BgA, steuerrechtlicher Verlustvortrag: 1. Verluste, die ein als Regiebetrieb geführter Betrieb gewerblicher Art erzielt, gelten im Verlustjahr als durch die Trägerkörperschaft ausgeglichen und führen zu einem Zugang in entsprechender Höhe im steuerlichen Einlagekonto. - 2. Der für einen Betrieb gewerblicher Art festgestellte steuerrechtliche Verlustvortrag ist nicht mit den Einkünften der Trägerkörperschaft aus Kapitalvermögen zu verrechnen. - Urt.; BFH 23.1.2008, I R 18/07; SIS 08 20 67
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Körperschaft
des öffentlichen Rechts, die einen Betrieb gewerblicher Art
„Messen und Märkte“ (BgA) i.S. des § 1 Abs. 1
Nr. 6, § 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG
2002) unterhält. Der BgA wird ohne eigene
Rechtspersönlichkeit im städtischen Haushalt als
sogenannter Regiebetrieb geführt. Für steuerliche Zwecke
ermittelt der BgA seinen Gewinn bzw. Verlust durch
Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3
des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002).
Zum 31.12.2001 wurde für den BgA ein
verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer in
Höhe von 480.248 DM (245.547 EUR) gesondert festgestellt. Der
Bestand des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27
Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 wurde zum 31.12.2001 und zum 31.12.2002
jeweils auf 0 EUR festgestellt.
Im Körperschaftsteuerbescheid für
das Jahr 2002 ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ausgehend von der Gewinnermittlung der
Klägerin einen Gewinn in Höhe von 40.238 EUR. Für
August 2003 (streitgegenständlicher Zeitraum) setzte er auf
der Grundlage dieses Gewinns Kapitalertragsteuer und den
Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer fest. Zur
Begründung führte das FA aus, eine Kürzung des
Gewinns um Verluste aus Vorjahren sei nicht möglich, weil ein
in den kommunalen Haushalt eingegliederter Regiebetrieb keine
Verlustvorträge ausweisen könne. Die Verluste aus
früheren Jahren seien von der Klägerin bereits getragen
worden. Die Kapitalertragsteuerpflicht bestehe daher
unabhängig von einem steuerlich festgestellten
Verlustvortrag.
Die Klage hiergegen wies das Finanzgericht
(FG) Rheinland-Pfalz mit in EFG 2007, 841 = SIS 07 05 70
veröffentlichtem Urteil vom 20.12.2006 1 K 1185/05 ab.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt,
das Urteil des FG und den Bescheid über die Festsetzung von
Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zur
Kapitalertragsteuer für August 2003 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass der festgestellte Verlustvortrag zum 31.12.2001 die
Einkünfte der Klägerin nach § 20 Abs. 1 Nr. 10
Buchst. b EStG nicht mindert.
1. Seit der Einführung des
Halbeinkünfteverfahrens sind die nicht den Rücklagen
zugeführten Gewinne eines Betriebes gewerblicher Art ohne
eigene Rechtspersönlichkeit unter bestimmten im Gesetz
näher bezeichneten Voraussetzungen nach § 20 Abs. 1 Nr.
10 Buchst. b EStG 2002 Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Diese Einkünfte unterliegen gemäß § 43 Abs. 1
Nr. 7c EStG 2002 der Kapitalertragsteuer.
Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nicht auf
den tatsächlichen Zufluss oder die Verwendung des Gewinns an.
Vielmehr führt der Gewinn des Wirtschaftsjahres, sofern er
nicht den Rücklagen zugeführt wird, zu Einkünften
aus Kapitalvermögen. Die Vorschrift enthält eine
Ausschüttungsfiktion, da aufgrund der fehlenden rechtlichen
Selbständigkeit des BgA eine tatsächliche
Ausschüttung an die Trägerkörperschaft nicht
erfolgen kann (Senatsurteil vom 10.1.2007 I R 105/05, BStBl II
2007, 841 = SIS 07 29 00, m.w.N.). Keine Einnahmen aus
Kapitalvermögen liegen dagegen vor, wenn sie aus (fiktiven)
Ausschüttungen stammen, für die Beträge aus dem
steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG 2002 als
verwendet gelten (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 5 i.V.m.
§ 20 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002).
2. Die Festsetzung der Kapitalertragsteuer ist
danach im Streitfall rechtmäßig.
a) Der BgA hat im Wirtschaftsjahr 2002 einen
Gewinn von 40.238 EUR erzielt und überschreitet daher die in
§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG 2002 genannte Gewinngrenze
von 30.000 EUR. Für die vom Gesetz fingierte Ausschüttung
des Gewinns gilt nicht das steuerliche Einlagekonto als verwendet.
Denn gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002 mindern
Leistungen der Kapitalgesellschaft das steuerliche Einlagekonto
nur, wenn sie den auf den Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres ermittelten ausschüttbaren Gewinn
übersteigen. Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das
gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene
Eigenkapital abzüglich des Bestandes des steuerlichen
Einlagekontos. Da der BgA über kein gezeichnetes Kapital
verfügt und das steuerliche Einlagekonto mit 0 EUR
festgestellt war, betrug der ausschüttbare Gewinn für das
Jahr 2002 mindestens 40.238 EUR. Da somit keine Beträge des
Einlagekontos als verwendet gelten, liegen in Höhe des im Jahr
2002 erzielten Gewinns Einkünfte aus Kapitalvermögen
vor.
b) Die Einkünfte mindern sich nicht um
den zum 31.12.2001 gemäß § 8 Abs. 1 KStG 2002
i.V.m. § 10d Abs. 1 EStG 2002 festgestellten Verlustvortrag
(gl.A. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
11.9.2002, BStBl I 2002, 935 = SIS 02 95 25 Tz. 22; Bott in Ernst
& Young, KStG, § 4 Rz 450.2; Krämer in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 4
Rz 298).
aa) § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG
2002 will die Gewinne, die der Trägerkörperschaft unter
Geltung des Halbeinkünfteverfahrens tatsächlich zur
Verwendung in ihrem hoheitlichen Bereich zur Verfügung stehen,
aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit mit Kapitalertragsteuer
belasten (BTDrucks 14/2683, S. 114). BgA und
Trägerkörperschaft werden im Rahmen des § 20 Abs. 1
Nr. 10 Buchst. b EStG 2002 fiktiv wie jeweils selbständige
Rechtssubjekte ähnlich einer Kapitalgesellschaft und deren
Anteilseigner behandelt. Daher mindert der Verlustvortrag zwar das
hinsichtlich des BgA „Messen und Märkte“ zu
versteuernde Einkommen (vgl. Senatsurteile vom 4.12.1991 I R 74/89,
BFHE 166, 342, BStBl II 1992, 432 = SIS 92 10 41; vom 13.3.1974 I R
7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391 = SIS 74 02 22), nicht aber
die von der Klägerin erzielten Einkünfte aus
Kapitalvermögen. Bezugsgröße für die
Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach §
20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG 2002 ist der vom Betrieb
gewerblicher Art erzielte Gewinn. Ebenso wenig wie ein
steuerrechtlicher Verlustvortrag eine Kapitalgesellschaft hindert,
den im Wirtschaftjahr erzielten Gewinn an die Gesellschafter
auszuschütten, ändern die Verluste der Vorjahre etwas
daran, dass der im Jahr 2002 erzielte Gewinn der Klägerin
tatsächlich in ihrem hoheitlichen Bereich zur Verfügung
stand.
bb) Allerdings können die Anteilseigner
einer GmbH die Ausschüttung des Jahresgewinns nicht verlangen,
wenn handelsrechtlich ein Verlustvortrag besteht. Denn nach §
29 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung haben die Gesellschafter einer GmbH
Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines
Gewinnvortrages abzüglich eines Verlustvortrages. Eine
ähnliche Regelung gilt für Eigenbetriebe, die nach den
Eigenbetriebsverordnungen der Länder geführt werden.
Diese sind finanzwirtschaftlich Sondervermögen der Gemeinde
(vgl. § 86 Abs. 1 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz, §
10 Abs. 1 der Eigenbetriebs- und Anstaltsverordnung Rheinland-Pfalz
- EigAnVO - ). Ein Jahresverlust kann auf neue Rechnung vorgetragen
werden, soweit zu erwarten ist, dass er durch Gewinne in den
folgenden Jahren ausgeglichen wird (§ 11 Abs. 7 Satz 1
EigAnVO). Gewinne sind in diesem Fall zunächst zur
Verlustdeckung zu verwenden (§ 11 Abs. 7 Satz 2 EigAnVO) und
stehen daher der Gemeinde zur Verwendung im hoheitlichen Bereich
nicht zur Verfügung. Dementsprechend geht die Finanzverwaltung
in diesen Fällen davon aus, dass ein handelsrechtlicher
Verlustvortrag, solange er nicht ausgeglichen ist, nicht zu
Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG
2002 führt (BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 935 = SIS 02 95 25;
Oberfinanzdirektion Frankfurt vom 17.12.2003, FR 2004, 237 = SIS 04 05 99; Bott in Ernst & Young, a.a.O., Rz 450.2; Krämer in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 4 Rz 298;
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl., § 20 Rz 168).
cc) Die Klägerin führt ihren BgA
jedoch nicht als Eigenbetrieb, sondern als Regiebetrieb.
Regiebetriebe sind rechtlich unselbständige Einheiten der
Trägerkörperschaft, die finanzwirtschaftlich nicht
Sondervermögen der Gemeinde darstellen. Demgemäß
fließen Einnahmen der Regiebetriebe - anders als bei
Eigenbetrieben - unmittelbar in den Haushalt und Ausgaben werden
unmittelbar aus dem Haushalt der Trägerkörperschaft
bestritten. Ein Verlustvortrag ist unter diesen Umständen
nicht möglich. Vielmehr gilt der Verlust im Jahr der
Entstehung des Verlustes als durch Einlagen der Gemeinde
ausgeglichen und führt zu einem entsprechenden Zugang im
Einlagekonto.
Entgegen der Auffassung der Klägerin
folgt aus § 22 der Gemeindehaushaltsverordnung Rheinland-Pfalz
(GemHVO) in der im Streitjahr gültigen Fassung nicht, dass der
Verlust von Regiebetrieben wie bei Eigenbetrieben vorgetragen
werden kann. Diese Vorschrift bezieht sich vielmehr auf den
Gesamthaushalt der Gemeinde und bestimmt, dass ein Fehlbetrag
unverzüglich gedeckt werden soll, jedoch spätestens im
dritten dem Haushaltsjahr folgenden Jahr zu veranschlagen ist. Dies
ändert aber nichts am Grundsatz der Gesamtdeckung (§ 16,
jetzt: § 14 GemHVO) und daran, dass ein Verlustvortrag mangels
finanzwirtschaftlicher Verselbständigung des Regiebetriebes
nicht möglich ist.
dd) Verluste aus Eigenbetrieben und
Regiebetrieben werden daher im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 10
Buchst. b EStG 2002 unterschiedlich behandelt. In Eigenbetrieben
entstandene Verluste kann die Trägerkörperschaft
gemäß § 11 Abs. 7 Satz 1 EigAnVO vortragen oder im
Jahr ihrer Entstehung durch Einlagen ausgleichen. Im ersten Fall
erzielt sie solange keine Einkünfte aus Kapitalvermögen,
bis der Verlust ausgeglichen ist. Bei Regiebetrieben kann der
Verlust hingegen nicht vorgetragen werden. In Höhe des
Verlustes liegen vielmehr Einlagen vor, die dem Einlagekonto
gutzuschreiben sind. Diese Verluste wirken sich insoweit auf die
Höhe der Kapitaleinkünfte aus, als sich hierdurch die
Höhe des ausschüttbaren Gewinns mindert (§ 20 Abs. 1
Nr. 10 Buchst. b Satz 5 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 3 EStG
2002).
3. Dem Hilfsantrag der Klägerin, den
Anfangsbestand des Einlagekontos um den Verlustvortrag zu
erhöhen, ist nicht zu entsprechen. Dies folgt schon daraus,
dass die Bescheide, mit denen die Bestände des steuerlichen
Einlagekontos zum 31.12.2001 und zum 31.12.2002 auf jeweils 0 EUR
festgestellt wurden, nicht angefochten wurden, und daher bindend
sind (§ 27 Abs. 2 KStG 2002). Im Übrigen verweist der
Senat insoweit auf sein Urteil vom 21.8.2007 I R 78/06, BFH/NV
2008, 495 = SIS 08 08 14).