Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 17.06.2021 - 8 K 364/21
GrE = SIS 21 11 94 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kirchengemeinde mit
dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Sie wurde durch Urkunde des zuständigen Bischofs vom
XX.XX.XXXX (Errichtungsurkunde) errichtet. Nach Nr. 1 der
Errichtungsurkunde wurde die Klägerin nach Anhörung aller
unmittelbar Beteiligten und des Priesterrats (gemäß can.
515 § 2 Codex Iuris Canonici - CIC - ) durch die Vereinigung
verschiedener Kirchengemeinden, unter anderem der Kirchengemeinde A
und der Kirchengemeinde B neu errichtet (gemäß can. 121
CIC). Die vereinigten Kirchengemeinden waren ebenfalls
Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nach Nr. 3 der
Errichtungsurkunde wurden das gesamte Vermögen der vereinigten
Kirchengemeinden (einschließlich aller Forderungen,
Verbindlichkeiten und Immobilien), die Kirchenbücher und die
Akten der Klägerin zugeführt. Durch Urkunde vom
YY.YY.YYYY erkannte der zuständige Regierungspräsident
die bischöfliche Urkunde an, sodass nach §§ 1, 4, 6
der Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der
Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden zwischen
dem Land Nordrhein-Westfalen und den Diözesen im Land
Nordrhein-Westfalen vom 21.11.1960 (Gesetz- und Verordnungsblatt
für das Land Nordrhein-Westfalen 1960, Ausgabe A, Nr. 46, S.
426 - KathKiGemVbgBek
NW - ) die Klägerin mit diesem Tag die Rechte einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts erhielt.
|
|
|
2
|
Die Kirchengemeinde A war mit 80 % und die
Kirchengemeinde B mit 20 % am Stammkapital der grundbesitzenden
F-GmbH beteiligt. Die F-GmbH erwarb, errichtete und betrieb
katholische caritative Einrichtungen. Die F-GmbH war
Alleingesellschafterin der ebenfalls grundbesitzenden
F-Krankenhaus-GmbH. Einige der Grundstücke lagen weder im
Zuständigkeitsbereich des vormals beteiligten Finanzamts noch
im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ), in dessen Bezirk sich die Klägerin
befindet.
|
|
|
3
|
Vor der Errichtung der Klägerin hatte
die F-GmbH einen Antrag auf verbindliche Auskunft beim
zuständigen Finanzamt bezüglich der
grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung gestellt und mitgeteilt,
die Kirchengemeinde A beabsichtige, ihre Anteile an der F-GmbH
unentgeltlich auf die Kirchengemeinde B zu übertragen. Das
zuständige Finanzamt teilte der F-GmbH am 26.04.2007 mit, dass
dieser Vorgang nach § 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in
der im Streitzeitraum gültigen Fassung (GrEStG)
grunderwerbsteuerbefreit sei.
|
|
|
4
|
Nach einer Außenprüfung
betreffend die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die
Grunderwerbsteuer und die Grundbesitzwerte war der Prüfer der
Auffassung, durch den Übergang des Kirchenvermögens auf
die Klägerin seien 100 % der Anteile an der F-GmbH in der Hand
der Klägerin vereinigt worden. Dabei handle es sich um einen
nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang.
Betroffen seien sowohl die Grundstücke der F-GmbH als auch die
der F-Krankenhaus-GmbH. Im Betriebsprüfungsbericht vom
13.03.2013 waren die betroffenen Grundstücke und die zur
Grunderwerbsteuerfestsetzung berufenen Finanzämter
aufgeführt.
|
|
|
5
|
Am 18.04.2013 erließ das damals
zuständige Finanzamt einen Bescheid über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die
Grunderwerbsteuer. In dem Feststellungsbescheid gab es an, die
Besteuerungsgrundlagen würden „gem. § 17 GrEStG
gesondert festgestellt für die Vereinigung der Anteile durch
die Urkunde des Bischofs von X vom XX.XX.XXXX und der
Zustimmungsurkunde des zuständigen Regierungspräsidenten
von Y vom YY.YY.YYYY am XX.XX.XXXX
(Steuerstichtag)“ und den durch die
„Vereinigung der Anteile i.S.v. § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2
GrEStG“ der „F-GmbH, Z verwirklichten
Erwerbsvorgang“. Dem Bescheid beigefügt
war als Anlage der Betriebsprüfungsbericht mit dem Hinweis,
dieser sei Bestandteil des Bescheids.
|
|
|
6
|
Der hiergegen erhobene Einspruch wurde als
unbegründet zurückgewiesen. Das Klageverfahren vor dem
Finanzgericht (FG), währenddessen es zu einem gesetzlichen
Beteiligtenwechsel kam, blieb erfolglos (Urteil des FG Münster
vom 07.06.2017 - 8 K 3992/14 GrE = SIS 17 15 04). Der Bundesfinanzhof (BFH) hob mit Urteil vom
04.03.2020 - II R 35/17 (BFHE 268, 545, BStBl II 2020, 514 = SIS 20 07 75) das FG-Urteil vom 07.06.2017 - 8 K 3992/14 GrE, die
Einspruchsentscheidung vom 14.11.2014 und den Feststellungsbescheid
vom 18.04.2013 auf, weil seiner Auffassung nach der im
Feststellungsbescheid vom 18.04.2013 angegebene Steuerstichtag
(XX.XX.XXXX) unzutreffend war. Zutreffender Steuerstichtag sei der
YY.YY.YYYY, weil die Klägerin erst zu diesem Zeitpunkt durch
die Anerkennung des Regierungspräsidenten rechtlich wirksam
errichtet worden sei.
|
|
|
7
|
Am 27.08.2020 erließ das FA unter
Berufung auf § 174 Abs. 4 Satz 1 und 2 der Abgabenordnung (AO)
einen neuen Bescheid über die gesonderte Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer, diesmal auf
den Stichtag YY.YY.YYYY. Unter
„Erläuterungen“ führte das FA
an, es sei bei Erlass des Bescheids vom 18.04.2013 davon
ausgegangen, dass die Kirchenvereinigung mit Anordnung des
zuständigen Bischofs vom XX.XX.XXXX vollzogen worden sei.
Dieser Irrtum habe zur Aufhebung des Bescheids durch den BFH
geführt. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 und 2 AO könnten,
da aufgrund irriger Beurteilung des Steuerstichtags der
Feststellungsbescheid vom 18.04.2013 aufgrund eines Rechtsbehelfs
der Klägerin aufgehoben worden sei, durch Erlass des neuen
Feststellungsbescheids die richtigen steuerlichen Folgen gezogen
werden. Im Übrigen entsprachen Inhalt und Feststellungen im
Bescheid vom 27.08.2020 denen im Feststellungsbescheid vom
18.04.2013.
|
|
|
8
|
Der gegen den Feststellungsbescheid vom
27.08.2020 erhobene Einspruch wurde als unbegründet
zurückgewiesen (Einspruchsentscheidung vom 18.01.2021). Die
Klage vor dem FG blieb ebenfalls erfolglos. Das Urteil ist in EFG
2021, 1571 = SIS 21 11 94
veröffentlicht.
|
|
|
9
|
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
eine Verletzung von § 1 Abs. 3 Nr. 2, § 3 Nr. 2 und
§ 4 Nr. 1 GrEStG geltend. Der Vorgang sei nicht nach § 1
Abs. 3 Nr. 2 GrEStG steuerbar. Die Überführung der
Geschäftsanteile beruhe nicht auf einem Rechtsvorgang des
bürgerlichen oder öffentlichen Rechts, wie es die
Vorschrift voraussetze. Die Errichtung der Klägerin durch das
bischöfliche Dekret vom XX.XX.XXXX sei ein rein
innerkirchlicher Vorgang. Die staatliche Anerkennung vom YY.YY.YYYY
beschränke sich nach § 6 KathKiGemVbgBek NW auf die
Anerkennung der neu errichteten Kirchengemeinde als
Körperschaft des öffentlichen Rechts, betreffe aber nicht
die Zuweisung des Kirchenvermögens.
|
|
|
10
|
Zudem stünde das kirchliche
Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 des Grundgesetzes - GG - i.V.m.
Art. 137 Abs. 3 der Verfassung des Deutschen Reichs - WRV - ) einer
Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG
auf die veränderte Zuordnung von Grundstücken allein auf
Grundlage innerkirchlicher Rechtsvorgänge entgegen. Bei der
Vereinigung und Neugründung von Kirchengemeinden nach
Kirchenrecht nähmen die Kirchen deshalb nicht am allgemeinen
Rechtsverkehr teil (vgl. Beschluss des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg vom 21.06.1982 - 2 W 6/81). Eine
erhebliche steuerliche Belastung mit Grunderwerbsteuer würde
sie davon abhalten, aufgrund des demographischen Wandels notwendige
Umstrukturierungsmaßnahmen durchzuführen und stelle
deshalb eine faktische Beschränkung ihres
Selbstbestimmungsrechts dar. Sie sei nicht nur hinsichtlich des
„Wie“ der Umstrukturierungen
beschränkt, sondern bereits dahingehend,
„ob“ eine Umstrukturierung vorgenommen
werden könne. Nicht die einzelne Kirchengemeinde, sondern die
Kirche als solche sei als grunderwerbsteuerrelevanter
Rechtsträger anzusehen, sodass es bei der Neubildung von
Kirchengemeinden nie zu einem Rechtsträgerwechsel kommen
könne.
|
|
|
11
|
Jedenfalls sei der Vorgang nach § 3
Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen, da es sich um
eine freigebige Zuwendung - wie in der verbindlichen Auskunft des
zuständigen Finanzamts vom 26.04.2007 angeführt - handle.
Die Vereinigung sei nicht aufgrund einer unilateralen Entscheidung
des Bischofs, sondern durch eine zumindest von den Kirchengemeinden
mitgetragene Entscheidung erfolgt. Die Kirchengemeinden hätten
sich auch autonom vereinigen können.
|
|
|
12
|
Außerdem sei der Erwerbsvorgang nach
§ 4 Nr. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Die
Vorschrift sei nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen und auch auf
die Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden
Kapitalgesellschaft anwendbar. Der Übergang der Anteile an der
F-GmbH sei aus Anlass des Übergangs von
öffentlich-rechtlichen Aufgaben erfolgt. Die neu errichtete
Klägerin nehme anstelle der aufgelösten Gemeinden nun
alle seelsorgerischen und gottesdienstlichen Aufgaben der
bisherigen Kirchengemeinden war. Die Grundstücke dienten
caritativen Zwecken und somit nicht einem Betrieb gewerblicher Art.
Diese Befreiung von der Grunderwerbsteuer sei auch unter dem Aspekt
des verfassungsrechtlich garantierten kirchlichen
Selbstbestimmungsrechts und dem institutionellen Schutz der Kirche
geboten.
|
|
|
13
|
Der Erwerbstatbestand sei schließlich
durch eine interpolierende Betrachtungsweise nach § 3 Nr. 2
Satz 1 i.V.m. § 4 Nr. 1 GrEStG steuerbefreit. Im Streitfall
sei ursprünglich geplant gewesen, dass die Kirchengemeinde A
ihre Anteile an der F-GmbH unentgeltlich auf die Kirchengemeinde B
übertrage. Dieser Erwerbsvorgang sei als freigebige Zuwendung
steuerbefreit gewesen. Im Anschluss seien dann 100 % der Anteile an
der F-GmbH auf die Klägerin übertragen worden. Dieser
Rechtsvorgang sei nach § 4 Nr. 1 GrEStG steuerbefreit. Eine
Missbrauchsabsicht sei nicht ersichtlich.
|
|
|
14
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
die Vorentscheidung, den
Feststellungsbescheid vom 27.08.2020 und die Einspruchsentscheidung
vom 18.01.2021 aufzuheben.
|
|
|
15
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
16
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend entschieden,
dass der Feststellungsbescheid vom 27.08.2020 rechtmäßig
ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Dem
Erlass des angefochtenen Feststellungsbescheids steht keine
Feststellungsverjährung entgegen (nachfolgend unter II.1.).
Die unmittelbare Vereinigung aller Anteile an der grundbesitzenden
F-GmbH und die dadurch bedingte mittelbare Vereinigung aller
Anteile an der grundbesitzenden F-Krankenhaus-GmbH in der Hand der
Klägerin unterliegen der Grunderwerbsteuer (nachfolgend unter
II.2.). Steuerbefreiungstatbestände greifen nicht ein
(nachfolgend unter II.3.).
|
|
|
17
|
1. Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass
der Feststellungsbescheid vom 27.08.2020 nach
§ 174 Abs. 4 Satz 1 und 2 AO erlassen werden konnte und nach
§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO nicht der Ablauf der Feststellungsfrist
entgegenstand.
|
|
|
18
|
a) Ist aufgrund irriger Beurteilung eines
bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund
eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen
durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder
geändert wird, so können aus dem Sachverhalt
nachträglich durch Erlass oder Änderung eines
Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen
werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das
Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der
Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen
Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder
Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden
(§ 174 Abs. 4 Satz 1 bis 3 AO). Die Regelung findet nach
§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO sinngemäß auch auf
Feststellungsbescheide Anwendung. Eine irrige Beurteilung eines
Sachverhalts im Sinne der genannten Vorschrift liegt vor, wenn sich
die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als
unrichtig erweist. Sachverhalt im Sinne des § 174 Abs. 4 Satz
1 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche
Folgen knüpft. Der Begriff des „bestimmten
Sachverhalts“ ist dabei nicht auf eine
einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal
beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese
Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich
ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche
Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen lag. Der
Steuerpflichtige soll im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen
Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit
derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist (BFH-Urteil vom 20.11.2019 -
XI R 49/17 = SIS 20 03 01, Rz 17
f.). Eine Korrekturmöglichkeit ist im Rahmen der Ertragsteuer
danach etwa dann zu bejahen, wenn ein bestimmter Sachverhalt in
einem anderen Besteuerungszeitraum als bisher geschehen zu erfassen
ist und einem Rechtsbehelf aus diesem Grund stattgegeben wird (vgl.
BFH-Urteil vom 19.05.2005 - IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II
2005, 637 = SIS 05 25 39, unter I.2.a, zur Erfassung der
einkommensteuerrechtlichen Betriebsveräußerung im Ganzen
in einem anderen Streitjahr).
|
|
|
19
|
Hat das Finanzamt aufgrund der irrigen
Beurteilung des Stichtags, an dem die Grunderwerbsteuer entsteht,
in einem Bescheid über die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer den
Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Gesellschaft nach § 8
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist, fehlerhaft angegeben
und wurde der Feststellungsbescheid deshalb in der Folge wegen
Rechtswidrigkeit gerichtlich aufgehoben, ist der Ablauf der
Feststellungsfrist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich,
wenn das Finanzamt innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des
Feststellungsbescheids die Besteuerungsgrundlagen auf den
zutreffenden Steuerstichtag feststellt.
|
|
|
20
|
b) Nach diesen Grundsätzen konnte das FA
den Feststellungsbescheid vom 27.08.2020 erlassen. Die
Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 bis 3 AO waren
erfüllt.
|
|
|
21
|
Das FA hatte ursprünglich irrig
angenommen, dass die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile
der grundbesitzenden GmbHs bereits am Tag der Unterzeichnung der
Errichtungsurkunde (XX.XX.XXXX) verwirklicht wurde. Diesen Bescheid
hat der BFH aufgrund der Revision der Klägerin in dem
Verfahren II R 35/17 der Klägerin am 04.03.2020 aufgehoben, da
die unmittelbare Vereinigung aller Anteile der F-GmbH und die
dadurch bedingte mittelbare Vereinigung aller Anteile der
F-Krankenhaus-GmbH bei der Klägerin erst mit dem Tag der
staatlichen Anerkennung am YY.YY.YYYY wirksam wurde (BFH-Urteil vom
04.03.2020 - II R 35/17, BFHE 268, 545, BStBl II 2020, 514 = SIS 20 07 75, Rz 17). In dem nunmehr angefochtenen Feststellungsbescheid
hat das FA die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen und mit
dem YY.YY.YYYY den zutreffenden Steuerstichtag angegeben. Der
Ablauf der Feststellungsfrist stand dem nicht entgegen. Das FA hat
ihn am 27.08.2020 erlassen, somit innerhalb eines Jahres nach
Aufhebung des Feststellungsbescheids vom 18.04.2013 durch den BFH
am 04.03.2020.
|
|
|
22
|
2. Das FG hat zutreffend angenommen, dass die
unmittelbare Vereinigung aller Anteile an der grundbesitzenden
F-GmbH und die dadurch bedingte mittelbare Vereinigung aller
Anteile an der grundbesitzenden F-Krankenhaus-GmbH in der Hand der
Klägerin der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 2
GrEStG unterliegen.
|
|
|
23
|
a) Gehört zum Vermögen einer
Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt
der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG
nicht in Betracht kommt, die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar
von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft, wenn kein
schuldrechtliches Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1
GrEStG vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG).
|
|
|
24
|
Der Tatbestand knüpft zwar an die
Vereinigung von Gesellschaftsanteilen an, erfasst aber die infolge
der Vereinigung der Anteile der Gesellschaft mit Grundbesitz in
einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte
Zuordnung von Grundstücken. Derjenige, in dessen Hand sich die
Anteile vereinigen, wird so behandelt, als habe er die
Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich
in seiner Hand vereinigen (vgl. BFH-Urteil vom 04.03.2020 - II R
35/17, BFHE 268, 545, BStBl II 2020, 514 = SIS 20 07 75, Rz 13).
Die Vereinigung von Anteilen in einer Hand im Sinne von § 1
Abs. 3 Nr. 2 GrEStG setzt nicht voraus, dass der Erwerber
sämtliche Anteile der grundstücksbesitzenden Gesellschaft
unmittelbar in seine Hand bekommt. Es genügt, dass dies ganz
oder teilweise mittelbar durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft
oder mehrerer Gesellschaften geschieht, an der oder an denen der
Erwerber seinerseits direkt oder indirekt beteiligt ist (BFH-Urteil
vom 04.03.2020 - II R 35/17, BFHE 268, 545, BStBl II 2020, 514 =
SIS 20 07 75, Rz 14).
|
|
|
25
|
b) Erhält eine neu errichtete
Kirchengemeinde durch Vereinigung von Kirchengemeinden (vgl. §
1 KathKiGemVbgBek NW), die unmittelbar oder mittelbar Anteile an
grundbesitzenden Gesellschaften halten, das Vermögen der
vereinigten und anschließend aufgelösten
Kirchengemeinden (can. 121 CIC) und vereinigen sich dadurch
unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der
grundbesitzenden Gesellschaften bei der neu errichteten
Kirchengemeinde, unterliegt die Anteilsvereinigung der
Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG zu dem
Zeitpunkt, an dem die staatliche Anerkennung gemäß
§ 6 KathKiGemVbgBek NW wirksam erteilt wird.
|
|
|
26
|
Für die Erfüllung des Tatbestands
des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist es ausreichend, dass die
Anteilsvereinigung Folge des innerkirchlichen
Umstrukturierungsvorgangs ist. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG setzt
seinem Wortlaut nach gerade keinen Rechtsvorgang des
bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts voraus.
Maßgeblich ist allein der fiktive Erwerb der Grundstücke
aufgrund der Vereinigung der Anteile an der grundbesitzenden
Gesellschaft. Er knüpft nicht an den Rechtsvorgang des Erhalts
der Vermögenswerte an, sondern an die dadurch hervorgerufene
Folge der erstmaligen Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile
der grundbesitzenden Gesellschaften bei der neu errichteten
Kirchengemeinde und die dadurch hervorgerufene veränderte
Zuordnung der Grundstücke der Gesellschaften an sie.
|
|
|
27
|
Diese veränderte Zuordnung wird in dem
Zeitpunkt wirksam, in dem mit der staatlichen Anerkennung die neu
gebildete Kirchengemeinde für den staatlichen Bereich
rechtlich wirksam wird. Nach § 6 KathKiGemVbgBek NW
erhält die neu gebildete Kirchengemeinde ab dem Zeitpunkt der
staatlichen Anerkennung den Status einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts. Sie kann infolgedessen am Rechtsverkehr
teilnehmen und den Grunderwerbsteuertatbestand nach § 1 Abs. 3
Nr. 2 GrEStG verwirklichen. Die staatliche Anerkennung entfaltet
die Wirkungen einer Genehmigung im Sinne des § 14 Nr. 2
GrEStG. Die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG
entsteht somit zu dem Zeitpunkt, der in der kirchlichen
Errichtungsurkunde angegeben ist, frühestens jedoch an dem
Tage der staatlichen Anerkennung. Von diesem Zeitpunkt an kann die
neu errichtete Kirchengemeinde Schuldnerin der Grunderwerbsteuer im
Sinne des § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG sein (vgl. BFH-Urteil
vom 04.03.2020 - II R 35/17, BFHE 268, 545, BStBl II 2020, 514 =
SIS 20 07 75, Rz 18).
|
|
|
28
|
c) Die Besteuerung der Vereinigung von
mindestens 95 % von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften
nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG als Folge der staatlich
anerkannten Bildung oder Veränderung von Kirchengemeinden
verstößt nicht gegen das verfassungsrechtlich
garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m.
Art. 137 Abs. 3 WRV). Durch die Besteuerung erfolgt kein Eingriff
in dessen Schutzbereich.
|
|
|
29
|
aa) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht
garantiert den Kirchen die Freiheit, ihre Angelegenheiten innerhalb
der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig
zu ordnen und zu verwalten. Hierzu rechnet alles, was materiell,
der Natur der Sache oder der Zweckbestimmung nach als eigene
Angelegenheit der Kirche anzusehen ist, wobei das
Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften
für die Qualifizierung einer Angelegenheit als eigene im Sinne
des Art. 137 Abs. 3 WRV maßgebend ist. Das Ordnen und
Verwalten umfasst das Recht der Kirchen, alle eigenen
Angelegenheiten gemäß den spezifischen kirchlichen
Ordnungsgesichtspunkten, also auf der Grundlage des kirchlichen
Selbstverständnisses, rechtlich zu gestalten. Hierunter fallen
alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen
Grundauftrag her bestimmten Aufgaben zu treffen sind,
beispielsweise Vorgaben struktureller Art, die Personalauswahl und
die mit derartigen Entscheidungen untrennbar verbundene Vorsorge
zur Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im
Sinne kirchlichen Selbstverständnisses. Die Garantie freier
Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten erweist sich als
notwendige Sicherung, die der Freiheit des religiösen Lebens
und Wirkens die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerlässliche
Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und
Verwaltung hinzufügt (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -,
Nichtannahmebeschluss
vom 17.10.2007 - 2 BvR 1095/05, Deutsches Verwaltungsblatt -
DVBl - 2007, 1555, unter B.II.4.a und b). Auch wenn dieses Recht
den Kirchen gewährleistet, alle eigenen Angelegenheiten
gemäß den spezifischen kirchlichen
Ordnungsgesichtspunkten rechtlich zu gestalten, gehören die
Regelungen des materiellen Steuerrechts zu dem für alle
geltenden Recht, das daher auch die Kirchen als juristische
Personen des öffentlichen Rechts zu beachten haben (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 04.10.1965 - 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, 129,
unter III.4.; BFH-Urteil vom 17.05.2017 - V R 52/15, BFHE 258, 124,
BStBl II 2018, 218 = SIS 17 12 80, Rz 30; BFH-Beschluss vom
07.08.2019 - V B 7/18 = SIS 19 15 87, Rz 5 ff.).
|
|
|
30
|
bb) Die Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 2
GrEStG auf die Bildung und Änderung von Kirchengemeinden, die
zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Vereinigung von mindestens
95 % der Anteile von grundbesitzenden Gesellschaften führt,
verletzt nicht das Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Den Kirchen
bleibt es unbenommen, ihre Angelegenheiten selbst zu organisieren
und nach innerkirchlichem Recht Pfarreien zu errichten, aufzuheben
und zu ändern (vgl. can. 515 § 2 CIC) mit der gesetzlich
angeordneten Folge, dass die neu errichtete Kirchengemeinde
Güter und Vermögen von aufgelösten Pfarreien
erhält (vgl. can. 121 CIC). Die Vereinigung, Auflösung
und Neuerrichtung von Kirchengemeinden nach Kirchenrecht ist ein
rein innerkirchlicher Organisationsakt; insoweit nimmt die Kirche
nicht am allgemeinen Rechtsverkehr teil. § 1 Abs. 1
KathKiGemVbgBek NW bringt zum Ausdruck, dass die Bildung und die
Veränderung von Kirchengemeinden, um für den staatlichen
Bereich rechtlich wirksam zu werden, der staatlichen Anerkennung
bedürfen. Daraus ergibt sich aber auch, dass mit der
Anerkennung der Bildung oder Änderung der Kirchengemeinde die
dadurch bedingten rein innerkirchlichen Änderungen - zum
Beispiel die veränderte Zuordnung von Vermögen,
insbesondere von Grundstücken - für den staatlichen
Bereich wirksam werden. § 6 KathKiGemVbgBek NW regelt
überdies, dass die neu errichtete Kirchengemeinde (erst) mit
der Anerkennung den Status einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts erhält. Ab diesem Zeitpunkt
unterliegt sie dann wie andere Körperschaften des
öffentlichen Rechts den staatlichen Regelungen, unter anderem
dem Grunderwerbsteuergesetz.
|
|
|
31
|
Werden bei einer Kirchengemeinde erstmals
mindestens 95 % der Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften
vereinigt, die vorher zum Vermögen von aufgelösten
Kirchengemeinden gehörten, sind diese Anteile auch
zivilrechtlich der einzelnen neu errichteten Kirchengemeinde als
Körperschaft des öffentlichen Rechts zuzuordnen und nicht
der Institution „Kirche“ als solche. Zu
diesem Zeitpunkt, an dem die neu errichtete Kirchengemeinde Teil
des staatlichen Bereichs wird, wird der Tatbestand des § 1
Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht. Es gibt dann keinen Grund, die
Kirchengemeinde von einer Belastung mit Grunderwerbsteuer zu
verschonen. Es liegen keine „rein innerkirchlichen
Angelegenheiten“ mehr vor, für die ein
staatliches Gesetz für die Kirche überhaupt keine
Schranke ihres Handelns bilden kann (BVerfG-Nichtannahmebeschluss
vom 17.10.2007 - 2 BvR 1095/05, DVBl 2007, 1555, unter
B.II.4.c).
|
|
|
32
|
d) Ebenso wenig greift die Besteuerung in die
Kirchengutsgarantie nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 2 WRV
bezüglich des für Wohltätigkeitszwecke bestimmten
Vermögens ein. Steuerbelastungen fallen zwar
grundsätzlich in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie des
Art. 14 GG (BVerfG-Beschluss vom 18.01.2006 - 2 BvR 2194/99,
BVerfGE 115, 97 = SIS 06 16 42, unter C.II.). Art. 138 Abs. 2 WRV
schützt das Vermögen der Religionsgesellschaften aber nur
in dem Umfang, wie es nach Maßgabe des einschlägigen
zivilen oder öffentlichen Rechts begründet ist
(BVerfG-Beschluss vom 13.10.1998 - 2 BvR 1275/96, BVerfGE 99, 100,
unter C.II.1.e). Zum öffentlichen Recht gehört auch das
Steuerrecht, sodass die Kirchengutsgarantie nach Art. 138 Abs. 2
WRV von vornherein durch diejenigen Steuerbelastungen begrenzt ist,
die für alle gelten.
|
|
|
33
|
e) Danach unterliegt die Anteilsvereinigung
nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
|
|
|
34
|
aa) Die Steuer ist mit der staatlichen
Anerkennung am YY.YY.YYYY entstanden. An diesem Tag wurden die
Folgen aus der im innerkirchlichen Bereich stattfindenden
Neuerrichtung der Klägerin für den staatlichen Bereich
wirksam. Folge der Wirksamkeit im staatlichen Bereich war, dass die
Klägerin zivilrechtlich nunmehr Eigentümerin aller
Anteile an der F-GmbH war und grunderwerbsteuerrechtlich eine
unmittelbare Vereinigung aller Anteile der F-GmbH und eine
mittelbare Vereinigung aller Anteile der F-Krankenhaus-GmbH bei der
Klägerin stattfand und der gesamte Grundbesitz der F-GmbH der
Klägerin unmittelbar sowie der gesamte Grundbesitz der
F-Krankenhaus-GmbH der Klägerin mittelbar über die
F-Krankenhaus-GmbH zugeordnet war.
|
|
|
35
|
bb) Eine Steuerpflicht gemäß §
1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG, wonach der Übergang unmittelbar oder
mittelbar von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft auf
einen anderen der Grunderwerbsteuer unterliegt, ist hingegen -
anders, als die Klägerin meint - nicht gegeben. Im Streitfall
waren die Anteile der F-GmbH, vor der Neugründung der
Klägerin und dem dadurch erfolgten Vermögensübergang
von den aufgelösten Kirchengemeinden auf die Klägerin,
nicht alle vereinigt, sondern gehörten anteilig jeweils den
Kirchengemeinden A (zu 80 %) und B (zu 20 %). Ein Übergang von
bereits mindestens zu 95 % vereinigten Anteilen auf die
Klägerin lag daher nicht vor.
|
|
|
36
|
cc) Dem Erlass des Feststellungsbescheids
steht auch die nach § 89 Abs. 2 AO erteilte verbindliche
Auskunft vom 26.04.2007 nicht entgegen. Die verbindliche Auskunft
wurde zu einem anderen Sachverhalt erteilt als demjenigen, der
letztlich verwirklicht worden ist. Sie betraf die
grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung der unentgeltlichen
Übertragung von Anteilen der F-GmbH von der Kirchengemeinde A
auf die Kirchengemeinde B und nicht die tatsächlich
durchgeführte Vereinigung der Anteile der F-GmbH unmittelbar
und der Anteile der F-Krankenhaus-GmbH mittelbar bei der
Klägerin im Zuge von deren Neuerrichtung unter Auflösung
der Kirchengemeinden A und B.
|
|
|
37
|
3. Das FG hat schließlich zutreffend
entschieden, dass Steuerbefreiungstatbestände nicht
greifen.
|
|
|
38
|
a) Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind von
der Besteuerung ausgenommen der Grundstückserwerb von Todes
wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
|
|
|
39
|
aa) Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2
Satz 1 GrEStG ist dem Grunde nach auch auf eine Anteilsvereinigung
im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG anzuwenden, die auf einer
schenkweisen Übertragung von Gesellschaftsanteilen beruht. In
einem solchen Fall liegt zwar keine Grundstücksschenkung im
Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
vor. Denn der Schenkungsteuer unterliegt nicht der durch die
schenkweise Anteilsübertragung ausgelöste fiktive
Grundstückserwerb, sondern die freigebige Zuwendung der
Gesellschaftsanteile. Grunderwerbsteuerrechtlich ist jedoch der
fiktive Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke durch den
Anteilserwerber steuerbar. Dieser fiktive Erwerb der
Gesellschaftsgrundstücke beruht ebenso wie der Erwerb der
Gesellschaftsanteile auf einer Schenkung (vgl. BFH-Urteil vom
22.02.2017 - II R 52/14, BFHE 257, 363, BStBl II 2017, 653 = SIS 17 06 25, Rz 14, zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).
|
|
|
40
|
bb) Erhält - wie im Streitfall - im Zuge
der Vereinigung von Kirchengemeinden die neu errichtete
Kirchengemeinde Vermögenswerte - unter anderem Anteile an
grundbesitzenden Kapitalgesellschaften - von den aufgelösten
Kirchengemeinden gemäß can. 121 CIC, liegt keine
freigebige Zuwendung der Gesellschaftsanteile von den
aufgelösten Kirchengemeinden an die neu errichtete
Kirchengemeinde im Sinne des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG vor. Die
vereinigten Kirchengemeinden wenden der neu errichteten
Kirchengemeinde die Gesellschaftsanteile nicht zu. Der
Vermögensübergang auf die neu errichtete Kirchengemeinde
erfolgt aufgrund gesetzlicher Anordnung und nicht aufgrund einer
Leistung der vereinigten Gemeinden an die neu errichtete
Kirchengemeinde. Daher fehlt es auch an einer Doppelbelastung eines
Lebenssachverhalts mit Erbschaft- und Schenkungsteuer einerseits
sowie Grunderwerbsteuer andererseits, die § 3 Nr. 2 Satz 1
GrEStG vermeiden will.
|
|
|
41
|
b) Nach § 4 Nr. 1 GrEStG ist der Erwerb
eines Grundstücks durch eine juristische Person des
öffentlichen Rechts von der Besteuerung ausgenommen, wenn das
Grundstück aus Anlass des Übergangs von
öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von
Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische
Person übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb
gewerblicher Art dient.
|
|
|
42
|
aa) Nach ihrem Wortlaut erfasst die Vorschrift
nur Erwerbsvorgänge, die sich auf Grundstücke beziehen.
Anteilsvereinigungen oder -übergänge nach § 1 Abs. 3
GrEStG begünstigt sie hingegen nicht (vgl.
Viskorf/Kugelmüller-Pugh, § 4 GrEStG, Rz 13 (20. Aufl.
2021)). Der Wortlaut des § 4 Nr. 1 GrEStG ist eindeutig.
Anders als die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 4 GrEStG
(Zusammenschluss kommunaler Gebietskörperschaften), in die der
Gesetzgeber Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 und 4
GrEStG ausdrücklich aufgenommen hat, enthält § 4 Nr.
1 GrEStG keinen Verweis auf Tatbestände des § 1 Abs. 3
GrEStG.
|
|
|
43
|
bb) Eine erweiternde Auslegung (teleologische
Extension) der Vorschrift auf von ihrem Wortlaut nicht erfasste
Sachverhalte kommt nicht in Betracht. Dem Zweck des § 4 Nr. 1
GrEStG entspricht es, seine Anwendung auf den Erwerb von
Grundstücken zu beschränken und Anteilsvereinigungen aus
der Steuerbegünstigung auszunehmen.
|
|
|
44
|
aaa) Eine erweiternde Auslegung setzt eine
Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck
unvollständig, das heißt ergänzungsbedürftig
sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber
beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände
widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als
verbesserungsbedürftig anzusehen ist („rechtspolitische
Fehler“), reicht nicht aus. Die
Unvollständigkeit muss sich vielmehr aus dem
gesetzesimmanenten Zweck ergeben und kann auch bei einem
eindeutigen Wortlaut vorliegen. Die Gesetzeslücke ist in einer
dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der
Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie,
teleologische Extension oder Reduktion zu schließen. Dies ist
Aufgabe der Fachgerichte (BFH-Urteil vom 29.11.2017 - II R 14/16,
BFHE 260, 372, BStBl II 2018, 362 = SIS 18 02 90, Rz 17).
|
|
|
45
|
bbb) Diese Voraussetzungen sind im
Zusammenhang mit § 4 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllt. Es fehlt
an einer Regelungslücke. Die Beschränkung des
Anwendungsbereichs dieser Norm auf den Erwerb von Grundstücken
ist nicht sinnwidrig. Sie entspricht der Absicht des Gesetzgebers,
der allein den Erwerb von Grundstücken begünstigen wollte
und den § 1 Abs. 3 GrEStG nicht in die Begünstigung
aufgenommen hat. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 des
Grunderwerbsteuergesetzes 1940 - GrEStG 1940 - (RGBl I 1940, 585)
war von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines
Grundstücks durch eine Körperschaft des öffentlichen
Rechts, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von
Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf
die andere Körperschaft überging. Nach den
Gesetzesmaterialien (RStBl 1940, 387) sollte der Übergang von
Grundstücken zwischen Reich, Ländern, Gemeinden und
sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts
steuerfrei bleiben, wenn der Übergang aus Anlass einer
Aufgabenverschiebung eintrat. Die Intention war danach die
grunderwerbsteuerrechtliche Privilegierung der öffentlichen
Hand bei Eigentumswechsel an Grundstücken innerhalb der
öffentlichen Hand bei Übergang von Verwaltungsaufgaben
(BFH-Urteil vom 09.11.2016 - II R 12/15, BFHE 255, 540, BStBl II
2017, 211 = SIS 16 26 23, Rz 19). § 4 Nr. 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes i.d.F. ab dem 01.01.1983, der § 4
Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1940 nahezu entsprach, wurde durch Art. 15 Nr.
2 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl
I 1999, 402) neu geregelt. Er wurde auf alle juristischen Personen
des öffentlichen Rechts erweitert und es wurde die
zusätzliche Voraussetzung eingefügt, dass das
Grundstück nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher
Art dienen darf. Die Steuerbegünstigung des Erwerbs von
Grundstücken - und nicht von Anteilsvereinigungen - wurde
jedoch beibehalten.
|
|
|
46
|
ccc) Auch wenn man bei § 1 Abs. 3 Nr. 2
GrEStG einen fiktiven Erwerb der Grundstücke der Gesellschaft
durch den Anteilserwerber annimmt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom
22.02.2017 - II R 52/14, BFHE 257, 363, BStBl II 2017, 653 = SIS 17 06 25, Rz 14), ist § 4 Nr. 1 GrEStG nicht anwendbar, wenn -
fiktiver - Veräußerer eine juristische Person des
Privatrechts, zum Beispiel eine GmbH, ist. Das gilt auch dann, wenn
im Zeitpunkt der Übertragung des Grundstücks eine
juristische Person des öffentlichen Rechts alleiniger
Gesellschafter der juristischen Person des privaten Rechts ist. Die
Steuerbefreiung erfordert als Veräußerer und als
Erwerber des Grundstücks jeweils juristische Personen des
öffentlichen Rechts (BFH-Urteil vom 09.11.2016 - II R 12/15,
BFHE 255, 540, BStBl II 2017, 211 = SIS 16 26 23, Rz 16). Hält
eine juristische Person des öffentlichen Rechts alle Anteile
an einer juristischen Person des privaten Rechts, wird der private
Rechtsträger der Grundstücke trotzdem nicht zu einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts und damit nicht
selbst zum begünstigten Rechtsträger (vgl. BFH-Urteil vom
09.11.2016 - II R 12/15, BFHE 255, 540, BStBl II 2017, 211 = SIS 16 26 23, Rz 22).
|
|
|
47
|
ddd) Ein weiteres Verständnis des §
4 Nr. 1 GrEStG ergibt sich nicht daraus, dass § 3 Nr. 2 Satz 1
GrEStG auch auf die freigebige Zuwendung von Gesellschaftsanteilen
Anwendung findet, wenn diese zu einer Anteilsvereinigung nach
§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG führt. § 3 Nr. 2 Satz 1
GrEStG hat eine andere Zielsetzung als § 4 Nr. 1 GrEStG.
§ 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG soll als allgemeine Ausnahme von der
Besteuerung die doppelte Besteuerung desselben Lebenssachverhalts
mit Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer
vermeiden (vgl. oben unter II.3.a aa und bb). § 4 Nr. 1 GrEStG
hingegen gehört zu den in § 4 GrEStG verfassten
besonderen Ausnahmen von der Besteuerung. Mit diesen wollte der
Gesetzgeber nur die dort spezifisch geregelten Sachverhalte von der
Grunderwerbsteuer befreien.
|
|
|
48
|
eee) § 4 Nr. 1 GrEStG kann nicht deshalb
dahingehend ausgelegt werden, dass er eine Anteilsvereinigung nach
§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG umfasse, weil § 4 Nr. 4 GrEStG
sich neben dem Übergang von Grundstücken auch auf den
Übergang von Gesellschaftsanteilen bezieht. Der Wortlaut von
§ 4 Nr. 4 GrEStG enthält im Gegensatz zu § 4 Nr. 1
GrEStG ausdrücklich eine Verweisung auf den Übergang von
Gesellschaftsanteilen nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG als
unmittelbare Rechtsfolge eines Zusammenschlusses. Er ist zudem
ausdrücklich auf Gebietskörperschaften und die Aufhebung
der Kreisfreiheit von Gemeinden beschränkt worden. Nur diese
spezifischen Konstellationen wollte der Gesetzgeber dort von der
Besteuerung ausnehmen. Auf eine Vereinigung von Kirchengemeinden
ist § 4 Nr. 4 GrEStG weder anwendbar noch erlaubt er eine
erweiterte Auslegung von § 4 Nr. 1 GrEStG auf eine solche
Vereinigung.
|
|
|
49
|
fff) § 4 Nr. 1 GrEStG ist nicht aufgrund
einer verfassungskonformen Auslegung nach Art. 140 GG i.V.m. Art.
137 Abs. 3 WRV auf eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr.
2 GrEStG als Folge der Vereinigung von Kirchengemeinden zu
beziehen. § 4 Nr. 1 GrEStG gehört zu den staatlichen
Vorschriften, durch die die innerkirchliche Selbstbestimmung nicht
berührt wird (vgl. oben unter II.2.c).
|
|
|
50
|
cc) Danach ist im Streitfall die durch die
staatlich anerkannte Vereinigung der Kirchengemeinden bewirkte
Anteilsvereinigung nicht nach § 4 Nr. 1 GrEStG
steuerbefreit.
|
|
|
51
|
c) Der Rechtsvorgang ist schließlich
auch nicht aufgrund einer Zusammenschau - Interpolation - mehrerer
Steuerbefreiungsnormen, die für sich allein nicht erfüllt
sind, von der Steuer befreit.
|
|
|
52
|
aa) Eine Steuerbefreiung aufgrund
interpolierender Betrachtung kann sich insbesondere ergeben, wenn
sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als
abgekürzter Weg darstellt und die unterbliebenen
Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären,
ebenfalls steuerfrei wären. Dieser Auslegungsmethode sind
jedoch Schranken gesetzt. So darf diese immer nur an einen real
verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt
anknüpfen. Des Weiteren darf kein Gestaltungsmissbrauch im
Sinne des § 42 AO vorliegen (BFH-Urteil vom 16.12.2015 - II R
49/14, BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292 = SIS 16 01 40, Rz 9).
|
|
|
53
|
bb) Eine Steuerbefreiung aufgrund einer
Zusammenschau von § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG und § 4 Nr. 1
GrEStG scheidet danach im Streitfall aus. Die Anteilsvereinigung
nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG stellt sich nicht als
abgekürzter Weg dar. Zudem ist § 4 Nr. 1 GrEStG auf die
Vereinigung von Anteilen nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht
anwendbar (vgl. oben unter II.3.b).
|
|
|
54
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|