montag, den 9.1.2006. Die Revisionsbegründung ging - nach
Zustellung der Mitteilung nach § 56 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) der Vorsitzenden des III. Senats des BFH am 23.1.2006 -
zusammen mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die
Revisionsbegründungfrist am 30.1.2006 beim BFH ein.
Zur Wiedereinsetzung trägt die
Klägerin vor, der verspätete Eingang der
Revisionsbegründung sei ausschließlich auf ein
Verschulden der Deutschen Post AG zurückzuführen. Die
Prozessbevollmächtigte habe die Revisionsbegründung
bereits am 8. und 9.12.2005 vorbereitet, da sie ab dem 22.12.2005
einen Familienurlaub antreten wollte. Ihre Mitarbeiterin habe den
Begründungsschriftsatz am 9.12.2005 getippt und zur Korrektur
vorgelegt. Da die Mitarbeiterin sich am 12.12.2005 krankgemeldet
habe, habe die Prozessbevollmächtigte die Korrekturen am
Schriftsatz selbst vorgenommen, ihn unterzeichnet, frankiert und
persönlich gegen 15.30 Uhr in den der Kanzlei
nächstgelegenen Briefkasten vor dem Postamt in B eingeworfen.
Zur Glaubhaftmachung fügte die Klägerin eine
Aktendurchschrift der Revisionsbegründung vom 12.12.2005,
einen Ausdruck des elektronischen Fristenkalenders mit der
Fristnotierung 9.1.2006 sowie die Kopie des ärztlichen
Attestes der Mitarbeiterin bei.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG
i.V.m. § 119 Abs. 1 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB
III). Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG werde ein Kind,
das das 18. Lebensjahr vollendet habe, berücksichtigt, wenn es
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet habe und arbeitslos im
Sinne des SGB III sei. Arbeitslos sei ein Kind, wie das Urteil der
Vorinstanz zutreffend ausgeführt habe, wenn die
Voraussetzungen der §§ 118 ff. SGB III erfüllt
seien. Vorliegend sei das Kind verfügbar gewesen. Dem stehe
nicht entgegen, dass S sich nicht nach drei Monaten erneut als
arbeitslos bzw. als ausbildungsplatzsuchend gemeldet habe und die
Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur eingestellt worden
seien. Eine Verpflichtung zur Rückmeldung nach Ablauf von drei
Monaten habe nicht mehr bestanden, da § 122 Abs. 2 Nr. 3 SGB
III, der die Erneuerung des Arbeitsgesuchs nach drei Monaten
vorgesehen habe, mit Wirkung zum 1.8.1999 aufgehoben worden
sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG sowie den Aufhebungsbescheid vom 23.6.2004 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 7.9.2004 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. 1. Die Revision ist zulässig.
Die Revisionsbegründung ist zwar nicht
innerhalb der gesetzlichen Frist bis zum 9.1.2006 (§ 116 Abs.
7 Satz 2 i.V.m. § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO)
eingegangen, sondern erst am 30.1.2006, d.h. innerhalb der
Monatsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO; der
Klägerin ist aber gemäß § 56 Abs. 1 FGO
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie hat
glaubhaft dargelegt, dass ihre Prozessbevollmächtigte ohne
Verschulden daran gehindert war, die Revisionsbegründungsfrist
einzuhalten, da sie den Schriftsatz mit der
Revisionsbegründung vom 12.12.2005 am gleichen Tag
persönlich in den Briefkasten eingeworfen hat. Dafür
sprechen nicht nur die ausführliche Schilderung des
Geschehensablaufs, sondern auch die Vorlage der Aktendurchschrift
der Revisionsbegründung vom 12.12.2005, der Ausdruck des
elektronischen Fristenkalenders und die Krankschreibung der
Mitarbeiterin vom 12.12.2005.
2. Die Revision ist aber unbegründet. Sie
wird nach § 126 Abs. 2 FGO zurückgewiesen.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden,
dass der Klägerin für die Monate April und Mai 2004 kein
Kindergeldanspruch für S zusteht, weil S in dieser Zeit nicht
bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender
gemeldet war.
a) Gemäß § 62 Abs. 1, §
63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein
Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld
berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr
vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis
steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als
Arbeitsuchender gemeldet ist.
Die Vorschrift wurde durch das Zweite Gesetz
für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002
(s. Art. 8 Nr. 5 des Gesetzes, BGBl I 2002, 4621, 4630, BStBl I
2003, 3, 12) mit Wirkung ab 1.1.2003 neu gefasst. Nach der auf den
Streitfall anzuwendenden Neufassung braucht das volljährige
Kind nicht mehr arbeitslos im Sinne des SGB III zu sein, es
genügt vielmehr, dass das noch nicht 21 Jahre alte Kind nicht
in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einem
Arbeitsamt im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist. Ziel der
Gesetzesänderung war es, dass sich Kinder ohne
Beschäftigung nicht ausschließlich wegen des Anspruchs
auf Kindergeld beim Arbeitsamt/Agentur für Arbeit arbeitslos
melden müssen (s. Bericht des federführenden
Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrucks
15/91, S. 19 und Gesetzesbegründung, BTDrucks 15/26, S.
29).
Nach der Neufassung genügt - entgegen der
Auffassung der Vorinstanz - die Meldung als Arbeitsuchender; die
übrigen Merkmale der Arbeitslosigkeit i.S. des § 119 Abs.
1 SGB III wie Eigenbemühungen und Verfügbarkeit brauchen
nicht mehr nachgewiesen zu werden (Schmidt/Loschelder, EStG, 27.
Aufl., § 32 Rz 25; Blümich/Heuermann, § 32 EStG Rz
67). Vielmehr unterstellt das Gesetz typisierend, dass die
Voraussetzungen der §§ 118 ff. SGB III vorliegen (FG
Münster, Urteil vom 15.1.2008 14 K 5119/06 Kg, EFG 2008, 799 =
SIS 08 15 75).
b) Da keine ausdrückliche steuerliche
Regelung besteht, wann der durch die Meldung begründete Status
des arbeitsuchenden Kindes (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG)
wieder wegfällt, sind für das Kindergeld insoweit die
Vorschriften des Sozialrechtes, hier insbesondere § 38 SGB
III, heranzuziehen (FG München, Urteil vom 20.9.2007 5 K
1738/07, juris = SIS 08 02 35).
Zutreffend hat die Vorinstanz darauf
hingewiesen, dass das Kind nach § 38 SGB III bei der
Vermittlung durch die Agentur für Arbeit mitwirken muss. Wirkt
ein Kind nicht ausreichend mit, kann die Agentur für Arbeit
die Vermittlung gemäß § 38 Abs. 2 SGB III
einstellen. Wenn - wie im Streitfall - keine Leistungen zum Ersatz
des Arbeitsentgeltes beansprucht werden, ist gemäß
§ 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III die Arbeitsvermittlung nach drei
Monaten einzustellen. Das bedeutet, dass eine einmalige Meldung des
Arbeitsuchenden nur drei Monate fortwirkt. Endet die
Arbeitsvermittlungspflicht der Agentur für Arbeit, ist ein
Kind auch nicht mehr arbeitsuchend gemeldet, mit der Folge, dass ab
dem Folgemonat der Kindergeldanspruch entfällt (FG
München, Urteil vom 20.9.2007 5 K 1738/07, juris = SIS 08 02 35; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 17.1.2006 3 K 109/04,
juris). Auf das Entfallen des Kindergeldanspruchs in diesem Fall
wird im Merkblatt Kindergeld ausdrücklich hingewiesen (Ziff.
3.2 Satz 3 des Merkblattes, BStBl I 2004, 324, 326).
§ 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III stellt klar,
dass ein einmal an die Agentur für Arbeit gerichtetes
Vermittlungsgesuch nicht ausreicht, den Wunsch nach Vermittlung
dauerhaft zu dokumentieren (vgl. BTDrucks 11/800, 14). Damit ist
für die Vermittlung eine Zeitgrenze gezogen worden, nach deren
Ablauf die Erledigung des Gesuchs vermutet wird
(Wissing/Mutschler/Bartz/ Schmidt-De Caluwe, Nomos Kommentar,
Sozialgesetzbuch III Arbeitsförderung, § 38 SGB III Rz
28). Die Erneuerung der Arbeitsuchenden-Meldung nach § 38 Abs.
4 SGB III bedarf keiner besonderen Form (FG München, Urteil
vom 14.3.2005 10 K 3837/03, EFG 2006, 750 = SIS 06 22 22).
Der Nachweis, dass ein Kind bei einer Agentur
für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist, ist
über eine Bescheinigung der zuständigen inländischen
Agentur für Arbeit zu führen. Insoweit ist
grundsätzlich keine weitere Prüfung durch die
Familienkasse erforderlich (DA-FamEStG 63.3.1 Abs. 3 Sätze 1
und 2, BStBl I 2004, 743, 761).
Der gegenteiligen Auffassung, dass ein
Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten nach § 38 SGB III
unschädlich sei (so Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 32 Rz
25) und eine spätere - automatische - Löschung der
Meldung als Arbeitsuchender keinen Einfluss auf den
Kindergeldanspruch habe (so Niedersächsisches FG, Urteile vom
17.8.2005 2 K 120/05, EFG 2006, 435 = SIS 06 09 48, und vom
16.6.2006 1 K 303/05, EFG 2006, 1595 = SIS 06 43 19; wohl auch FG
Nürnberg, Urteil vom 11.4.2007 V 130/2006, juris = SIS 07 21 63), ist abzulehnen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der durch
die Meldung begründete Status als arbeitsuchendes Kind
durchgängig bestehen, darf also nicht wieder erloschen sein
(FG Köln, Urteil vom 19.10.2005 4 K 2103/04, EFG 2006, 829 =
SIS 06 18 37).
Der Gesetzgeber bezweckte mit der Streichung
des Merkmals „arbeitslos im Sinne des SGB III“
in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG zum 1.1.2003 lediglich eine
Vereinfachung. Dieser Absicht steht § 38 SGB III nicht
entgegen. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn zum Zweck der
Kindergeldberechtigung ab der Arbeitsuchenden-Meldung
überhaupt keine weitere Mitwirkung des Kindes bis zum 21.
Lebensjahr mehr erforderlich sein sollte (FG München, Urteil
vom 20.9.2007 5 K 1738/07, juris = SIS 08 02 35; FG Köln,
Urteil in EFG 2006, 829 = SIS 06 18 37). Der Verzicht auf jegliche
weitere Mitwirkungspflicht des arbeitsuchend gemeldeten Kindes kann
daher nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein (Siegers, EFG
2006, 1596).
Die Vorinstanz hat auch zutreffend darauf
hingewiesen, dass mit dieser Auslegung nicht die im Jahr 1999
gestrichene Vorschrift des § 122 Abs. 2 Nr. 3 SGB III
wiedereingeführt wird; denn in dieser Vorschrift waren die
Bedingungen für die Zahlung von Entgeltersatzleistungen
(Arbeitslosengeld) geregelt, während § 38 Abs. 4 Satz 2
SGB III die hier einschlägigen Regelungen für die
Arbeitsvermittlung betrifft (a.A. Niedersächsisches FG, Urteil
in EFG 2006, 435 = SIS 06 09 48).
Bei dieser Auslegung kann offenbleiben, ob es
sich bei dem Einstellungsbeschluss für die Vermittlung eines
Arbeitsplatzes um einen bekannt zu gebenden Verwaltungsakt handelt
(so Mutschler in Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, a.a.O.,
§ 38 SGB III Rz 20).
c) Da sich S (erstmalig) am 24.9.2003 als
arbeitsuchend bei der Agentur für Arbeit gemeldet hat und
diese Meldung in der Zwischenzeit nicht erneuert hat, durfte die
Agentur das Bewerberangebot von S jedenfalls am 15.3.2004
löschen, so dass für die Monate April bis Juni 2004 kein
Kindergeldanspruch bestand.