KSt-Anrechnung in Inbound-Fällen, EU-Recht: Dem EuGH wird die folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt: - Stehen Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) bzw. Art. 73 b EGV (jetzt Art. 56 EG) der Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, nach welcher im Rahmen eines nationalen Systems der Körperschaftsteueranrechnung die Wertminderung von Anteilen durch Gewinnausschüttungen von einem Einfluss auf die Bemessungsgrundlage der Steuer ausgeschlossen wird, wenn ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter Steuerpflichtiger einen Anteil an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erworben hat, während im Anschluss an den Erwerb von einem anrechnungsberechtigten Anteilseigner eine solche Wertminderung die Bemessungsgrundlage der Steuer des Erwerbers mindert? - Urt.; BFH 23.1.2008, I R 21/06; SIS 08 20 24
I. Sach- und Streitstand
Die Klägerin, Revisionsklägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist
zum 1.7.1995 durch eine formwechselnde Umwandlung einer GmbH, der
GW GmbH, entstanden. Im Zeitpunkt der Umwandlung waren an der GW
GmbH zu 99 % die GV GmbH und zu 1 % (seit 30.6.1995) die S GmbH,
eine 100 %ige Tochtergesellschaft der GV GmbH, beteiligt. Da
zwischen der GV GmbH und der S GmbH ein
Ergebnisabführungsvertrag bestand, gingen die Beteiligten
für das vorliegende Verfahren davon aus, dass der GV GmbH
(wirtschaftlich gesehen) im Umwandlungszeitpunkt alle Anteile an
der GW GmbH zuzurechnen waren. Die GV GmbH hatte zuvor (am
26.6.1995) ihren 95 %igen Anteilsbesitz an der GW GmbH durch den
Erwerb der restlichen Anteile (5 %) von ihrer britischen
Konzern-Muttergesellschaft - der GG Ltd. - aufgestockt (Kaufpreis:
25 Mio. DM).
Vor der Umwandlung der GW GmbH war auf
diese eine weitere GmbH verschmolzen worden. Die GW GmbH hatte - im
Zuge einer länderübergreifenden Umstrukturierung - am
27.6.1995 von der GG Ltd. 99,98 % der Anteile an der deutschen W
GmbH (Kaufpreis: 327,5 Mio. DM) und am 7.7.1995 von einer
britischen Gesellschaft, der W Ltd., die restlichen 0,02 %
(Kaufpreis: 65.500 DM) erworben. Die W GmbH wurde sodann mit einem
Verschmelzungsvertrag rückwirkend zum 29.6.1995 und ohne
Ausgabe neuer Anteile auf ihre alleinige Gesellschafterin - die GW
GmbH - verschmolzen. Dadurch ergab sich für die GW GmbH aus
der Differenz zwischen dem Bilanzansatz ihrer Anteile an der W GmbH
und dem steuerlichen Eigenkapital der W GmbH zum 29.6.1995 ein
Verschmelzungsverlust von 306.028.396 DM, der sich aber steuerlich
nicht auswirkte (§ 12 Abs. 2 Satz 1 des
Umwandlungssteuergesetzes 1995 - UmwStG 1995 - ).
Die Umwandlung der GW GmbH in die
Klägerin erfolgte zu Buchwerten. Zum Umwandlungsstichtag
(1.7.1995) waren die Anteile an der GW GmbH bei der GV GmbH
(einschließlich der S GmbH) mit 500 Mio. DM bilanziert. Die
Klägerin berechnete einen Übernahmeverlust (§ 4 Abs.
4 und 5 UmwStG 1995) unter Ansatz eines sogenannten Sperrbetrages
nach § 50c des Einkommensteuergesetzes 1990 i.d.F. des
Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur
Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen
Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz) vom 13.9.1993 (BGBl I 1993,
1569, BStBl I 1993, 774) - EStG 1990 - von 22.887.706 DM (Erwerb
des 5 %igen Anteils an der GW GmbH von der GG Ltd.) mit 328.096.563
DM. Mit diesem Übernahmeverlust stockte sie den Bilanzansatz
eines auf sie übergegangenen Grundstücks auf (§ 4
Abs. 6 Satz 1 UmwStG 1995) und aktivierte einen Marktwert, der
unter Ansatz einer Absetzung für Abnutzung in den Folgejahren
fortgeschrieben wurde.
Der Beklagte, Revisionskläger und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) vertrat die Auffassung,
dass nicht nur der Erwerb der Anteile an der GW GmbH durch die GV
GmbH von der Muttergesellschaft GG Ltd. einen die erworbenen
Anteile belastenden Sperrbetrag nach § 50c EStG 1990 in
Höhe von 22.887.706 DM ausgelöst habe. Auch die Anteile
an der W GmbH, die die Klägerin von der GG Ltd. und der W Ltd.
erworben hatte, seien mit einem Sperrbetrag in Höhe von
322.565.500 DM belastet gewesen. Dieser zweite Sperrbetrag sei im
Zuge der Verschmelzung der W GmbH mit der GW GmbH in Anwendung von
§ 13 Abs. 4 UmwStG 1995 auf die von der GV GmbH gehaltenen
Anteile an der GW GmbH „übergesprungen“. Der sich
aus dem Formwechsel der GW GmbH ergebende Übernahmeverlust
reduziere sich daher unter Berücksichtigung der
Sperrbeträge auf 5.531.063 DM. Dieser Verlust sei
ausschließlich als Aufstockungsbetrag für das
Grundstück zu verwenden (§ 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG 1995).
Die Aktivierung eines Marktwerts und die jährlichen
Absetzungen für Abnutzung hierauf entfielen somit. Insoweit
stellte das FA in Änderungsbescheiden unter jeweiliger
Anpassung der Gewerbesteuer-Rückstellungen erhöhte
Gewinne aus Gewerbebetrieb fest.
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg,
soweit es um den Ansatz der Sperrbeträge ging (Urteil des
Finanzgerichts - FG - München vom 10.2.2006 8 K 5285/02, EFG
2006, 820 = SIS 06 22 29). Sowohl das FA als auch die Klägerin
rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage
abzuweisen und die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt zum Streitpunkt
„Sperrbetrag“, die Revision des FA zurückzuweisen;
im Übrigen beantragt sie den Ansatz einer höheren
Gewerbesteuer-Rückstellung.
II. Rechtslage nach deutschem Recht
Die Entscheidung über die Revision ist
von der Beantwortung der im Leitsatz genannten Vorlagefrage
abhängig. Sofern diese Frage zu verneinen ist, muss das
erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage insoweit
abgewiesen werden. Ist sie aber zu bejahen, ist die Revision des FA
als unbegründet zurückzuweisen.
1. Geht das Vermögen einer
Körperschaft durch Umwandlung auf eine Personengesellschaft
über, ist auf der Ebene der Personengesellschaft durch
Gegenüberstellung des Wertes, mit dem die übergehenden
Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und dem Buchwert der
Anteile an der übertragenden Körperschaft der
Übernahmegewinn/-verlust zu ermitteln (§ 4 Abs. 4 UmwStG
1995). Dies gilt für den Fall, dass eine Körperschaft
formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt wird,
entsprechend (§ 14 UmwStG 1995). Der so ermittelte
Übernahmegewinn/-verlust „1. Stufe“ ist
gemäß § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 um die nach § 10
Abs. 1 UmwStG 1995 anzurechnende Körperschaftsteuer und um
einen Sperrbetrag i.S. des § 50c EStG 1990 zu erhöhen
bzw. zu mindern, soweit die Anteile an der übertragenden
Körperschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag zum
Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft
gehörten. Ergibt sich danach weiterhin ein
Übernahmeverlust („2. Stufe“), sind die
Wertansätze der übergegangenen materiellen und
immateriellen Wirtschaftsgüter bis zu ihren Teilwerten
aufzustocken; ein dann immer noch verbleibender Betrag mindert den
Gewinn der übernehmenden Personengesellschaft (§ 4 Abs. 6
UmwStG 1995).
2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund streiten
die Beteiligten im Wesentlichen darum, ob der von der Klägerin
erzielte Übernahmeverlust um einen Sperrbetrag i.S. des §
50c EStG 1990 gemindert wird, der auf dem Erwerb der Anteile an der
W GmbH durch die GW GmbH beruht. Diese Frage ist - entgegen der
Annahme der Vorinstanz - nach deutschem Recht zu bejahen.
a) Nach § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990
kann ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter
Steuerpflichtiger, der einen Anteil an einer in dem Zeitpunkt des
Erwerbs oder in dem Zeitpunkt der Gewinnminderung unbeschränkt
steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem
nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erwirbt,
Gewinnminderungen, die (u.a.) durch den Ansatz des niedrigeren
Teilwerts im Jahr des Erwerbs oder in einem der folgenden neun
Jahre entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht
berücksichtigen, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts
nur auf Gewinnausschüttungen (u.a.) zurückgeführt
werden kann und die Gewinnminderungen insgesamt den
Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem
Nennbetrag des Anteils (sogenannter Sperrbetrag, vgl. § 50c
Abs. 4 EStG 1990) nicht übersteigen; wirtschaftlich entspricht
dieser Sperrbetrag den vom Erwerber als Teil des Kaufpreises
bezahlten offenen Rücklagen bzw. stillen Reserven der
Kapitalgesellschaft. Dieser (begrenzten) Nichtberücksichtigung
einer Gewinnminderung liegt in erster Linie die Zielsetzung
zugrunde, in Fällen der Veräußerung einer
Beteiligung durch einen nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner
(vgl. § 51 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1991
i.V.m. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG
1990) die „Abgeltung“ des
Körperschaftsteuerguthabens über den Kaufpreis zu
neutralisieren und dadurch aus Sicht des Anrechnungsverfahrens
missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks
8/3648, S. 22 ff.; BTDrucks 8/4157, S. 5 f.). Da der
Veräußerungsgewinn der inländischen Besteuerung
regelmäßig entzogen ist, wird, um dieses Regelungsziel
durchzusetzen, in gewisser Weise systemwidrig verfahren und nicht
an die Besteuerung des nichtanrechnungsberechtigten
Anteilsveräußerers, sondern an die Gewinnermittlung des
anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen angeknüpft, indem
der ausschüttungs- oder abführungsbedingte Ansatz des
niedrigeren Teilwerts bei diesem unberücksichtigt bleibt. Die
Belastung der Erträge mit Körperschaftsteuer während
der Besitzzeit des Nichtanrechnungsberechtigten wird dadurch bei
dem (anrechnungsberechtigten) Anteilserwerber definitiv; eine
„Einmalbesteuerung“ im Inland wird
sichergestellt (Senatsurteil vom 7.11.2007 I R 41/05, DStR 2008,
501 = SIS 08 12 00, m.w.N.).
b) Die Voraussetzungen für die Bildung
eines Sperrbetrages gemäß § 50c Abs. 1 EStG 1990
waren im Augenblick des Erwerbs der 5 %igen Beteiligung an der GW
GmbH durch die GV GmbH und der insgesamt 100 %igen Beteiligung an
der W GmbH durch die GW GmbH erfüllt. Dies gilt auch für
das zwischen den Beteiligten allein streitige Tatbestandsmerkmal
des Erwerbs von einem nichtanrechnungsberechtigten
Anteilseigner.
Die Vorinstanz hat die jeweiligen
Anteilsveräußerer - in Großbritannien
ansässige Kapitalgesellschaften - nicht als
nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner i.S. des § 50c Abs.
1 EStG 1990 angesehen. Dazu hat das FG darauf verwiesen, dass ein
in Großbritannien ansässiger Anteilseigner ähnlich
dem in Deutschland geltenden
Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren eine Steuergutschrift
in Höhe der von seiner Kapitalgesellschaft für die
ausgeschütteten Gewinne bezahlten „advance
corporation tax“ erhalte und dass dabei gemäß
Art. XVIII Abs. 1 Buchst. b des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich
Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung
vom 26.11.1964 (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730) i.d.F. des
Revisionsprotokolls vom 23.3.1970 (BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971,
140) jedenfalls auch die Körperschaftsteuer einzubeziehen sei,
die eine deutsche ausschüttende Gesellschaft in Deutschland zu
entrichten hatte. Auf dieser Grundlage
(„Anrechnungsberechtigung“) sei schon der
Wortlaut des § 50c Abs. 1 EStG 1990 nicht erfüllt. Dieser
Ansicht folgt der Senat nicht.
Der Tatbestand des § 50c Abs. 1 EStG
1990, der einen Erwerb eines Anteils an einer unbeschränkt
steuerpflichtigen Körperschaft durch einen zur Anrechnung von
Körperschaftsteuer berechtigten Steuerpflichtigen von einem
nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erfasst, nimmt auf den
Ausschluss von der Anrechnung der Körperschaftsteuer durch
§ 50 Abs. 5 Satz 2 EStG 1990 und § 51 i.V.m. § 50
Abs. 1 Nrn. 1 und 2 KStG 1991 Bezug. Dass eine Steueranrechnung im
ausländischen Wohnsitz- bzw. Sitzstaat des Anteilseigners auf
der Grundlage eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht
tatbestandserheblich ist, folgt insbesondere aus dem Zweck der
Vorschrift, die Einmalbesteuerung in Deutschland erzielter Gewinne
mit inländischer Ertragsteuer zu gewährleisten. Dieser
Zweck würde verfehlt, wenn eine - nach welchen Maßgaben
auch immer ausgestaltete - Anrechnung deutscher
Körperschaftsteuer auf eine ausländische Steuer den
Tatbestand des § 50c EStG 1990 ausschließen könnte.
Auch zeigt § 50c Abs. 6 EStG 1990, der den Wechsel eines
bisher nicht anrechnungsberechtigten Anteilseigners in die
Anrechnungsberechtigung regelt, was insbesondere dem Wechsel von
der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht
entspricht (z.B. BTDrucks 8/3648, S. 24), den tatbestandlichen
Bezug zu dem auf unbeschränkt Steuerpflichtige abzielenden
Anrechnungsverfahren des nationalen Rechts auf. Auf dieser
Grundlage geht die ganz herrschende Ansicht davon aus, dass der
Tatbestand des § 50c Abs. 1 EStG 1990 bei beschränkter
Steuerpflicht des Veräußerers stets anzuwenden ist, ohne
dass es auf eine kraft Doppelbesteuerungsabkommens im
ausländischen Staat eingeräumte
Anrechnungsmöglichkeit ankommt (z.B. Dötsch in
Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, §
50c EStG Rz 40; Blümich/ Hofmeister, EStG/KStG/GewStG, §
50c EStG Rz 10; Krebs/ Bödefeld, BB 2004, 407, 408;
Engl/Raupach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 50c EStG Rz 48). Dem
schließt sich der Senat an.
Ein abweichendes Ergebnis lässt sich
für den Fall, dass der nichtanrechnungsberechtigte
beschränkt Steuerpflichtige innerhalb der Europäischen
Union ansässig ist, vor dem Hintergrund der einschlägigen
Spruchpraxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
- EuGH - (vgl. etwa Urteile vom 6.6.2000 Rs. C-35/98
„Verkooijen“, EuGHE I 2000, 4071 = SIS 00 08 51;
vom 12.12.2002 Rs. C-324/00 „Lankhorst-Hohorst“,
EuGHE I 2002, 11779 = SIS 03 09 16; vom 7.9.2004 Rs. C-319/02
„Manninen“, EuGHE I 2004, 7477 = SIS 04 38 00)
auch nicht im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen
Regelungsauslegung erreichen. Wortlaut und Zweck der Vorschrift
belassen insoweit keine Auslegungsspielräume.
c) Der den Anteilen an der W GmbH anhaftende
Sperrbetrag ist im Zuge der Verschmelzung der W GmbH auf die GW
GmbH nicht untergegangen. Zwar ist er, da die Verschmelzung ohne
Ausgabe neuer Anteile vollzogen wurde, entgegen der Revision des FA
nicht gemäß § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 (i.d.F. vor dem
Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 -
StEntlG 1999/2000/2002 - vom 24.3.1999, BGBl I 1999, 402, BStBl I
1999, 304) auf die Anteile an der GW GmbH
„verlagert“ worden. Eine Berücksichtigung
des Sperrbetrages bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses
der Klägerin folgt jedoch aus § 50c Abs. 7 EStG 1990.
Dies hat der Senat für eine dem Streitfall vergleichbare
Konstellation im Urteil in DStR 2008, 501 = SIS 08 12 00
entschieden; für Einzelheiten wird auf diese Entscheidung
verwiesen.
3. Vor diesem gesetzlichen Hintergrund
wäre die Klage im Streitfall insoweit abzuweisen.
III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht
Der vorlegende Senat erachtet den Ansatz eines
Sperrbetrages gemäß § 50c EStG 1990 aus
gemeinschaftsrechtlicher Sicht jedoch nicht als zweifelsfrei. Der
Ansatz könnte gegen die in Art. 52 bzw. Art. 73b des Vertrages
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) bzw. in
Art. 43 bzw. Art. 56 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung
des Vertrages über die Europäische Union, der
Verträge zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften (EG) sowie einiger damit zusammenhängender
Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG
- 1997 Nr. C 340, 1) verbürgten Freiheiten der Niederlassung
bzw. des Kapitalverkehrs verstoßen, deren Auslegung dem EuGH
vorbehalten ist (vgl. Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG).
1. Die direkten Steuern fallen zwar in die
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; diese müssen aber ihre
Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben. Nach
Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) ist die Niederlassungsfreiheit
zugunsten der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu
gewährleisten, die auch die Aufnahme und Ausübung
selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung
und Leitung von Unternehmen erfasst; nach Art. 73b Abs. 1 EGV
(jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) sind im Rahmen der Bestimmungen über
den Kapital- und Zahlungsverkehr u.a. alle Beschränkungen des
Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Von
letzterem Verbot erfasst werden unmittelbare oder mittelbare,
aktuelle oder potenzielle Behinderungen, Begrenzungen oder
Untersagungen für den Zufluss, Abfluss oder Durchfluss von
Kapital (vgl. Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der
Europäischen Union, Art. 56 EG Rz 35, m.w.N.).
2. Der Ansatz eines Sperrbetrages
gemäß § 50c EStG 1990 fällt in den
Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit; er kann in einer
Beherrschungssituation auch in den Schutzbereich der
Niederlassungsfreiheit eingreifen (s. auch Senatsurteil in DStR
2008, 501 = SIS 08 12 00). Im Streitfall ist sowohl ein
„übergegangener“ Sperrbetrag als auch ein
„originärer“ Sperrbetrag für die
Ermittlung des Übergangsergebnisses der Klägerin
erheblich. Insoweit können im Streitfall festzustellende
Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs durch den Ansatz von
Sperrbeträgen sowohl die unvermeidliche Folge einer
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (s. insoweit
EuGH-Beschluss vom 10.5.2007 Rs. C-492/04
„Lasertec“, IStR 2007, 439 = SIS 07 19 38 Tz. 18
ff.; EuGH-Urteil vom 24.5.2007 Rs. C-157/05
„Holböck“, IStR 2007, 441 = SIS 07 23 26
Tz. 22, je m.w.N.) als auch eigenständig zu würdigen
sein.
a) In seinen Urteilen vom 22.2.2006 I R 120/04
(BFHE 213, 25, BStBl II 2007, 321 = SIS 06 27 09) und in DStR 2008,
501 = SIS 08 12 00 hat der erkennende Senat ausgeführt, dass
jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass die durch §
50c EStG 1990 bewirkte Versagung der Teilwertabschreibung einen
mittelbaren Eingriff in den Schutzbereich der
Kapitalverkehrsfreiheit bewirkt. Denn der Steuerpflichtige wird
steuerlich unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob er Anteile von
einem anrechnungsberechtigten oder einem nicht
anrechnungsberechtigten Anteilseigner (gerade im Sinne eines
ausländischen Anteilseigners) erwirbt. Dies hat zur Folge,
dass in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Anleger
davon abgehalten werden können, Beteiligungen an
Gesellschaften von Anteilseignern, die in einem anderen
Mitgliedstaat ansässig sind, zu erwerben.
Umgekehrt können sich die in Rede
stehenden Regelungen gegenüber ausländischen
Anteilseignern beschränkend auswirken, indem sie diese darin
behindern, in Deutschland Kapital zu sammeln. Denn der
inländische Anteilseigner wird als Anteilserwerber mit Blick
auf die Rechtsfolge des § 50c EStG 1990 dem ausländischen
Veräußerer für die zu übertragenden Anteile
einen um das Körperschaftsteuerguthaben niedrigeren Preis
zahlen. Dadurch können ausländische Investoren davon
abgehalten werden, ihr Kapital in Gesellschaften mit Sitz in
Deutschland anzulegen (vgl. etwa EuGH-Urteile in EuGHE I 2000, 4071
Tz. 34; in EuGHE I 2002, 11779 = SIS 03 09 16 Tz. 32; in EuGHE I
2004, 7477 = SIS 04 38 00 Tz. 22). Der Erwerb von Beteiligungen an
Gesellschaften mit Sitz in Deutschland wird für Anleger, die
in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, weniger
attraktiv, als für Anleger, die in Deutschland ansässig
sind.
b) Der EuGH hat in seinem Urteil vom 6.3.2007
Rs. C-292/04 „Meilicke“ (IStR 2007, 247 = SIS 07 08 89) in vergleichbaren Beschränkungen durch
Steuerregelungen, die bei inländischen Anteilseignern, die
sich an Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat
beteiligen, den Ausschluss der Körperschaftsteueranrechnung
auf Ausschüttung von Dividenden jener Gesellschaften nach sich
ziehen, wohingegen ihnen die Anrechnung bei Ausschüttungen
inländischer Gesellschaften zusteht, als Verstoß gegen
die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen (s. bereits EuGH-Urteil in
EuGHE I 2004, 7477 = SIS 04 38 00). Nach dieser
gemeinschaftsrechtlichen Maßgabe könnte sich ein
unmittelbarer Einfluss auf sämtliche mit dem (inzwischen durch
das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der
Unternehmensbesteuerung vom 23.10.2000, BGBl I 2000, 1433, BStBl I
2000, 1428 aufgehobenen) körperschaftsteuerrechtlichen
Anrechnungsverfahren im Zusammenhang stehenden Regelungen ergeben.
Dazu gehört auch § 50c EStG 1990. Die Vorschrift dient
letztlich dazu, den Anrechnungsausschluss durchzusetzen. Dass
dabei, um den Besteuerungszugriff zu erleichtern, gesetzestechnisch
an den inländischen Steuerpflichtigen angeknüpft wird und
nicht an den nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner als
eigentlichen „Adressaten“ des Normzwecks,
ändert daran nichts.
Dass § 50c EStG 1990 auch die Situation
eines Anteilserwerbs von einem inländischen
nichtanrechnungsberechtigten Veräußerer betreffen
konnte, berührt die Frage, ob ein Eingriff in den
Schutzbereich der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten
vorliegt, nicht. Ausschlaggebend ist, dass in Deutschland
ansässige Anteilseigner, was die große Mehrheit unter
ihnen betrifft, anrechnungsberechtigt sind, ausländische
Anteilseigner im Allgemeinen hingegen nicht (s. EuGH-Urteil in
EuGHE I 2002, 11779 = SIS 03 09 16 Tz. 28; zu einer vergleichbaren
Konstellation s. auch das EuGH-Urteil vom 26.10.1999 Rs. C-294/97
„Eurowings“, EuGHE I 1999, 7447, BStBl II 1999,
851 = SIS 99 21 52).
c) Allerdings betraf das Urteil des EuGH in
IStR 2007, 247 = SIS 07 08 89, abweichend von der hier in Rede
stehenden Konstellation eine sog. Outbound-Konstellation, also die
Beteiligung eines Gebietsansässigen an einer gebietsfremden
Kapitalgesellschaft. Im Streitfall geht es hingegen um eine sog.
Inbound-Konstellation, mithin die Beteiligung eines Gebietsfremden
an einer inländischen Kapitalgesellschaft und in diesem
Zusammenhang um die Frage, ob nicht nur der
Ansässigkeitsstaat, sondern auch der Quellenstaat des
Anteilseigners zur Anrechnung der Körperschaftsteuer gezwungen
ist. Bejaht man das, könnte es namentlich dann zu doppelten
Steuerentlastungen kommen, wenn der Anteilseigner auch in dem
Ansässigkeitsstaat - im Einklang mit dem dortigen System zur
Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Gewinnen
und Gewinnausschüttungen sowie den gemeinschaftsrechtlichen
Erfordernissen - zur Anrechnung der im Quellenstaat gezahlten
Körperschaftsteuer berechtigt wäre. Trägt der
Quellenstaat der Dividenden dafür Sorge, dass die an den
gebietsfremden Anteilseigner ausgeschütteten Gewinne nicht
einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen
Doppelbesteuerung unterworfen werden, könnte dies letztlich
bedeuten, dass dieser Staat auf sein Recht zur Besteuerung jener
Gewinne im Ergebnis verzichten müsste (EuGH-Urteil vom
12.12.2006 Rs. C-374/04 „Test Claimants in Class IV of the
ACT Group Litigation“, EuGHE I 2006, 11673 = SIS 07 03 01
Tz. 58 ff.).
Andererseits hat der Gerichtshof der European
Free Trade Association (EFTA) im Urteil vom 23.11.2004 E-1/04
„Fokus Bank“ (IStR 2005, 55) ausgeführt, es
sei mit Art. 40 des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum vom 2.5.1992 (BGBl II 1993, 267), der inhaltlich
mit Art. 56 EG übereinstimmt, nicht vereinbar, dass
ansässige Anteilseigner ein Steuerguthaben auf
Dividendenzahlungen einer gebietsansässigen Gesellschaft
erhalten, gebietsfremde Anteilseigner dagegen nicht. Gebietsfremde
und Gebietsansässige befänden sich in einer
vergleichbaren Situation. Dividenden, die ansässige
Gesellschaften an gebietsfremde Anteilseigner zahlten, seien daher
nicht anders zu behandeln als Dividenden, die nicht ansässige
Gesellschaften an ansässige Anteilseigner zahlten. Der Zweck
des Anrechnungssystems sei es, die wirtschaftliche Doppelbelastung
zu vermeiden, die eintrete, wenn Gewinne, die bereits auf der Ebene
der Kapitalgesellschaften besteuert worden seien, nachfolgend auf
der Ebene der Gesellschafter besteuert würden. Dieser Zweck
könne nur erreicht werden, wenn allen Anteilseignern der
Vorteil des Anrechnungsguthabens gewährt werde,
unabhängig davon, wo sie ansässig seien. Aus diesen
Grundsätzen könnte zu folgern sein, dass Inbound- und
Outbound-Konstellationen in der Frage der
Körperschaftsteueranrechnung in gleicher Weise zu behandeln
wären (s. dazu auch das Vorabentscheidungsersuchen des Senats
an den EuGH durch Beschluss vom 22.2.2006 I R 56/05, BFHE 212, 460
= SIS 06 27 10, zur Rs. C-284/06 „Burda“). Diese
Sichtweise schlüge dann auf eine Regelung, wie sie in §
50c EStG 1990 enthalten ist, durch.
3. Ein durch § 50c EStG 1990 bewirkter
Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungs- bzw. der
Kapitalverkehrsfreiheit dürfte nicht durch zwingende
Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (s.
insoweit allgemein EuGH-Urteil vom 18.7.2007 Rs. C-231/05
„Oy AA“, IStR 2007, 631 = SIS 07 28 57 Tz. 44
ff.; zur Parallelität der Prüfungsmaßstäbe
für die Rechtfertigung von Verstößen gegen die
Grundfreiheiten s. z.B. das Senatsurteil vom 9.8.2006 I R 95/05,
BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279 = SIS 06 44 43, zu II.3.c bb bbb
der Gründe, m.w.N.). Insbesondere kann § 50c EStG 1990
nicht als Norm zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen
bzw. zur Vermeidung einer Steuerumgehung eingestuft werden, wenn
sein Zweck gerade dahin geht, den nicht
gemeinschaftsrechtskonformen Ausschluss der Anrechnungsberechtigung
von Steuerausländern zu sichern. Ein Grundsatz der nationalen
Einmalbesteuerung stellt keinen Rechtfertigungsgrund dar; die
eventuell rechtfertigende „Notwendigkeit der Wahrung einer
ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den
Mitgliedstaaten“ (s. insoweit z.B. EuGH-Urteile vom
29.3.2007 Rs. C-347/04 „Rewe Zentralfinanz“,
IStR 2007, 291 = SIS 07 14 89 Tz. 42; in IStR 2007, 631 = SIS 07 28 57 Tz. 51, m.w.N.) ist damit nicht angesprochen.
4. Der Senat erachtet die
Gemeinschaftsrechtslage zu den erwähnten Punkten nicht als
derart eindeutig, dass er von einer Vorlage an den EuGH
gemäß Art. 234 Abs. 3 EG absehen dürfte (vgl.
EuGH-Urteil vom 6.10.1982 Rs. 283/81
„C.I.L.F.I.T.“, EuGHE 1982, 3415). Insbesondere
mit den Fragen im Zusammenhang mit der
Körperschaftsteueranrechnung in sog. Inbound-Fällen war
der EuGH, soweit ersichtlich, bislang nicht in abschließender
Weise befasst.
IV. Vorlage an den EuGH
Der Senat setzt das Revisionsverfahren deshalb
gemäß § 74 i.V.m. § 121 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung aus und legt dem EuGH die im Leitsatz
genannte Rechtsfrage gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur
Vorabentscheidung vor.