Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Sächsischen Finanzgerichts vom 06.05.2021 - 8 K 1102/20 =
SIS 21 14 91 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
4
|
In einer Unterredung mit Vertretern des FA
trugen die Gesellschafter vor, dass sie Privatdarlehen (Valuta
jeweils 500.000 EUR) aufgenommen hätten, um den Erwerb ihrer
Geschäftsanteile zu finanzieren, und dass diese noch in
Höhe von jeweils 187.500 EUR valutierten. Die in den vor 2017
liegenden Geschäftsjahren von der X-GmbH vorgenommenen
Ausschüttungen hätten die Gesellschafter u.a. zur
anteiligen Tilgung der Anschaffungsdarlehen verwendet. Da nach
einer ursprünglich guten Entwicklung der Gesellschaft der
Veränderungsdruck in der maßgeblichen Branche inzwischen
deutlicher spürbar sei, beabsichtigten sie, ihre
Geschäftsanteile (Stammkapital jeweils 130.000 EUR)
wechselseitig zu einem geringen Preis (12.500 EUR) an den jeweils
anderen Gesellschafter zu veräußern (sog.
Anteilsrotation); der daraus erzielte Verlust solle es ihnen
ermöglichen, entstehende Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis (Steuererstattungen) sodann für
die weitere Tilgung der zur Finanzierung der Anschaffungskosten der
Gesellschaftsanteile aufgenommenen Darlehen zu verwenden. Das FA
lehnte unter dem 27.11.2017 die Erteilung einer verbindlichen
Auskunft ab.
|
|
|
5
|
Unter dem 27.12.2017 schloss der
Kläger mit A einen privatschriftlichen Kauf- und
Abtretungsvertrag über Geschäftsanteile, mit dem er
seinen Geschäftsanteil an der X-GmbH in Höhe von 130.000
EUR an A zum Kaufpreis von 12.500 EUR veräußerte und
„mit allen Rechten und Pflichten“ an A
abtrat. A nahm die Abtretung „zum
23.12.2017“ an. Der auf den vom Kläger
veräußerten Geschäftsanteil entfallende Gewinn des
laufenden Geschäftsjahres sowie auf den verkauften
Geschäftsanteil entfallende noch nicht verteilte Gewinne
früherer Geschäftsjahre sollten dem Käufer (A)
zustehen. Am selben Tag übertrug auch A seinen
Geschäftsanteil durch privatschriftliche Einigung und
Abtretung zu gleichen Konditionen auf den Kläger; dieser hatte
den Kaufpreis für die von A erworbenen Geschäftsanteile
bereits am 22.12.2017 überwiesen.
|
|
|
6
|
Unter dem 30.01.2018 schlossen der
Kläger und A (erneut) einen - nunmehr notariell beurkundeten -
„Vertrag über den Verkauf und die Abtretung eines
Geschäftsanteils einer Gesellschaft mit beschränkter
Haftung“, mit dem der Kläger - unter
identischen vertraglichen Bedingungen - seinen Geschäftsanteil
an der X-GmbH an A veräußerte und abtrat.
|
|
|
7
|
In seiner Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machte der Kläger einen Verlust aus
der Veräußerung seines Geschäftsanteils an der
X-GmbH i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 EStG
in Höhe von (Veräußerungspreis 12.500 EUR ./.
Anschaffungskosten 500.000 EUR = 487.500 EUR x 60 % =) 292.500 EUR
geltend. Das FA erkannte den Verlust im Einkommensteuerbescheid
für das Streitjahr vom 28.12.2018 schon deshalb nicht an, weil
der notariell beurkundete Vertrag über die
Veräußerung und Abtretung der Geschäftsanteile
nicht im Streitjahr, sondern erst im Jahr 2018 geschlossen worden
sei.
|
|
|
8
|
Der Einspruch des Klägers hatte keinen
Erfolg. In seiner Einspruchsentscheidung vom 16.09.2020 führte
das FA aus, die Entwicklung des Eigenkapitals der X-GmbH, des
steuerlichen Jahresüberschusses sowie der
Gewinnausschüttungen und der
Gesellschafter-Geschäftsführer-Gehälter ließen
nicht den Schluss zu, dass der vom Käufer (A) gezahlte
Kaufpreis in Höhe von 12.500 EUR angemessen gewesen sei.
Vielmehr habe eine Ermittlung des gemeinen Werts der X-GmbH nach
dem vereinfachten Ertragswertverfahren (§ 199 ff. des
Bewertungsgesetzes) auf den 30.01.2018 einen Ertragswert in
Höhe von 1.494.845 EUR und einen Substanzwert in Höhe von
282.551 EUR ergeben. Als gemeiner Wert sei der höhere Wert in
Höhe von 1.494.845 EUR anzusetzen. Die Anerkennung des
Veräußerungsverlusts scheitere mithin jedenfalls wegen
eines vorliegenden Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten
des Rechts i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO.
|
|
|
9
|
Mit der hiergegen gerichteten Klage verwies
der Kläger zum einen darauf, dass das wirtschaftliche Eigentum
an den von ihm veräußerten Kapitalgesellschaftsanteilen
bereits im Streitjahr auf A übergegangen sei. Zum anderen
machte der Kläger unter Verweis auf das Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 07.12.2010 - IX R 40/09 (BFHE 232, 1,
BStBl II 2011, 427 = SIS 11 05 91) geltend, eine
rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO liege
nicht vor.
|
|
|
10
|
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) entschied, dass die vom Kläger
gewählte Gestaltung der Anteilsrotation zwar nicht schon
deshalb als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei, weil beide
Gesellschafter am selben Tag einen gleichen Anteil vom
Mitgesellschafter zum selben Preis erworben haben. Im Streitfall
hätten die Gesellschafter indes ihren
Kapitalgesellschaftsanteil offensichtlich weit unter Wert
veräußert, sodass die Veräußerungen zu
Verlusten führten, die im Streitjahr den Beteiligungen an der
X-GmbH nicht immanent gewesen seien. Eine Berücksichtigung der
Verluste entspräche daher gerade nicht der Besteuerung nach
dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit.
|
|
|
11
|
Mit der Revision verfolgt der Kläger
sein Begehren nach Berücksichtigung des
Veräußerungsverlusts weiter. Er vertritt die Auffassung,
er habe sein wirtschaftliches Verhalten im Rahmen der Rechtsordnung
frei wählen und gestalten können. Er habe im Vergleich zu
einer Liquidation, zu einem Verkauf, zu einer Insolvenz oder
Umwandlung zu keinem Zeitpunkt einen gesetzlich nicht vorgesehenen
Steuervorteil erlangt, da er die Anteile an der X-GmbH nicht unter
ihrem Wert veräußert habe. Vielmehr habe der
Veräußerungspreis dem - nach den
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zur Durchführung von
Unternehmensbewertungen (IDW S1 i.d.F. 2008) ermittelten -
Liquidationswert des Unternehmens, der die Wertuntergrenze für
den Unternehmenswert bestimme, entsprochen; dieser Wert sei im
finanzgerichtlichen Verfahren „nicht
hinterfragt“ worden. Durch die negative
Branchenentwicklung sowie aufgrund der sich veränderten
gesetzlichen Rahmenbedingungen hätten positive
Ertragserwartungen der X-GmbH nicht abgebildet werden können.
Stille Reserven in den Wirtschaftsgütern seien nicht
vorhanden. In dem sich konzentrierenden Marktumfeld fehle es an
Kaufinteressenten. Das Eigenkapital der X-GmbH habe zum 31.12.2020
nur noch ca. 80.000 EUR betragen; ein weiterer Jahresfehlbetrag
habe im Folgejahr das Eigenkapital aufgezehrt. Da die von den
Gesellschaftern zur Finanzierung der Anschaffungskosten ihrer
Geschäftsanteile aufgenommenen Privatdarlehen zum 31.12.2017
noch valutierten, sei eine Rückführung aus künftigen
Überschüssen (Ausschüttungen) prognostisch durch die
Ertragsentwicklung nicht zu realisieren gewesen.
|
|
|
12
|
Zu Unrecht habe das FG die Bewertung der
X-GmbH - den Ermittlungen des FA folgend - im vereinfachten
Ertragswertverfahren vorgenommen. Dieses Verfahren stelle eine
vereinfachte (typisierte) Wertermittlung von nichtnotierten
Anteilen an Kapitalgesellschaften für die Erbschaftsteuer ab
01.01.2009 dar. Vorliegend seien die Gesellschaftsanteile indes
unter fremden Dritten veräußert bzw. erworben
worden.
|
|
|
13
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß,
|
|
das angefochtene Urteil des FG vom
06.05.2021 - 8 K 1102/20 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid
für 2017 vom 28.12.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 16.09.2020 dahin zu ändern, dass ein
Veräußerungsverlust i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1
EStG in Höhe von 292.500 EUR festgesetzt wird.
|
|
|
14
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
15
|
Das FA verweist im Wesentlichen auf die
Gründe des angefochtenen Urteils des FG.
|
|
|
16
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG hat den vom Kläger geltend
gemachten Veräußerungsverlust im Ergebnis zutreffend
nicht der Besteuerung unterworfen.
|
|
|
17
|
1. Die vom Kläger sinngemäß
erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Nicht von Amts
wegen zu beachtende Verfahrensfehler sind nur zu
berücksichtigen, wenn sie innerhalb der
Revisionsbegründungsfrist in einer den Anforderungen des
§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO entsprechenden Weise
begründet worden sind (z. B. BFH-Urteil vom 29.05.2008 - VI R
11/07, BFHE 221, 182, BStBl II 2008, 933 = SIS 08 29 15). Diese
Voraussetzungen liegen nicht vor.
|
|
|
18
|
a) Der Kläger hat im Zuge des
finanzgerichtlichen Verfahrens seine Behauptung, dass der
Veräußerungspreis der von ihm abgetretenen
Geschäftsanteile (12.500 EUR) dem Wert des Unternehmens zum
Zeitpunkt der Abtretung entsprochen habe, nicht durch einen
entsprechenden Nachweis unterlegt. Im Revisionsverfahren hat der
Kläger im Rahmen einer vom 09.11.2022 datierenden Erwiderung
zur Stellungnahme des FA - außerhalb der mit 20.08.2022
abgelaufenen (verlängerten) Revisionsbegründungsfrist -
erstmals gerügt, dass im Rahmen des finanzgerichtlichen
Verfahrens eine von ihm vorgenommene Ermittlung des
„Liquidationswerts“ der X-GmbH
„weder angefordert noch
hinterfragt“ worden sei; er, der
Kläger, habe daher davon ausgehen dürfen, dass der von
ihm ermittelte Wert nicht streitig gewesen sei. Im Rahmen seiner
Ermittlungspflicht hätte das Gericht die Wertermittlung
anfordern können und jederzeit erhalten.
|
|
|
19
|
b) Die darin liegende sinngemäße
Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs.
1 Satz 1 FGO), die nicht zu den von Amts wegen zu beachtenden
Mängeln zählt, genügt schon nicht den gesetzlichen
Begründungsanforderungen. Wird der Verstoß gegen
Vorschriften des Prozessrechts gerügt, auf deren Beachtung die
Beteiligten verzichten können, muss u.a. vorgetragen werden,
dass der Verstoß in der Vorinstanz gerügt worden ist
oder weshalb dem Beteiligten eine derartige Rüge nicht
möglich war. Der Schriftsatz des Klägers vom 09.11.2022
enthält hierzu keine Ausführungen. Dessen ungeachtet kann
der Kläger mit seiner erstmals mit Schriftsatz vom 09.11.2022
und damit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist
vorgebrachten Rüge nicht mehr gehört werden. Von einer
weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 126 Abs. 6 Satz
1 FGO).
|
|
|
20
|
2. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb
gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus
der Veräußerung von Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der
letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar
oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war.
Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 Abs. 1 EStG ist
der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der
Veräußerungskosten die Anschaffungskosten
übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG).
|
|
|
21
|
a) Der Veräußerungsgewinn ist
grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er
entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der
Veräußerung, die mit der entgeltlichen Übertragung
des (zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums an den
Kapitalgesellschaftsanteilen durch den Veräußerer auf
den Erwerber verwirklicht wird.
|
|
|
22
|
b) Wirtschaftliches Eigentum an einem
Kapitalgesellschaftsanteil erlangt, wer nach dem Inhalt der
getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen
wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte,
insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im
Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1
Satz 1 AO ist die Rechtsstellung des wirtschaftlichen
Eigentümers dadurch gekennzeichnet, dass er den
zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall von der Einwirkung
auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ihm
muss etwa auch der wirtschaftliche Erfolg aus einer
(Weiter-)Veräußerung gebühren (vgl. BFH-Urteile vom
25.05.2011 - IX R 23/10, BFHE 234, 55, BStBl II 2012, 3 = SIS 11 30 83; vom 24.01.2012 - IX R 69/10, BFH/NV 2012, 1099 = SIS 12 15 53).
|
|
|
23
|
Das wirtschaftliche Eigentum an einem
Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über, wenn
der Käufer des Anteils
|
|
|
|
(1) aufgrund eines
(bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine
rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete
Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr
entzogen werden kann, und
|
|
|
|
(2) die mit dem Anteil verbundenen
wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte (insbesondere
Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie
|
|
|
|
(3) Risiko und Chance von
Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind.
|
|
|
24
|
Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum, wer
nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung
verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und
Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht)
ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Der
Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem
Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen
Einzelfall zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 234, 55, BStBl
II 2012, 3 = SIS 11 30 83, und in BFH/NV 2012, 1099 = SIS 12 15 53,
m.w.N.).
|
|
|
25
|
c) Die Feststellungen des FG reichen schon
nicht aus, um von einer Übertragung des zivilrechtlichen oder
wirtschaftlichen Eigentums am Anteil des Klägers an der X-GmbH
auf A im Streitjahr auszugehen.
|
|
|
26
|
Die Übertragung (Veräußerung
und Abtretung) der Anteile an der X-GmbH vom Kläger auf A vom
27.12.2017 ist nicht notariell beurkundet worden; sie ist daher
formnichtig (§ 15 Abs. 3 und 4 des Gesetzes betreffend die
Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -, § 125
Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Der Formmangel des
Verpflichtungsvertrags wurde gemäß § 15 Abs. 4 Satz
2 GmbHG erst durch die formgerechte Abtretung der
Geschäftsanteile mit notariell beurkundetem Verkaufs- und
Abtretungsvertrag vom 30.01.2018 geheilt. Die Heilung hat nur
Wirkung für die Zukunft (vgl. BFH-Urteil vom 22.07.2008 - IX R
61/05, BFH/NV 2008, 2004 = SIS 08 41 28, m.w.N.); vor diesem
Hintergrund wäre ein Veräußerungsgewinn des
Klägers grundsätzlich für den genannten Zeitpunkt
(und mithin erst im Veranlagungszeitraum 2018) zu ermitteln; dies
schlösse die Berücksichtigung eines etwaigen Verlusts im
Streitjahr aus.
|
|
|
27
|
Das FG hat keinerlei Feststellungen getroffen,
die den Schluss zulassen, dass das wirtschaftliche Eigentum an den
veräußerten Kapitalgesellschaftsanteilen bereits zu
einem früheren Zeitpunkt (d.h. im Streitjahr) - auf der
Grundlage der formnichtigen Vereinbarungen im privatschriftlichen
Vertrag vom 27.12.2017 oder aufgrund anderweitiger
(zusätzlicher) Vereinbarungen - auf A übergegangen ist.
Zwar kann wirtschaftliches Eigentum an Kapitalgesellschaftsanteilen
auch dann erworben werden, wenn einander nicht nahestehende
Vertragsparteien die in einem formunwirksamen Vertrag getroffenen
Vereinbarungen tatsächlich durchführen (BFH-Urteil in
BFH/NV 2008, 2004 = SIS 08 41 28, m.w.N.). Indes fehlt es im
Streitfall an Anhaltspunkten, weshalb A trotz der Nichtigkeit des
mit dem Kläger geschlossenen privatschriftlichen Vertrags vom
27.12.2017 eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des
Rechts gerichtete Position (Anwartschaftsrecht) erworben haben
sollte und die mit den Anteilen verbundenen wesentlichen Rechte
sowie das Risiko und die Chance von Wertveränderungen auf ihn
übergegangen sein sollten. Vor diesem Hintergrund scheidet
eine Berücksichtigung des vom Kläger geltend gemachten
Verlusts aus der Veräußerung im Streitjahr schon dem
Grunde nach aus.
|
|
|
28
|
d) Einer Zurückverweisung der Sache an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, insbesondere
zur Nachholung von Feststellungen zu einem eventuellen
Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den
veräußerten Kapitalgesellschaftsanteilen im Streitjahr,
bedarf es nicht. Denn das FG hat den vom Kläger geltend
gemachten Veräußerungsverlust zu Recht auch deshalb
nicht der Besteuerung unterworfen, weil die vom Kläger und
seinem Mitgesellschafter A vorgenommene (wechselseitige)
Veräußerung der Geschäftsanteile an der X-GmbH
einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.
des § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO darstellt.
|
|
|
29
|
3. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch
den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das
Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand der Regelung
in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von
Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach
jener Vorschrift (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Anderenfalls
entsteht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO der Steueranspruch beim
Vorliegen eines Missbrauchs i.S. des § 42 Abs. 2 AO so, wie er
bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen
rechtlichen Gestaltung entsteht.
|
|
|
30
|
Ein Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2
Satz 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung
gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im
Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich
nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn
der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung
außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem
Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2
Satz 2 AO).
|
|
|
31
|
a) Einem Steuerpflichtigen steht es frei, ob,
wann und an wen er seine Anteile veräußert. Dies gilt
grundsätzlich auch dann, wenn die Veräußerung zu
einem Verlust führt. Denn die Berücksichtigung eines
Veräußerungsverlusts steht nicht nur im Einklang mit
§ 17 EStG, sondern entspricht auch dem Grundsatz der
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit; sie ist damit nicht
von vornherein rechtsmissbräuchlich (BFH-Urteil in BFHE 232,
1, BStBl II 2011, 427 = SIS 11 05 91).
|
|
|
32
|
Etwas anderes kann dann gelten, wenn ein
„Verlust“ nur dadurch entsteht,
dass die Beteiligten einen unzutreffenden, die
Wertverhältnisse des zur Veräußerung bestimmten
Kapitalgesellschaftsanteils in krasser Weise verfehlenden Kaufpreis
vereinbaren; denn in diesem Fall ist der
„Verlust“ nicht - wie im Fall des
BFH-Urteils in BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427 = SIS 11 05 91 -
durch eine den Kapitalgesellschaftsanteilen innewohnende
Wertminderung, sondern durch einen Verkauf von Anteilen weit unter
Wert zustande gekommen. Dies gilt für § 42 AO in der
vorliegend anzuwendenden Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 vom
20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150) in gleicher Weise wie für
§ 42 AO i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 vom
20.12.2001 (BGBl I 2001, 3794); vgl. allgemein zum Verhältnis
der gesetzlichen Umschreibung des Missbrauchstatbestands in §
42 Abs. 2 Satz 1 AO zur höchstrichterlichen Rechtsprechung
BFH-Urteil vom 29.09.2021 - I R 40/17 (BFH/NV 2022, 528 = SIS 22 02 80, Rz 56), Klein/Ratschow (AO, 16. Aufl., § 42 Rz 45),
Drüen in Tipke/Kruse (Vorbemerkungen zur Neufassung des §
42 AO durch das JStG 2008, Rz 36 ff.).
|
|
|
33
|
b) Im Streitfall war der gewählte Weg des
wechselseitigen Anteilsverkaufs unter Wert zur Verlustnutzung
rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
AO.
|
|
|
34
|
aa) Die X-GmbH war nach den nicht mit
zulässigen und begründeten Revisionsrügen
angegriffenen und mithin den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO
bindenden Feststellungen des FG im Zeitpunkt der
Veräußerung wirtschaftlich erfolgreich. So wies der
Jahresabschluss der X-GmbH zum 31.12.2017 ein Eigenkapital in
Höhe von mehr als 291.000 EUR aus, welches sich zum 31.12.2018
sogar noch auf über 317.000 EUR erhöhte. Sowohl im
Streitjahr wie auch im Folgejahr und in den Vorjahren erzielte die
X-GmbH positive Jahresüberschüsse, die die Gesellschaft
für Gewinnausschüttungen (im Streitjahr in Höhe von
134.745,55 EUR) nutzte. Überdies bezog der Kläger ein
Geschäftsführergehalt im Streitjahr in Höhe von
93.955 EUR, sein Mitgesellschafter A ein
Geschäftsführergehalt in Höhe von 97.314 EUR. Diese
wirtschaftlichen Kennzahlen lassen nicht den Schluss zu, dass der
von den Vertragsbeteiligten vereinbarte Kaufpreis in Höhe von
(jeweils) 12.500 EUR auch nur annähernd dem Wert der
veräußerten Geschäftsanteile im
Veräußerungszeitpunkt entsprach. Zu Recht ist das FG in
diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass sich bei der
dargestellten Ertragslage der X-GmbH der Ansatz eines etwaigen
„Liquidationserlöses“ in
Höhe des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1
GmbHG als maßgeblicher Gesamtwert der veräußerten
Kapitalgesellschaftsanteile verbiete. Substantielle Einwendungen
hiergegen hat der Kläger im Revisionsverfahren nicht
erhoben.
|
|
|
35
|
Der
„Verlust“ des Klägers aus
der Veräußerung war mithin im
Veräußerungszeitpunkt nicht real eingetreten, sondern
nur das rechnerische Ergebnis der vertraglichen Vereinbarung eines
Unter-Wert-Verkaufs, bei dem der (jeweilige) Kaufpreis die
Wertverhältnisse der (jeweils) zur Veräußerung
bestimmten Kapitalgesellschaftsanteile in krasser Weise verfehlte;
er spiegelt demnach auch nicht eine geminderte
Leistungsfähigkeit des Klägers wider.
|
|
|
36
|
bb) Darüber hinaus wird aus dem Vortrag
des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren sowie aus seinen
Ausführungen im Antrag auf verbindliche Auskunft vom
19.04.2017 deutlich, dass der vom Kläger und seinem
Mitgesellschafter A durchgeführten Anteilsrotation kein realer
wirtschaftlicher Hintergrund beigemessen werden kann; denn diese
diente lediglich dem Zweck, durch das Auslösen eines - mit der
Vereinbarung eines gegenseitigen Verkaufs unter Wert verbundenen -
Steuererstattungsanspruchs die Möglichkeit zur Tilgung
privater Aufwendungen zu schaffen. Dies stellt für sich keinen
beachtlichen außersteuerlichen Grund für die
gewählte Vertragsgestaltung dar (§ 42 Abs. 2 Satz 2
AO).
|
|
|
37
|
Hinzu kommt, dass die (formnichtigen)
Vereinbarungen zur Veräußerung und Abtretung des vom
Kläger gehaltenen Kapitalgesellschaftsanteils im Streitfall
ersichtlich der Vorverlagerung des
Veräußerungszeitpunkts vor den Zeitpunkt einer
zivilrechtlich wirksamen (notariell beurkundeten)
Veräußerung und Abtretung dienten; zu diesem Zweck hat
der Kläger auch den Kaufpreis für den Erwerb der
einzutauschenden Anteile des A zu einem Zeitpunkt entrichtet, zu
dem noch nicht einmal der formnichtige Kauf- und Abtretungsvertrag
geschlossen war.
|
|
|
38
|
Schließlich ist zu berücksichtigen,
dass die an der Anteilsrotation beteiligten Vertragsparteien - der
Kläger und A - die jeweilige Übertragung ihres Anteils
unter Wert nur deshalb vorgenommen haben, weil sie im Gegenzug
hierfür (zivil-)rechtlich zwar einen
„anderen“, wirtschaftlich gesehen
jedoch einen wertidentischen Kapitalgesellschaftsanteil zu einem
dem realen Wert nicht entsprechenden Kaufpreis zurückerhalten
haben. Derartige gegenläufige (oder ringförmige)
Rechtsgeschäfte werden von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung (vgl. etwa BFH-Urteile vom 08.03.2017 - IX R 5/16,
BFHE 257, 211, BStBl II 2017, 930 = SIS 17 08 92, m.w.N.,
und vom 31.07.1984 - IX R 3/79, BFHE
142, 347, BStBl II 1985, 33 = SIS 85 02 09) als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sie keine
verständliche wirtschaftliche Veränderung bewirken (und
auch nicht bewirken sollen). Für derartige Fälle ist
anerkannt, dass ein steuerrechtlich dem Grunde nach erheblicher
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427 = SIS 11 05 91)
Vorgang dann nicht berücksichtigt werden kann, wenn er nach
dem Willen des Steuerpflichtigen durch einen gegenläufigen
Rechtsakt erst geschaffen oder wieder ausgeglichen wird und damit
von vornherein eine wirtschaftliche Belastung vermieden werden soll
(BFH-Urteil in BFHE 257, 211, BStBl II 2017, 930 = SIS 17 08 92,
m.w.N.).
|
|
|
39
|
cc) Vor diesem Hintergrund ist die Wertung des
FG, dass die im Streitfall zu beurteilende Anteilsrotation unter
Vereinbarung eines den Wert des veräußerten
Wirtschaftsguts krass verfehlenden Kaufpreises zu einem gesetzlich
nicht vorgesehenen Steuervorteil führt und mithin einen
Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstellt,
von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Schwelle zur
Unangemessenheit (§ 42 Abs. 2 Satz 1 AO) und damit zum
Rechtsmissbrauch ist im Streitfall ohne jeden Zweifel
überschritten.
|
|
|
40
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|