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I. Streitig ist im Rahmen der
Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines
Lohnsteuerhaftungsbescheids, ob die Voraussetzungen einer
Lohnsteuerpauschalierung für Fahrtkostenzuschüsse
erfüllt sind.
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Eine bei der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) für den Zeitraum
Dezember 1996 bis Dezember 2000 durchgeführte
Lohnsteuer-Außenprüfung ergab, dass die Arbeitnehmer der
Klägerin unter der Bezeichnung
“Fahrtkostenzuschuss” jährlich im November
Zahlungen erhalten hatten, welche die Klägerin der
Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) unterworfen hatte. Unter der
Bezeichnung “Fahrtkostenzuschuss” wurde jeweils der
nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als
Werbungskosten abzugsfähige Betrag für Fahrten zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte (Jahresbetrag) errechnet, ausgezahlt
und pauschal versteuert. Der Differenzbetrag zum errechneten
Weihnachtsgeld wurde mit der Bezeichnung
“Weihnachtsgeld” nach den persönlichen
Besteuerungsmerkmalen der einzelnen Arbeitnehmer versteuert.
Arbeitnehmer mit höheren
“Fahrtkostenzuschüssen” erhielten weniger
Weihnachtsgeld als Arbeitnehmer mit niedrigeren
“Fahrtkostenzuschüssen”. Arbeitnehmern, die keine
“Fahrtkostenzuschüsse” erhalten konnten, wurde
Weihnachtsgeld ausgezahlt.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) verneinte hinsichtlich der als
“Fahrtkostenzuschüsse” erbrachten Zahlungen die
Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach
§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG, weil sie nicht zusätzlich zum
ohnehin geschuldeten Arbeitslohn, sondern unter Anrechnung auf das
freiwillig gezahlte Weihnachtsgeld erbracht worden seien. Eine
zusätzliche Zahlung liege auch dann nicht vor, wenn sie unter
Anrechnung auf eine freiwillige Sonderleistung, z.B.
Weihnachtsgeld, erbracht werde. Es sei unerheblich, ob die
zusätzliche Leistung ihrerseits vom Arbeitgeber geschuldet
oder freiwillig gewährt werde.
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Auf Grundlage dieser Rechtsauffassung nahm
das FA die Klägerin mit Bescheid vom 29.8.2001 in Höhe
von 4.818 DM für Lohnsteuer in Haftung, soweit die Lohnsteuer
auf die Arbeitnehmer entfiel, die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr
bei der Klägerin beschäftigt waren. Für die
Lohnsteuer der übrigen, bei der Klägerin noch
beschäftigten Arbeitnehmer nahm das FA die Klägerin mit
weiterem Bescheid vom 29.8.2001 in Höhe von 8.210,71 DM in
Haftung.
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Auf Einspruch erließ das FA am
9.10.2001 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der
Abgabenordnung (AO) geänderten Haftungsbescheid und setzte die
Haftsumme auf 7.706,40 DM fest; mit weiterem Bescheid vom gleichen
Tag nahm es den Haftungsbescheid vom 29.8.2001 um 2.887,86 DM
zurück. Mit Bescheid vom 16.3.2006 nahm das FA den
Haftungsbescheid vom 29.8.2001 betreffend den Zeitraum 2000 in
Höhe von insgesamt 112 EUR aus anderen, nicht mehr streitigen
Gründen zurück. Schließlich wies das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 16.3.2006 die Einsprüche gegen die
beiden Haftungsbescheide vom 29.8.2001 als unbegründet
zurück.
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Das Finanzgericht (FG) wies aus den in EFG
2007, 1687 = SIS 07 33 94 veröffentlichten Gründen die
dagegen erhobene Klage ganz überwiegend ab, beurteilte
allerdings die im Einspruchsverfahren ergangenen
Änderungsbescheide vom 9.10.2001 und vom 16.3.2006 mangels
hinreichender Bestimmtheit als nach § 125 Abs. 1 i.V.m. §
119 Abs. 1 AO nichtig und verurteilte insoweit das FA zur
Änderung.
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Mit der dagegen eingelegten Revision
rügt die Klägerin sinngemäß die unrichtige
Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG Nürnberg vom 28.6.2007
im angefochtenen Umfang sowie die Haftungsbescheide vom 29.8.2001
und die Einspruchsentscheidung vom 16.3.2006 im vollen Umfang
aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Das FA hat mit neuem Bescheid vom
18.10.2007 den vom FG mangels Bestimmtheit als nichtig angesehenen
Änderungsbescheid zwischenzeitlich ersetzt.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und der
Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die bisherigen
Feststellungen des FG gestatten keine Entscheidung darüber, ob
und inwieweit die von der Klägerin zu den Aufwendungen ihrer
Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte geleisteten Zuschüsse mit dem
Pauschsteuersatz von 15 % nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG zu
besteuern sind. Nach Maßgabe der Entscheidungsgründe
sind die dazu notwendigen Feststellungen im zweiten Rechtsgang
nachzuholen.
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1. Die Revision führt bereits aus
verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils. Denn Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens waren
die Haftungsbescheide vom 29.8.2001 i.d.F. der
Änderungsbescheide vom 9.10.2006, an deren Stelle während
des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 18.10.2007
getreten ist. Damit liegt dem Urteil insoweit ein nicht mehr
existierender Bescheid zu Grunde, so dass auch das Urteil des FG
insoweit keinen Bestand haben kann (§ 127 FGO; vgl. z.B.
Senatsentscheidung vom 20.7.2006 VI R 22/03, BFH/NV 2006, 2109 =
SIS 06 41 97).
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2. Die Vorentscheidung ist auch deshalb
aufzuheben, weil das FG zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangte, dass
der Haftungstatbestand hinsichtlich der den Arbeitnehmern der
Klägerin gewährten Fahrtkostenzuschüsse erfüllt
sei.
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Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der
Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3
Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und
nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
Allerdings tragen die Feststellungen des FG nicht dessen
Würdigung, dass die Klägerin - ohne Lohnsteuer
einzubehalten - Arbeitslohn gezahlt habe, indem sie Zuschüsse
an ihre Arbeitnehmer erbracht und diese nur der pauschalen
Besteuerung des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG unterworfen habe.
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a) Nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG kann der
Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 15 % u.a.
für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn
geleistete Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers
für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erheben,
soweit diese Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der
Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als
Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge
nicht pauschal besteuert würden.
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aa) Zusätzlich zum ohnehin geschuldeten
Arbeitslohn sind Zuschüsse i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 2
EStG dann geleistet, wenn sie zu den Lohnzahlungen hinzukommen, die
arbeitsrechtlich geschuldet sind, entweder durch Vereinbarung oder
etwa durch eine dauernde Übung. Zuschüsse i.S. des §
40 Abs. 2 Satz 2 EStG liegen also auch dann vor, wenn sie statt
anderer, freiwillig geleisteter Bezüge und Vorteile i.S. des
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erbracht werden.
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bb) Der Senat hält an seiner schon in
früheren Entscheidungen getroffenen Differenzierung fest, dass
das Tatbestandsmerkmal “ohnehin geschuldeter
Arbeitslohn” dahingehend zu verstehen ist, dass es sich
um Arbeitslohn handeln muss, auf den zumindest im Zeitpunkt der
Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht (Senatsurteile vom
15.5.1998 VI R 127/97, BFHE 186, 224, BStBl II 1998, 518 = SIS 98 17 37, steuerfreier Zinszuschuss; vom 31.10.1986 VI R 52/81, BFHE
148, 54, BStBl II 1987, 139 = SIS 87 04 31; vom 12.3.1993 VI R
71/92, BFHE 171, 67, BStBl II 1993, 521 = SIS 93 12 35, steuerfreie
Jubiläumszuwendung). Auch im Fall einer Umwandlung von Barlohn
in Form von Urlaubsgeld in Sachlohn in Form eines Warengutscheins
war auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Anspruchs zu
differenzieren, nämlich ob zu dem Zeitpunkt, zu dem der
Arbeitnehmer über seinen Lohnanspruch verfügte, ein
Anspruch auf Barlohn oder ein solcher auf Sachlohn bestand
(Senatsurteil vom 6.3.2008 VI R 6/05, BFHE 220, 478, BStBl II 2008,
530 = SIS 08 18 06).
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cc) § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG
schließt eine Entgelt- oder Barlohnumwandlung aus. Dies gilt
allerdings nur für solchen Lohn, der ohnehin
“geschuldet” wird. Freiwillige Lohnzahlungen
lassen sich dagegen unter den weiteren Voraussetzungen und Grenzen
des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG als nicht
“geschuldeter” Arbeitslohn in pauschbesteuerte
Zuschüsse umwandeln. Nach der Begründung des Entwurfs des
Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung
des Steuerrechts (BTDrucks 12/5764, S. 22) sollte die Änderung
des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG klarstellen, dass die
Möglichkeit der Lohnsteuerpauschalierung nur für
zusätzliche Fahrtkostenzuschüsse des Arbeitgebers gelte
und die Umwandlung von Arbeitslohn in pauschal besteuerbare
Leistungen damit ausgeschlossen werde. Wenn das Gesetz zu diesem
Zweck das Tatbestandsmerkmal des “ohnehin
geschuldeten” Arbeitslohns verwendet, greift es auf
anerkannte zivil- und arbeitsrechtliche Grundsätze zurück
und gibt § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG ein hinreichend sicher
feststellbares Abgrenzungsmerkmal. Entscheidend ist deshalb nicht
der hypothetische Umstand, ob der Arbeitgeber ansonsten die
Leistung erbracht hätte, sondern, ob er sie als
“geschuldet” hätte erbringen
müssen.
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dd) Der Senat folgt damit nicht der im
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22.12.1994 (BStBl
I 1994, 925 = SIS 95 03 50) niedergelegten, in den
Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) seit 1996 (Abschn. 21c Abs. 2 Satz 6
LStR 1996; R 3.33 Abs. 5 Satz 6 LStR 2009) aufgenommenen und
letztlich auch vom FG vertretenen Auffassung, dass die Umwandlung
einer freiwilligen Sonderleistung ohne Zweckbindung in eine
freiwillige Sonderleistung mit Zweckbindung nicht zur
Steuerfreiheit der Zuwendung führe und eine zusätzliche
Leistung auch dann nicht vorliege, wenn sie unter Anrechnung auf
eine freiwillige Sonderzahlung, z.B. Weihnachtsgeld, erbracht
werde.
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b) Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das
FG im Streitfall auf Grundlage seiner Feststellungen zu Unrecht
entschieden, dass die von der Klägerin ausbezahlten
Zuschüsse nicht zusätzlich zu dem ohnehin geschuldeten
Arbeitslohn geleistet worden seien. Das FG hatte - auf Grundlage
seiner Rechtsauffassung zu Recht - keine Feststellungen dazu
getroffen, ob das Weihnachtsgeld jeweils freiwillig gezahlt worden
war, ohne dass ein Rechtsanspruch darauf bestanden hätte. Der
Umstand, dass die Lohnsteuer-Außenprüfung von der
Freiwilligkeit der Weihnachtsgeldzahlung ausgegangen war und auch
die Klägerin dies unwidersprochen vorgetragen hatte, ersetzt
keine diesbezüglichen Feststellungen. Der erkennende Senat
kann damit nicht selbst in der Sache entscheiden.
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Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang
Feststellungen zu treffen haben, ob und inwieweit die von der
Klägerin als Weihnachtsgeld erbrachten Sonderzahlungen
arbeitsrechtlich geschuldet oder freiwillig waren, um entscheiden
zu können, ob die streitigen Zuschüsse zum
“ohnehin geschuldeten” Arbeitslohn geleistet
worden waren.
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Soweit sich im zweiten Rechtsgang erweisen
wird, dass Arbeitnehmer der Klägerin keinen Anspruch auf die
Weihnachtsgeldzahlung haben, liegt kein ohnehin geschuldeter
Arbeitslohn vor. Die streitigen Zuschüsse der Klägerin
wären damit in diesem Umfang zusätzlich zum ohnehin
geschuldeten Arbeitslohn geleistet (§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG)
und die Lohnsteuer dafür auf Antrag der Klägerin mit dem
Pauschsteuersatz zu erheben.
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