Kindergeld, Meldung als Arbeitsuchender: 1. Der Registrierung des arbeitsuchenden Kindes bzw. der daran anknüpfenden Bescheinigung der Agentur für Arbeit kommt keine (echte) Tatbestandswirkung für den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG zu. - 2. Entscheidend für den Kindergeldanspruch ist vielmehr, ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender gemeldet hat bzw. diese Meldung alle drei Monate erneuert hat. - Urt.; BFH 25.9.2008, III R 91/07; SIS 09 05 66
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) hatte für ihre im Juli 1985 geborene Tochter
(T) Kindergeld bezogen. Nach der Ausbildung an der Staatlichen
Berufsfachschule für Hauswirtschaft bis Juli 2004 war T ab
Juli 2004 bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend
gemeldet. In den Monaten November und Dezember 2005 nahm T eine
geringfügige Nebentätigkeit in einem Privathaushalt
für monatlich 400 EUR auf. Sie arbeitete unter 15 Stunden pro
Woche. Ab 1.1.2006 gründete T einen eigenen Betrieb für
Hauswirtschafts- und Reinigungsarbeiten.
Nach Aktenlage war T bis 26.9.2005 bei der
Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet. Laut einem
Computerausdruck der Arbeitsverwaltung hatte T letztmalig am
24.6.2005 bei der Arbeitsvermittlung vorgesprochen. Anlässlich
dieser Vorsprache wurde sie auf den Drei-Monats-Termin hingewiesen.
Nach einer Aktennotiz vom 29.9.2005 erschien T zum vereinbarten
Termin nicht. Da sie ihr Arbeitsgesuch nicht spätestens nach
drei Monaten erneuert hatte, wurde sie am 27.9.2005 bei der
Arbeitsvermittlung abgemeldet und dort nicht mehr als
Arbeitsuchende geführt.
Nachdem die Beklagte und
Revisionsklägerin (Familienkasse) im März 2006 erfahren
hatte, dass T seit 27.9.2005 nicht mehr als Arbeitsuchende bei der
Agentur für Arbeit gemeldet war, hob sie mit Bescheid vom
25.4.2006 die Kindergeldfestsetzung von Oktober 2005 bis März
2006 auf und forderte den überzahlten Betrag von der
Klägerin zurück. Der Einspruch vom 5.5.2006 war
erfolglos.
Die Klägerin beantragte in der
Vorinstanz die Einspruchsentscheidung bezüglich der Monate
Oktober bis Dezember 2005 aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
(vgl. SIS 07 21 63). Die Familienkasse habe zu Unrecht die
Kindergeldfestsetzung für die Monate Oktober bis Dezember 2005
aufgehoben. Im Streitfall habe T in diesem Zeitraum in keinem
schädlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Die
geringfügige Beschäftigung gemäß § 8 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) stehe dem nicht entgegen.
Nach Überzeugung des Gerichts sei T in den streitigen Monaten
auch arbeitsuchend i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) gewesen. Die automatische
Löschung als Arbeitsuchender bei der Agentur für Arbeit
führe nicht zwingend zum Wegfall des
Kindergeldanspruchs.
Hinzu kämen im Streitfall die
Einlassung der Klägerin und die in der Sache
übereinstimmenden Aussagen der Zeuginnen in der
mündlichen Verhandlung. Alle befragten Personen hätten
übereinstimmend geäußert, dass sich T im
maßgeblichen Zeitraum September 2005 telefonisch mit der
Agentur für Arbeit in Verbindung gesetzt habe. Nach ebenfalls
übereinstimmender Aussage habe man T telefonisch den Kontakt
zum Sachbearbeiter verweigert, ihr andererseits aber versichert,
dass sie weiterhin als arbeitsuchend geführt werde. Nach
Überzeugung des Gerichts habe sich T rechtzeitig, nämlich
vor Ablauf der gesetzlich verankerten Drei-Monats-Frist, mit der
Agentur für Arbeit in Verbindung gesetzt und sich um einen
Vorsprachetermin bemüht.
Mit ihrer Revision rügt die
Familienkasse die Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
EStG. Nach dem Wortlaut des im Streitfall anzuwendenden § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG sei ein Kind dann zu berücksichtigen,
wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet habe, nicht in
einem Beschäftigungsverhältnis stehe und als
Arbeitsuchender bei der Arbeitsagentur im Inland gemeldet sei. Der
Gesetzgeber knüpfe dabei an die in den Arbeitsagenturen
geltenden Gesetzesregelungen in Bezug auf die Arbeitsuchendmeldung
an. Wenn keine Leistung zum Ersatz des Arbeitsentgelts beansprucht
werde, sei nach § 38 Abs. 4 Satz 2 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB III) die Arbeitsvermittlung nach drei Monaten
einzustellen. Die von der Vorinstanz vertretene Ansicht, dass die
Löschung als Arbeitsuchender bei der Agentur für Arbeit
nicht zwingend zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führe,
widerspreche dem Wortlaut des Gesetzes. Jedenfalls ergebe sich
weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinngehalt der Vorschrift, dass
die Familienkasse eine eigene Entscheidung über den
Meldestatus des Kindes zu treffen habe. Sie habe vielmehr den bei
der Agentur für Arbeit bestehenden Meldestatus bei ihrer
Entscheidung zu berücksichtigen. Die entsprechende
Feststellung durch die Agentur für Arbeit entfalte
gegenüber der Familienkasse Tatbestandswirkung.
Die Familienkasse beantragt, das Urteil der
Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die Vorinstanz sei zu Recht zu dem Ergebnis
gekommen, dass sich T im September 2005 nochmals bei der Agentur
für Arbeit gemeldet habe. Für den Kindergeldanspruch nach
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG sei neben der Altersgrenze nur
noch die Meldung des Arbeitsuchenden bei der Agentur für
Arbeit Voraussetzung.
II. Die Revision der Familienkasse ist
unbegründet, sie wird nach § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückgewiesen. Das FG hat
zutreffend einen Kindergeldanspruch für den streitigen
Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 bejaht.
1. Zwar hat das FG rechtsfehlerhaft
angenommen, dass die letztmalige Meldung von T als arbeitslos bei
der Agentur für Arbeit am 24.6.2005 länger als drei
Monate fortwirkte (bis Ende des Streitraumes Dezember 2005), da die
Löschung als Arbeitsuchender bei der Agentur für Arbeit
nicht zwingend zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führe.
Diese Auffassung widerspricht dem Senatsurteil vom 19.6.2008 III R
68/05 (BFH/NV 2008, 1610 = SIS 08 31 15), wonach nach Ablauf von
drei Monaten die Meldung erneuert werden muss, wenn der
Kindergeldanspruch erhalten bleiben soll. Wegen der Einzelheiten
der Begründung wird auf das Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1610
= SIS 08 31 15 Bezug genommen.
2. Die Vorinstanz hat aber das Urteil auf eine
zweite Begründung gestützt. Danach ist das FG nach einer
Gesamtwürdigung des Einzelfalles unter Einbeziehung der
Zeugeneinvernahmen der Tochter der Klägerin sowie ihrer
Großmutter zu dem Ergebnis gelangt, dass sich T nochmals im
September 2005 telefonisch mit der Arbeitsvermittlung der Agentur
für Arbeit in Verbindung gesetzt hat, wobei man ihr zwar den
Kontakt zum zuständigen Sachbearbeiter verweigert, ihr
andererseits aber versichert habe, dass sie weiterhin als
arbeitsuchend geführt werde. Nach dem Senatsurteil in BFH/NV
2008, 1610 = SIS 08 31 15 genügt eine fernmündliche
Kontaktaufnahme, da keine besondere Form der Erneuerung der Meldung
vorgeschrieben ist.
Die Würdigung des FG, dass T
tatsächlich Kontakt aufgenommen hat, ist revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden. Da die Würdigung nicht gegen Denkgesetze
oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ist sie
für den Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht nach §
118 Abs. 2 FGO bindend, selbst wenn die Wertung des FG nicht
zwingend, sondern lediglich möglich ist (vgl. BFH-Beschluss
vom 10.2.2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488 = SIS 05 17 03).
3. Entgegen der Auffassung der Familienkasse
kommt der Registrierung des arbeitsuchenden Kindes bzw. der daran
anknüpfenden Bescheinigung der Arbeitsvermittlung der Agentur
für Arbeit keine (echte) Tatbestandswirkung zu (a.A.
Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen
Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des
Einkommensteuergesetzes 63.3.1 Abs. 3, BStBl I 2004, 743, 761).
Eine positive Bescheinigung der Agentur für Arbeit reicht zwar
in aller Regel als Nachweis der Registrierung als Arbeitsuchender
aus. Der Kindergeldanspruch kann aber nicht allein von einer
Bescheinigung der Agentur für Arbeit über die Meldung des
Kindes abhängig gemacht werden.
Entscheidend abzustellen ist vielmehr darauf,
ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der
Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender gemeldet bzw. diese Meldung
alle drei Monate erneuert hat und damit seine kindergeldrechtlichen
Mitwirkungspflichten wahrgenommen hat. Die Bezugnahme auf die
Drei-Monats-Frist in § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III gibt insoweit
(lediglich) einen Anhalt für die zeitliche Konkretisierung der
kindergeldrechtlichen Mitwirkungspflichten, bei deren Verletzung
der Kindergeldanspruch entfällt (vgl. auch Senatsurteil vom
17.7.2008 III R 106/07 zu dem insoweit vergleichbaren Fall eines
ausbildungsuchenden Kindes, nicht veröffentlicht).