USt-Vorauszahlung, ertragsteuerlicher Abzugszeitpunkt: Eine für das vorangegangene Kalenderjahr geschuldete und zu Beginn des Folgejahres entrichtete Umsatzsteuer-Vorauszahlung ist als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe im vorangegangenen Veranlagungszeitraum abziehbar. - Urt.; BFH 1.8.2007, XI R 48/05; SIS 07 34 82
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der
Kläger erzielte u.a. als Unternehmensberater Einkünfte
aus selbständiger Arbeit und ermittelt seinen Gewinn nach
§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In seiner
Gewinnermittlung für das Streitjahr 1999 behandelte er die am
6.1.2000 für das IV. Quartal 1999 entrichtete
Umsatzsteuer-Vorauszahlung in Höhe von 1.843,70 DM als
Betriebsausgabe des Streitjahres. Zur Begründung verweisen die
Kläger auf § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) folgte dieser Beurteilung
nicht. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (vgl. SIS 06 06 25). Nach Auffassung des Finanzgerichts ist die an das FA
abzuführende Umsatzsteuer nicht als
„regelmäßig“ wiederkehrende Ausgabe zu
qualifizieren.
Mit der Revision machen die Kläger
geltend, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG
erfüllt seien. Nachdem die Zahlungen der Kassenärztlichen
Vereinigungen (KV) als regelmäßig wiederkehrende
Einnahmen zu erfassen seien (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 24.7.1986 IV R 309/84, BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16 = SIS 86 24 11), müsse dasselbe für die
Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gelten. Das BFH-Urteil vom 28.1.1960
IV 226/58 S (BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291 = SIS 60 01 68) sei
überholt. Bei den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen handele es sich
um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die kurze Zeit
nach dem Jahreswechsel abflössen.
Es sei ohne Bedeutung, dass sich die
Zahlungen der Höhe nach ändern könnten. Nach §
18 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sei der
Unternehmer jeweils bis zum 10. des Folgemonats verpflichtet, eine
Umsatzsteuer-Voranmeldung abzugeben. Die Steuer sei am 10. Tag nach
Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig und spätestens
bis zu diesem Tag an den Fiskus zu zahlen.
Die Kläger beantragen
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter
Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 31.7.2001 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 19.2.2003 die Einkünfte des
Klägers aus selbständiger Arbeit um 1.843,70 DM (942,67
EUR) zu mindern.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Regelmäßig wiederkehrend i.S.
von § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sei allenfalls die Abgabe der
Umsatzsteuer-Voranmeldung, nicht hingegen die Pflicht zur
Entrichtung einer Umsatzsteuer-Vorauszahlung. Vielmehr seien auch
sog. Null-Festsetzungen und Umsatzsteuer-Erstattungsfälle
denkbar.
Ferner entstehe der den
Umsatzsteuer-Vorauszahlungen zugrunde liegende Rechtsanspruch nach
§ 13 UStG jeden Monat neu, während die
kassenärztlichen Abschlagszahlungen aufgrund eines dauerhaft
bestehenden Rechtsverhältnisses geleistet würden. Beide
Fallgruppen seien daher nicht vergleichbar.
Schließlich führe die Erfassung
von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen als regelmäßig
wiederkehrende Ausgabe noch im vorangegangenen Kalenderjahr zu
einer Ungleichbehandlung gegenüber Umsatzsteuer-Erstattungen,
die gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) erst
nach Prüfung des FA ausbezahlt würden.
Umsatzsteuer-Erstattungen für das IV. Quartal eines
Kalenderjahres würden aufgrund der vorzunehmenden Prüfung
durch das FA tatsächlich regelmäßig erst nach
Ablauf von 10 Tagen im nachfolgenden Kalenderjahr ausbezahlt und
damit auch erst in diesem Veranlagungszeitraum als Betriebseinnahme
erfasst. Diese Ungleichbehandlung sei sachlich nicht zu
rechtfertigen.
II. Die Revision ist begründet; sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Stattgabe der Klage. Die für das IV. Quartal 1999 zu
leistende Umsatzsteuer-Vorauszahlung war in diesem
Veranlagungszeitraum als Betriebsausgabe abzuziehen.
1. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt
für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben § 11
Abs. 1 Satz 2 EStG entsprechend. Hiernach gelten
regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die bei dem
Steuerpflichtigen kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu
dem sie wirtschaftlich gehören, angefallen sind, als in diesem
Kalenderjahr abgeflossen.
2. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen
erfüllt.
a) Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sind
regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, deren Wiederholung
bei der Art der von dem Kläger erbrachten Leistungen von
vornherein feststeht (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl.,
§ 11 Rz 21; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 22 Rz 13).
Der die regelmäßige Wiederkehr bestimmende Zahlungs- und
Fälligkeitstermin ist gesetzlich geregelt; nach § 18 Abs.
1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes
Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung abzugeben (so im
Streitjahr) bzw. auf elektronischem Weg zu übermitteln; die
Vorauszahlung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am
10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig (zur
Notwendigkeit der Fälligkeit kurz vor oder nach Ende des
Kalenderjahres vgl. BFH-Urteil vom 6.7.1995 IV R 63/94, BFHE 178,
326, BStBl II 1996, 266 = SIS 95 21 26; Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rz B 88;
Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
Kommentar, § 11 Rz 253).
Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sind kurze
Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres abgeflossen; als
„kurze Zeit“ gilt ein Zeitraum von bis zu 10
Tagen (Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 11 Rz 23). Der Kläger
entrichtete die Umsatzsteuer-Vorauszahlung am 6.1.2000.
Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gehören
wirtschaftlich zum abgelaufenen Kalenderjahr; sie beruhen auf
Leistungen, die der Kläger im Vorjahr erbracht hat, bzw. auf
Zahlungen, die er im Vorjahr erhalten hat.
Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sind
Betriebsausgaben, nicht nur durchlaufende Posten (vgl.
Weber-Grellet, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., §
4 Rz D 310, m.w.N.).
b) In dem Urteil vom 10.10.1957 IV 98/56 U
(BFHE 66, 52, BStBl III 1958, 23 = SIS 58 00 13) hatte der BFH
unter Hinweis auf den öffentlich-rechtlichen Charakter der
Zahlungen der KV entschieden, dass die geleisteten
vierteljährlichen Abschlusszahlungen auf die Kassenleistungen
bei den Ärzten keine regelmäßig wiederkehrenden
Einnahmen i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG seien, da ein
fester Zahlungs- und Fälligkeitstermin nicht vorgesehen sei.
In dem Urteil in BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16 = SIS 86 24 11
kam der IV. Senat hingegen zu dem Ergebnis, dass bei der
Gewinnermittlung eines Arztes durch Überschussrechnung (§
4 Abs. 3 EStG) die jeweils für Dezember des Vorjahres Anfang
Januar des Folgejahres zu leistenden Abschlagszahlungen der KV
gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG als
regelmäßig wiederkehrende Einnahmen des Arztes dem
vorangegangenen Kalenderjahr zuzurechnen seien. Im Unterschied zu
der Entscheidung in BFHE 66, 52, BStBl III 1958, 23 = SIS 58 00 13
bejahte der IV. Senat in diesem Fall auch die Fälligkeit der
Zahlungen. An dieser Rechtsprechung hat der IV. Senat auch in der
Folgezeit festgehalten (Urteil in BFHE 178, 326, BStBl II 1996, 266
= SIS 95 21 26).
In der Entscheidung in BFHE 71, 111, BStBl III
1960, 291 = SIS 60 01 68 bezog sich der IV. Senat auf die
(überholte) Entscheidung in BFHE 66, 52, BStBl III 1958, 23 =
SIS 58 00 13; jedenfalls die Umsatzsteuern und die
Telefongebühren gehörten nicht zu den
regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben i.S. des § 11
Abs. 2 Satz 2 EStG. Dieser Entscheidung kann nicht mehr gefolgt
werden. Der öffentlich-rechtliche Charakter der Umsatzsteuer
steht ihrer Berücksichtigung als wiederkehrende Ausgabe nicht
entgegen; für die Umsatzsteuer ist ein fester Zahlungs- und
Fälligkeitstermin vorgesehen. Der IV. Senat hat auf Anfrage
dieser Abweichung zugestimmt.
c) Dieser Beurteilung steht auch nicht die vom
FA hervorgehobene Tatsache entgegen, dass als Ergebnis einer
Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht nur Vorauszahlungen, sondern
gelegentlich auch sog. Null-Festsetzungen oder Erstattungen in
Betracht kommen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH) sind wiederkehrende Leistungen i.S. des
§ 197 des Bürgerlichen Gesetzbuchs solche, die ihrer
Natur nach auf Leistungen gerichtet sind, die nicht einmal, sondern
in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind
(z.B. BGH-Urteile vom 10.7.1986 III ZR 133/85, BGHZ 98, 174, DB
1986, 1867; vom 14.9.2004 XI ZR 11/04, DB 2004, 2807, und vom
18.10.2005 VI ZR 312/04, VersR 2006, 132, m.w.N.). Der BFH hat sich
dieser zivilrechtlichen Begriffsbestimmung auch für die
Anwendung von § 11 EStG angeschlossen (Urteil in BFHE 147,
419, BStBl II 1987, 16 = SIS 86 24 11).
Der BGH hat bereits frühzeitig
geklärt, dass es der Annahme einer regelmäßig
wiederkehrenden Leistung nicht entgegensteht, wenn sich zu einem
der Termine gelegentlich gar kein Anspruch ergibt. Der Ausfall
einzelner Leistungen wegen des „mangelnden
Gegenstandes“ ist demnach unschädlich (BGH-Urteil
vom 23.9.1958 I ZR 106/57, BGHZ 28, 144). Dementsprechend hat der
BFH im Zusammenhang mit dem Zufluss von Zinseinnahmen entschieden,
für die Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG sei eine
regelmäßige Wiederkehr in gleichbleibender Höhe
entbehrlich (Urteil vom 3.6.1975 VIII R 47/70, BFHE 116, 147, BStBl
II 1975, 696 = SIS 75 04 04). Die Regelmäßigkeit der
Einnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG ist bereits zu
bejahen, wenn diese „nicht nur einmal oder rein
zufällig mehrmals“ angefallen sind (BFH-Urteil vom
10.12.1985 VIII R 15/83, BFHE 145, 538, BStBl II 1986, 342 = SIS 86 08 52).
Vor diesem Hintergrund hat der Umstand, dass
infolge einer abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldung auch
Umsatzsteuer-Erstattungen oder sog. Null-Festsetzungen auftreten
können, keinen Einfluss auf die Einordnung der
Umsatzsteuer-Vorauszahlungen als regelmäßig
wiederkehrende Ausgaben i.S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG.
d) Der Hinweis des FA, im Gegensatz zu den
Abschlagszahlungen, die von der KV gegenüber den Ärzten
aufgrund eines fortdauernden Rechtsverhältnisses erbracht
würden, entstehe der Umsatzsteueranspruch nach § 13 UStG
mit jedem steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz neu, führt
gleichfalls zu keinem abweichenden Ergebnis.
So hat der BGH für den Fall eines
monatlich mit der Ratenzahlung jeweils neu entstehenden
Bereicherungsanspruchs des Kreditnehmers auf Rückzahlung
rechtsgrundlos geleisteter Kreditkosten die regelmäßige
zeitliche Wiederkehr des Leistungsanspruchs bejaht (Urteil in BGHZ
98, 174, DB 1986, 1867). Mithin steht auch der mit jedem Umsatz
jeweils zum Ablauf des Voranmeldungszeitraums neu entstehende
Umsatzsteueranspruch (§ 13 UStG) der Annahme der
regelmäßigen zeitlichen Wiederkehr der
Umsatzsteuer-Vorauszahlungen nicht entgegen.
e) Schließlich greift auch der Einwand
des FA nicht durch, wonach für Umsatzsteuer-Erstattungen wegen
der Anwendung von § 168 Satz 2 AO der Zeitpunkt des Zuflusses
sich nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG bestimme, was eine
sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im
Verhältnis zu Umsatzsteuer-Vorauszahlungen zur Folge habe.
Liegen die in § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG
genannten Voraussetzungen vor, ist auch eine
Umsatzsteuer-Erstattung dem vorangegangenen Kalenderjahr
zuzuordnen. Dass dies möglicherweise infolge der Anwendung von
§ 168 Satz 2 AO bei Umsatzsteuer-Erstattungen für das
vorangegangene Kalenderjahr (teilweise) nicht der Fall ist,
berührt den rechtlichen Anwendungsbereich von § 11 EStG
nicht.