Säumniszuschlag, keine Überprüfung im Abrechnungsverfahren, Schätzung durch FG: 1. Im Abrechnungsverfahren kann nicht geprüft werden, ob das FA die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids bezüglich bereits verwirkter Säumniszuschläge hätte aufheben müssen. - 2. Hält das FG die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das FA für rechtswidrig, hat es eine eigene Schätzung vorzunehmen. - Urt.; BFH 18.4.2006, VII R 77/04; SIS 06 23 08
I. Nachdem der Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) für das Jahr 1996 keine
Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, schätzte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die
Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit auf
... DM und setzte die Einkommensteuer mit Steuerbescheid vom
7.9.1998 auf ... DM fest. Der noch zu entrichtende Steuerbetrag von
... DM war zum 12.10.1998 fällig. Der Kläger legte
Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV),
die das FA jedoch mit Bescheid vom 12.11.1998 ablehnte, da auch zu
diesem Zeitpunkt noch keine Einkommensteuererklärung des
Klägers vorlag.
Der Kläger reichte am 26.11.1998 die
Einkommensteuererklärung ein. Am 15.12.1998 legte er gegen die
Ablehnung der AdV Einspruch ein, den das FA wegen der
zwischenzeitlich erfolgten Bearbeitung der
Einkommensteuererklärung des Klägers und der
entsprechenden Einbuchung als erledigt ansah. Mit
Änderungsbescheid vom 7.1.1999 setzte das FA unter
Zugrundelegung der erklärten Einkünfte in Höhe von
... DM die Einkommensteuer auf ... DM fest.
Für die Monate Oktober und November
1998 berechnete das FA verwirkte Säumniszuschläge zur
Einkommensteuer in Höhe von 1.800 DM (2 x 900 DM). Den Antrag
des Klägers auf Aufhebung der Säumniszuschläge
lehnte das FA mit Bescheid vom 30.9.1999 ab; der Einspruch des
Klägers blieb ohne Erfolg.
Auf die hiergegen erhobene Klage setzte das
Finanzgericht (FG) unter entsprechender Änderung des Bescheids
vom 30.9.1999 die Säumniszuschläge in der Höhe fest,
wie sie sich bei Durchführung einer ordnungsgemäßen
Schätzung ergeben hätten, und gab dem FA auf, diesen
Betrag unter Beachtung der Entscheidungsgründe (die in EFG
2004, 699 = SIS 04 13 11 veröffentlicht sind) zu
berechnen.
Mit seiner Revision macht das FA geltend,
dass im Abrechnungsverfahren über das Vorliegen der
Voraussetzungen des § 240 der Abgabenordnung (AO 1977) und
darüber entschieden werden könne, ob und ab wann die
Vollziehung des Einkommensteuerbescheids tatsächlich
ausgesetzt gewesen sei oder ob Erlöschensgründe wie
Zahlung, Aufrechnung oder Erlass vorgelegen hätten. Dagegen
könne in diesem Verfahren nicht die Frage entschieden werden,
ob eine nicht realisierte frühere AdV oder eine Aufhebung der
Vollziehung gerechtfertigt oder in Betracht gekommen
wäre.
II. Die Revision des FA ist begründet;
sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - entsprechend).
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass
der Gegenstand des Streitfalls ein (rechtswidriger und deshalb zu
ändernder) Abrechnungsbescheid ist.
1. Nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977
entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die
die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem
Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO 1977) betreffen, durch
einen Verwaltungsakt (Abrechnungsbescheid). Der Abrechnungsbescheid
gemäß § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 enthält
lediglich die Feststellung, ob und inwieweit der festgesetzte
Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bereits verwirklicht
(= erfüllt) oder noch zu verwirklichen ist; d.h. er
entscheidet darüber, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung
durch Zahlung, Aufrechnung, Verrechnung, Erlass, Eintritt der
Zahlungsverjährung oder ob eine Schuld bereits vor der
Begründung der Zahlungspflicht oder infolge von
Vollstreckungsmaßnahmen erloschen ist (ständige
Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 12.8.1999 VII R 92/98, BFHE
189, 331, BStBl II 1999, 751 = SIS 99 24 36, m.w.N.).
Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist
es als Ausnahme von diesem Grundsatz in der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass der Abrechnungsbescheid bei
Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung
von Säumniszuschlägen unter dem Gesichtspunkt der
Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes nicht nur
über den Fortbestand der Zahlungsverpflichtung, sondern auch
darüber entscheidet, ob Säumniszuschläge
überhaupt und ggf. in welcher Höhe sie entstanden sind
(Senatsurteil in BFHE 189, 331, BStBl II 1999, 751 = SIS 99 24 36,
m.w.N.). Damit wird ein zusätzliches Regelungsbedürfnis
hinsichtlich des Entstehens von Säumniszuschlägen
anerkannt, soweit es einer Überprüfung des Entstehens
dieser Säumniszuschläge nach Grund und Höhe bedarf.
Das betrifft insbesondere die Fragen, ob die gesetzlichen
Voraussetzungen für die Entstehung von
Säumniszuschlägen nach § 240 AO 1977 erfüllt
sind oder ob außerhalb der Verwirklichung des Tatbestandes
des § 240 AO 1977 trotz Bestehens einer Säumnis
Umstände vorliegen, die das Entstehen von
Säumniszuschlägen hindern, z.B. weil für bestimmte
Zeiträume, für die sie erhoben werden könnten,
Stundung oder AdV gewährt worden ist oder soweit sich die
Parteien über die Wirkung einer AdV oder eines
Vollstreckungsaufschubes im Hinblick auf die Verwirkung von
Säumniszuschlägen streiten.
2. Um streitige Fragen dieser Art geht es
vorliegend allerdings nicht. Ausgehend von seinem - unzutreffenden
- Rechtsstandpunkt, dass für den Streitfall das Klageverfahren
gegen den Abrechnungsbescheid die angemessene Verfahrensform sei,
hat das FG unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger
nicht in Abrede stellt, dass Säumniszuschläge in der
streitigen Höhe verwirkt worden sind, sondern dass sein
Begehren erkennbar auf die teilweise Aufhebung der verwirkten
Säumniszuschläge für die Monate Oktober und November
1998 gerichtet ist.
a) Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 (in
der im Streitjahr geltenden Fassung) ist, wenn eine Steuer nicht
bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird, für
jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag
von 1 v.H. des rückständigen auf 100 DM nach unten
abgerundeten Steuerbetrags zu entrichten.
Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes, wenn die
Tatbestandsvoraussetzungen der Säumnis verwirklicht sind;
einer Festsetzung der Säumniszuschläge durch das FA
bedarf es nicht (Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl., § 240 Rz.
11; Senatsurteil in BFHE 189, 331, BStBl II 1999, 751 = SIS 99 24 36).
Nach den Feststellungen des FG hatte der
Kläger den mit dem Einkommensteuerbescheid vom 7.9.1998
angeforderten Zahlbetrag nicht bis zum Ablauf des
Fälligkeitstages am 12.10.1998 entrichtet und war diesen
Betrag auch noch im November 1998 schuldig geblieben. Auch wenn man
mit dem FG davon ausgehen wollte, dass das FA mit seiner
Schätzung der Besteuerungsgrundlagen den zulässigen
Schätzungsrahmen überschritten hatte, so war der
Steuerbescheid vom 7.9.1998, aus dem sich der zum 12.10.1998
fällige Zahlungsbetrag ergab, gleichwohl wirksam. Es spricht
nichts dafür - und auch das FG hat dies letztlich nicht
angenommen -, dass der Steuerbescheid nichtig war, denn selbst
grobe Schätzungsfehler führen regelmäßig nicht
zur Nichtigkeit der darauf beruhenden Bescheide (BFH-Beschluss vom
14.4.1989 III B 5/89, BFHE 156, 376, BStBl II 1990, 351 = SIS 89 14 20). Die hier streitigen Säumniszuschläge waren daher
durch Nichtentrichtung des fälligen Steuerbetrags in den
Monaten Oktober und November 1998 gemäß § 240 Abs.
1 Satz 1 AO 1977 verwirkt.
Anders als das FG meint, wird zwar durch die
AdV die Fälligkeit des zu entrichtenden Steuerbetrags, die
Voraussetzung für das Entstehen von
Säumniszuschlägen ist, nicht hinausgeschoben
(Senatsurteile vom 17.9.1987 VII R 50-51/86, BFHE 151, 304, BStBl
II 1988, 366 = SIS 88 13 54; vom 25.4.1989 VII R 36/87, BFHE 156,
392, BStBl II 1990, 352 = SIS 89 14 42); gleichwohl ist es
anerkannt, dass während der Dauer der AdV
Säumniszuschläge nicht entstehen, da als
„Vollziehung“ nicht nur die zwangsweise
Durchsetzung, sondern jedes Gebrauchmachen vom Regelungsinhalt
eines Verwaltungsakts, also auch das Entstehen von
Säumniszuschlägen, anzusehen ist (Klein/Rüsken,
a.a.O., § 240 Rz. 18; Senatsurteile vom 31.8.1995 VII R 58/94,
BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55 = SIS 95 22 50; vom 30.3.1993 VII
R 37/92, BFH/NV 1994, 4; BFH-Beschluss vom 10.12.1986 I B 121/86,
BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389 = SIS 87 09 51). Allerdings wirkt
die AdV grundsätzlich nur für die Zukunft, weshalb in der
Vergangenheit bereits eingetretene Vollziehungsmaßnahmen mit
der Gewährung der AdV nicht beseitigt werden können
(Senatsurteil in BFH/NV 1994, 4 = SIS 87 06 08; Senatsbeschluss vom
10.5.2002 VII B 244/01, BFH/NV 2002, 1125 = SIS 02 86 81). Soweit
also der angefochtene Verwaltungsakt, dessen Vollziehungsaussetzung
beantragt worden ist, bereits vollzogen worden ist, wozu - wie
ausgeführt - auch der Anfall von Säumniszuschlägen
gemäß § 240 AO 1977 zählt, bleiben diese
Rechtsfolgen der Säumnis auch im Fall einer Gewährung der
AdV grundsätzlich bestehen und können nur im Wege der
Aufhebung der Vollziehung beseitigt werden. Maßgebend
für den Zeitpunkt, ab dem die Vollziehungswirkungen des
Verwaltungsakts aufzuheben sind, ist die Feststellung, ab wann
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsakts bestanden haben. Auf diese Weise kann die allein
durch die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen des §
240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 eintretende Verwirkung von
Säumniszuschlägen mit Rückwirkung - ggf. ab dem
Zeitpunkt der Fälligkeit des Steuerbetrags - aufgehoben werden
(vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 240 Rz. 19, m.w.N.;
Senatsurteil in BFH/NV 1994, 4 = SIS 87 06 08; Senatsbeschluss in
BFH/NV 2002, 1125 = SIS 02 86 81; BFH-Beschluss in BFHE 149, 6,
BStBl II 1987, 389 = SIS 87 09 51). Diese Aufhebungsbefugnis steht
auch dem FA im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 361 AO
1977 zu (Senatsurteil in BFH/NV 1994, 4 = SIS 87 06 08).
Im Streitfall hat das FA allerdings die vom
Kläger beantragte AdV zunächst abgelehnt und hat
später die hinsichtlich der Verwirkung der
Säumniszuschläge bereits eingetretene Vollziehung des
Steuerbescheids vom 7.9.1998 erst mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der
Abgabe der Einkommensteuererklärung aufgehoben. Somit sind die
für die Monate Oktober und November 1998 bereits verwirkten
Säumniszuschläge bestehen geblieben.
b) All dies hat der Kläger nicht
bestritten. Ihm geht es allein darum, dass die für die Monate
Oktober und November 1998 entstandenen Säumniszuschläge
teilweise wieder aufgehoben werden, nämlich insoweit, als sie
auf dem mit Steuerbescheid vom 7.9.1998 angeforderten zu hohen
Steuerbetrag beruhen. Dieses Ziel kann der Kläger nicht durch
einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids und die
anschließende Anfechtung des Abrechnungsbescheids erreichen.
Der Ansicht des FG, dass das FA die Vollziehung des Steuerbescheids
vom 7.9.1998 bereits mit Wirkung ab Fälligkeit des
Steuerbetrags hätte aufheben müssen und dass der
Kläger dies mit Erfolg auch im Anfechtungsverfahren gegen den
Abrechnungsbescheid geltend machen könne, folgt der Senat
nicht.
Auch wenn die
Verwirkung von Säumniszuschlägen streitig und Gegenstand
eines Abrechnungsbescheids ist, ist der Abrechnungsbescheid -
ebenso wie bei anderen Ansprüchen aus dem
Steuerschuldverhältnis - lediglich ein Abbild der im Zeitpunkt
seines Erlasses bestehenden Anspruchssituation. Mit einem
Abrechnungsbescheid über Säumniszuschläge wird
dargestellt, ob und in welcher Höhe Säumniszuschläge
entstanden sind und ob ggf. die entsprechende Zahlungsverpflichtung
zwischenzeitlich durch den Eintritt eines der in § 47 AO 1977
genannten Erlöschensgründe erloschen ist. Einwendungen
gegen die materielle Richtigkeit der Steuerfestsetzung, aus der
sich die im Abrechnungsbescheid aufgeführten Ansprüche
aus dem Steuerschuldverhältnis ergeben, können indes im
Abrechnungsverfahren nicht geltend gemacht werden (vgl.
Senatsurteile vom 22.7.1986 VII R 10/82, BFHE 147, 117, BStBl II
1986, 776 = SIS 86 22 50; vom 28.4.1992 VII R 33/91, BFHE 168, 206,
BStBl II 1992, 781 = SIS 92 17 06). Aus dem vom FG angeführten
Senatsurteil vom 24.3.1992 VII R 39/91 (BFHE 168, 300, BStBl II
1992, 956 = SIS 92 18 28) folgt nichts anderes. In jenem Fall hatte
sich der rückständige Steuerbetrag nicht durch eine
Änderung der Steuerfestsetzung, sondern durch eine
nachträgliche Anrechnung von Steuern geändert; so liegt
der Streitfall jedoch nicht.
Das FG hat
daher - jedenfalls in Anbetracht des von ihm angenommenen
Klageverfahrens gegen einen vom FA erlassenen Abrechnungsbescheid -
zu Unrecht darauf abgestellt, dass seiner Ansicht nach das FA mit
dem Steuerbescheid vom 7.9.1998 die Besteuerungsgrundlagen in
rechtswidriger Weise zu hoch geschätzt habe und es deshalb
bereits ab Fälligkeit der Steuerforderung die entstandenen
Säumniszuschläge im Wege der Aufhebung der Vollziehung
oder des Erlasses - jedenfalls zum Teil - hätte aufheben
müssen. Wie ausgeführt, wird mit einem
Abrechnungsbescheid dargestellt, welche Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis im Zeitpunkt seines Erlasses noch
bestehen, nicht aber welche Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis richtigerweise bestünden, wenn die
Steuerfestsetzung rechtmäßig erfolgt wäre. Für
die Verwirkung von Säumniszuschlägen kommt es daher
allein darauf an, ob die Vollziehung des Steuerbescheids vom FA
tatsächlich ausgesetzt bzw. aufgehoben wurde, und nicht auf
die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Aussetzung oder
Aufhebung der Vollziehung (Klein/Rüsken, a.a.O., § 240
Rz. 19).
c) Die
begehrte teilweise Aufhebung der für die Monate Oktober und
November 1998 verwirkten Säumniszuschläge kann der
Kläger nur erreichen, indem er sein AdV-Verfahren in Gestalt
eines nunmehr auf Aufhebung der Vollziehung umgestellten Antrags
weiterverfolgt. Im Abrechnungsverfahren kann der Kläger mit
diesem Begehren hingegen keinen Erfolg haben. Warum - wie es das FG
meint - es dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar sei, ein durch
Erlass eines Änderungsbescheids erledigtes AdV-Verfahren zur
Abwehr der Säumnisfolgen durch einen Antrag auf Aufhebung der
Vollziehung weiterzuführen, und warum insoweit das
Abrechnungsverfahren das sachnähere Verfahren zur Klärung
der Säumnisfragen sein soll, ist nicht ersichtlich.
3. Die Klage
wäre nach alledem abzuweisen, wenn sie sich gegen einen
Abrechnungsbescheid richtete. Das FG hat allerdings zu Unrecht
angenommen, dass der angefochtene Bescheid des FA vom 30.9.1999 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.4.2003 als ein
Abrechnungsbescheid anzusehen ist.
Die Frage,
welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist in entsprechender
Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach
seinem objektiven Erklärungswert zu beantworten, so dass es
grundsätzlich nicht darauf ankommt, was die Behörde mit
ihrer Regelung gewollt hat, sondern wie sie der Empfänger nach
den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von
Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. BFH-Urteil vom 18.7.1994 X
R 33/91, BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4 = SIS 94 24 17, m.w.N.).
Im Streitfall hat das FG als Tatsacheninstanz den Inhalt des
Bescheids vom 30.9.1999 nicht unter Berücksichtigung seines
objektiven Erklärungswerts bestimmt, sondern ist davon
ausgegangen, dass der Bescheid „unstreitig ein
Abrechnungsbescheid i.S. von § 218 Abs. 2 AO 1977“
sei. Der Umstand, dass beide Beteiligten übereinstimmend vom
Vorliegen eines Abrechnungsbescheids ausgingen, machte die gebotene
Auslegung des Bescheids nach seinem objektiven Erklärungswert
jedoch nicht entbehrlich. Der Senat kann die unterbliebene
Auslegung daher selbst vornehmen (vgl. Senatsurteil vom 23.3.2000
VII R 12/99, BFH/NV 2000, 1263 = SIS 00 59 88).
Es bestand aus
der Sicht des Klägers als Empfänger des Bescheids vom
30.9.1999 - insbesondere in Anbetracht der Funktion eines
Abrechnungsbescheids, wie sie sich aus den obigen Ausführungen
ergibt - kein Grund anzunehmen, dass das FA einen
Abrechnungsbescheid erlassen wollte, zumal der Kläger mit
seinem Schreiben vom 14.9.1999 nicht ausdrücklich einen
Abrechnungsbescheid beantragt, sondern den Antrag gestellt hatte,
die Säumniszuschläge von 1.800 DM
„zurückzubuchen“, wobei er sich auf die
zwischenzeitlich geänderte niedrigere Steuerfestsetzung
bezogen hatte. Da der Kläger - wie ausgeführt - dieses an
das FA gerichtete Begehren, die für die Monate Oktober und
November 1998 bereits verwirkten Säumniszuschläge von
1.800 DM aufzuheben, nicht durch einen Antrag auf Erlass eines
Abrechnungsbescheids, sondern durch einen Antrag auf Aufhebung der
Vollziehung erreichen konnte, ist in seinem Schreiben vom 14.9.1999
ein solcher Antrag zu sehen, den das FA mit Bescheid vom 30.9.1999
abgelehnt und nicht etwa durch den Erlass eines
Abrechnungsbescheids beschieden hat, denn weder wurde der Begriff
„Abrechnungsbescheid“ in dem Bescheid vom
30.9.1999 oder in der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung
verwendet noch enthielt der Bescheid inhaltlich eine Darstellung
der Verwirklichung von Ansprüchen aus dem
Steuerschuldverhältnis, sondern allein die Ablehnung des
Antrags auf Aufhebung der Säumniszuschläge.
Da nach
ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung von Rechtsbehelfen
grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige
den Rechtsbehelf einlegen wollte, der seinen Belangen entspricht
und zu dem von ihm angestrebten Erfolg führen kann (vgl.
BFH-Urteil vom 18.12.1985 I R 30/85, BFH/NV 1986, 675;
BFH-Beschluss vom 31.1.2000 V B 190/99, BFH/NV 2000, 872 = SIS 00 56 72; Senatsbeschluss vom 17.7.1996 VII R 43/96, BFH/NV 1997, 50),
ist der vorliegende, als „Klage“ bezeichnete
Rechtsbehelf des Klägers als ein an das FG gerichteter Antrag
auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3
Satz 3 FGO anzusehen. Es bestand kein Anlass, über das
klägerische Begehren im Rahmen einer gegen einen
Abrechnungsbescheid gerichteten Anfechtungsklage zu entscheiden.
Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen, damit
über den Antrag des Klägers auf Aufhebung der Vollziehung
in dem dafür vorgesehenen Beschlussverfahren (§ 69 Abs. 7
FGO) entschieden werden kann.
In Anbetracht
des Tenors des angefochtenen FG-Urteils und in entsprechender
Anwendung des § 126 Abs. 5 FGO weist der Senat darauf hin,
dass das FG, wenn es die dem Steuerbescheid vom 7.9.1998 zugrunde
liegende Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für
rechtswidrig hält, eine eigene Schätzung gemäß
§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO 1977 vorzunehmen
hat (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 162 Rz. 58, m.w.N.;
Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96
Rz. 19). Der Tenor eines gemäß § 69 Abs. 3 FGO zu
erlassenden Beschlusses muss eindeutig ergeben, in welchem Umfang
die in Form von Säumniszuschlägen bereits eingetretenen
Vollziehungsmaßnahmen des Steuerbescheids vom 7.9.1998
aufgehoben werden. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, den das FG
herangezogen hat, erlaubt es nur, dem FA das reine Rechenwerk,
nicht aber die Entscheidung über die maßgebenden Sach-
oder Rechtsfragen zu überlassen (vgl. Gräber/von Groll,
a.a.O., § 100 Rz. 30).
4. Die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens wird in entsprechender Anwendung des § 143
Abs. 2 FGO dem FG übertragen. Da - wie ausgeführt - der
Rechtsbehelf des Klägers nicht als eine Klage gegen einen
Abrechnungsbescheid, sondern als ein an das FG gerichteter Antrag
auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3
Satz 3 FGO anzusehen ist, handelt es sich bei den im
Revisionsverfahren entstandenen Kosten um solche, die bei richtiger
Behandlung der Sache nicht entstanden wären und die daher nach
§ 8 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung
der Bekanntmachung vom 15.12.1975 (BGBl I 1975, 3047) nicht erhoben
werden. Hierüber kann der Senat bei Zurückverweisung an
das FG selbst entscheiden (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O.,
§ 143 Rz. 23).