Urlaubsgeld, Auszahlung in Warengutscheinen: Die Umwandlung von Barlohn in Sachlohn setzt voraus, dass der Arbeitnehmer unter Änderung des Anstellungsvertrages auf einen Teil seines Barlohns verzichtet und ihm der Arbeitgeber stattdessen Sachlohn gewährt. Ob ein Anspruch auf Barlohn oder Sachlohn besteht, ist auf den Zeitpunkt bezogen zu entscheiden, zu dem der Arbeitnehmer über seinen Lohnanspruch verfügt. - Urt.; BFH 6.3.2008, VI R 6/05; SIS 08 18 06
I. Streitig ist, ob der Austausch des
tarifvertraglich festgelegten Urlaubsgeldanspruchs gegen einen beim
Arbeitgeber einzulösenden Warengutschein zur Anwendung des
Freibetrags nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) führt.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren
(1997 bis 1999) mehrere Möbelhäuser in der Rechtsform
einer GmbH & Co. KG. Den Arbeitsverhältnissen mit ihren
Arbeitnehmern lagen die Tarifverträge für den
Einzelhandel in … zugrunde. Danach betrug das Urlaubsgeld
für 1997 1.780 DM, für 1998 1.810 DM und für 1999
1.850 DM.
Am 19.6.1996 vereinbarten die
Geschäftsführung der Klägerin und der Betriebsrat,
dass das Anfang Juli fällige Urlaubsgeld von den Arbeitnehmern
wahlweise ganz oder teilweise als Warengutschrift in Anspruch
genommen werden könne. Erklärte in der Folgezeit ein
Mitarbeiter, an dieser Regelung teilnehmen zu wollen, erhielt er
von der Klägerin anstelle der entsprechenden Geldzahlung ein
an ihn persönlich gerichtetes Schreiben
(„Gutschein“). Darin hieß es, der jeweilige
Arbeitnehmer erhalte „gemäß Vereinbarung“
über den gewünschten Betrag eine Waren-Gutschrift, die
bis zum jeweiligen Jahresende in jeder von der Klägerin
betriebenen Filiale eingelöst werden könne; eine
Barauszahlung der Gutschrift sei nicht möglich. Die
Klägerin behandelte diese Gutschriften, soweit der jeweilige
Wert zusammen mit anderen Vorteilen i.S. des § 8 Abs. 3 EStG
den Betrag von 2.400 DM je Arbeitnehmer im Kalenderjahr nicht
überstieg, unter Berufung auf den Rabattfreibetrag als
lohnsteuerfrei.
Für den Zeitraum von August 1997 bis
März 2000 fand bei der Klägerin eine
Lohnsteuer-Außenprüfung statt. Die Prüferin
beanstandete die geschilderte Praxis; nach ihrer Auffassung
gehörten die geldwerten Vorteile aus den aufgrund der
Gutschriften überlassenen Sachleistungen in voller Höhe
zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Auf einen entsprechenden
Pauschalierungsantrag der Klägerin hin erließ der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) gegen die
Klägerin einen entsprechenden Lohnsteuer-Haftungs- und
-Nachforderungsbescheid. Im Einspruchsverfahren verringerte das FA
den Nachforderungsbetrag geringfügig und wies im Übrigen
den Einspruch zurück.
Die hiergegen erhobene Klage wies das
Finanzgericht (FG) aus den in EFG 2005, 858 = SIS 05 23 88
veröffentlichten Gründen ganz überwiegend
ab.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision
rügt die Klägerin die Verletzung materiellen
Rechts.
Sie beantragt, das Urteil des FG
Münster vom 9.7.2004 insoweit aufzuheben, als der
Nachforderungsbetrag nach Maßgabe der dortigen
Entscheidungsgründe nicht um insgesamt 169.293,99 DM
herabgesetzt wurde, sowie den Haftungs- und Nachforderungsbescheid
vom 21.9.2000 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 19.9.2001
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Steuerbefreiung des § 8 Abs. 3 EStG nicht auf das nach Wahl
der Arbeitnehmer in Form eines Warengutscheines ausgezahlte
Urlaubsgeld Anwendung findet. Denn das in dieser Form zugewandte
Urlaubsgeld ist nicht als Sachlohn, sondern als Barlohn zu
behandeln.
a) Urlaubsgeldzahlungen gehören zu den
nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG lohnsteuerpflichtigen
Vorteilen. Dies ist im Grundsatz zwischen den Beteiligten zu Recht
auch nicht streitig. Allerdings finden entgegen der Auffassung der
Klägerin auf die im Streitfall in Form von Gutscheinen
geleisteten Urlaubsgelder nicht die für Waren oder
Dienstleistungen i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG geltenden
Steuerbefreiungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG Anwendung.
b) Die besondere Rabattbesteuerung des §
8 Abs. 3 EStG setzt u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer von seinem
Arbeitgeber Waren oder Dienstleistungen aus dessen Produktpalette
(verbilligt) erhält. Nur für Sachbezüge gilt die
Sonderbewertung des § 8 Abs. 3 EStG. Barlohn bedarf keiner
gesonderten Bewertung; er ist nach dem Nominalwertprinzip mit dem
Nennwert zu erfassen (vgl. u.a. Senatsurteile vom 16.2.2005 VI R
46/03, BFHE 209, 214, BStBl II 2005, 529 = SIS 05 24 39, m.w.N; vom
23.8.2007 VI R 44/05, BStBl II 2008, 52 = SIS 07 38 10).
c) Erhält der Arbeitnehmer als Entlohnung
solche Waren oder Dienstleistungen des Arbeitgebers, kann
dafür zwar die besondere Rabattbesteuerung für
Sachbezüge nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG Anwendung finden.
Dies setzt jedoch voraus, dass der Anspruch des Arbeitnehmers
originär auf diese Sachbezüge gerichtet ist. Hatte
stattdessen der Arbeitnehmer einen auf Geld gerichteten
Lohnanspruch und verwendet er diesen zum Erwerb der entsprechenden
Ware oder Dienstleistung, ist dies Lohnverwendung.
d) Wie der Senat schon mit Beschluss vom
20.8.1997 VI B 83/97 (BFHE 183, 568, BStBl II 1997, 667 = SIS 97 22 52) ausgesprochen hatte, sind nach gefestigter
höchstrichterlicher Rechtsprechung für Lohneinkünfte
zwar grundsätzlich nicht Ansprüche, sondern Zuflüsse
maßgebend. Allerdings kann ein Zufluss auch darin liegen,
dass der geschuldete Barlohn nicht an den Arbeitnehmer ausbezahlt,
sondern auf seine Weisung anderweitig verwendet wird. Denn eine
solche Lohnverwendung erweist sich nur als Abkürzung des
Zahlungsweges, die den Charakter als Barlohn unberührt
lässt. Dies gilt gleichermaßen für die Fälle,
in denen sich Arbeitnehmer ihre Verbindlichkeiten gegenüber
Dritten etwa aus Kauf, Miete oder Darlehen erfüllen lassen,
wie auch für die Fälle, in denen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer Rechtsgeschäfte wie zwischen fremden Dritten
abschließen und die Arbeitnehmer zu deren Erfüllung
Barlohn verwenden.
e) Diese Grundsätze schließen
indessen nicht aus, Barlohn in Sachlohn umzuwandeln. Eine solche
Barlohnumwandlung setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer unter
Änderung des Anstellungsvertrages auf einen Teil seines
Barlohns verzichtet und ihm der Arbeitgeber stattdessen Sachlohn
z.B. in Form eines Nutzungsvorteils oder Warenbezugsscheines
gewährt (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 183, 568, BStBl II 1997,
667 = SIS 97 22 52). Dabei ist die Frage, ob ein Anspruch auf
Barlohn oder Sachlohn besteht, auf den Zeitpunkt bezogen zu
entscheiden, zu dem der Arbeitnehmer über seinen Lohnanspruch
verfügt. Bestand zu diesem Zeitpunkt jedenfalls auch ein
Anspruch auf Barlohn, lässt auch eine vor diesen Zeitpunkt
rückwirkende Fiktion der Leistungskonkretisierung nach §
263 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) den Befund, dass
zum Zeitpunkt der Wahlausübung ein unentziehbarer
Barlohnanspruch bestanden hatte, nicht nachträglich entfallen.
Zivilrecht und Steuerrecht sind nebengeordnete, gleichrangige
Rechtsgebiete, die denselben Sachverhalt aus einer anderen
Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beurteilen.
Die Parteien können zwar einen Sachverhalt vertraglich
gestalten, nicht aber die steuerrechtlichen Folgen bestimmen, die
das Steuergesetz an die vorgegebene Gestaltung knüpft.
Insoweit gilt zwar eine Vorherigkeit, aber kein Vorrang des
Zivilrechts (vgl. Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
27.12.1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212 = SIS 92 03 11).
2. Nach Maßgabe der vorstehenden
Grundsätze hat die Vorinstanz zutreffend entschieden, dass die
an die Arbeitnehmer im Streitfall ausgehändigten
Warengutscheine nicht zu einem Sachbezug nach § 8 Abs. 2 Satz
1 EStG, sondern zu Einnahmen in Geld i.S. des § 8 Abs. 1 EStG
geführt haben. Denn die Arbeitnehmer haben auf ihren
Barlohnanspruch nicht zugunsten eines Sachlohns verzichtet, sondern
den Barlohn zum Erwerb der Warengutscheine verwendet.
a) Nach den Feststellungen des FG blieb mit
der Betriebsvereinbarung der tarifvertraglich bestehende
schuldrechtliche Anspruch auf Urlaubsgeld unangetastet.
Insbesondere ersetzte die Betriebsvereinbarung, die den
Arbeitnehmern das Recht einräumte, zwischen Urlaubsgeld und
Warengutschein zu wählen, nicht von vornherein den Anspruch
auf Urlaubsgeld durch einen solchen auf einen Warengutschein.
Danach blieb es vielmehr der Entscheidung jedes einzelnen
Arbeitnehmers überlassen, ob er seinen Anspruch auf
Urlaubsgeld in Form einer Geldzahlung oder in Form eines
Warengutscheines geltend machte. Insofern gab die
Betriebsvereinbarung lediglich eine Rechtsgrundlage dafür,
dass die Klägerin als Arbeitgeberin den Anspruch auf
Urlaubsgeld mit befreiender Wirkung durch einen Warengutschein
erfüllen konnte.
b) Das Revisionsvorbringen der Klägerin,
dass nach § 263 Abs. 2 BGB die gewählte Leistung als die
von Anfang an allein geschuldete gelte und sich das
Schuldverhältnis rückwirkend auf die gewählte
Leistung - nämlich den Warengutschein - konzentriere,
lässt dieses Ergebnis unberührt. Denn im Streitfall
bestand der Barlohnanspruch der Arbeitnehmer unentziehbar fort, bis
die Arbeitnehmer sich für eine der Leistungen entschieden
hatten. Die Betriebsvereinbarung selbst ließ den Anspruch der
Arbeitnehmer auf Barentlohnung unberührt, ersetzte
insbesondere nicht den schuldrechtlichen Anspruch auf Barlohn durch
einen solchen auf Sachlohn. Die Ausübung der Wahl durch die
Arbeitnehmer beinhaltete somit die Verfügung über ihren
fälligen oder fällig werdenden Lohnanspruch, der zu
diesem Zeitpunkt auch ein Barlohnanspruch war. Mit der Entscheidung
für einen Warengutschein verwendeten die Arbeitnehmer den
ihnen geschuldeten Barlohn für den Erwerb des Gutscheines.
Die Entscheidung, einen Warengutschein zu
wählen, war deshalb Barlohnverwendung, nicht Barlohnersetzung
unabhängig davon, ob im Streitfall die Betriebsvereinbarung
eine Wahlschuld im eigentlichen Sinne oder eine Ersetzungsbefugnis
begründet hatte (vgl. dazu Palandt/Heinrichs,
Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., § 262 Rz 1 ff., 7
ff., jeweils m.w.N.).