Zahlungsverjährung, Unterbrechung durch Pfändung: Eine Pfändungsverfügung des Finanzamts gegen einen Dritten unterbricht die Zahlungsverjährung auch dann, wenn der Vollstreckungsschuldner in dem betreffenden Zeitpunkt keine passive Handlungsfähigkeit besitzt. - Urt.; BFH 21.11.2006, VII R 68/05; SIS 07 03 25
I. Es besteht Streit über die
Abrechnung der Körperschaftsteuer 1987.
Die Klägerin, Revisionsklägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin) befindet sich in Liquidation.
Ein Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens über ihr
Vermögen war 1977 mangels Masse abgelehnt worden. Ende 1989
wurde die Klägerin im Handelsregister gelöscht.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) hatte die
Klägerin mit Bescheid vom 12.6.1989 auf
Körperschaftsteuer 1987 in Höhe von ... DM in Anspruch
genommen. Der Bescheid ist bestandskräftig, die Steuer jedoch
nicht bezahlt worden.
1994 wurde der Bescheid geändert und
die Steuer auf ... DM heraufgesetzt. Der Änderungsbescheid ist
dem früheren Geschäftsführer und Gesellschafter der
Klägerin als Liquidator (im Folgenden: X) namens der
Klägerin als GmbH in Liquidation bekannt gegeben worden. Er
ist nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten wegen
Handlungsunfähigkeit der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt
nicht wirksam geworden. Der wegen dieses Bescheides anhängig
gewesene Rechtsstreit ist insoweit von den Beteiligten inzwischen
übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt
erklärt worden.
Dass der Änderungsbescheid mangels
Handlungsfähigkeit der Klägerin nichtig sei, hatte der
vermeintliche Liquidator X durch Einspruch gegen den vorgenannten
Änderungsbescheid geltend gemacht. Das FA hat aufgrund dieses
Einspruchs im August 1995 eine Einspruchsentscheidung erlassen, in
der es die Körperschaftsteuer 1987 auf nunmehr ... DM
festsetzte. Die Einspruchsentscheidung wurde X bekannt gegeben, der
inzwischen zum Nachtragsliquidator bestellt worden war.
Soweit die Klägerin im Rahmen
vorgenannter Klage (Az. des Finanzgerichts - FG - 6 K 385/95)
geltend gemacht hatte, die Einspruchsentscheidung sei nichtig, hat
das FG die Klage abgewiesen, auf den Hilfsantrag der Klägerin
jedoch die Einspruchsentscheidung aufgehoben (vgl. SIS 05 27 25).
Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig (Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.2.2006 I B 38/05, BFH/NV 2006, 1049
= SIS 06 20 85).
Den Betrag von 506.178 DM hat das FA im
August 1989 bei der Klägerin angemahnt; die weiteren
rückständigen 92.305 DM sind im Mai 1994 angemahnt
worden. Im September 1994 wurden auf Ersuchen des FA vom FA Y
Wertpapiere mit einem Nominalwert von 50.000 holländischen
Gulden (hfL) gepfändet und zum Preis von ... DM nebst
Zinsscheinen (Erlös ... DM) veräußert. Ferner hat
das FA 1996 gegen einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin
in Höhe von ... DM aufgerechnet.
Der Klägerin ist vom FA unter dem
15.6.1998 der streitgegenständliche Abrechnungsbescheid
erteilt worden, in dem die vorgenannten Zahlungsansprüche,
nämlich ... DM, fällig am 17.7.1989, ... DM, fällig
am 2.5.1994, und ... DM, fällig am 2.9.1995, festgestellt
wurden. Der dagegen erhobene Einspruch hatte nur insoweit Erfolg,
als das FA seinen Zahlungsanspruch um den Erlös aus der
Veräußerung der gepfändeten Wertpapiere und um den
Aufrechnungsbetrag minderte und mithin einen Zahlungsanspruch von
nur noch 751.461,53 DM feststellte.
Die daraufhin erhobene Klage hatte mit dem
Ergebnis Erfolg, dass das FG den Zahlungsanspruch aus
Körperschaftsteuer 1987 auf ... DM feststellte, weil
hinsichtlich des ursprünglich 1989 festgesetzten Betrages von
... DM Zahlungsverjährung eingetreten sei.
Das Urteil des FG ist in EFG 2005, 1012 =
SIS 05 27 26 veröffentlicht. Gegen das Urteil haben sowohl das
FA als auch die Klägerin die vom FG zugelassene Revision
eingelegt.
Das FA begründet seine Revision damit,
dass die Vollstreckung in die vorgenannten Wertpapiere als Realakt
ungeachtet der Handlungsunfähigkeit der Klägerin die
Unterbrechung der Zahlungsverjährung bewirkt habe (Hinweis auf
die Urteile des BFH vom 24.4.1996 II R 37/93, BFH/NV 1996, 865, und
vom 17.10.1989 VII R 77/88, BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44 = SIS 90 06 49).
Das FA beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG zu ändern und die Klage in vollem Umfang
abzuweisen.
Die Klägerin führt zur
Begründung ihrer Revision im Wesentlichen Folgendes
aus:
Die Einspruchsentscheidung, aus der sich
nach Meinung des FG der dem FA zugesprochene Zahlungsanspruch
ergebe, sei aus mehreren Gründen nichtig und daher das vom FG
angeführte BFH-Urteil vom 14.11.1990 II R 255/85 (BFHE 162,
380, BStBl II 1991, 49 = SIS 91 25 03), nach dem der in der
fehlerhaften Bekanntgabe eines Steuerbescheides liegende Mangel
durch fehlerfreie Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geheilt
werde, auf den Streitfall nicht anwendbar.
Ferner sei gegen den Bescheid vom 30.3.1994
nur hilfsweise Einspruch eingelegt worden. Zwar sei zunächst
von dem jetzigen Prozessvertreter der Klägerin im April 1994
Einspruch eingelegt worden; dieser Einspruch sei jedoch nicht
wirksam gewesen, weil damals ein Liquidator nicht bestellt gewesen
sei und deshalb keine wirksame Vollmacht bestanden habe. Die
Klägerin habe damals nicht einmal Steuerrechtsfähigkeit
besessen. Der später bestellte Nachtragsliquidator habe die
Einspruchseinlegung entgegen der Ansicht des FG nicht genehmigt,
ganz abgesehen davon, dass der Einspruch mangels
Steuerrechtsfähigkeit der Klägerin gar nicht hätte
genehmigt werden können. Der Nachtragsliquidator habe vielmehr
das FA ausdrücklich aufgefordert, die Nichtigkeit des
Änderungsbescheides festzustellen. Diese Aufforderung habe das
FA nicht zum Anlass nehmen dürfen, eine verbösernde
Sachentscheidung zu treffen. Auch in dem Klageverfahren sei eine
Nichtigkeitsfeststellung und nur hilfsweise die Aufhebung des
Bescheides beantragt worden. Im Übrigen sei das in diesem
Zusammenhang relevante Schreiben der Klägerin vom 23.6.1995
vom FG auf Seite 13 des Urteils falsch zitiert worden, was
ebenfalls eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) darstelle. Hätte das FG das
Schreiben richtig zitiert, hätte es erkannt, dass eine
Einspruchsentscheidung nur hilfsweise für den Fall begehrt
worden sei, dass der angegriffene Änderungsbescheid nicht
nichtig ist.
Schließlich habe der in der
Einspruchsentscheidung festgesetzte Verböserungsbetrag keine
Anknüpfung an den im Ausgangsbescheid festgesetzten Betrag,
weil der vorgenannte Änderungsbescheid unwirksam sei und auch
nicht wirksam in der Einspruchsentscheidung enthalten sei.
Die Klägerin ist weiter der
Auffassung, dass die Einspruchsentscheidung nur dann, wie das FG
entschieden habe, als wirksamer Änderungsbescheid zu der
Körperschaftsteuerfestsetzung über ... DM angesehen
werden könnte, wenn die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1
Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgelegen hätten und die
Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung noch nicht abgelaufen
gewesen wäre. Beides sei aber nicht der Fall.
Für den Fall, dass der Bescheid vom
25.8.1995 wirksam sein sollte, vertritt die Klägerin die
Auffassung, dass der Abrechnungsbescheid gleichwohl unrichtig sei.
Denn der erstgenannte Bescheid sei vom FG mit Urteil vom 10.11.2004
aufgehoben worden, und dieses Urteil wirke zurück, weil ein
aufgehobener Bescheid als von Anfang an nicht ergangen zu behandeln
sei. Die Aufhebung der Steuerfestsetzung von 1995 sei also in dem
Abrechnungsbescheid auf den 15.6.1998 zu berücksichtigen
gewesen (Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 24.7.1998 VII S
6/98, BFH/NV 1999, 198 = SIS 98 53 10).
Die Klägerin hält
schließlich die Annahme des FG für unrichtig, dass die
angebliche Körperschaftsteuerschuld durch die Einlösung
der gepfändeten Wertpapiere getilgt bzw. infolge Aufrechnung
mit einem Kostenerstattungsanspruch erloschen sei.
Sie beantragt deshalb, das Urteil des FG
aufzuheben und festzustellen, dass am 17.7.1998 ein
Zahlungsanspruch auf Körperschaftsteuer 1987 in Höhe von
0 DM bestand und die verrechneten Beträge in Höhe von ...
DM und ... DM als Erstattungsbeträge (Guthaben)
aufzuführen sind.
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet, die des FA begründet.
A. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen,
soweit sie sich dagegen richtet, dass die Klägerin dem FA im
Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Abrechnungsbescheides
aufgrund der in der Einspruchentscheidung von 1995 enthaltenen,
allerdings teilweise durch Vollstreckung und Aufrechnung erledigten
Steuerfestsetzung Körperschaftsteuer schuldete.
Abrechnungsbescheide entscheiden nach §
218 Abs. 2 AO 1977 über Streitigkeiten, die die Verwirklichung
der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen;
sie entscheiden insbesondere darüber, ob eine bestimmte
Zahlungsverpflichtung erloschen ist (§ 47 AO 1977), d.h. ob
wirksam gezahlt, aufgerechnet, verrechnet, erlassen, ob
Verjährung eingetreten, die Schuld bereits vor der
Begründung der Zahlungspflicht erloschen oder der
Forderungsausgleich durch Vollstreckungsmaßnahmen erreicht
worden ist. Das bedarf angesichts der diesbezüglichen
ständigen Rechtsprechung des Senats keiner weiteren
Wiederholung und näheren Begründung (vgl. u.a. Urteil des
erkennenden Senats vom 15.6.1999 VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II
2000, 46 = SIS 99 20 76). Abrechnungsbescheide bilden - bezogen auf
einen bestimmten Zeitpunkt - das zwischen dem Steuerpflichtigen und
dem Finanzamt bestehende Steuerschuldverhältnis gleichsam ab,
wie es der Senat in seinem Urteil vom 18.4.2006 VII R 77/04 (BFHE
212, 29, BStBl II 2006, 578 = SIS 06 23 08) ausgedrückt hat.
Deshalb gehört, wie das FG zutreffend sinngemäß
ausgeführt hat, zu ihrem Regelungsgegenstand die vorgenannten
Erlöschenstatbeständen rechtslogisch vorrangige Frage, ob
überhaupt und welche Zahlungsverpflichtungen (wirksam)
begründet worden sind, ohne deren Ermittlung sich nicht
sinnvoll prüfen lässt, ob bestimmte Zahlungsvorgänge
Schulden getilgt haben, welchen Forderungen des FA sie zuzuordnen
sind und dergleichen mehr.
Für die Entscheidung über die
Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides sind dabei
die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) maßgebend
(Beschluss des Senats vom 2.3.1971 VII R 74/68, BFHE 102, 7, BStBl
II 1971, 498 = SIS 71 02 64; Urteil des Senats vom 4.5.1993 VII R
82/92, BFH/NV 1994, 285). Der hier zu treffenden Entscheidung ist
folglich die Steuerfestsetzung des FA zugrunde zu legen, die in der
Einspruchsentscheidung von 1995 enthalten ist. Denn es steht
aufgrund des hierzu ergangenen Urteils des FG 6 K 385/95 = SIS 05 27 25 zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass diese
Entscheidung nicht nichtig ist.
Damit erledigt sich der Einwand der
Klägerin, sie habe keinen Einspruch eingelegt. Abgesehen
davon, dass dies den tatrichterlichen Feststellungen (§ 118
Abs. 2 FGO; siehe z.B. Urteilsabdruck Blatt 13 erster Absatz)
widerspricht, welche davon ausgehen, dass der zunächst von
einem vollmachtlosen Vertreter der Klägerin - nämlich
ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten - eingelegte Einspruch
von dem Nachtragsliquidator genehmigt worden ist, steht aufgrund
des Urteils des FG vom 10.11.2004 6 K 385/95 = SIS 05 27 25 fest,
dass die Körperschaftsteuerfestsetzung gegen die Klägerin
in der Einspruchentscheidung wirksam geändert worden ist. Es
ist deshalb für die in diesem Verfahren zu treffende
Entscheidung belanglos, ob dies rechtmäßig geschehen
durfte oder ob dem entgegenstand, dass die Klägerin gegen den
Körperschaftsteuerbescheid von 1994 keinen Einspruch eingelegt
hat, dass bei Ergehen der Einspruchsentscheidung die
Festsetzungsfrist abgelaufen war und dass es an den - mangels
Einspruchs der Klägerin - für eine Änderung der
Steuerfestsetzung in der (vermeintlichen) Einspruchsentscheidung
erforderlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977
fehlte; denn all dies würde die Steuerfestsetzung allenfalls
rechtswidrig, den Bescheid jedoch - selbst wenn dies nicht
rechtskräftig feststünde - nicht nichtig machen.
Es kann folglich unerörtert bleiben, ob
die Einspruchsentscheidung, wie die Klägerin anscheinend
meint, nichtig wäre, wenn der Einspruch nur
„hilfsweise“ eingelegt worden wäre, und ob
nicht auch in diesem Fall vielmehr ungeachtet der seinerzeitigen
sachlich-rechtlichen Einwendungen der Klägerin bzw. des ihnen
von dieser zugedachten Stufenverhältnisses entscheidend
wäre, dass die Klägerin den Steuerfestsetzungsbescheid
von 1994 nicht gegen sich hat gelten lassen wollen, und dies
gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 zur Folge haben
musste, dass das Verwaltungsverfahren fortzusetzen, die Sache also
uneingeschränkt neu zu prüfen und die Steuer ggf.
ungeachtet der Bindungen des § 173 Abs. 1 AO 1977 in
gesetzlicher Höhe festzusetzen war.
Die spätere Aufhebung der
Einspruchsentscheidung durch das FG hat im vorliegenden
Abrechnungsverfahren außer Betracht zu bleiben; sie
könnte nur in einem neu zu erteilenden Abrechnungsbescheid
berücksichtigt werden. Dies folgt, wie der Senat in dem Urteil
in BFH/NV 1994, 285 ausgeführt hat, daraus, dass der
Abrechnungsbescheid eine Entscheidung im Erhebungsverfahren ist,
mit der über das Bestehen einer Zahlungsverpflichtung, nicht
aber über das Bestehen eines Steueranspruchs zu befinden ist,
wobei sich diese Entscheidung nur auf einen bestimmten Zeitpunkt
beziehen kann und die in diesem Zeitpunkt gegebene Sachlage auch
bei der Überprüfung der Entscheidung im Rahmen einer
Anfechtungsklage maßgeblich ist.
Aus dem Beschluss des Senats in BFH/NV 1999,
198 = SIS 98 53 10 folgt nichts anderes.
Die gerügten Verfahrensfehler liegen
nicht vor; ob die diesbezüglichen Rügen überhaupt
den gesetzlichen Anforderungen entsprechend erhoben sind, mag daher
unerörtert bleiben. Dass das FG das Schreiben der
Klägerin vom 23.6.1995 falsch zitiert haben soll, verletzt
jedenfalls nicht § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, sondern stellt
allenfalls einen sachlich-rechtlichen Mangel seiner Entscheidung
dar, die freilich, wie erwähnt, rechtskräftig ist.
Deshalb ist auch bedeutungslos, was die Klägerin gegen den
Bescheid vom 25.8.1995 eingewandt haben mag und dass sie ihn
für eine Willkürmaßnahme hält und ob das FG
bei der Entscheidung über die Nichtigkeitsfeststellungsklage
die richtigen Folgerungen aus der angeblichen Nichtigkeit des
Steuerbescheides von 1994 und der dazu von den Beteiligten
angeblich getroffenen tatsächlichen Verständigung gezogen
hat.
Die Revision der Klägerin erweist sich
nach alledem als unbegründet.
Der im Revisionsverfahren gestellte Antrag,
einen Erstattungsanspruch zu Gunsten der Klägerin
festzustellen, stellt eine nach § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO
unzulässige Klageänderung dar und ist überdies
unzulässig, weil die Sache anderweit rechtshängig gewesen
ist (Az. des BFH VII B 91/06).
B. Die Revision des FA ist begründet. Das
FG hat den angefochtenen Bescheid zu Unrecht zulasten des FA
insofern geändert, als dieses einen Anspruch auf Zahlung der
ursprünglich festgesetzten Körperschaftsteuer zu haben
behauptet, und dadurch Bundesrecht verletzt (§ 118 Abs. 1
FGO).
Festgesetzte Steueransprüche
verjähren gemäß § 228 AO 1977 nach fünf
Jahren, wenn diese Frist nicht nach Maßgabe des § 231 AO
1977 unterbrochen wird. Es ist nicht strittig und bedarf keiner
weiteren Ausführung, dass hier als Unterbrechungstatbestand
allein in Betracht kommt, dass das FA 1994
Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat (§ 231 Abs. 1 Satz
1 AO 1977); denn seine vorangegangenen Maßnahmen haben die
Verjährung nicht unterbrechen können, weil sie passive
Handlungsfähigkeit der Klägerin verlangten (vgl.
Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 231 Rz. 3), welche diese
damals nicht besaß. Zu entscheiden ist also allein, ob die
zur Vollstreckung der Steuerfestsetzung verfügte Pfändung
und Verwertung der Wertpapiere, die für die Tochter des X bei
einer Bank aufbewahrt und im Rahmen des Strafverfahrens gegen X
dort beschlagnahmt worden waren, die Zahlungsverjährung
unterbrochen haben, obwohl die Klägerin damals nicht
handlungsfähig war.
Der Ansicht des FG, welches diese Frage
verneint hat, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Sie wird
weder durch den Wortlaut noch durch den Sinn des § 231 AO 1977
gestützt.
Vollstreckungsmaßnahmen können ihre
die Unterbrechung der Verjährung herbeiführende Wirkung
auch ohne Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner entfalten
(vgl. Senatsurteil in BFHE 158, 310, 316, BStBl II 1990, 44 = SIS 90 06 49), sofern sie in anderer Weise Außenwirkung haben.
Das gilt jedenfalls dann, wenn sie ihrer Zielrichtung nach ein
Tätigwerden gegenüber Dritten erfordern, wie z.B. eine
Anfrage nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des
Zahlungspflichtigen, aber auch Vollstreckungsmaßnahmen in bei
Dritten befindliches Schuldnervermögen (Senatsurteil vom
24.9.1996 VII R 31/96, BFHE 181, 259, BStBl II 1997, 8 = SIS 97 03 66). Dass insbesondere die Wohnsitzanfrage nach dem Gesetz
verjährungsunterbrechende Wirkung hat, obgleich bei ihr eine
Benachrichtigung des Steuerschuldners naturgemäß
ausgeschlossen ist, zeigt klar und deutlich, dass jene Wirkung
durch ein bestimmtes, nach außen tretendes Handeln des FA
ausgelöst werden kann und nicht etwa ihrem Wesen nach zwingend
auch eine (passive) Handlung des Steuerschuldners verlangt. Es
trifft - wie gerade die Wohnsitzanfrage zeigt - auch nicht zu, dass
Maßnahmen nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung
haben, wenn sie gegenüber dem Steuerpflichtigen vorgenommen
werden (so aber Frotscher in Schwarz, AO, § 231 Rz. 4 unter
irrtümlicher Berufung auf das Urteil des Senats vom 23.4.1991
VII R 37/90, BFHE 164, 392, BStBl II 1991, 742 = SIS 91 17 47).
Es ist dann aber nicht einsichtig, warum
gleichwohl der Wirkungseintritt stets oder jedenfalls bei der hier
fraglichen Pfändungsmaßnahme, welche zu diesen nicht
gegenüber dem Steuerpflichtigen vorzunehmenden Maßnahmen
gehört (§ 312 AO 1977), passive Handlungsfähigkeit
des Steuerschuldners erfordern sollte, mag diese auch bei
verjährungsunterbrechenden Handlungen, die ihrer Natur nach
gegenüber dem Steuerschuldner vorgenommen werden müssen,
wie z.B. Zahlungsaufforderung und Vollstreckungsaufschub (dazu das
Urteil in BFHE 164, 392, BStBl II 1991, 742 = SIS 91 17 47),
erforderlich sein.
Zwar ist allen Unterbrechungstatbeständen
gemeinsam, dass es sich um nach außen wirkende
Maßnahmen handelt, welches Erfordernis der Senat aus der
Rechtssicherheit hergeleitet hat; denn bei nur innerdienstlichen
Maßnahmen des FA sei für den Betroffenen nicht mit der
erforderlichen Klarheit feststellbar, ob der Zahlungsanspruch durch
Verjährung erloschen ist oder ob er wegen Unterbrechung der
Verjährung weiterhin zur Leistung verpflichtet ist (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 164, 392, BStBl II 1991, 742 = SIS 91 17 47,
und in BFHE 181, 259, BStBl II 1997, 8 = SIS 97 03 66). Daraus kann
indes nicht, wie es offenbar dem FG vorschwebte, gefolgert werden,
bei fehlender passiver Handlungsfähigkeit des Steuerschuldners
könne die Verjährungsfrist vom FA nicht unterbrochen
werden, was mitunter auch zu im Ergebnis wenig befriedigenden
Rechtsfolgen führen würde. Anders als das FG offenbar
meint, fehlt es an der „Feststellbarkeit“ der
Tatsache und des genauen Zeitpunkts der
Verjährungsunterbrechung bei Erlass einer
Pfändungsverfügung und damit - anders als unter
Umständen bei rein innerdienstlichen Vorgängen - an der
genauen Bestimmbarkeit des Verjährungseintritts nicht deshalb,
weil die Klägerin und Vollstreckungsschuldnerin mangels
Handlungsfähigkeit im Zeitpunkt der Vollstreckung nicht in der
Lage gewesen sein mag, diese Feststellung tatsächlich zu
treffen.
Zu Gunsten der Rechtsansicht des FG lässt
sich auch nichts daraus herleiten, dass auch Realakte nur
Rechtsfolgen zeitigen mögen, wenn sie gegenüber einem
Handlungsfähigen vorgenommen werden (so etwa Kögel in
Beermann/Gosch, AO § 231 Rz. 7). Denn die hier strittige
Pfändung war nicht gegenüber der Klägerin, sondern
gegenüber einem Dritten vorzunehmen (§ 312 AO 1977),
dessen Handlungsfähigkeit nicht zweifelhaft ist. Die
allenfalls hinzugetretene - vom FG nicht festgestellte -
Benachrichtigung der Klägerin in entsprechender Anwendung des
§ 286 Abs. 3 AO 1977 (dazu Klein/Brockmeyer, a.a.O., §
312 Rz. 2) ist kein Erfordernis einer wirksamen
Wertpapierpfändung; mangelnde Handlungsfähigkeit der
Klägerin bei ihrer Entgegennahme hätte deshalb die
Unterbrechungswirkung nicht berührt.
C. Das Urteil des FG ist nach alledem zu
ändern, insoweit dieses den angefochtenen Bescheid
geändert hat; die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.