Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 24.01.2020 -
4 K 28/18 = SIS 19 21 97
aufgehoben.
Die Einkommensteuer 2014 wird unter
Abänderung des Einkommensteuerbescheids des Beklagten vom
05.02.2018 auf den Betrag festgesetzt, der sich bei
Berücksichtigung von Einkünften aus Gewerbebetrieb in
Höhe von 34.344 EUR ergibt.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten
übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) führte einen
handwerklichen Betrieb. Ihren Gewinn ermittelte sie durch
Betriebsvermögensvergleich. Die Betriebsstätte befand
sich in einem Anbau zu ihrem Einfamilienhaus. Krankheitsbedingt
stellte die Klägerin ihren Betrieb Ende des Jahres 2013 ein
und bezog aufgrund ihrer Berufsunfähigkeit Renten von privaten
Versicherungsunternehmen.
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Einen Großteil der
Wirtschaftsgüter ihres Geschäftsbetriebs
veräußerte die Klägerin an die A-GmbH gegen die
Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente in Höhe von 3.000
EUR ab Januar 2014. Von der Veräußerung ausgenommen war
der bis dahin zum Betriebsvermögen gehörende
Grundstücksteil mit aufstehenden Gebäuden und fest
installierten Betriebsvorrichtungen. Weitere nicht zu den
wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörende
Wirtschaftsgüter (PKW, Kundenforderungen, Kassenbestand,
Bankguthaben, Verpflichtungen aus Rückstellungen, Bank- und
andere Verbindlichkeiten), die ebenfalls nicht an die A-GmbH
veräußert wurden, sind in § 1 Abs. 2 des
Unternehmenskaufvertrags aufgeführt. Als
Übertragungsstichtag wurde der 02.01.2014 vereinbart. An
diesem Tag übergab die Klägerin die entsprechenden
Wirtschaftsgüter ihres Gewerbebetriebs an die A-GmbH und
überführte die übrigen Wirtschaftsgüter in ihr
Privatvermögen. Der gemeine Wert der in ihr
Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter
betrug 85.134,44 EUR. Auf diese entfielen Restbuchwerte in
Höhe von 67.453,84 EUR.
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In ihrer Einkommensteuererklärung
für das dem Streitjahr vorhergehende Jahr 2013 vertrat die
Klägerin die Ansicht, dass lediglich in Höhe der
Differenz zwischen dem gemeinen Wert der ins Privatvermögen
überführten Wirtschaftsgüter und deren
Restbuchwerten, also in Höhe von 17.680 EUR, eine
Sofortbesteuerung zu erfolgen habe. Dagegen war der Beklagte und
Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) der Auffassung, die
Klägerin habe auch die stillen Reserven der von ihr gegen
Leibrente an die A-GmbH veräußerten
Wirtschaftsgüter schon im Jahr 2013 zu versteuern. Ein
Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung bestehe nicht. Dieses lasse R 16
Abs. 11 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) nur für den
Fall einer Betriebsveräußerung i.S. von § 16 Abs. 1
des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu. Vorliegend sei jedoch von
einer Betriebsaufgabe auszugehen. Das FA ermittelte deshalb einen
Aufgabegewinn, der auch den Barwert der Leibrente umfasste. Diesen
korrigierte das FA aufgrund des Einspruchs der Klägerin gegen
den Einkommensteuerbescheid 2013 auf 542.195,39 EUR und unterwarf
ihn aufgrund des im dortigen Verfahren gestellten Antrags der
ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG. Im
Rahmen des anschließenden Klageverfahrens beim Finanzgericht
(FG) sind die Beteiligten übereinstimmend zu der Ansicht
gekommen, dass ein Betriebsaufgabegewinn erst im Streitjahr 2014 zu
berücksichtigen sei, und haben den Rechtsstreit in der
Hauptsache deshalb für erledigt erklärt.
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Das FA erließ daraufhin am 05.02.2018
einen auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten
geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr
2014, in dem es den Aufgabegewinn in voller Höhe
berücksichtigte und ihn der ermäßigten Besteuerung
nach § 34 Abs. 3 EStG unterwarf. Im Rahmen der Sprungklage
machte die Klägerin auch für die
Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres geltend, es bestehe ein
Wahlrecht auf Anwendung der Zuflussbesteuerung.
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Das FG wies die Klage ab (EFG 2020, 575 =
SIS 19 21 97). Der zutreffend ermittelte Aufgabegewinn sei im
Streitjahr 2014 zu erfassen. Ein Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung
bestehe nicht. Da die Klägerin das Betriebsgrundstück als
wesentliche Betriebsgrundlage in ihr Privatvermögen
überführt habe, liege eine Betriebsaufgabe vor. Anders
als im Fall der Veräußerung des Betriebs verblieben in
einem solchen Fall dem Steuerpflichtigen ausreichende Mittel zur
Zahlung der Einkommensteuer, die aufgrund der Sofortbesteuerung des
Aufgabegewinns anfalle. Ansonsten komme eine abweichende
Steuerfestsetzung nach § 163 AO in Betracht.
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Die Klägerin macht mit ihrer Revision
die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das FG habe verkannt,
dass auch im Fall einer Betriebsaufgabe die §§ 16, 34
EStG teleologisch reduziert werden müssten, da eine
Sofortbesteuerung der Leibrente als Teil des Aufgabegewinns
unverhältnismäßig sei. Wie im Fall der
Betriebsveräußerung bestehe ansonsten die Gefahr, dass
der rentenberechtigte Veräußerer bei Versterben vor dem
Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung einen zu hohen
Gewinn versteuere. Soweit das FG darauf abstelle, dass bei einer
Betriebsaufgabe Mittel zur Entrichtung der Steuer vorhanden seien,
verkenne es die Entwicklung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung in Bezug auf das Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung.
Dies müsse auch bei der Betriebsaufgabe ermöglicht
werden. Unter Aufteilung in einen Tilgungs- und Zinsanteil und
unter Einbeziehung des sofort zu versteuernden Teils des
Aufgabegewinns sowie der von der Klägerin zu tragenden
Rückbauaufwendungen seien lediglich Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in Höhe von 34.344 EUR im Streitjahr
anzusetzen.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Einkommensteuerfestsetzung für 2014 mit der Maßgabe zu
ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 34.344
EUR herabgesetzt werden.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Es verweist auf das FG-Urteil und
trägt ergänzend vor, durch die Gewährung des
Wahlrechts, den Gewinn aus einer Betriebsveräußerung
alternativ der Zuflussbesteuerung unterwerfen zu können, werde
die Übertragung ganzer lebender Gewerbebetriebe ohne
Zerschlagung gefördert. Daran fehle es im Fall einer
Betriebsaufgabe jedoch. Auch sei die Ausdehnung dieses Wahlrechts
auf die Betriebsaufgabe nicht durch den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit geboten. Vielmehr führe es
zu einer ungerechtfertigten Abweichung von der gesetzlich
angeordneten Sofortbesteuerung des Aufgabegewinns.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Senat
entscheidet über die spruchreife Sache selbst (§ 126 Abs.
3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und gibt der
Klage nach Maßgabe des Antrags der Klägerin statt.
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Zutreffend ist das FG von einer Aufgabe des
Gewerbebetriebs der Klägerin im Streitjahr 2014 ausgegangen
(unten 1.). Die Klägerin konnte das Wahlrecht ausüben,
den Betriebsaufgabegewinn, soweit er auf den Barwert der Leibrente
entfällt, erst bei einem das Kapitalkonto und die
Aufgabekosten übersteigenden Zufluss der Rentenzahlungen zu
realisieren und die Rentenzahlungen insoweit als nachträgliche
Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern (unten 2.). Im
Streitjahr hat die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb
in der beantragten Höhe von 34.344 EUR zu versteuern; die
Einkommensteuer ist entsprechend zu reduzieren (unten 3.). Eine
ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG kommt im
Streitfall nicht in Betracht (unten 4.).
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1. Die Klägerin hat im Streitjahr 2014
den Tatbestand einer Betriebsaufgabe erfüllt.
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a) Die Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3
Satz 1 EStG beginnt zwar bereits mit der ersten vom
Aufgabeentschluss getragenen Handlung, die objektiv auf die
Auflösung des Betriebs gerichtet ist (vgl. nur Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.10.1993 - IV R 42/93, BFHE 173,
285, BStBl II 1994, 385 = SIS 94 09 45, unter 1.a). Für die
Gewinnverwirklichung im Rahmen einer Betriebsaufgabe ist aber nicht
deren Beginn, sondern der Zeitpunkt des einzelnen Aufgabeteilakts
relevant. Denn der Betriebsaufgabegewinn kann in verschiedenen
Veranlagungszeiträumen entstehen (Senatsurteil vom 02.09.2008
- X R 32/05, BFHE 224, 217, BStBl II 2009, 634 = SIS 09 15 21,
unter II.3.b, m.w.N.).
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b) Hiervon ausgehend hat das FG zu Recht eine
Betriebsaufgabe im Streitjahr 2014 angenommen. Denn die
Klägerin hat die zu ihrem Geschäftsbetrieb
gehörenden Wirtschaftsgüter erst zum 02.01.2014 an die
A-GmbH veräußert und auch erst in diesem Zeitpunkt die
übrigen Wirtschaftsgüter, insbesondere das als
wesentliche Betriebsgrundlage anzusehende Betriebsgrundstück,
in ihr Privatvermögen überführt.
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2. Der Gewinn aus der Veräußerung
eines großen Teils der betrieblichen Wirtschaftsgüter an
die A-GmbH gegen Leibrente kann aufgrund der mit einer
Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge
vergleichbaren Interessenlage ebenfalls der Zuflussbesteuerung
unterliegen. Auch in diesem Fall steht dem Steuerpflichtigen ein
Wahlrecht zu, den Gewinn aus der Veräußerung einzelner
betrieblicher Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe (§
16 Abs. 3 Satz 6 EStG) nach Maßgabe des Zuflusses der
wiederkehrenden Bezüge und zudem erst dann als realisiert
anzusehen, wenn die wiederkehrenden Bezüge die Buchwerte der
veräußerten Wirtschaftsgüter und die insoweit
angefallenen Aufgabekosten übersteigen. Dieses Wahlrecht hat
die Klägerin ausgeübt.
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a) Im Fall der Betriebsveräußerung
i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG gegen bestimmte
wiederkehrende Bezüge kann der Steuerpflichtige zwischen der
Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung wählen.
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aa) Veräußert ein Steuerpflichtiger
seinen Betrieb gegen wiederkehrende Bezüge - insbesondere
gegen eine Leibrente -, gewähren sowohl die Rechtsprechung als
auch die Finanzverwaltung (R 16 Abs. 11 EStR)
einkommensteuerrechtliche Erleichterungen. Die jüngere
höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. zur Entwicklung nur
das Senatsurteil vom 17.07.2013 - X R 40/10, BFHE 242, 58, BStBl II
2013, 883 = SIS 13 24 83, Rz 16 ff., m.w.N.) geht dabei davon aus,
dass zwar die Sofortbesteuerung der gesetzliche Normalfall ist, die
Zuflussbesteuerung aber „eine auf
Billigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende
Ausnahmeregelung“ darstellt. Aus diesem
Grund muss der Steuerpflichtige bei einer
Betriebsveräußerung die Zuflussbesteuerung auch
ausdrücklich wählen (weiterführend auch Senatsurteil
vom 05.11.2019 - X R 12/17, BFHE 266, 224, BStBl II 2020, 262 = SIS 20 01 59, Rz 14).
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bb) Die Eröffnung dieses Wahlrechts zur
Zuflussbesteuerung hat der BFH mit dem für den
Veräußerer verbundenen Wagnis begründet und
ergänzend auf den Versorgungscharakter dieser Zahlungen
abgestellt.
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(1) Schon lange erkennt die
höchstrichterliche Rechtsprechung im Fall einer
Betriebsveräußerung gegen Leibrente „das Wagnis
in der durch die Bindung an die Lebenszeit einer Person bedingten
Ungewißheit der Rentenlaufzeit“
(BFH-Urteil vom 30.01.1974 - IV R 80/70, BFHE 111, 477, BStBl II
1974, 452 = SIS 74 02 53, unter 2.a, m.w.N.) an. Demzufolge wird
dem Veräußerer ein Wahlrecht eingeräumt, den
Veräußerungsgewinn entsprechend dem Zufluss zu
versteuern. Das EStG enthält keine eindeutige Regelung
über das Verhältnis zwischen §§ 16, 34 EStG
einerseits und § 24 Nr. 2 EStG andererseits. Deshalb ist die
Einkommensbesteuerung „einer den Besonderheiten der
Vertragsgestaltung im Einzelfall gerechtwerdenden Auslegung
zugänglich“, deren Ergebnis darin
bestehen kann, dass das Gesetz dem Steuerpflichtigen insoweit ein
Wahlrecht einräumt (so BFH-Urteil in BFHE 111, 477, BStBl II
1974, 452 = SIS 74 02 53, unter 2.a).
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(2) Die höchstrichterliche Rechtsprechung
hat darüber hinaus das Wahlrecht zwischen Sofort- und
Zuflussbesteuerung in Fällen anderer langfristig
wiederkehrender Bezüge zugelassen, die nicht im Interesse des
Erwerbers, sondern hauptsächlich im Interesse des
Veräußerers vereinbart wurden, um dessen Versorgung zu
sichern. Dabei hat der BFH darauf verwiesen, dass im Fall eines
ungewöhnlich langen, nicht mehr übersehbaren Zeitraums
diese Bezüge ähnlich wagnisbehaftet wie eine Leibrente
sind (vgl. nur BFH-Urteil vom 26.07.1984 - IV R 137/82, BFHE 141,
525, BStBl II 1984, 829 = SIS 84 21 07, unter II.1.b, m.w.N.). Auch
hat der BFH in diesen Fällen auf die ungewisse Versorgung des
Veräußerers abgestellt. Erstreckt sich die Versorgung
des Berechtigten nämlich über eine längere Zeit, ist
eine Milderung des Grundsatzes der sofortigen Versteuerung der
durch die Veräußerung des Betriebs realisierten stillen
Reserven geboten und wegen des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit der Besteuerung die Erfassung
des Veräußerungserlöses erst im Zeitpunkt des
Zuflusses notwendig (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1974 - VIII R
131/70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173 = SIS 75 00 99, unter
2.b).
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(3) Im Vordergrund dieser Rechtsprechung steht
also das Risiko, dass im Fall eines frühen Todes des
Veräußerers bei einer Sofortbesteuerung mehr versteuert
werden muss als dem Steuerpflichtigen tatsächlich zugeflossen
ist (so schon Senatsurteil vom 17.07.2013 - X R 40/10, BFHE 242,
58, BStBl II 2013, 883 = SIS 13 24 83, Rz 61). Das Wahlrecht
trägt dem Umstand Rechnung, dass einerseits die
wiederkehrenden Bezüge mit ihrem Gegenwartswert zu bewerten
sind und damit der Veräußerungsgewinn bereits im
Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an
den wesentlichen Betriebsgrundlagen verwirklicht wird, andererseits
jedoch das - gemessen an der statistischen Wahrscheinlichkeit -
vorzeitige Versterben des Rentenberechtigten nicht zu einer
(rückwirkenden) Korrektur des Veräußerungsgewinns
führt (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2002 - VIII R 8/01, BFHE 199,
198, BStBl II 2002, 532 = SIS 02 09 57, unter II.2.a).
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(4) Die Zuflussbesteuerung bewirkt lediglich
eine zeitliche Streckung der anfallenden Steuerzahlungen, die sich
der Steuerpflichtige durch den Verlust der Begünstigungen des
§ 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) und des § 34 EStG
(ermäßigter Steuersatz) quasi
„erkauft“ (vgl. Senatsurteil in
BFHE 242, 58, BStBl II 2013, 883 = SIS 13 24 83, Rz 63).
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b) Im Fall einer Betriebsaufgabe, bei der
Wirtschaftsgüter gegen langfristig wiederkehrende Bezüge,
insbesondere Leibrenten, veräußert werden, ist das
Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung - bezogen auf diese
veräußerten Wirtschaftsgüter - ebenfalls zu
gewähren. Es liegt eine vergleichbare Interessenlage vor.
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aa) Bislang hat der BFH lediglich entschieden,
dass ein solches Wahlrecht bei der Veräußerung eines
einzelnen Wirtschaftsguts gegen Leibrente aus einem fortbestehenden
Betrieb nicht zu gewähren ist (BFH-Urteil vom 20.01.1971 - I R
147/69, BFHE 101, 218, BStBl II 1971, 302 = SIS 71 01 64, unter
1.b). Er hat dies damit begründet, dass der Betrieb nach der
Veräußerung des Wirtschaftsguts beim
Veräußerer fortbesteht und der Gewinn des Todesjahres
durch eine Ausbuchung der aktivierten Leibrentenforderung gemindert
wird; dies gleicht - anders als in den Fällen des § 16
EStG - das mit der Leibrente verbundene Risiko eines statistisch
vorzeitigen Versterbens aus.
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bb) Hiervon unterscheidet sich jedoch eine
Betriebsaufgabe, bei der ebenfalls Wirtschaftsgüter gegen
wiederkehrende Bezüge veräußert werden. Denn ebenso
wie nach der Betriebsveräußerung im Ganzen ist der
Veräußerer nach einer Veräußerung einzelner
Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufgabe nicht mehr
Inhaber des Betriebs. Wie bei einer Betriebsveräußerung
liegt es in seinem Interesse, für diese Veräußerung
nicht mehr Einkommensteuer zahlen zu müssen, als er nach
Maßgabe der tatsächlich zugeflossenen Rentenzahlungen
müsste. Dieses Risiko ist auch bei einer Betriebsaufgabe
vorhanden. Stirbt der (frühere) Betriebsinhaber vor Erreichen
seiner statistischen Lebenserwartung, hätte er einen Gewinn zu
versteuern, der nachträglich nicht korrigiert werden kann, da
kein rückwirkendes Ereignis gegeben ist, sondern sich ein
vertragsimmanentes Wagnis konkretisiert (vgl. BFH in BFHE 199, 198,
BStBl II 2002, 532 = SIS 02 09 57, unter II.2.c aa bbb).
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cc) Aufgrund des beschriebenen
Wagnischarakters und im Hinblick auf den Versorgungscharakter
derartiger Bezüge erscheint eine gleiche Behandlung von
Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe jeweils gegen
wiederkehrende Bezüge zwingend. Dies gilt umso mehr, als im
Fall der Betriebsveräußerung das Wahlrecht, die
wiederkehrenden Bezüge erst bei Zufluss zu versteuern, schon
dann eröffnet ist, wenn nur ein Teil des Kaufpreises in dieser
Form erbracht wird, der andere Teil aber aus einer Einmalzahlung
besteht (so Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 16
EStG Rz 582; vgl. auch BFH-Urteil vom 20.12.1988 - VIII R 110/82,
BFH/NV 1989, 630, unter 1. zur Betriebsveräußerung gegen
Einmalzahlung und wiederkehrenden Bezügen).
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dd) Wie im Fall der
Betriebsveräußerung kann das Wahlrecht zur
Zuflussbesteuerung bei der Betriebsaufgabe im Wege einer
teleologischen Reduktion der §§ 16, 34 EStG im
Verhältnis zu § 24 Nr. 2 EStG hergeleitet werden. Auch
bei einem Betriebsaufgabegewinn i.S. des § 16 Abs. 3 EStG, der
wie der Veräußerungsgewinn nach §§ 16, 34 EStG
zu behandeln ist, ist nicht geklärt, ob diese Vorschriften
§ 24 Nr. 2 EStG verdrängen. Sinn und Zweck der
begünstigten Besteuerung des Veräußerungs- sowie
des Aufgabegewinns aufgrund des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG - ggf.
unter Berücksichtigung der Freibetragsregelung des § 16
Abs. 4 EStG - ist die Gewährung einer Tarifbegünstigung
für den Fall einer zusammengeballten Realisierung der
während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven, die in den
wesentlichen Grundlagen einer betrieblichen Sachgesamtheit
angesammelt und in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst
werden (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2014 - IV R 57/11, BFHE 248, 66,
BStBl II 2015, 536 = SIS 15 03 37, Rz 16, m.w.N.). § 24 Nr. 2
EStG ordnet dagegen zufließende Einkünfte nach der
Beendigung einer Tätigkeit oder Einkunftsart - insoweit
klarstellend - der in der Vergangenheit verwirklichten Einkunftsart
zu (statt aller vgl. nur HHR/Horn, § 24 EStG Rz 70,
m.w.N.).
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Da wie im Fall der
Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge
auch bei der Betriebsaufgabe unter Veräußerung von
Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen werden kann, ob eine
unverhältnismäßig hohe Besteuerung trotz der
Begünstigungen durch §§ 16 Abs. 4, 34 EStG droht,
bedarf es der am Zweck dieser Normen orientierten
Einschränkung der Besteuerung des wagnisbehafteten Teils des
Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns. Folglich kann auch
dieser Teil des Aufgabegewinns, wenn der Steuerpflichtige es
wählt, nach dem Zufluss der Zahlungen, also nach § 24 Nr.
2 EStG, besteuert werden.
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ee) Dieses Wahlrecht ist im Fall der
Betriebsaufgabe nicht deshalb ausgeschlossen, weil der
Steuerpflichtige einen Teil der zuvor betrieblich genutzten
Wirtschaftsgüter in seinem Eigentum behält.
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Bereits bei einer
Betriebsveräußerung ist es für die Anwendung des
Wahlrechts auf Zuflussbesteuerung unerheblich, ob der
Veräußerer die nötigen Mittel erhält, um die
im Fall der Sofortbesteuerung zu erbringenden Steuern begleichen zu
können. Zudem stellt die höchstrichterliche
Rechtsprechung lediglich auf das Wagnis des früheren Ausfalls
der wiederkehrenden Bezüge und/oder den Versorgungscharakter
dieser Zahlungen für den Veräußerer ab (vgl. oben
II.2.a bb).
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ff) Eine Beschränkung der
Zuflussbesteuerung auf den Fall der Betriebsveräußerung
lässt sich dem BFH-Urteil vom 14.12.1988 - I R 44/83 (BFHE
155, 368, BStBl II 1989, 323 = SIS 89 07 15) nicht entnehmen.
Vielmehr stellte der BFH dort unter 5.2 heraus, dass die
Rechtsprechung nicht ausschließe, in anderen Fällen als
der Betriebsveräußerung laufende Bezüge erst mit
dem Zufluss zu besteuern.
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3. Aufgrund der zulässigen
Inanspruchnahme des Wahlrechts auf Zuflussbesteuerung sind die
Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin im Streitjahr
2014 mit 34.344 EUR anzusetzen.
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a) Der Aufgabegewinn ist gemäß
§ 16 Abs. 3 Sätze 2 und 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG
entsprechend dem Veräußerungsgewinn zu ermitteln.
Einzelne dem Betrieb gewidmete Wirtschaftsgüter, die im Rahmen
der Betriebsaufgabe veräußert werden, sind mit dem
Veräußerungspreis anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 6
EStG). Somit ist zunächst die Summe der
Veräußerungserlöse der im Rahmen der
Betriebsaufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter sowie
der nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG zu berücksichtigende
gemeine Wert der nicht veräußerten, in das
Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter zu
ermitteln; dieser Betrag ist dem Buchwert des
Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe
gegenüberzustellen. Der Unterschied zwischen diesen Werten -
abzüglich etwaiger Aufgabe- und Veräußerungskosten
- ergibt den Aufgabegewinn (vgl. nur Senatsurteil vom 22.10.2013 -
X R 14/11, BFHE 243, 271, BStBl II 2014, 158 = SIS 14 00 06, Rz 42,
m.w.N.). Eine Aufteilung des Buchwerts des Betriebsvermögens,
der dem Kapitalkonto des Betriebs entspricht, erfolgt ebenso wenig
wie im Fall der Betriebsveräußerung in Form einer Rente
neben einem bestimmten Kaufpreisteil (vgl. BFH-Urteil vom
21.09.1993 - III R 53/89, BFHE 172, 349 = SIS 94 01 16, unter
II.2.b cc, sowie - wenn auch zur Frage der Anwendung des § 34
Abs. 1 EStG - Senatsurteil vom 10.07.1991 - X R 79/90, BFHE 165, 75
= SIS 91 20 20, unter II.1.).
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b) Nach diesen Grundsätzen ist für
das Streitjahr kein Aufgabegewinn gemäß § 16 Abs. 3
i.V.m. Abs. 2 EStG in Ansatz zu bringen. Die nach § 16 Abs. 3
Satz 7 EStG für die ins Privatvermögen
überführten Wirtschaftsgüter anzusetzenden gemeinen
Werte betrugen 85.134,44 EUR; sie waren somit geringer als die
Summe aus dem - nicht aufzuteilenden - Kapitalkonto des Betriebs
der Klägerin (81.747,34 EUR) und den Aufgabekosten (13.323,71
EUR), mithin 95.071,05 EUR. Soweit die Klägerin einen
Aufgabegewinn von 4.356 EUR ermittelt hat (gemeiner Wert der ins
Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter ./.
Buchwerte jener Wirtschaftsgüter [67.453,84 EUR] ./.
Aufgabekosten [Rückbauaufwendungen]), ist sie von
unzutreffenden Rechtsgrundsätzen zu ihren Lasten
ausgegangen.
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c) Nachträgliche Einkünfte aus
Gewerbebetrieb gemäß § 24 Nr. 2 EStG sind für
das Streitjahr zu berücksichtigen, soweit die zugeflossenen
Rentenzahlungen die Summe aus Kapitalkonto und Aufgabekosten
(95.071,05 EUR) abzüglich der bereits berücksichtigten
gemeinen Werte der ins Privatvermögen überführten
Wirtschaftsgüter (85.134,44 EUR), d.h. einen Betrag von
9.936,61 EUR überschritten haben.
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d) Ob der Zinsanteil von den Rentenzahlungen
zu separieren ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn
die Klägerin begehrt mit ihrem Revisionsantrag eine
Berücksichtigung von gewerblichen Einkünften in Höhe
von 34.344 EUR. Diesen Betrag kann der Senat nicht
unterschreiten.
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aa) Würde man auf die gesamten - nicht
zwischen Tilgungs- und Zinsanteil differenzierenden -
Rentenzahlungen von 36.000 EUR abstellen, ergäben sich
für die Klägerin steuerbare nachträgliche
Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 26.063,39 EUR
(36.000 EUR ./. 9.936,61 EUR).
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bb) Wäre dagegen der Zinsanteil (29.988
EUR) zu separieren und nur der Tilgungsanteil von 6.012 EUR zu
berücksichtigen, wäre der noch unverbrauchte Betrag von
9.936,61 EUR im Streitjahr zwar nicht überschritten. Eine
günstigere Besteuerungsfolge ergäbe sich für die
Klägerin in diesem Fall aber nicht, da der Zinsanteil im Jahr
des Zuflusses ebenfalls zu nachträglichen Einkünften aus
Gewerbebetrieb führt. Dies hat der Senat für die
Zuflussbesteuerung bei einer Veräußerungszeitrente
bereits entschieden (Urteil in BFHE 266, 224, BStBl II 2020, 262 =
SIS 20 01 59, Rz 26) und gilt bei einer
Veräußerungsleibrente sinngemäß. Eine
Zuordnung zu den sonstigen Einkünften gemäß §
22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG scheidet jedenfalls
bei der Wahl zur Zuflussbesteuerung aus, da die sonstigen
Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 EStG gegenüber den -
wenn auch nachträglichen - gewerblichen Einkünften
subsidiär sind (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1
EStG).
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4. Im vorliegenden Fall sind sämtliche
Einkünfte aus Gewerbebetrieb - unabhängig von dieser
Frage der Aufteilung der Leibrente im Fall der Zuflussbesteuerung
in einen Zins- und Tilgungsanteil - nicht nach § 34 EStG
ermäßigt zu besteuern. Zum einen unterliegen sowohl der
Zins- wie auch der Tilgungsanteil der Leibrente als
nachträgliche Betriebseinnahmen gemäß § 24 Nr.
2 EStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht der
ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG, da insoweit
keine außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34
Abs. 2 Nr. 1 EStG gegeben sind. Zum anderen fehlen aber auch
ansonsten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die als
außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr.
1 EStG qualifiziert werden könnten. Wie unter II.3.c gezeigt,
übersteigt das Kapital des Betriebs zuzüglich der
Aufgabekosten die gemeinen Werte der von der Klägerin in ihr
Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter um
9.936,61 EUR.
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Somit kann der Senat die Frage unbeantwortet
lassen, ob an der älteren BFH-Rechtsprechung festzuhalten ist,
wonach auch in Fällen der Zuflussbesteuerung die
Begünstigung nach § 34 EStG ungeachtet dessen
gewährt werden kann, dass der Gewinn aus der
Betriebsveräußerung bzw. der Veräußerung
einzelner Wirtschaftsgüter über viele Jahre verteilt wird
(vgl. Urteile vom 28.09.1967 - IV 288/62, BFHE 90, 324, BStBl II
1968, 76 = SIS 68 00 50, unter 5.; in BFHE 165, 75 = SIS 91 20 20,
unter II.1., und in BFHE 172, 349 = SIS 94 01 16, unter II.2.a),
obwohl es damit an der von der neueren Rechtsprechung geforderten
„Außerordentlichkeit“ der
Einkünfte (vgl. nur Senatsurteil vom 06.05.2020 - X R 24/19,
BFHE 269, 265, BStBl II 2021, 141 = SIS 20 19 65, Rz 17, und vom
25.02.2014 - X R 10/12, BFHE 245, 1, BStBl II 2014, 668 = SIS 14 16 42, Rz 33) fehlen könnte.
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5. Die Berechnung der festzusetzenden
Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz
2 FGO).
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6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus
§ 135 Abs. 1 FGO.
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