Lebenspartner, Erbschaftsteuer, Verfassungsmäßigkeit: Art. 3 Abs. 1 und 3 sowie Art. 14 Abs. 1 GG gebieten es nicht, eingetragene Lebenspartner erbschaftsteuerrechtlich in dieselbe Steuerklasse einzuordnen und ihnen dieselben Freibeträge zu gewähren wie Ehegatten. - Urt.; BFH 20.6.2007, II R 56/05; SIS 07 28 30
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin der am
28.2.2002 verstorbenen S, mit der sie am 30.11.2001 eine
eingetragene Lebenspartnerschaft nach § 1 des
Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) (Art. 1 des Gesetzes zur
Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher
Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften - LPartDisBG - vom 16.2.2001,
BGBl I, 266) begründet hatte. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) setzte gegen die
Klägerin durch Bescheid vom 30.5.2003 Erbschaftsteuer nach der
Steuerklasse III fest. Die Klägerin ist demgegenüber der
Ansicht, ihr Erwerb sei nach der Steuerklasse I zu besteuern und es
sei ein Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zu
gewähren. Mit Einspruchsbescheid vom 18.12.2003 setzte das FA
die Erbschaftsteuer nach einem steuerpflichtigen Erwerb von 58.400
EUR auf 12.040 EUR herab, hielt aber an der Besteuerung nach der
Steuerklasse III fest.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
seinem in EFG 2005, 1949 = SIS 06 04 85 abgedruckten Urteil ab. Es
sei von Verfassungs wegen nicht geboten, eingetragene Lebenspartner
erbschaftsteuerrechtlich wie Ehegatten zu behandeln.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Art. 14
Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Da Lebenspartner gemäß
§ 11 LPartG als Familienangehörige des anderen
Lebenspartners gälten, sei die Anwendung der Steuerklasse III
ausgeschlossen und für Lebenspartner die Steuerklasse I
anzuwenden. Die erbschaftsteuerrechtliche Ungleichbehandlung von
Ehepartnern und Lebenspartnern sei mit Art. 3 Abs. 1 und 3 GG
unvereinbar; das Merkmal der Homosexualität sei den Merkmalen
des Art. 3 Abs. 3 GG, insbesondere dem des Geschlechts,
gleichzusetzen. Eine Gleichbehandlung von Lebenspartnern und
Ehegatten verstoße auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil
das Institut der Ehe durch das LPartG weder geschädigt noch
beeinträchtigt werde. Es verstoße ferner gegen die
Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, überlebende
Lebenspartner erbschaftsteuerrechtlich wie Fremde zu behandeln und
damit die zivilrechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft
mit der Ehe unberücksichtigt zu lassen.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den
Erbschaftsteuerbescheid vom 30.5.2003 in der Gestalt des
Einspruchsbescheids vom 18.12.2003 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
Art. 3 Abs. 1 und 3 sowie Art. 14 Abs. 1 Satz
1 GG gebieten es nicht, die Partner eingetragener
Lebenspartnerschaften nach derselben Steuerklasse zu besteuern und
ihnen dieselben Freibeträge zu gewähren wie
Ehegatten.
1. Nach § 15 Abs. 1 ErbStG fallen
Ehegatten in die Steuerklasse I. Sie unterliegen damit nach §
19 Abs. 1 des Gesetzes den niedrigsten Steuersätzen.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kommen sie ferner in
den Genuss des höchsten Freibetrages von 307.000 EUR.
Außerdem steht ihnen der Versorgungsfreibetrag nach § 17
ErbStG zu. Die Klägerin hat von Verfassungs wegen keinen
Anspruch darauf, erbschaftsteuerrechtlich den Ehegatten
gleichgestellt zu werden.
a) Ein solcher Anspruch ergibt sich
insbesondere nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) führt in dem Urteil vom
17.7.2002 1 BvF 1, 2/01 (BVerfGE 105, 313 = SIS 03 53 97) aus, dass
es einerseits dem Gesetzgeber gemäß Art. 3 Abs. 1 GG
nicht verwehrt sei, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu
begünstigen, dass andererseits aber aus Art. 6 Abs. 1 GG kein
Gebot herzuleiten sei, andere Lebensformen gegenüber der Ehe
zu benachteiligen. Beide Aussagen zusammengenommen bedeuten, dass
der Gesetzgeber den eingetragenen Lebenspartnern zwar ungeachtet
des Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG dieselben
Vergünstigungen einräumen kann wie Ehegatten, dass er
dies aber ungeachtet des Art. 3 Abs. 1 GG nicht muss. Nur die Ehe
und Familie stehen nach Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen
Schutz des Staates. Diese unterschiedliche Verfassungsrechtslage
bezüglich der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft
hat auch vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand (im Ergebnis ebenso zur
einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Kindern:
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.4.2004 VIII R 88/00,
BFH/NV 2004, 1103 = SIS 04 30 31, und vom 30.11.2004 VIII R 61/04,
BFH/NV 2005, 695 = SIS 05 18 29, sowie zum Ehegattensplitting:
Urteil des BFH vom 26.1.2006 III R 51/05, BFHE 212, 236, BStBl II
2006, 515 = SIS 06 19 86, unter II. 3.; vgl. auch Beschluss des BFH
vom 6.10.2005 II B 132/04, BFH/NV 2006, 303 = SIS 06 07 93). Wenn
der Gesetzgeber eine erbschaftsteuerrechtliche Gleichbehandlung der
eingetragenen Lebenspartner mit Ehegatten will, bedarf es somit
eines dies regelnden Steuergesetzes, an dem es derzeit noch
fehlt.
b) Nichts anderes ergibt sich aus dem in Art.
3 Abs. 3 GG angeordneten Differenzierungsverbot. Selbst wenn - wie
die Revision meint - die Homosexualität den in Art. 3 Abs. 3
GG aufgeführten Merkmalen gleichzusetzen sein sollte, ergibt
sich daraus jedenfalls nicht die Pflicht des Gesetzgebers,
eingetragene Lebenspartner erbschaftsteuerrechtlich den Ehegatten
gleichzustellen.
c) Im Ergebnis nicht anders verhält es
sich mit dem Einwand der Klägerin, die Besteuerung nach der
Steuerklasse III verletze ihre Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 Satz
1 GG und sei daher verfassungswidrig. Bei diesem Einwand
stützt sich die Klägerin u.a. auf den Beschluss des
BVerfG vom 22.6.1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995,
671 = SIS 95 17 09). In diesem Beschluss führt das BVerfG aus,
in Ergänzung zur Eigentumsgarantie gewährleiste die
Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG den Fortbestand des
Privateigentums im Wege der Rechtsnachfolge. Sie schütze nicht
nur den Erblasser, sondern auch den Erben. Für den Erblasser
gewährleiste sie zunächst die Testierfreiheit. Neben den
Schutz der Testierfreiheit trete der Schutz von Ehe und Familie
(Art. 6 Abs. 1 GG). Deshalb sehe das bestehende
Erbschaftsteuerrecht auch das Familienprinzip als weitere Grenze
für das Maß der Steuerbelastung vor. Zum Schutz von Ehe
und Familie sei der erbschaftsteuerliche Zugriff bei
Familienangehörigen im Sinne der Steuerklasse I (§ 15
Abs. 1 ErbStG) derart zu mäßigen, dass jedem dieser
Steuerpflichtigen der jeweils auf ihn überkommene Nachlass -
je nach dessen Größe - zumindest zum deutlich
überwiegenden Teil oder, bei kleinen Vermögen,
völlig steuerfrei zugute komme. Im geltenden Recht werde dies
in typisierender Weise durch die Freibeträge des § 16
ErbStG für Ehegatten und Kinder erreicht. In Bezug auf einen
darüber hinausgehenden Vermögenszuwachs sei der
erbschaftsteuerliche Zugriff so zu beschränken, dass die
Erbschaft für den Ehegatten noch Ergebnis der ehelichen
Erwerbsgemeinschaft bleibe und auch eine im Erbrecht angelegte
Mitberechtigung der Kinder am Familiengut nicht verloren gehe. Im
geltenden Recht nehme der Gesetzgeber diese nach Art. 6 Abs. 1 GG
gebotene Abstufung der Steuerbelastung durch ermäßigte
Steuersätze vor.
Soweit das BVerfG mit diesen Ausführungen
dem Gesetzgeber in Einschränkung der ihm ansonsten zustehenden
„weitreichenden Gestaltungsbefugnis“ Grenzen
für die Erbschaftsteuerbelastung vorgibt, sind diese aus Art.
6 Abs. 1 GG abgeleitet und demgemäß auf Ehegatten und
Kinder zugeschnitten. Da im Streitfall Kinder nicht betroffen sind,
führt somit auch die Berufung der Klägerin auf Art. 14
Abs. 1 GG wieder zurück auf den Ehegattenbegriff des Art. 6
Abs. 1 GG. Ehegatten aber waren die Klägerin und die
Erblasserin nicht. Wenn die Klägerin dennoch beansprucht,
gleichermaßen unter Wahrung dieser Belastungsgrenzen
besteuert zu werden, ist die Grundlage ihres Begehrens letztlich
wiederum der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 und 3 GG.
Daher bleibt es auch in diesem Zusammenhang bei dem bereits oben zu
II. 1. a und b gewonnenen Befund, dass dem Anliegen der
Klägerin nur durch eine Änderung des ErbStG entsprochen
werden kann.
2. Für dieses Ergebnis spricht auch das
o.a. Urteil des BVerfG in BVerfGE 105, 313 zum verfassungskonformen
Zustandekommen des LPartDisBG vom 16.2.2001 (BGBl I, 266).
a) Der Gesetzentwurf der damaligen
Regierungsfraktionen für ein LPartG vom 4.7.2000 (BTDrucks
14/3751) enthielt in Art. 3 § 78 eine Gleichstellung der
Lebenspartner mit Ehegatten auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer. Der
Entwurf wurde jedoch im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens in
einen zustimmungsfreien und einen zustimmungspflichtigen Teil
aufgespalten. Die Regelungen bezüglich der Erbschaftsteuer
befanden sich danach im zustimmungspflichtigen Teil. Nur der
zustimmungsfreie Teil ist Gesetz geworden, nämlich jenes
LPartDisBG. Diese Aufspaltung des Gesetzentwurfs hielten einige
Landesregierungen für willkürlich. Sie sahen darin eine
Umgehung des Zustimmungsrechts des Bundesrates und wandten sich an
das BVerfG. Das BVerfG wies jedoch die Normenkontrollanträge
mit dem o.a. Urteil in BVerfGE 105, 313 zurück. Es
stützte sich dabei im Wesentlichen darauf, dass die
Bundesländer auf den Gebieten, die zur
Zustimmungsbedürftigkeit eines Teils des ursprünglichen
Gesetzentwurfs geführt hatten, ihre Regelungsfreiheit
behielten, und fügte dem hinzu, es habe keine Notwendigkeit
bestanden, das Unterhaltsrecht für Lebenspartner und die
steuerrechtliche Berücksichtigung darauf beruhender
Unterhaltsleistungen in ein und demselben Gesetz zu regeln. Auch
das Unterhaltsrecht der Ehegatten sei stets getrennt von seiner
steuerrechtlichen Behandlung in den Steuergesetzen ausgestaltet
worden.
b) Das BVerfG spricht demnach bezüglich
der steuerrechtlichen Folgen einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft ausdrücklich von einer getrennten
Ausgestaltung in einem zweiten Gesetz und nicht davon, dass es
dieses zweiten Gesetzes ohnehin nicht bedürfe, weil sich die
Angleichung an die steuerrechtlichen Folgen einer Ehe bereits aus
dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ergebe. Hätte
das BVerfG Letzteres zum Ausdruck bringen wollen, wäre im
Zusammenhang mit der Zustimmungsproblematik des Bundesrates Art.
105 Abs. 3 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG zumindest zu
erwähnen gewesen. Dies ist jedoch unterblieben.
3. Nach den vorstehenden Ausführungen
scheidet eine analoge Anwendung der §§ 15, 16, 17 und 19
ErbStG auf eingetragene Lebenspartner von vornherein aus. Die
Vorschriften enthalten insoweit keine Lücken (so auch
BFH-Urteil in BFHE 212, 236, BStBl II 2006, 515 = SIS 06 19 86,
unter II. 2.). Die Eigenschaft „Ehegatte(n)“ ist
für die genannten Vorschriften so wesentlich, dass sie auch
bei einer analogen Anwendung auf andere Sachverhalte gegeben sein
müsste. Dies ist nach dem bisherigen Verständnis von der
Ehe aber bei eingetragenen Lebenspartnern nicht der Fall.
Auch § 11 Abs. 1 LPartG vermag an diesem
Ergebnis nichts zu ändern. Nach dieser Vorschrift gilt ein
Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen
Lebenspartners, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Diese
Einbeziehung des Lebenspartners in den Kreis der
Familienangehörigen ist erbschaftsteuerrechtlich für die
Steuerklassen, Freibetragsregelungen und den besonderen
Versorgungsfreibetrag ohne Bedeutung, weil das ErbStG insoweit
nicht an den Begriff des Familienangehörigen
anknüpft.
4. Der von der Klägerin gegenüber
dem FA mit „Einspruch“ im Schriftsatz vom
7.3.2007 erstmals geltend gemachte Anspruch auf
Berücksichtigung einer Ausgleichsforderung nach § 5 Abs.
1 ErbStG kann im Revisionsverfahren - abgesehen davon, dass die
Klägerin ihren „Einspruch“ mit Schriftsatz
1.6.2007 gegenüber dem FA zurückgenommen hat - nicht
berücksichtigt werden. Eine solche Ausgleichsforderung war
nicht Gegenstand der Vorentscheidung; demgemäß sind auch
die Voraussetzungen einer solchen Forderung nicht festgestellt. Die
Klägerin hat jedoch insoweit auch keine zulässige und
begründete Verfahrensrüge erhoben.