Betriebsgesellschaft, Anteilsveräußerung: Die Anteile an einer Betriebskapitalgesellschaft sind wesentliche Betriebsgrundlagen i.S. von § 16 EStG des Besitzeinzelunternehmens. Werden diese Anteile nicht mitveräußert, kann von einer privilegierten Teilbetriebsveräußerung nicht ausgegangen werden. - Urt.; BFH 4.7.2007, X R 49/06; SIS 07 28 44
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Streitjahr 1996
zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Der
Ehemann der Klägerin hatte zum 2.1.1992 von seinem Vater ein
aus einer Tankstelle und einem Stahlbaubetrieb bestehendes
Einzelunternehmen übernommen, zu dessen Betriebsvermögen
ein 2.134 qm großes Grundstück gehörte. Kurz vor
der Betriebsübernahme hatte der Ehemann der Klägerin die
F-GmbH errichtet, deren Unternehmensgegenstand u.a. Schlosserei,
Stahlbau, Verarbeitung und Bearbeitung von Stahl-, Kunststoff-,
Maschinenteilen, den Handel mit Eisen und Stahlwaren sowie den
Betrieb und die Unterhaltung einer Tankstelle nebst Warenverkauf
umfasste. Abgesehen von einem an einen Dritten verpachteten Teil
des Betriebsgrundstücks wurde das gesamte
Betriebsvermögen des Einzelunternehmens der GmbH zur Nutzung
überlassen. Da der Ehemann der Klägerin alleiniger
Gesellschafter der GmbH war, wurde die Nutzungsüberlassung als
Betriebsaufspaltung behandelt. Die an den Fremdpächter
überlassene Grundstücksfläche war gewillkürtes
Betriebsvermögen des Besitzunternehmens.
Mit notariellem Vertrag vom 6.9.1996
veräußerte der Ehemann der Klägerin zum 1.10.1996
eine zum Betrieb der Tankstelle genutzte Teilfläche des
Betriebsgrundstücks mit einer Größe von 812 qm an
die O-GmbH in B.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) behandelte den hieraus entstandenen
Veräußerungsgewinn in Höhe von 320.997 DM
zunächst erklärungsgemäß als solchen aus einer
Teilbetriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1
des Einkommensteuergesetzes (EStG) und berechnete die hierauf
entfallende Einkommensteuer nach dem ermäßigten
Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Im Rahmen des
Verfahrens der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung
vertrat das FA hingegen die Auffassung, eine tarifbegünstigte
Teilbetriebsveräußerung liege nicht vor, und setzte die
Einkommensteuer auf 118.894 DM fest.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach
erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage mit in EFG 2004,
1685 = SIS 04 33 63 veröffentlichtem Urteil
abgewiesen.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, unter
Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom
18.9.1998 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1996 vom
22.12.1997 abzuändern und die Einkommensteuer auf 64.374 DM
herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens wurde
über das Vermögen des Ehemannes der Klägerin das
Insolvenzverfahren eröffnet. Dadurch wurde das
Revisionsverfahren des Ehemannes der Klägerin gemäß
§ 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 240 Satz 1
der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen. Der Insolvenzverwalter
hat die Anfrage des erkennenden Senats, ob er das durch die
Insolvenzeröffnung unterbrochene Verfahren aufnimmt (§
155 FGO i.V.m. § 250 ZPO), nicht beantwortet. Durch Beschluss
vom 8.11.2006 hat der erkennende Senat die Revision der
Klägerin vom Verfahren X R 44/03 gemäß § 73
Abs. 1 Satz 1 FGO abgetrennt. Dieses Verfahren wurde
zwischenzeitlich vom FA aufgenommen.
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Im Ergebnis zu Recht hat das FG erkannt, dass der Gewinn aus der
Veräußerung des dem Tankstellenbetrieb dienenden
Grundstücksteils den laufenden Einkünften aus
Gewerbebetrieb des Ehemannes der Klägerin zuzurechnen ist. Die
Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes liegen nicht vor.
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb
gehören auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines
Teilbetriebs erzielt werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Der
Veräußerungsgewinn wird, soweit er nicht steuerfrei
bleibt, mit den ermäßigten Sätzen des § 34
Abs. 1 EStG besteuert (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG).
a) Nach der Rechtsprechung ist unter einem
Teilbetrieb ein organisatorisch geschlossener, mit einer gewissen
Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs zu
verstehen, der - für sich betrachtet - alle Merkmale eines
Betriebs im Sinne des EStG aufweist und als solcher
lebensfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13.2.1996 VIII R 39/92,
BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409 = SIS 96 14 26, m.w.N.;
BFH-Beschluss vom 7.7.1997 X B 239/96, BFH/NV 1998, 27, m.w.N.). Ob
ein Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs
erforderliche Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild
der Verhältnisse - beim Veräußerer - zu entscheiden
(vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15.3.1984 IV R 189/81, BFHE 140, 563,
BStBl II 1984, 486 = SIS 84 11 06). Den Abgrenzungsmerkmalen - z.B.
räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, gesonderte
Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung,
selbständige Organisation, eigenes Anlagevermögen,
ungleichartige betriebliche Tätigkeit, eigener Kundenstamm -
kommt je nachdem, ob es sich um einen Fertigungs-, Handels- oder
Dienstleistungsbetrieb handelt, unterschiedliches Gewicht zu (vgl.
z.B. BFH-Urteile vom 24.8.1989 IV R 120/88, BFHE 158, 257, BStBl II
1990, 55 = SIS 89 24 16, und in BFHE 140, 563, BStBl II 1984, 486 =
SIS 84 11 06, m.w.N.). Eine völlig selbständige
Organisation mit eigener Buchführung ist für die Annahme
eines Teilbetriebs nicht erforderlich. Diese Merkmale kennzeichnen
bereits den eigenständigen Gesamtbetrieb im Gegensatz zum
bloßen Teilbetrieb (BFH-Urteil vom 24.4.1969 IV R 202/68,
BFHE 95, 323, BStBl II 1969, 397 = SIS 69 02 53).
b) Eine Grundstücksvermietung kann in
Gestalt eines Teilbetriebs ausgeübt werden, wenn sie für
sich gesehen die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt
und wenn sie sich als gesonderter Verwaltungskomplex aus dem
Gesamtbetrieb des Besitzunternehmens heraushebt (vgl. BFH-Urteil
vom 12.11.1997 XI R 24/97, BFH/NV 1998, 690 = SIS 98 09 31,
m.w.N.). Im Fall der Betriebsaufspaltung zwischen einem
Besitzunternehmen und mehreren Betriebsgesellschaften kann nach dem
BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 690 = SIS 98 09 31 durch die Vermietung
ein Teilbetrieb gegeben sein, wenn an eine Betriebsgesellschaft
räumlich abgrenzbare Grundstücksteile, die
ausschließlich dieser Gesellschaft zuzuordnen sind, durch
gesonderten Vertrag vermietet werden (vgl. hierzu auch
BFH-Beschluss vom 27.9.1993 IV B 125/92, BFH/NV 1994, 617, und
Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl., § 16 Rz 160
„Besitzunternehmen“).
c) Ob die Teilbetriebseigenschaft eines
Betriebsteils beim Betriebsunternehmen entsprechend den vom
erkennenden Senat im Urteil vom 29.3.2006 X R 59/00 (BFHE 213, 50,
BStBl II 2006, 661 = SIS 06 25 14) entwickelten Grundsätzen
dem Besitzunternehmen zugerechnet werden kann (vgl.
Tiedtke/Wälzholz, FR 1999, 117; Tiedtke/Wälzholz, BB
1999, 765, 768; Geissler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG
Rz 145; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 16 Rz 44 S. 2193 unten
letzter Absatz, S. 2194; Stahl in Korn, § 16 EStG Rz 69
Stichwort „Betriebsaufspaltung“), kann im
Streitfall dahinstehen. Eine privilegierte
Teilbetriebsveräußerung kann nur dann bejaht werden,
wenn der Steuerpflichtige die bisher in diesem Teilbetrieb
entfaltete Tätigkeit endgültig einstellt und
sämtliche zum Teilbetrieb gehörenden wesentlichen
Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang
veräußert oder/und entnimmt (BFH-Urteil vom 20.1.2005 IV
R 14/03, BFHE 209, 95, BStBl II 2005, 395 = SIS 05 18 65). Daran
fehlt es im Streitfall.
aa) Der Begriff der wesentlichen
Betriebsgrundlagen hat nicht nur für § 16 EStG, sondern
auch für andere ertragsteuerliche Normen und Rechtsinstitute
rechtliche Relevanz, so z.B. für § 6 Abs. 3 EStG,
für die Betriebsverpachtung und die Betriebsaufspaltung. Er
ist jedoch normspezifisch unterschiedlich entsprechend dem
jeweiligen Gesetzeszweck auszulegen (BFH-Urteil vom 2.10.1997 IV R
84/96, BFHE 184, 425, BStBl II 1998, 104 = SIS 98 04 26;
Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 100).
bb) Als Tatbestandsmerkmal des § 16 EStG
wird der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlagen - entsprechend
dem Zweck der §§ 16, 34 EStG, nur die zusammengeballte
Realisierung der stillen Reserven tariflich zu begünstigen -
nach ständiger Rechtsprechung im Sinne einer kombinierten
funktional-quantitativen Betrachtungsweise verstanden (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409 = SIS 96 14 26; in
BFHE 184, 425, BStBl II 1998, 104 = SIS 98 04 26; vom 10.11.2005 IV
R 7/05, BFHE 211, 312, BStBl II 2006, 176 = SIS 06 03 67). Danach
gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen i.S. von §
16 EStG zum einen Wirtschaftsgüter, die nach der Art des
Betriebs und ihrer Funktion im Betrieb für diesen wesentlich
sind und zwar unabhängig von der Frage, ob sie stille Reserven
enthalten oder nicht (funktionale Betrachtung). Wesentliche
Betriebsgrundlagen eines Unternehmens sind aber auch
Wirtschaftsgüter, die funktional gesehen für den Betrieb
zwar nicht erforderlich sind, in denen jedoch erhebliche stille
Reserven gebunden sind (quantitative Betrachtung; Schmidt/Wacker,
a.a.O., § 16 Rz 101).
cc) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
sind in Fällen der Betriebsaufspaltung die dem
Besitzunternehmer gehörenden Anteile an der
Betriebskapitalgesellschaft notwendiges Betriebsvermögen des
Besitzeinzelunternehmens (vgl. BFH-Urteile vom 21.6.2001 III R
27/98, BFHE 196, 59, BStBl II 2002, 537 = SIS 01 13 91, unter II.
2. der Gründe; vom 14.9.1999 III R 47/98, BFHE 190, 315, BStBl
II 2000, 255 = SIS 00 03 78, unter II. 1. der Gründe; vom
12.2.1992 XI R 18/90, BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723 = SIS 92 16 20, m.w.N.). Sie sind auch wesentliche Betriebsgrundlagen im Sinne
der funktionalen Betrachtungsweise, weil sie die Durchsetzung des
einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens
gewährleisten und damit im Dienste einer gesicherten
Vermögensnutzung durch das Besitzunternehmen stehen
(BFH-Urteil vom 23.7.1981 IV R 103/78, BFHE 134, 126, BStBl II
1982, 60 = SIS 82 06 19). Auf die Frage, ob in ihnen (wesentliche)
stille Reserven gebunden sind, kommt es deshalb nicht an.
dd) Im Streitfall waren wesentliche
Betriebsgrundlagen des Besitzunternehmens und damit zugleich
sämtlicher (möglicher) Teilbetriebe des Ehemannes der
Klägerin nach alledem auch die GmbH-Anteile an der
Betriebsgesellschaft. Diese können weder (quotal) einem
Teilbetrieb „Tankstelle“ noch einem Teilbetrieb
„Stahlbau“, sondern nur dem Betriebsunternehmen
insgesamt zugeordnet werden. Diese GmbH-Anteile hat der Ehemann der
Klägerin nicht veräußert oder in das
Privatvermögen entnommen. Sie blieben weiterhin notwendiges
Betriebsvermögen des Besitzunternehmens. Die Voraussetzungen
einer privilegierten Teilbetriebsveräußerung liegen
damit nicht vor (so auch Tiedtke/Wälzholz, BB 1999, 765,
768).