Toilettenanlage eines Marktbetriebs, Daseinsvorsorge als hoheitliche Tätigkeit: Eine öffentliche Toilettenanlage kann einem von einer Stadt als Betrieb gewerblicher Art unterhaltenen Marktbetrieb nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen zugeordnet werden. Die hiermit zusammenhängenden Aufwendungen können bei der Gewinnermittlung des Marktbetriebs nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. - Urt.; BFH 7.11.2007, I R 52/06; SIS 08 15 02
I. Die Beteiligten streiten um die
Zuordnung einer öffentlichen Toilettenanlage zum
gewillkürten Betriebsvermögen eines städtischen
Marktbetriebs und den Abzug der hiermit im Zusammenhang stehenden
Aufwendungen als Betriebsausgaben.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine Stadt, unterhielt im Streitjahr 2001 mehrere
Wochenmärkte, für die sie Standplätze auf
verschiedenen städtischen Grundstücken zur Verfügung
stellte. Die diesen Märkten dienenden Einrichtungen waren im
Marktamt zusammengefasst. Nach übereinstimmender Auffassung
der Beteiligten ist der Marktbetrieb als Betrieb gewerblicher Art
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) anzusehen. Die Klägerin
ermittelte den Gewinn des Marktbetriebs durch
Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3
des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1
KStG.
Einer der Märkte fand zweimal
wöchentlich (mittwochs und samstags) auf dem X-Platz statt.
Der Markt öffnete um 7 Uhr und endete gegen Mittag. Die
Stände wurden regelmäßig bis 14 Uhr abgebaut. Auf
dem Markt boten ca. 35 bis 40 Händler überwiegend
Lebensmittel an. Im Jahr 2000 errichtete die Klägerin eine
öffentliche Toilettenanlage in einer Stichstraße, die
den X-Platz mit dem unmittelbar daneben gelegenen Y-Platz
verbindet. Die Toilettenanlage liegt nur wenige Meter vom Markt
entfernt. Mit dem Neubau wurde eine etwas weiter entfernte
unterirdische Toilettenanlage ersetzt. Die Herstellungskosten
beliefen sich auf 319.000 DM und wurden von der Klägerin
fremdfinanziert. Ein besonderes Entgelt für die Benutzung
erhob die Klägerin nicht. Die Toilettenanlage ist montags bis
samstags geöffnet, an Markttagen ab 7 Uhr, an den anderen
Tagen ab 8 Uhr bis jeweils 19 Uhr. Mit dem Betrieb und der
Unterhaltung beauftragte die Klägerin einen privaten
Unternehmer.
Die Klägerin ordnete die
öffentliche Toilettenanlage dem Betriebsvermögen des
Marktbetriebs zu und erfasste die aktivierten Herstellungskosten in
dessen Anlagenverzeichnis. Für das Streitjahr 2001 machte sie
die gesamten Aufwendungen für die Toilettenanlage (Absetzung
für Abnutzung und Zinsen) als Betriebsausgaben des
Marktbetriebs geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) verweigerte den Betriebsausgabenabzug mit der
Begründung, dass die öffentliche Toilettenanlage nicht
dem Betriebsvermögen des Marktbetriebs zugeordnet werden
könne. Er verminderte den mit dem Marktbetrieb
erwirtschafteten Verlust entsprechend und erließ auf dieser
Grundlage einen geänderten Bescheid über die gesonderte
Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur
Körperschaftsteuer. Hiergegen wendete sich die Klägerin
mit ihrer Klage. In der mündlichen Verhandlung
beschränkte sie den geltend gemachten Betriebsausgabenabzug
auf ein Viertel des gesamten Aufwands, was der anteiligen Nutzung
der Toilettenanlage für den Markt entspreche. Das
Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil
vom 22.6.2006 15 K 4921/04 F, EFG 2006, 1785 = SIS 06 47 05).
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts und Fehler bei der
Sachverhaltsermittlung. Es beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des erstinstanzlichen
Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Das FG ist zutreffend und in
Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass
die Tätigkeit des Marktamtes im Zusammenhang mit den
Wochenmärkten als Betrieb gewerblicher Art gemäß
§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 KStG zu beurteilen ist und
die Klägerin als dessen Trägerkörperschaft mit dem
durch den Betrieb erzielten Einkommen der Körperschaftsteuer
unterliegt. Die Veranstaltung von Märkten dient nicht der
Ausübung der öffentlichen Gewalt und stellt damit keinen
Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 KStG dar, der eine
Einordnung als Betrieb gewerblicher Art ausschließen
würde (vgl. Senatsurteil vom 17.5.2000 I R 50/98, BFHE 192,
92, BStBl II 2001, 558 = SIS 00 11 40, m.w.N.).
2. Zu Unrecht hat das FG jedoch die
öffentliche Toilettenanlage als gewillkürtes
Betriebsvermögen und die mit dieser zusammenhängenden
Aufwendungen als Betriebsausgaben des Marktbetriebs angesehen.
a) Es kann im Streitfall dahinstehen, unter
welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Betriebe gewerblicher
Art im Einzelnen über gewillkürtes Betriebsvermögen
verfügen können (vgl. hierzu bisher Senatsbeschluss vom
25.7.2002 I B 52/02, BFH/NV 2002, 1341 = SIS 02 94 48 zur Einlage
von Aktien; offenlassend Senatsurteil vom 27.6.2001 I R 82-85/00,
BFHE 195, 572, BStBl II 2001, 773 = SIS 01 13 10; gewillkürtes
Betriebsvermögen weitgehend zulassend FG Nürnberg, Urteil
vom 4.4.2006 I 365/2004, EFG 2007, 432 = SIS 06 43 58). In jedem
Fall ist nämlich eine Zuordnung zum Betriebsvermögen nur
bei solchen Wirtschaftsgütern möglich, die nicht
ausschließlich der hoheitlichen Tätigkeit der
Trägerkörperschaft dienen (hierzu ausführlich FG
Nürnberg in EFG 2007, 432 = SIS 06 43 58; vgl. auch Heger in
Gosch, KStG, § 4 Rz 155; Krämer in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 4
KStG Rz 152; Gastl, DStZ 2004, 323, 324). Gemäß § 4
Abs. 5 KStG sind die überwiegend der Ausübung der
öffentlichen Gewalt dienenden Hoheitsbetriebe nicht als
Betriebe gewerblicher Art anzusehen. Hieraus folgt zugleich, dass
ausschließlich in dieser Weise hoheitlichen Zwecken dienende
Wirtschaftsgüter nicht Betriebsvermögen eines Betriebs
gewerblicher Art sein können. So gehören etwa dem
öffentlichen Verkehr gewidmete Straßen, Wege und
Plätze zum gemeindlichen Hoheitsbereich und können daher
nicht Betriebsvermögen eines Betriebs gewerblicher Art sein
(vgl. Senatsurteil in BFHE 192, 92, BStBl II 2001, 558 = SIS 00 11 40; ebenso Sächsisches FG, Urteil vom 5.12.2006 4 K 81/03,
juris = SIS 07 25 46).
b) Im Streitfall konnte die Klägerin die
öffentliche Toilettenanlage nicht dem Betriebsvermögen
ihres Marktbetriebs zuordnen. Diese diente ausschließlich
ihrer hoheitlichen Tätigkeit.
aa) Zur hoheitlichen Tätigkeit bzw. zur
Ausübung öffentlicher Gewalt i.S. des § 4 Abs. 5
KStG gehören solche Tätigkeiten, die der juristischen
Person des öffentlichen Rechts „eigentümlich und
vorbehalten“ sind (vgl. etwa Senatsurteil vom 23.10.1996
I R 1-2/94, BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139 = SIS 97 04 20).
Hierunter sind nicht nur die klassischen hoheitlichen
Tätigkeiten zu verstehen; vielmehr kann auch die
Daseinsvorsorge dazu gehören, soweit diese nicht nach § 4
Abs. 3 KStG als Betrieb gewerblicher Art zu beurteilen ist (vgl.
Heger in Gosch, a.a.O., § 4 Rz 107). Kennzeichnend ist
insoweit die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher
Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen
Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger
aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet
ist. Eine Ausübung öffentlicher Gewalt ist allerdings
insoweit ausgeschlossen, als sich die Körperschaft durch ihre
Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
einschaltet und eine Tätigkeit entfaltet, die sich ihrem
Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen
Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet (vgl. etwa Senatsurteil
vom 25.1.2005 I R 63/03, BFHE 209, 195, BStBl II 2005, 501 = SIS 05 18 96, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist das
Betreiben der öffentlichen Toilettenanlage durch die
Klägerin als hoheitliche Tätigkeit i.S. des § 4 Abs.
5 KStG anzusehen. Die Klägerin hat die Toilettenanlage aus
Gründen der öffentlichen Hygiene zur Benutzung durch die
Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Der Betrieb einer
solchen als öffentliche Einrichtung gewidmeten Toilettenanlage
(zur regelmäßig konkludent erfolgenden Widmung bei sog.
öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch vgl. Papier in
Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 42
Rz 14 f.) zählt zu den Grundaufgaben der Klägerin im
Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge und wird von ihr als
spezifisch öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrgenommen.
Dadurch, dass die Klägerin für die Benutzung der
Toilettenanlage kein besonderes schuldrechtliches Entgelt erhob,
schaltete sie sich auch nicht in einer mit einem privaten
Unternehmen vergleichbaren Weise in den allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr ein. Ein Fall des § 4 Abs. 3 KStG
liegt ebenfalls nicht vor.
Dass die öffentliche Toilettenanlage
während der Marktzeiten von den Marktbeschickern sowie den
Marktbesuchern genutzt werden konnte und insoweit auch dem
Marktbetrieb zugute kam, ändert an dieser Beurteilung nichts.
Hierin ist lediglich ein vorteilhafter Reflex für den
Marktbetrieb zu sehen, und zwar auch dann, wenn - wie das FG
ausführt - ein Wochenmarkt wie der im Streitfall in Rede
stehende ohne Bereithaltung einer Toilettenanlage nicht
ordnungsgemäß und sachgerecht durchgeführt werden
kann. Die Klägerin hat die Toilettenanlage nämlich
unabhängig von den Marktzeiten ohnehin als öffentliche
Toilette zur Benutzung durch die Allgemeinheit zur Verfügung
gestellt. Auch die Marktbeschicker und die Marktbesucher nutzten
die Toilettenanlage letztlich als Teil der - während der
Marktzeiten möglicherweise vergrößerten -
Allgemeinheit. Ein für die Annahme gewillkürten
Betriebsvermögens erforderlicher objektiver
Förderungszusammenhang wird hierdurch noch nicht
begründet (die Zuordnung einer öffentlichen
Toilettenanlage u.a. zu einem Marktbetrieb in
umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht ablehnend auch FG
Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.10.2002 2 K 559/00, EFG 2003,
577 = SIS 03 20 87; anders dagegen FG des Landes Brandenburg,
Urteil vom 29.6.1998 1 K 1787/96 U, EFG 1998, 1439).
c) Diente die öffentliche Toilettenanlage
damit ausschließlich hoheitlichen Zwecken und konnte sie aus
diesem Grund dem Marktbetrieb nicht als gewillkürtes
Betriebsvermögen zugeordnet werden, konnten die hiermit
zusammenhängenden Aufwendungen bei dessen Gewinnermittlung
nicht gemäß § 4 Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1
Satz 1 KStG als Betriebsausgaben abgezogen werden.
3. Da die Vorinstanz von anderen
Grundsätzen ausgegangen ist, war ihr Urteil aufzuheben. Die
Klage war vollen Umfangs abzuweisen.