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I. Der
Kläger und Revisionskläger (Kläger) ersteigerte
durch Zuschlagbeschluss vom 30.10.2006 von einem Dritten ein
Grundstück, auf dem ein Reiterhof betrieben wurde, für
einen Betrag in Höhe von 420.000 EUR. Für diesen Zweck
hatte er u.a. von seiner Mutter 205.000 EUR
erhalten.
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Am 15.9.2010
übertrug die Mutter dem Kläger ein anderes
Grundstück nebst Hof- und Gebäudefläche. Der
Grundbesitzwert für dieses Grundstück wurde durch
Feststellungsbescheid des zuständigen Finanzamts vom 25.3.2011
in Höhe von 424.222 EUR festgestellt.
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Die vorherige
Geldzuwendung zum Erwerb des Reiterhofs werteten sowohl der
Kläger als auch der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) als mittelbare Betriebsschenkung. Mit Bescheid
vom 7.10.2011 stellte das örtlich zuständige Finanzamt
für das Grundstück, auf dem der Reiterhof betrieben
wurde, den Grundbesitzwert in Höhe von 434.000 EUR fest. Der
Bescheid enthält zugleich die Feststellung, dass das
Grundstück im Besteuerungszeitpunkt als
Betriebsgrundstück zu dem Gewerbebetrieb des bisherigen
Eigentümers gehörte, sowie die - unzutreffende -
Feststellung, dass der Grundbesitz bislang der Mutter des
Klägers zuzurechnen war.
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Mit Bescheid vom
15.6.2011 setzte das FA die Schenkungsteuer für diesen Erwerb
(Vorerwerb) in Höhe von 0 EUR fest. Es vertrat die Auffassung,
die Zuwendung in Höhe von 205.000 EUR im Zusammenhang mit dem
Erwerb des Reiterhofs sei nach § 13a des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes in der damals gültigen Fassung vom
29.12.2003 - ErbStG vor 2009 - (BGBl I 2003, 3076)
begünstigt.
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Für die
schenkweise Übertragung der Hof- und Gebäudefläche
vom 15.9.2010 (Letzterwerb) setzte das FA mit Bescheid vom
23.6.2011 Schenkungsteuer in Höhe von 994 EUR fest. Dabei
berücksichtigte es einen Grundbesitzwert in Höhe von
414.222 EUR statt des für dieses Grundstück
festgestellten Werts in Höhe von 424.222 EUR und den Vorerwerb
vom 30.10.2006 mit einem Erinnerungswert von 1 EUR. Dieser
Steuerbescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung
(AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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Am 12.6.2014
erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten
Steuerbescheid und setzte die Schenkungsteuer für den
Letzterwerb auf 25.212 EUR fest. Den Wert des Grundvermögens
korrigierte es auf 424.222 EUR. Die Zuwendung vom 30.10.2006
berücksichtigte das FA als Vorerwerb in Höhe von 205.000
EUR, ohne die Begünstigung nach § 13a ErbStG zu
gewähren.
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Die nach
erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) hat das FA bei der
Festsetzung der Schenkungsteuer den Vorerwerb vom 30.10.2006 in
zutreffender Höhe berücksichtigt. Der Freibetrag für
den Erwerb von Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 ErbStG sei nicht zu gewähren. Das Urteil ist in EFG
2016, 1277 = SIS 16 15 72 veröffentlicht.
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Der Kläger
beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und
den angefochtenen Schenkungsteuerbescheid vom 12.6.2014 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 16.9.2014 dahingehend zu
ändern, dass die Schenkungsteuer auf 1.694 EUR festgesetzt
wird.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist
unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend
entschieden, dass das FA den Vorerwerb des Klägers bei der
Festsetzung der Schenkungsteuer im angefochtenen Bescheid in
materiell zutreffender Höhe berücksichtigen durfte. Dabei
ist die Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen
nicht zu gewähren.
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1. Der Vorerwerb vom
30.10.2006 war bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für die
Schenkung vom 15.9.2010 hinzuzurechnen.
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a) Gemäß
§ 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb
von zehn Jahren von derselben Person anfallende
Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem
letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren
Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den
Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die
früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben
gewesen wäre. Durch diese Regelung soll verhindert werden,
dass mehrere Teilerwerbe durch Kumulation von Freibeträgen
(§ 16 Abs. 1 ErbStG) und/oder Vermeidung der Progression
(§ 19 Abs. 1 ErbStG) gegenüber einem einheitlichen Erwerb
steuerlich begünstigt werden (vgl. Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.8.1988 - II B 17/88, BFH/NV 1990,
53; BFH-Urteil vom 22.8.2018 - II R 51/15, BFHE 262, 448 = SIS 18 20 62, Rz 26).
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b) Aus § 14
Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergibt sich nicht, dass die verschiedenen
Erwerbsvorgänge „wie ein Erwerb zu
behandeln“ sind. Die Vorschrift ändert aber nichts
daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige
steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer
unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit
der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst
noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines
Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die
Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die
Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb
innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist (vgl.
BFH-Urteile vom 31.5.1989 - II R 110/87, BFHE 156, 566, BStBl II
1989, 733 = SIS 89 17 42; vom 17.4.1991 - II R 121/88, BFHE 164,
107, BStBl II 1991, 522 = SIS 91 14 08, und in BFHE 262, 448 = SIS 18 20 62, Rz 27).
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c) Aufgrund der
Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die
in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG
einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb mit den
materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen (BFH-Urteil
vom 12.7.2017 - II R 45/15, BFHE 258, 232, BStBl II 2017, 1120 =
SIS 17 14 68, Rz 19, m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn bei der
vorangegangenen Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ein
materiell-rechtlich unzutreffender Wert berücksichtigt wurde
(BFH-Urteil in BFHE 262, 448 = SIS 18 20 62, Rz 29). Beruht der
unzutreffende Wert darauf, dass eine sachliche Steuerbefreiung
gewährt wurde, die materiell-rechtlich nicht hätte
gewährt werden dürfen, kann und muss dies ebenfalls im
Rahmen der Berücksichtigung des Vorerwerbs korrigiert werden.
Eine fehlerhafte Steuerfestsetzung kann erst für den Abzug
nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG eine Rolle spielen.
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d) Ausgehend davon
musste das FA nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG den Vorerwerb vom
30.10.2006 in der materiell-rechtlich zutreffenden Höhe bei
der Festsetzung der Schenkungsteuer für die Schenkung vom
15.9.2010 hinzurechnen. Dem steht der Bescheid vom 15.6.2011
über die Festsetzung der Schenkungsteuer auf 0 EUR für
den Vorerwerb nicht entgegen, selbst wenn in diesem Bescheid die
Zuwendung eines Geldbetrags von 205.000 EUR für den Erwerb des
Reiterhofs als steuerbegünstigt i.S. von § 13a ErbStG vor
2009 behandelt wurde und sich deshalb schon aus diesem Grund keine
steuerpflichtige Bereicherung des Klägers ergeben
hat.
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2. Bei der
Besteuerung des Letzterwerbs und der hierzu erfolgten Hinzurechnung
des Vorerwerbs im Rahmen des § 14 Abs. 1 ErbStG hat das FA den
Freibetrag für den Erwerb von Betriebsvermögen nach
§ 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG vor 2009 zutreffend nicht
berücksichtigt. Die Voraussetzungen für die
Gewährung dieser Steuervergünstigung lagen nicht vor. Die
Zuwendung von Geld zum Erwerb eines Betriebs ist nicht
begünstigt.
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a) Der Freibetrag
und der verminderte Wertansatz des § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG
vor 2009 gelten für inländisches Betriebsvermögen
(§ 12 Abs. 5 ErbStG vor 2009) beim Erwerb eines ganzen
Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer
Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 oder
§ 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, eines Anteils eines
persönlich haftenden Gesellschafters einer
Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eines Anteils daran (§
13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009).
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b) Die
Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG sind nur zu
gewähren, wenn das erworbene Vermögen sowohl auf Seiten
des Erblassers oder Schenkers als auch auf Seiten des Erwerbers
Vermögen i.S. des Abs. 4 Nr. 1 oder 2 der Vorschrift ist (zu
der im Wesentlichen gleichen Vorläufervorschrift BFH-Urteil
vom 14.2.2007 - II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443 = SIS 07 11 14, unter II.2.b; BFH-Beschluss vom 18.2.2008 - II B 109/06,
BFH/NV 2008, 1163 = SIS 08 24 93). Dies ergibt sich für die
Erwerberseite bereits aus dem Begünstigungszweck der Norm in
Verbindung mit den Nachversteuerungstatbeständen des Abs. 5
der Vorschrift und für die Seite des Erblassers oder Schenkers
aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -
(BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443 = SIS 07 11 14,
unter II.2.b).
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Die Bevorzugung des
Betriebsvermögens gegenüber anderen Vermögensarten
bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer bedarf im Hinblick auf Art.
3 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung, wie sie der Gesetzgeber dem
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22.6.1995 - 2
BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671 = SIS 95 17 09,
unter C.I.2.b bb) entnommen hat (BRDrucks 390/96, 67 f.). Das
BVerfG hat aber die Milderung des Steuerzugriffs bei
Betriebsvermögen ausdrücklich auf solche Erwerber
beschränkt, die den Betrieb
„weiterführen“,
„aufrechterhalten“ und
„fortführen“. Diese Wortwahl zeigt, dass
das BVerfG den Betrieb des Erblassers oder Schenkers im Blick hatte
(BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443 = SIS 07 11 14,
unter II.2.b).
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c) An dieser zu
§ 13a ErbStG i.d.F. vor der Änderung durch das Gesetz zur
Änderung steuerlicher Vorschriften -
Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 - StÄndG 2001 -
(BGBl I 2001, 3794) ergangenen Rechtsprechung hält der Senat
auch für den Streitfall fest. Zwar wurde durch das StÄndG
2001 der Wortlaut des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG
insoweit geändert, als die Formulierung “beim Erwerb im
Wege der vorweggenommenen Erbfolge” ersetzt wurde durch
“beim Erwerb durch Schenkungen unter Lebenden”.
Gleichwohl dient § 13a ErbStG auch in der geänderten
Fassung dazu, bestehende Betriebe aufgrund ihrer verminderten
Leistungsfähigkeit durch gebundenes Vermögen zu
begünstigen.
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Zweck der Vorschrift
ist es, mittels Begünstigung des Erwerbs bei der Erbschaft-
und Schenkungsteuer einen bestehenden Betrieb des Erblassers oder
Schenkers und dessen Arbeitsplätze zu erhalten. Diese sollen
davor geschützt werden, dass der Erwerber zur Begleichung
seiner persönlichen Erbschaft- oder Schenkungsteuerschuld auf
die Vermögenswerte des Betriebs zurückgreifen muss. Die
Vorschrift dient dagegen nicht allgemein dazu, die Gründung
oder den Erwerb eines Betriebs durch den Erwerber mit finanziellen
Mitteln des Zuwendenden zu begünstigen. Letzteres wäre
mit der Begründung des verminderten Steuerzugriffs bei
Betriebsvermögen aufgrund der
„Weiterführung“, der
„Aufrechterhaltung“ und
„Fortführung“ des Betriebs des Erblassers
oder Schenkers (vgl. BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl II 2007,
443 = SIS 07 11 14, unter II.2.b) nicht vereinbar.
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d) Diese
Rechtsauffassung steht im Einklang mit der zu § 13a Abs. 4 Nr.
3 ErbStG vor 2009 ergangenen Rechtsprechung. Danach kommt es -
ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift - darauf an, dass der
Erblasser oder Schenker am Nennkapital der Kapitalgesellschaft zu
mehr als einem Viertel unmittelbar beteiligt ist (BFH-Urteil vom
16.2.2005 - II R 6/02, BFHE 208, 444, BStBl II 2005, 411 = SIS 05 18 99).
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e) Ausgehend von
diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass
im Streitfall der Vorerwerb im Rahmen des § 14 Abs. 1 ErbStG
ohne Abzug des Freibetrags für den Erwerb von
Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG
vor 2009 zu berücksichtigen ist.
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Der Vorerwerb ist
auch mit 205.000 EUR in der materiell-rechtlich zutreffenden
Höhe angesetzt worden. Das gilt auch dann, wenn man im
Streitfall nicht von einer reinen Geldschenkung, sondern - wie das
FG im Rahmen einer im Revisionsverfahren nicht zu beanstandenden
Gesamtwürdigung der Tatsachen - von einer mittelbaren
Schenkung eines Betriebsgrundstücks ausgeht. Das für die
Wertfeststellung zuständige Finanzamt hat den Wert des
Grundstücks in Höhe von 434.000 EUR gesondert
festgestellt. Da der Kläger für den Erwerb einen Betrag
von 205.000 EUR u.a. von seiner Mutter erhalten hat, ist der Ansatz
von 205.000 EUR im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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An die -
unzutreffende - Feststellung, dass es sich bei dem Grundstück
um ein Betriebsgrundstück handele, das ursprünglich dem
Gewerbebetrieb der Mutter des Klägers zuzurechnen gewesen sei,
ist das FA nicht gebunden. Die Feststellung über die
Zurechnung des Betriebsgrundstücks entfaltet keine
Bindungswirkung für die Festsetzung der Erbschaft- oder
Schenkungsteuer und die dabei zu treffende Entscheidung über
die Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a
Abs. 1 und 2 ErbStG vor 2009 (vgl. BFH-Urteile vom 29.11.2006 - II
R 42/05, BFHE 215, 529, BStBl II 2007, 319 = SIS 07 04 72, unter
II.2.a, und vom 18.5.2011 - II R 10/10, BFH/NV 2011, 2063 = SIS 11 36 58, Rz 16).
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3. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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