Hoheitsbetrieb, KSt-Pflicht auf Grund Wettbewerbssituation: Auch wenn eine wirtschaftliche Betätigung durch landesrechtliche Regelungen in einem einzelnen Bundesland ausschließlich der öffentlichen Hand vorbehalten ist (der Betrieb eines kommunalen Krematoriums in Nordrhein-Westfalen), handelt es sich nur dann um einen Hoheitsbetrieb i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG, wenn der Markt für die angebotene Leistung örtlich so eingegrenzt ist, dass eine Wettbewerbsbeeinträchtigung steuerpflichtiger Unternehmen in anderen Bundesländern oder EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden kann(zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 11.12.2009, IV C 7 - S 2706/07/10006, BStBl 2009 I S. 1597 = SIS 09 37 56). - Urt.; BFH 29.10.2008, I R 51/07; SIS 08 43 31
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine Kommune, betreibt ein Krematorium, das als
organisatorisch und finanzwirtschaftlich unselbständiger
Regiebetrieb geführt wird.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) beurteilte diese Tätigkeit als einen
Betrieb gewerblicher Art (BgA) und erließ nach vergeblicher
Aufforderung zur Vorlage von Körperschaftsteuer- und
Gewerbesteuererklärungen auf geschätzten
Besteuerungsgrundlagen beruhende Körperschaftsteuerbescheide
und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2004 und 2005
sowie Kapitalertragsteuerbescheide für die
Anmeldungszeiträume VIII/2005 und VIII/2006. Der hiergegen
erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) Düsseldorf mit in
EFG 2007, 1547 = SIS 08 02 96 veröffentlichtem Urteil vom
21.6.2007 15 K 4884/06 KE,K,G statt.
Das FA rügt mit seiner Revision eine
Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Klägerin unterhält
mit dem Krematorium einen BgA (§ 4 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes - KStG - ) und keinen
Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 KStG.
1. Juristische Personen des öffentlichen
Rechts sind mit ihren BgA unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). BgA
sind alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen
Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der
Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der
Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich
herausheben (§ 4 Abs. 1 KStG).
Zu den BgA gehören nach § 4 Abs. 5
Satz 1 KStG jedoch nicht Betriebe, die überwiegend der
Ausübung öffentlicher Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe).
Unter Ausübung öffentlicher Gewalt sind Tätigkeiten
zu verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen
Rechts eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend
dafür ist die Erfüllung spezifisch
öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt
abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme
der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder
behördlicher Anordnung verpflichtet ist (ständige
Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom 7.11.2007 I R 52/06, BFH/NV
2008, 888 = SIS 08 15 02; vom 25.1.2005 I R 63/03, BFHE 209, 195,
BStBl II 2005, 501 = SIS 05 18 96, m.w.N.).
Eine Ausübung öffentlicher Gewalt
ist allerdings insoweit ausgeschlossen, als sich die
Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit
ausübt, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit
eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich
unterscheidet. Dann bewegt sich auch die juristische Person des
öffentlichen Rechts in Bereichen der unternehmerischen Berufs-
und Gewerbeausübung, in denen private Unternehmen durch den
Wettbewerb mit (grundsätzlich nicht steuerpflichtigen)
Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrerseits nicht
benachteiligt werden dürfen (Senatsurteil in BFHE 209, 195,
BStBl II 2005, 501 = SIS 05 18 96, m.w.N.).
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das
FG im Streitfall den Betrieb des Krematoriums zu Unrecht als
Hoheitsbetrieb beurteilt. Denn Einäscherungen waren im
Streitjahr nicht mehr juristischen Personen des öffentlichen
Rechts als Trägern öffentlicher Gewalt eigentümlich
und vorbehalten (Senatsbeschluss vom 17.3.2005 I B 245/04, BFH/NV
2005, 1135 = SIS 05 26 48).
a) Nach den Ausführungen des FG ist die
Leichenverbrennung in Nordrhein-Westfalen eine öffentliche
Aufgabe der Gebietskörperschaften, mit der private Unternehmen
lediglich beliehen werden können. Das FG hat sich dabei auf
das Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen für
Nordrhein-Westfalen vom 17.6.2003 (BeStG NRW) gestützt. Dieses
sieht zwar in § 1 Abs. 5 BeStG NRW die Möglichkeit vor,
den Betrieb eines Krematoriums an einen privaten Unternehmer zu
übertragen; die öffentlich-rechtliche Körperschaft
bleibt aber nach Auffassung des FG Träger dieser Einrichtung.
Die Folgerungen des FG betreffen Bestand und Inhalt
landesrechtlicher Vorschriften. An diese Rechtsauslegung ist der
Senat im Revisionsverfahren gebunden, da ihm gemäß
§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO die Prüfung des angefochtenen
Urteils nur im Hinblick auf die Verletzung von Bundesrecht erlaubt
ist (Senatsurteil in BFHE 209, 195, BStBl II 2005, 501 = SIS 05 18 96).
b) Der hieraus gezogene Schluss des FG, es
handele sich bei dem Betrieb des Krematoriums um einen
Hoheitsbetrieb, ist nicht gerechtfertigt.
aa) Es trifft nicht zu, dass in Fällen,
in denen die Rechtsträgerschaft für eine öffentliche
Aufgabe bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften
verbleibt und nur die Möglichkeit besteht, diese auf ein
privates Unternehmen zu übertragen, stets von einem
Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG auszugehen ist.
Maßgeblich ist vielmehr auch in diesem Fall, ob zwischen dem
beliehenen privaten und dem öffentlichen Unternehmen
Wettbewerb herrscht. Der Senat hat zwar im Senatsurteil in BFHE
209, 195, BStBl II 2005, 501 = SIS 05 18 96 einen Hoheitsbetrieb
bejaht, in dem mit der Erfüllung spezifisch
öffentlich-rechtlicher Aufgaben auch beliehene Unternehmer
(Vermessungsingenieure) betraut waren. Zwischen diesen und den
Vermessungs- und Katasterämtern herrschte jedoch kein
Wettbewerb. Die Leistungsempfänger waren verpflichtet, ihre
Grundstücke durch die Vermessungs- und Katasterämter
unter den im Gesetz festgelegten Voraussetzungen vermessen zu
lassen, und konnten nicht wählen, ob die Vermessungen durch
öffentlich bestellte Vermessungsingenieure oder durch
Bedienstete des Vermessungs- und Katasteramtes vorgenommen wurden.
Eine andere Beurteilung ist aber dann angezeigt, wenn der
Leistungsempfänger zur Inanspruchnahme der Leistung nicht
verpflichtet ist, sondern - wie bei Kremierungen in
Nordrhein-Westfalen der Fall - zwischen beliehenem Unternehmer und
der juristischen Person des öffentlichen Rechts wählen
kann und öffentliche und private Unternehmen ihre Preise frei
gestalten können.
bb) Dessen ungeachtet wäre das
Krematorium der Klägerin auch dann nicht als Hoheitsbetrieb
einzuordnen, wenn zwischen den privaten und den öffentlichen
Krematoriumsbetreibern in Nordrhein-Westfalen kein Wettbewerb
herrschte. Denn der für Leichenverbrennungen räumlich
wettbewerbsrelevante Markt war in den Streitjahren nicht auf
Nordrhein-Westfalen beschränkt.
Ist eine Betätigung durch
landesrechtliche Regelungen nur in einzelnen Bundesländern
ausschließlich der öffentlichen Hand vorbehalten, kann
nur dann ein Hoheitsbetrieb i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG
angenommen werden, wenn der Markt für die angebotene Leistung
örtlich so eingegrenzt ist, dass eine
Wettbewerbsbeeinträchtigung steuerpflichtiger Unternehmen in
anderen Bundesländern oder EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen
werden kann. Ist dies nicht der Fall, liegt regelmäßig
selbst dann ein Betrieb gewerblicher Art vor, wenn innerhalb des
Bundeslandes diese Aufgaben nur durch juristische Personen des
öffentlichen Rechts wahrgenommen werden.
Einäscherungen waren in anderen
Bundesländern keine Aufgaben mehr, die ausschließlich
von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erfüllt
wurden. Vielmehr durften in den Streitjahren z.B. in Bayern (vgl.
Senatsbeschluss in BFH/NV 2005, 1135 = SIS 05 26 48) und
Sachsen–Anhalt (BFH-Beschluss vom 23.2.2004 VII R 24/03,
BFH/NV 2004, 808 = SIS 04 29 70) auch privatwirtschaftliche
Unternehmen Feuerbestattungsanlagen betreiben, die mit den in
Nordrhein-Westfalen unterhaltenen Krematorien in Wettbewerb
standen. Denn die Leichenverbrennung war - wie auch die vom FA
angeführten Werbeanzeigen im Internet über günstige
Kremierungen in den Niederlanden zeigen - nicht auf Krematorien im
örtlichen Bereich der Verstorbenen begrenzt, so dass die
unterschiedliche Besteuerung wettbewerbsrelevant ist. Würde
diese Tätigkeit nur bei privatwirtschaftlichen Unternehmen mit
Ertragsteuer (und Umsatzsteuer) belastet, erlitten diese
gegenüber öffentlich-rechtlichen Unternehmen einen
Wettbewerbsnachteil.
Dieser Einschätzung steht die
föderale Struktur der Bundesrepublik nicht entgegen. Die
Länder können zwar im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz
entscheiden, welche Aufgaben sie der öffentlichen Hand
vorbehalten. Die ertragsteuer- und umsatzsteuerrechtlichen Folgen
einer Betätigung der öffentlichen Hand sind jedoch der
Regelungskompetenz der Länder entzogen und richten sich nach
Bundesrecht.
c) Dieses Ergebnis widerspricht nicht - wie
die Klägerin meint - dem Senatsurteil vom 23.10.1996 I R
1-2/94 (BFHE 181, 332, BStBl II 1997, 139 = SIS 97 04 20), mit dem
der Senat die Hausmüllentsorgung als Hoheitsbetrieb beurteilt
hat. Die rechtliche und wirtschaftliche Situation der
Hausmüllentsorgung einerseits - wie der Senat sie in jenem
Urteil gesehen hat - und der Leichenverbrennung andererseits sind
nicht miteinander vergleichbar. Die Besitzer von Hausmüll
müssen diesen der juristischen Person des öffentlichen
Rechts, der die Hausmüllbeseitigung als öffentliche
Aufgabe zugewiesen ist (§ 15 Abs. 1 des Gesetzes zur
Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der
umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen -
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz [KrW-/AbfG] - vom 27.9.1994,
BGBl I 1994, 2705), zur Entsorgung überlassen (§ 13
KrW-/AbfG). Diese ist öffentlich-rechtlich verpflichtet, den
Müll - mit Ausnahme des Sondermülls - abzunehmen und
ordnungsgemäß zu entsorgen. Die entsorgungspflichtigen
Körperschaften dürfen sich zwar zur Erfüllung ihrer
Pflichten Dritter, auch Personen des Privatrechts bedienen (§
16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG). Die Dritten sind jedoch nach der Sicht
des Senats in jenem Urteil nur Erfüllungsgehilfen (sog.
Verwaltungshelfer). Die Müllentsorgung bleibt auch bei
Einschaltung Dritter eine Tätigkeit der entsorgungspflichtigen
Körperschaft. Der Hausmüllbesitzer kann nach den
Ausführungen im Senatsurteil in BFHE 181, 332, BStBl II 1997,
139 = SIS 97 04 20 keine vertraglichen Beziehungen zu den
Erfüllungsgehilfen hinsichtlich der Entsorgung des Abfalls
eingehen. Eine Wettbewerbssituation zwischen
Erfüllungsgehilfen und entsorgungspflichtigen
Gebietskörperschaften besteht daher nicht. Dagegen unterliegt
derjenige, der eine Leiche einäschern lassen will, keinem
Annahmezwang. Er kann vielmehr im Bundesgebiet und auch im Ausland
zwischen mehreren teils privat, teils hoheitlich betriebenen
Krematorien wählen.
3. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist daher
aufzuheben; die Klage ist abzuweisen. Die Klägerin hat keine
Einwendungen gegen die auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen
beruhenden Steuerbescheide bzw. Nachforderungsbescheide erhoben.
Sie hat insbesondere nicht geltend gemacht, dass sie mit dem
Krematorium keinen Überschuss der Einnahmen über die
Ausgaben anstrebt. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass die
Klägerin insoweit einen Gewerbebetrieb unterhält (§
2 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung; § 2
Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes).