GmbH, Liquidation, nicht verfolgter Aufwendungsersatzanspruch: Verbürgt sich ein wesentlich an einer GmbH beteiligter Gesellschafter zugunsten eines Dritten, um zu ermöglichen, dass dieser mit der GmbH ein für sie günstiges Geschäft abschließt, so kann eine einem Darlehen wirtschaftlich vergleichbare Rechtshandlung (§ 32 a Abs. 3 Satz 1 GmbHG) darin liegen, dass der Gesellschafter nach seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die GmbH nicht geltend macht und in der Liquidation endgültig mit ihm ausfällt. - Urt.; BFH 4.3.2008, IX R 80/06; SIS 08 20 31
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) war zu 50 % an einer Wohnbau GmbH (GmbH) beteiligt,
die im Laufe des Jahres 1993 in die Krise geriet. Die GmbH
verkaufte im Jahr 1993 zwei Wohnungen an K. Der Kläger
übernahm es, für die Erfüllung von dessen
Verbindlichkeiten aus einem Darlehensverhältnis mit einer Bank
(B) zu einem Teilbetrag von 129.000 DM als Bürge
gegenüber B einzustehen, um im Interesse der GmbH ein für
diese günstiges Geschäft (Verkauf schwer absetzbarer
Wohnungen) zu ermöglichen.
Als K seinen Zahlungsverpflichtungen nicht
nachkam, nahm B den Kläger im Jahr 1996 in Anspruch. Zur
Teilablösung des an K gegebenen Darlehens gewährte B dem
Kläger ein Darlehen in Höhe von 129.000 DM, das er in der
Folgezeit bediente. Über das Vermögen des K wurde das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger machte seine
Forderung aus der Bürgschaft geltend, die vom Insolvenzgericht
im Jahr 2003 in voller Höhe festgestellt wurde.
Die GmbH wurde im Jahr 1998 aufgelöst
und der Kläger zum Liquidator bestellt. Die Liquidation war im
Streitjahr (2000) beendet. Es kam nicht zur Auskehrung von
Vermögen an die Gesellschafter.
Im Rahmen der Veranlagung zur
Einkommensteuer für das Streitjahr machte der Kläger
einen Verlust nach § 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes
i.d.F. des Streitjahres (EStG) aus der GmbH-Beteiligung geltend und
bezog darin seine Aufwendungen aus der
„Bürgschaftsinanspruchnahme“ ein. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) erkannte lediglich den
Verlust des Stammkapitals an.
Seine Klage hatte im hier streitigen Umfang
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in EFG 2007,
678 = SIS 07 08 65, veröffentlichten Urteil aus, die
Aufwendungen des Klägers aus der persönlichen Haftung
für das dem K gewährte Darlehen seien als
nachträgliche Anschaffungskosten zu beurteilen. Der
Kläger habe im Interesse der GmbH die Bürgschaft
übernommen, um den Verkauf von Wohnungen zu ermöglichen.
Seine Inanspruchnahme sei durch das Gesellschaftsverhältnis
veranlasst gewesen. Insoweit handele es sich um einen
abgekürzten Vertragsweg: Statt Sicherheiten der GmbH
abzutreten, damit diese gegenüber B als absatzfördernde
Maßnahme für den Kauf Sicherheiten habe bestellen
können, sei die Sicherheit direkt durch den Kläger
bestellt worden.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA:
Nachträgliche Anschaffungskosten in Gestalt verdeckter
Einlagen kämen nicht in Betracht, da die Bürgschaft
gegenüber einem fremden Dritten übernommen worden sei.
Ein abgekürzter Vertragsweg liege darin nicht.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage in vollem Umfang als unbegründet
abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zutreffend
die Zahlungen des Klägers im Zusammenhang mit der
Bürgschaftsinanspruchnahme als nachträgliche
Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts
i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG berücksichtigt.
Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört
zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter weiteren, hier
nicht problematischen Voraussetzungen, auch der Gewinn aus der
Auflösung von Kapitalgesellschaften. Entsprechendes gilt
für Verluste (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 26.1.1999 VIII R 50/98, BFHE
188, 295, BStBl II 1999, 559 = SIS 99 12 14, unter II. 2. a,
m.w.N.).
a) Auflösungsverlust i.S. von § 17
Abs. 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit
der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen
persönlich getragenen Aufwendungen (entsprechend den
Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 EStG) sowie
seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem
Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten
Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1
Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet
werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu
gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die
nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen
Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten)
Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung,
wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und
weder Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 16.4.1991 VIII R
100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234 = SIS 91 20 21; zu
Einlagen und Nachschüssen, vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII
R 62/93, BFHE 194, 130, BStBl II 2001, 234 = SIS 01 05 19; siehe
zum Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten auch
Döllerer, FR 1992, 233, 234). Dazu rechnen
Finanzierungshilfen, z.B. durch Übernahme einer
Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des §
32a Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung (GmbHG), wenn sie eigenkapitalersetzenden
Charakter haben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6.7.1999 VIII R 9/98,
BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817 = SIS 99 23 26; zu § 32a
Abs. 3 Satz 1 GmbHG: BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 52/93, BFHE
194, 120, BStBl II 2001, 286 = SIS 01 05 20). Maßgebend
dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem
Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute
Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft),
stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen
wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt
(§ 32a Abs. 1 und 3 GmbHG; BFH-Urteil in BFHE 189, 383, BStBl
II 1999, 817 = SIS 99 23 26).
b) Nach diesen Grundsätzen führen
die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit seiner
Inanspruchnahme als Bürge zu nachträglichen
Anschaffungskosten. Er hat dadurch der GmbH Mittel
zugeführt.
aa) Der Kläger hatte sich gegenüber
der B zwar nicht zugunsten der GmbH, sondern des K für dessen
Darlehensverbindlichkeit verbürgt. Die Finanzierungshilfe kam
also zunächst nur K zugute. Mit der Inanspruchnahme durch B
und dem anschließenden Darlehensvertrag verwirklichte sich
ein Risiko, das der Kläger gegenüber K eingegangen ist.
Auf diese Bürgschaftsverpflichtung zugunsten eines Dritten
(hier: K) konnte ein im Verhältnis zur GmbH begründeter
Veranlassungszusammenhang auch nicht übertragen werden; denn
der Kläger ist sie nicht eingegangen, um dadurch der
Inanspruchnahme aus einer ursprünglichen kapitalersetzenden
Bürgschaft zu vermeiden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23.5.2000
VIII R 3/99, BFH/NV 2001, 23 = SIS 01 50 16). Aus diesem Grund
kommen auch die Rechtsgrundsätze zum abgekürzten
Zahlungs- oder Vertragsweg entgegen der Vorentscheidung nicht zum
Zuge. Denn sie beantworten die - hier nicht problematische - Frage,
ob Kosten, die ein Dritter im Interesse des Steuerpflichtigen
leistet, dem Steuerpflichtigen als eigener Aufwand zurechenbar sind
(vgl. allgemein BFH-Urteile vom 15.1.2008 IX R 45/07 (zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt), BFH/NV 2008, 664 = SIS 08 12 32;
vom 15.11.2005 IX R 25/03, BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623 = SIS 06 03 85, und - zu § 17 EStG BFH-Urteil in BFHE 194, 120,
BStBl II 2001, 286 = SIS 01 05 20).
bb) Indes ist dem FG darin beizupflichten,
dass der Kläger die Bürgschaft gegenüber B zwar
zugunsten des K übernommen, dabei aber nach dem festgestellten
und damit den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Sachverhalt
im alleinigen Interesse der GmbH gehandelt hat, um den Verkauf von
nur schwer absetzbaren Wohnungen zu fördern.
Aus diesem Sachverhalt ergibt sich eine dem
eigenkapitalersetzenden Darlehen nach § 32a Abs. 1 GmbHG
ähnliche Kreditierung, die gemäß § 32a Abs. 3
Satz 1 GmbHG wie eine
Mittelzuführung (verdeckte Einlage) zu behandeln ist (vgl.
dazu eingehend Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 10. Aufl.,
§§ 32a, 32b Rz 121 ff.).
Der Kläger erlangte mit der
Bürgschaftsübernahme im Interesse der GmbH einen Anspruch
auf Ersatz seiner Aufwendungen, der sich - mangels einer
vorrangigen Vorschrift - jedenfalls aus § 683 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergibt. Der Kläger
handelte - in eigener Person - im Interesse wie auch im wirklichen
Willen der GmbH, deren Geschäftsführer er war (vgl. zu
den Voraussetzungen einer Fremdgeschäftsführung durch den
GmbH-Geschäftsführer auch Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 12.6.1989 II ZR 334/87, DB 1989, 1762). Dieser
Aufwendungsersatzanspruch war zunächst nach § 257 BGB auf
Freistellung gerichtet und konkretisierte sich mit der
Inanspruchnahme des Klägers aus der Bürgschaft im Jahre
1996. Doch statt nun die GmbH auf Ersatz in Anspruch zu nehmen,
machte er seine Forderung (zunächst) nicht geltend. Dies
führt zu einer verdeckten Einlage (vgl. BFH-Beschluss vom
9.6.1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307 = SIS 97 17 34
zu einem Verzicht) und im Rahmen des § 17 EStG zu mit dem
Nennwert zu bewertenden nachträglichen Anschaffungskosten der
Beteiligung (vgl. zur Bewertung mit dem Nennwert BFH-Urteil in BFHE
165, 31, BStBl II 1992, 234 = SIS 91 20 21). Denn der Kläger
nahm die einem Darlehen ähnliche Kreditierung ab dem Jahr 1996
vor, also zu einer Zeit, in der sich die GmbH nach den
Feststellungen des FG bereits in der Krise befand.
cc) Der Kläger konnte seinen Anspruch
gegen die GmbH nicht realisieren. Zwar hatte er noch einen
Rückgriffsanspruch aus der Bürgschaft gegen K nach §
774 Abs. 1 BGB, dessen (teilweise) Erfüllung mit der
verfahrensrechtlichen Folge des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der
Abgabenordnung rückwirkend auf die nachträglichen
Anschaffungskosten einwirken würde. Indes ist der Kläger
auch mit diesem Anspruch ausgefallen.