Ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung, Wertaufholung: Die einkommenswirksame Wertaufholung eines Beteiligungswerts gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 1997 (i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002) umfasst auch eine frühere ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf den Buchwert der Beteiligung, die gemäß § 50 c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 nicht einkommenswirksam war. - Urt.; BFH 19.8.2009, I R 1/09; SIS 09 34 29
I. Streitig ist, ob eine frühere
Teilwertabschreibung auf den Buchwert einer Beteiligung, die nicht
einkommenswirksam war (§ 50c Abs. 1 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - 1990), von einer späteren
sog. Wertaufholung des Beteiligungswerts gemäß § 6
Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 1997 (i.d.F.
des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999, BGBl I
1999, 402, BStBl I 1999, 304 - EStG 1997 n.F. - ) erfasst
wird.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH, ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer
Kapitalgesellschaft, die in 1991 sämtliche Anteile an der
T-GmbH erwarb. Im Veranlagungszeitraum 1991 kam es zu einer
Gewinnausschüttung der T-GmbH, derzufolge die Klägerin
eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf den
Beteiligungswert in Höhe von 3.036.292 DM vornahm; dabei blieb
ein Teilbetrag von 650.000 DM gemäß § 50c Abs. 1
Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 EStG 1990 ohne Auswirkung auf das zu
versteuernde Einkommen (außerbilanzielle Hinzurechnung), da
ein entsprechender Teil der Geschäftsanteile von einem
nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erworben worden war. Im
Veranlagungszeitraum 1993 erfolgte eine wertänderungsbedingte
Teilwertabschreibung auf die Beteiligung in Höhe von 1.729.404
DM.
In der
Körperschaftsteuererklärung des Streitjahres 1999
berücksichtigte die Klägerin eine Wertaufholung nach
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 1997
n.F. beim Beteiligungswert in Höhe von 4.765.696 DM (3.036.292
DM zzgl. 1.729.404 DM) einkommenserhöhend, wobei
gemäß § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG 1997 n.F. in
Höhe von vier Fünfteln der Wertaufholung eine den Gewinn
mindernde Rücklage gebildet wurde, deren Auflösung in dem
weiteren Streitjahr 2000 und den Folgejahren (bis 2003) mit jeweils
einem Viertel erfolgen sollte. Den einkommenswirksamen
Wertaufholungsbetrag minderte die Klägerin allerdings um den
Betrag der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung, der
1991 bei der Einkommensermittlung hinzugerechnet worden war
(650.000 DM); die Einkommen der Streitjahre seien insoweit - unter
Berücksichtigung von Rücklagenbildung und -auflösung
- um jeweils 130.000 DM zu vermindern. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) folgte diesem Begehren
bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer und der daran
anschließenden Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals
der Streitjahre unter Hinweis auf das Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25.2.2000 (BStBl I 2000,
372 = SIS 00 05 03 Tz. 34, 36) nicht. Das Finanzgericht (FG)
Baden-Württemberg gab der Klage durch Urteil vom 10.11.2008 6
K 392/04 = SIS 09 18 30 statt.
Das FA rügt die Verletzung materiellen
Rechts und beantragt, das Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; das
angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Klage abgewiesen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Die Kürzung des Betrages der einkommenswirksamen
Wertaufholung um die gemäß § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG
1990 nicht einkommenswirksame ausschüttungsbedingte
Teilwertabschreibung verletzt Bundesrecht.
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1997
n.F. ist eine zum Betriebsvermögen gehörende Beteiligung
grundsätzlich mit den Anschaffungskosten anzusetzen.
Entspricht der Ansatz einer Beteiligung, die bereits am Schluss des
vorangegangenen Wirtschaftsjahrs zum Anlagevermögen
gehört hat, dieser Maßgabe durch den Ansatz eines
niedrigeren Teilwerts nicht, ist die Bewertung dennoch mit den
Anschaffungskosten vorzunehmen, es sei denn, der Steuerpflichtige
weist nach, dass ein niedrigerer Teilwert angesetzt werden kann
(§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 EStG 1997 n.F.).
Dieses sog. Wertaufholungsgebot ist erstmals für das erste
nach dem 31.12.1998 endende Wirtschaftsjahr (sog. Erstjahr)
anzuwenden (§ 52 Abs. 16 Satz 2 EStG 1997 n.F.). In Höhe
von vier Fünfteln des im Erstjahr durch die Anwendung des
Wertaufholungsgebots entstehenden Gewinns kann in diesem Jahr eine
den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden,
die in den dem Erstjahr folgenden vier Wirtschaftsjahren (sog.
Auflösungszeitraum) jeweils mit mindestens einem Viertel
gewinnerhöhend aufzulösen ist (§ 52 Abs. 16 Satz 3
EStG 1997 n.F.).
2. Die Klägerin, bei deren
Einkommensermittlung diese Rechtsgrundsätze heranzuziehen sind
(§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 - KStG
1999 - ), hat einen Nachweis zum Ansatz eines niedrigeren Teilwerts
zum Wert der Beteiligung zum 31.12.1999 nicht geführt. Daher
hat sie zutreffend eine Wertaufholung - infolge der gesetzlich
zugelassenen Rücklagenbildung verteilt auf das Erstjahr und
den restlichen Auflösungszeitraum - einkommenserhöhend
berücksichtigt. Der Annahme des FG, die gemäß
§ 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 außerbilanziell
hinzugerechnete Teilwertabschreibung sei bei der Bemessung der
Wertaufholung nicht zu berücksichtigen, ist nicht zu
folgen.
a) Dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz
3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 EStG 1997 n.F. ist nicht zu entnehmen, dass
die steuerpflichtige Wertaufholung eine
„steuerwirksame“ Teilwertabschreibung
voraussetzt (s. demgegenüber § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG
2002). Er enthält gleichermaßen keinen
ausdrücklichen Vorbehalt, dass der einkommenserhöhende
Ansatz unterbleibt, soweit eine Teilwertabschreibung „nach
§ 50c des Einkommensteuergesetzes ... nicht anerkannt worden
ist“ (so aber z.B. § 12 Abs. 2 Satz 3 des
Umwandlungssteuergesetzes 1995). Aus dem Gesetzeswortlaut ist
für den Ansatz einer Beteiligung in einem Folgejahr bei einem
bisherigen Ansatz unterhalb der Anschaffungskosten nur auf eine
„Bewertungsobergrenze“ (Anschaffungskosten) und
eine „Bewertungsuntergrenze“ (niedrigerer
Teilwert) zu schließen (s. insoweit auch BMF-Schreiben in
BStBl I 2000, 372 = SIS 00 05 03 Tz. 34).
b) Die Revision zieht auf dieser Grundlage die
Schlussfolgerung, dass § 50c EStG 1990 als steuerrechtliche
Sonderregelung die Teilwertabschreibung als solche und damit das
Wertaufholungsgebot nicht berühre (so BMF-Schreiben in BStBl I
2000, 372 = SIS 00 05 03 Tz. 36) und es nicht darauf ankomme, ob
die vorherige Teilwertabschreibung steuerlich nicht oder nicht
vollständig wirksam geworden sei (so BMF-Schreiben in BStBl I
2000, 372 = SIS 00 05 03 Tz. 34 a.E.). Dem ist beizupflichten (im
Ergebnis ebenso - dem BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 372 = SIS 00 05 03 folgend - z.B. Köster/Patt/ Wendt/Wischmann in
Herrmann/Heuer/Raupach, Band Steuerreform I, § 6 EStG Rz R 47;
Buciek, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFSt
- 2007/2008, S. 666 f., 669; s. auch Günkel/Fenzl, DStR 1999,
649, 653). Denn der sog. Sperrbetrag einerseits und der
spätere Anstieg des Teilwerts der Beteiligung andererseits
sind auseinanderzuhalten: Die außerbilanzielle, durch §
50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 veranlasste Korrektur der
innerbilanziellen Teilwertabschreibung bezieht sich nicht auf den
Wertverlust der Beteiligung beim Erwerber. Sie soll vielmehr eine
Einmalbesteuerung der im Inland erwirtschafteten
Vermögensmehrungen der Kapitalgesellschaft im Inland
sicherstellen (Senatsurteil vom 7.11.2007 I R 41/05, BFHE 219, 549,
BStBl II 2008, 604 = SIS 08 12 00; Senatsbeschluss vom 23.1.2008 I
R 21/06, BFHE 220, 280 = SIS 08 20 24; Senatsurteil vom 12.11.2008
I R 77/07, BFHE 224, 32 = SIS 09 09 51). Der spätere (erneute)
Anstieg des Teilwerts der Beteiligung ist davon abzugrenzen. In ihm
verwirklicht sich ein Ertrag, der unmittelbar dem Erwerber
zuzurechnen ist und von diesem losgelöst von den besonderen
Regelungszwecken des § 50c EStG 1990 nach Maßgabe des
Leistungsfähigkeitsprinzips für die Zeit seiner
Besitzzeit zu versteuern ist. Strenggenommen kommt es also nicht
zur doppelten Besteuerung eines und desselben Vorgangs, sondern zu
der (zufälligen) Kollision unterschiedlicher
Besteuerungsgrundlagen, welche unabhängig voneinander
legitimiert sind. Für die als Korrektiv angemahnte
teleologische Reduktion des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 1999
(vgl. Kroppen, JbFSt 2007/2008, S. 658, 660 ff.; Dietrich, DStR
2000, 1629, 1634) besteht daher ebenso wenig Veranlassung wie
für eine außerbilanzielle Kürzung der bilanziell
vorzunehmenden Wertaufholung (vgl. dazu Prinz, DStR 2000, 661, 667;
ähnlich Strahl, Kölner Steuerdialog - KÖSDI - 2000,
12371, 12382).
Aus gleichem Grund scheidet eine Minderung der
steuerlichen Anschaffungskosten (z.B. Prinz, ebenda; Hoffmann,
GmbHR 1999, 380, 385; Weber-Grellet, BB 2000, 1024, 1028; derselbe,
DB 2000, 165, 168) aus. Denn Anschaffungskosten sind
gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs
(stets) die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen
Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten
Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand
einzeln zugeordnet werden können. Dieser handelsrechtliche
Begriff ist der Bewertung in der Steuerbilanz zugrunde zu legen, da
eine abweichende Definition im Einkommensteuergesetz fehlt
(ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 17.10.2001 I R
32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349 = SIS 02 06 17, m.w.N.).
Auch wenn der sog. Sperrbetrag (§ 50c Abs. 4 Satz 1 EStG 1990)
wirtschaftlich den vom Erwerber der Beteiligung als Teil des
Kaufpreises bezahlten offenen Rücklagen bzw. stillen Reserven
der Kapitalgesellschaft entsprechen mag (s. insbesondere
Weber-Grellet, BB 2000, 1024, 1028; derselbe, DB 2000, 165, 168;
Hoffmann, GmbHR 1999, 380, 385 f.; s. auch Rödder, DStR 1999,
1019, 1020), bleibt er bilanziell dennoch Bestandteil der
Anschaffungskosten der Beteiligung. Dann aber stellt der um die
Teilwertabschreibung geminderte Betrag der Anschaffungskosten nicht
die „Bewertungsobergrenze“ für den
Wertansatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4
EStG 1997 n.F. dar (so im Ergebnis aber Kroppen, JbFSt 2007/2008,
S. 658, 662; Werndl in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, §
6 Rz B 437; Glanegger in Schmidt, EStG, 28. Aufl., § 6 Rz 51,
und Weber-Grellet, ebenda, § 50c Rz 1; Prinz, DStR 2000, 661,
667; Dietrich, DStR 2000, 1629, 1634; Strahl, KÖSDI 2000,
12371, 12381 f.).
Die Klägerin beruft sich
schließlich vergeblich auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz,
wonach die einkommenserhöhende Wertaufholung einen vorherigen
einkommensmindernden Wertabschlag voraussetze. Einen derartigen
Rechtsgrundsatz gibt es nicht. Dass der Gesetzgeber in anderen
Sachzusammenhängen entsprechende Regelungen getroffen hat (s.
zu II.2.a der Gründe), lässt einen eindeutigen
Rückschluss auf ein übergreifendes Regelungskonzept des
Gesetzgebers nicht zu (s. insoweit auch Senatsurteil vom 23.9.2008
I R 19/08, BFHE 223, 258 = SIS 08 44 43).
3. Schließlich bedarf es keiner
Erörterung der Rechtsfrage, ob § 50c EStG 1990 und mit
ihm der dadurch ausgelöste sog. Sperrbetrag
gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen uneingeschränkt
standhält (vgl. dazu Senatsbeschluss in BFHE 220, 280 = SIS 08 20 24, und nunmehr Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften, Urteil vom 17.9.2009 C-182/08 „Glaxo
Wellcome“, IStR 2009, 691 = SIS 09 33 23). Denn diese
Frage hätte sich nur in jenem Veranlagungszeitraum stellen
können, in dem der Sperrbetrag außerbilanziell
hinzugerechnet worden ist, nicht jedoch im Streitjahr, in welchem
es allein um die Auslegung von § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG
1997 n.F. geht.
4. Die Vorinstanz hat einen abweichenden
Rechtsstandpunkt vertreten. Ihr Urteil war deshalb aufzuheben; die
Klage war abzuweisen.