Im Übrigen wird die Revision der
Klägerinnen als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die
Klägerinnen zu 95 % und der Beklagte zu 5 % zu tragen.
1
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I. Die Klägerinnen und
Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) sind Erbinnen ihrer
Eltern. Am xx.xx.2007 verstarb der Vater der Klägerinnen (im
Folgenden: Erblasser). Während des Revisionsverfahrens
verstarb auch die Mutter (im Folgenden: Erblasserin), die als
Miterbin des Erblassers bis dahin ebenfalls Klägerin und
Revisionsklägerin war.
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2
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Der Erblasser und die Erblasserin wurden in
den Streitjahren 1995 bis 2001 beim Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1995
reichten sie am 10.03.1997 ein, jene für die Streitjahre ab
1996 in den Jahren 1998 bis 2002. Die Einkommensteuerbescheide
für die Streitjahre wurden bestandskräftig.
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3
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Der Erblasser und sein Bruder hatten in den
1980 er Jahren von ihrem Vater Depots im Fürstentum
Liechtenstein (Liechtenstein) und in der Schweiz geerbt. Nach
hälftiger Aufteilung unter den Brüdern brachte der
Erblasser seinen Anteil in zwei Stiftungen mit Sitz in
Liechtenstein ein. Die daraus erzielten Kapitalerträge gab er
in den Einkommensteuererklärungen nicht an und verkürzte
dadurch bewusst u.a. die Einkommensteuer der Streitjahre um jeweils
sechsstellige Euro-Beträge.
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4
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Die Klägerinnen hatten hiervon bereits
zu Lebzeiten des Erblassers Kenntnis. Nach dessen Tod im Jahr 2007
erhielten sie noch im selben Jahr Auskehrungen der
liechtensteinischen Stiftungen. Am 02.12.2014 reichten sie beim FA
eine Selbstanzeige ein, mit der sie die liechtensteinischen
Kapitalerträge für die Einkommensteuerveranlagungen ab
2002 nacherklärten. Für die Streitjahre gaben die
Klägerinnen keine Berichtigungserklärungen zu den
eingereichten Einkommensteuererklärungen ab.
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5
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Auf der Grundlage von
Steuerfahndungsberichten erließ das FA am 23.12.2016
gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO)
Änderungsbescheide zur Einkommensteuer für die
Streitjahre und zur Vermögensteuer-Neuveranlagung auf den
01.01.1996. Es richtete diese Bescheide an die Erblasserin und die
Klägerinnen als Gesamtrechtsnachfolgerinnen des Erblassers.
Das FA ging davon aus, dass die Festsetzungsfrist für die
Streitjahre wegen einer Ablaufhemmung gemäß § 171
Abs. 7 AO noch nicht abgelaufen sei.
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6
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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhoben die Klägerinnen gemeinsam mit der Erblasserin Klage
und beriefen sich auf den Eintritt der
Festsetzungsverjährung.
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Durch das in EFG 2019, 1731 = SIS 19 14 86 veröffentlichte Urteil wies
das Finanzgericht (FG) München die Klage ab. Die
Änderungsbescheide für die Streitjahre seien
rechtmäßig, da der Ablauf der Festsetzungsfrist nach
§ 171 Abs. 7 AO gehemmt gewesen sei. Durch die
Nichterfüllung ihrer Pflicht zur Erklärungsberichtigung
nach § 153 Abs. 1 AO hätten die Klägerinnen
ihrerseits die Einkommensteuer der Streitjahre hinterzogen. Eine
Berichtigung sei im Laufe des Jahres 2007 durchführbar und den
Klägerinnen zumutbar gewesen.
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Mit ihrer Revision rügen die
Klägerinnen die Verletzung von Bundesrecht. Das FG habe §
171 Abs. 7 AO unzutreffend ausgelegt.
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Die aufgrund der Steuerhinterziehungen des
Erblassers auf zehn Jahre verlängerten Festsetzungsfristen
seien zwar bei dessen Versterben am xx.xx.2007 noch nicht
abgelaufen gewesen. Für sämtliche Streitjahre habe die
zehnjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs.
2 Satz 2 AO auch gegenüber den Klägerinnen gegolten. Der
jeweilige Fristablauf sei aber nicht nach § 171 Abs. 7 AO
über das Ende dieser Festsetzungsfrist hinaus gehemmt worden.
§ 171 Abs. 7 AO erfasse allein die Steuerstraftat des
Erblassers als des originären Steuerpflichtigen und könne
nur zu einer Ablaufhemmung bis zur steuerstrafrechtlichen
Verfolgungsverjährung dieser Tat führen. Eine Analogie
oder teleologische Extension der Regelung zulasten der
Klägerinnen in der Weise, dass eine Steuerhinterziehung des
Erben aufgrund einer unterbliebenen Erklärungsberichtigung
(§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 AO) eine
Ablaufhemmung bis zur steuerstrafrechtlichen
Verfolgungsverjährung der Tat des Erben auslöse, komme
nicht in Betracht. Der Zweck des § 171 Abs. 7 AO bestehe nur
darin, eine Inkongruenz zwischen der steuerlichen
Festsetzungsverjährung und der strafrechtlichen
Verfolgungsverjährung bei dem
„Ursprungstäter“ bzw.
„lebenden Steuerpflichtigen“ (hier: dem
Erblasser) zu vermeiden. Der Erbe könne nach dem Eintritt der
Festsetzungsverjährung nur durch einen Haftungsbescheid in
Anspruch genommen werden (§ 71 i.V.m. § 191 Abs. 1, Abs.
5 AO).
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10
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Selbst wenn man dieser Argumentation nicht
folge, habe jedenfalls der Änderungsbescheid für das
Streitjahr 1995 nicht mehr ergehen dürfen. Denn die
Steuerhinterziehungen der Klägerinnen durch Unterlassen seien
insoweit bis zum Ablauf der zehnjährigen Festsetzungsfrist am
31.12.2007 noch nicht vollendet gewesen, da das FA selbst bei einer
unverzüglichen Anzeige und Berichtigung der
Einkommensteuererklärung des Erblassers für das Jahr 1995
bis zum Jahresende 2007 keinen Änderungsbescheid für
dieses Streitjahr mehr hätte erlassen können.
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Nach Bekanntgabe eines Abhilfebescheids vom
12.05.2022 zur Vermögensteuer-Neuveranlagung auf den
01.01.1996 erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit
in der Hauptsache für erledigt.
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12
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Die Klägerinnen beantragen,
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das Urteil des FG München vom
26.07.2019 - 6 K 3189/17, die Einspruchsentscheidung vom 12.12.2017
sowie die Einkommensteuer-Änderungsbescheide für die
Jahre 1995 bis 2001 vom 23.12.2016 aufzuheben,
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hilfsweise, das Urteil des FG München
vom 26.07.2019 - 6 K 3189/17 wegen der Einkommensteuer 1995
aufzuheben und zurückzuverweisen.
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13
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Das Revisionsverfahren wurde durch den Tod
der Erblasserin am xx.xx.2020 gemäß § 155 Satz 1
der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §§ 239, 246 der
Zivilprozessordnung (ZPO) nicht unterbrochen, da sie durch die
Prozessbevollmächtigte vertreten war. Das Verfahren war auch
nicht nach § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO auszusetzen, da weder
die Prozessbevollmächtigte noch das FA dies beantragt haben.
Nach Annahme der Erbschaft führen die Klägerinnen das
Revisionsverfahren (auch) als Gesamtrechtsnachfolgerinnen der
Erblasserin fort.
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III. Soweit das Urteil des FG die
Vermögensteuer-Neuveranlagung auf den 01.01.1996 betrifft, ist
es durch die Bekanntgabe des Abhilfebescheids vom 12.05.2022
gegenstandslos geworden und deshalb aufzuheben. Aufgrund der
übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten
ist der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt.
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IV. Soweit die Revision der Klägerinnen
die Einkommensteuer der Streitjahre betrifft, ist sie
gemäß § 126 Abs. 2 FGO als unbegründet
zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Klägerinnen die vom Erblasser hinterzogene Einkommensteuer als
Gesamtrechtsnachfolgerinnen schulden (1.), die Voraussetzungen des
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO für die Korrektur der
Einkommensteuerbescheide vorliegen (2.) und den am 23.12.2016
erlassenen Änderungsbescheiden wegen der Ablaufhemmung
gemäß § 171 Abs. 7 AO nicht der Eintritt der
Festsetzungsverjährung entgegenstand (3.). Auf Fragen der
steuerlichen Haftung kommt es nicht an (4.).
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1. Mit dem Erbfall am xx.xx.2007 sind die
Klägerinnen als Erbinnen und Gesamtrechtsnachfolgerinnen
gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 AO - zunächst
gemeinsam mit der Erblasserin - neue Gesamtschuldnerinnen für
die Einkommensteuerschulden des Erblassers geworden (vgl. § 44
Abs. 1 AO). Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren
Vermögen (Erbschaft) als Ganzes nach § 1922 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs auf eine oder mehrere Personen
(Erben) über. Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge
beschränkt sich nicht auf den Bereich des Zivilrechts, sondern
es erstreckt sich auch auf das öffentliche Recht und
insbesondere auf das Steuerrecht (vgl. Beschluss des Großen
Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.12.2007 - GrS 2/04, BFHE
220, 129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73, unter D.I. [Rz 56];
BFH-Urteil vom 29.08.2017 - VIII R 32/15, BFHE 260, 1, BStBl II
2018, 223 = SIS 17 25 68, Rz 23).
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18
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2. Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit
Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die
zu einer höheren Steuer führen. Das FA erlangte im
Streitfall erst durch die von den Klägerinnen für die
Jahre ab 2002 eingereichte Selbstanzeige vom 02.12.2014 Kenntnis
davon, dass der Erblasser bereits in den Streitjahren höhere
Kapitaleinkünfte erzielt hatte, als er dem FA in den
eingereichten Einkommensteuererklärungen mitgeteilt hatte. Die
Änderbarkeit der Einkommensteuerbescheide gemäß
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und die anzusetzenden
Kapitaleinkünfte sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Die
Klägerinnen berufen sich ausschließlich auf die nach
ihrer Auffassung schon vor dem Erlass der Änderungsbescheide
vom 23.12.2016 eingetretene Festsetzungsverjährung.
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19
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3. Das FG hat zutreffend entschieden, dass das
FA die streitgegenständlichen Änderungsbescheide vor dem
jeweiligen Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen
hat.
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20
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a) Die Festsetzungsfrist begann mit Ablauf des
Jahres, in dem die Erblasser die Einkommensteuererklärung
für das jeweilige Streitjahr abgegeben hatten (§ 170 Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 AO). Sie verlängerte sich aufgrund der
unstreitigen Steuerhinterziehungen des Erblassers für jedes
Streitjahr auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Für
das älteste Streitjahr 1995 begann sie mit Ablauf des Jahres
1997 und endete - vorbehaltlich der Ablaufhemmung gemäß
§ 171 Abs. 7 AO (s. dazu unter IV.3.c) - mit Ablauf des Jahres
2007. Entsprechend endeten die zehnjährigen
Festsetzungsfristen für die weiteren Streitjahre
frühestens mit Ablauf der Jahre 2008 (Streitjahre 1996 und
1997), 2009 (Streitjahr 1998), 2010 (Streitjahr 1999), 2011
(Streitjahr 2000) und 2012 (Streitjahr 2001).
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21
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b) Die durch die Steuerhinterziehungen des
Erblassers für die Streitjahre in Gang gesetzten
zehnjährigen Festsetzungsfristen liefen für die
Klägerinnen als Gesamtrechtsnachfolgerinnen jeweils bis zum
Ablauf des Zehnjahreszeitraums weiter. Die Eigenschaft einer
Steuer, hinterzogen zu sein, haftet der Steuer als solcher an und
geht mit dem Übergang der Steuerschuld nach § 45 Abs. 1
AO auf den Gesamtrechtsnachfolger über (vgl. dazu BFH-Urteile
vom 02.12.1977 - III R 117/75, BFHE 124, 302, BStBl II 1978, 359 =
SIS 78 02 00, unter 2.c [Rz 13], und in BFHE 260, 1, BStBl II 2018,
223 = SIS 17 25 68, Rz 23 f., 33 ff.).
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22
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c) Die von den Klägerinnen als Erbinnen
durch Unterlassen der Erklärungsberichtigungen begangenen
Steuerhinterziehungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153
Abs. 1 AO) lösten für die Einkommensteuer der Streitjahre
keine erneute zehnjährige Festsetzungsfrist aus. Zwar ist auch
eine Steuerhinterziehung eines Erben geeignet, die
Festsetzungsfrist für den übergegangenen Steueranspruch
auf zehn Jahre zu verlängern. Die Steuerhinterziehung des
Erben bewirkt jedoch nur dann eine Fristverlängerung auf zehn
Jahre, wenn es sich bei dieser - anders als im Streitfall - um eine
erstmalige Verlängerung der Festsetzungsfrist aufgrund einer
Steuerhinterziehung handelt (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 26.02.2020
- 5 K 95/17, EFG 2020, 1034 = SIS 20 05 55, Rz 117 f., und
Schindler in Gosch, AO § 153 Rz 26).
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d) Die zehnjährige Festsetzungsfrist war
für alle Streitjahre zum Zeitpunkt des Erlasses der
Änderungsbescheide vom 23.12.2016 noch nicht abgelaufen. Der
Ablauf der Festsetzungsfristen war gemäß § 171 Abs.
7 AO gehemmt, da Fälle des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO
vorlagen und die Verfolgung der Steuerstraftaten der
Klägerinnen noch nicht verjährt war.
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aa) Nach § 171 Abs. 7 AO endet die
Festsetzungsfrist in den Fällen der Verlängerung der
Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO
nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der
Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.
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aaa) Nach dem Wortlaut des § 171 Abs. 7
AO setzt die Hemmung der Festsetzungsverjährung nicht voraus,
dass die noch nicht verjährte Steuerstraftat bzw.
Steuerordnungswidrigkeit die Tat ist, die zur Verlängerung der
Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO geführt
hat. Erforderlich ist allein, dass eine verlängerte
steuerliche Festsetzungsfrist vorliegt und die
Verfolgungsverjährung für eine dieselbe Steuerschuld
betreffende Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit noch nicht
eingetreten ist. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen
handelt es sich bei dieser Auslegung des § 171 Abs. 7 AO weder
um eine teleologische Extension der Vorschrift noch um eine
Analogie, sondern um eine Auslegung des Tatbestands, die die
Grenzen des Wortlauts, den Normzweck und die Systematik beachtet.
Sie wird auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (vgl. die
Urteile des FG München im Streitfall und des FG Hamburg in EFG
2020, 1034 = SIS 20 05 55) sowie in Teilen des Schrifttums
befürwortet (vgl. Buse in Buse/von Frantzki, Steuerstrafrecht,
6/2021, 5. Kapitel, 7.5.3 zu Fn 421; Klein/Rüsken, AO, 15.
Aufl., § 171 Rz 88; Rolletschke, Zeitschrift für
Wirtschafts- und Steuerstrafrecht - wistra - 2020, 175 f.;
Scheffler, Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht 2020, 251 f.;
Zugmaier/Nöcker/Webel, AO, § 171 Rz 303; anderer Ansicht
Beyer, BB 2016, 987, 989; Drüen in Tipke/Kruse, § 171 AO
Rz 80; BeckOK AO/Fink, 21. Ed. [01.07.2022], AO § 171 Rz 328
f.; Fromm, DStR 2014, 1747, 1750; Lampe, Praxis Steuerstrafrecht
2015, 95 ff.; Paetsch in Gosch, AO § 171 Rz 137; Radermacher,
Steuerberater Woche 2014, 956, 960; Sommer/Kauffmann, Neue
Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und
Unternehmensstrafrecht 2015, 63, 69 f.).
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26
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bbb) Diese Auslegung ist auch durch den Zweck
des § 171 Abs. 7 AO geboten. Dieser besteht darin, zu
verhindern, dass eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit
zwar noch verfolgt werden kann, die dadurch hinterzogenen oder
leichtfertig verkürzten Steuerbeträge aber wegen
Festsetzungsverjährung nicht mehr festgesetzt werden
dürfen (vgl. BT-Drucks. VI/1982, S. 152; Banniza in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 171 AO Rz 163;
Drüen in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz 76). Der Gesetzgeber
will auf die Festsetzung einer Steuer nicht verzichten, solange die
Bestrafung bzw. Ahndung eines diese Steuer betreffenden
Steuerdelikts noch möglich ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 124,
302, BStBl II 1978, 359 = SIS 78 02 00, unter 2.b [Rz 12], mit
weiteren Erläuterungen zur Entstehungsgeschichte und dem
daraus hervorgehenden Normzweck).
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27
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ccc) Ein systematisches Argument für
diese Auslegung ist aus § 171 Abs. 9 AO abzuleiten. Diese
Vorschrift sieht eine einjährige Ablaufhemmung für den
Fall eines „rechtstreuen“ Erben
vor, der seine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153
Abs. 1 AO ordnungsgemäß erfüllt. Erstattet der
Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach
den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3 AO, so endet die
Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 9 AO nicht vor Ablauf eines
Jahres nach Eingang der Anzeige (vgl. zu dieser Vorschrift
BFH-Urteil vom 21.04.2010 - X R 1/08, BFHE 229, 49, BStBl II 2010,
771 = SIS 10 18 64). Auch dies spricht für die Anwendung des
§ 171 Abs. 7 AO während der Dauer einer möglichen
Strafverfolgung des
„rechtsuntreuen“ Erben. Denn es
wäre wertungswidersprüchlich und mit dem Normzweck des
§ 171 Abs. 7 AO nicht vereinbar, wenn eine Ablaufhemmung im
Fall der eigenen Steuerhinterziehung des Erben, nachdem schon der
Erblasser dieselbe Steuer hinterzogen hatte, nicht bestünde
oder wenn sie kürzer als im Fall rechtstreuen Verhaltens des
Erben wäre (vgl. zum Argument des Wertungswiderspruchs auch
BFH-Urteil in BFHE 229, 49, BStBl II 2010, 771 = SIS 10 18 64, Rz
29).
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28
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bb) Die Voraussetzungen der Ablaufhemmung
gemäß § 171 Abs. 7 AO sind danach in allen
Streitjahren erfüllt. Aufgrund der Steuerhinterziehungen des
Erblassers lagen unstreitig Fälle des § 169 Abs. 2 Satz 2
AO vor. Die Klägerinnen haben als Erbinnen bezüglich der
Einkommensteuer der Streitjahre jeweils eigene
Steuerhinterziehungen durch Unterlassen gemäß § 370
Abs. 1 Nr. 2 AO begangen, deren Verfolgung zum Zeitpunkt der
Änderungsbescheide vom 23.12.2016 noch nicht verjährt
war.
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aaa) Die Klägerinnen waren nach dem
Erbfall gemäß § 153 Abs. 1 AO zur Anzeige und
Berichtigung der Einkommensteuererklärungen der Erblasser
für die Streitjahre verpflichtet. Aufgrund ihres bereits vor
dem Tod des Erblassers erlangten Wissens erkannten die
Klägerinnen unmittelbar nach dem Erbfall und damit noch vor
dem jeweiligen Ablauf der auf zehn Jahre verlängerten
Festsetzungsfrist (für das älteste Streitjahr 1995 am
31.12.2007), dass die von den Erblassern ursprünglich
abgegebenen Einkommensteuererklärungen unvollständig
waren und dass es dadurch in den Streitjahren zu
Einkommensteuerverkürzungen gekommen war. Die Klägerinnen
traf als Gesamtrechtsnachfolgerinnen deshalb nach § 153 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 AO die Verpflichtung, dies dem FA
unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung
vorzunehmen. Dieser Verpflichtung sind sie nach der zutreffenden
Würdigung des FG bewusst nicht nachgekommen. Sie haben das FA
auf diese Weise pflichtwidrig über die steuerlich erheblichen
Kapitalerträge in Unkenntnis gelassen und dadurch die
Einkommensteuer des Jahres 1995 und der folgenden Streitjahre
verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 AO). Die
Anzeige- und Berichtigungspflicht wird nicht dadurch
ausgeschlossen, dass ein Erbe bereits vor dem Tod des Erblassers
Kenntnis von dem Kapitalvermögen im Ausland und der Abgabe
unrichtiger Steuererklärungen hatte, da für die
nachträgliche Kenntnis auf den Eintritt der
Gesamtrechtsnachfolge, d.h. auf den Zeitpunkt des Todes des
Erblassers abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 260, 1, BStBl
II 2018, 223 = SIS 17 25 68, Rz 30).
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30
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bbb) Die Würdigung des FG, dass die
Steuerhinterziehungen der Klägerinnen vor dem jeweiligen
Eintritt der Festsetzungsverjährung vollendet waren, ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das
FG im Hinblick auf die Einkommensteuer 1995 eine noch vor dem
Jahresende 2007 vollendete Steuerhinterziehung bejaht hat. Bei der
Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen ist
für die Vollendung der Tat i.S. von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO
regelmäßig derjenige Zeitpunkt maßgebend, zu dem
die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn die
Steuererklärung (hier: die betreffende Berichtigung)
eingereicht worden wäre (vgl. Beschlüsse des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19.01.2011 - 1 StR 640/10, wistra
2012, 484 = SIS 11 12 08, Rz 8
ff., und vom 04.11.2021 - 1 StR 236/21, wistra 2022, 204 =
SIS 22 04 09, Rz 13). Infolge
ihrer bereits vor dem Erbfall vorhandenen Kenntnisse bezüglich
der liechtensteinischen Kapitalanlagen waren die Klägerinnen
in der Lage, auch für das älteste Streitjahr 1995
unverzüglich nach dem Tod des Erblassers am xx.xx.2007 eine
Berichtigung vorzunehmen. Das FA hätte sodann noch vor dem
Ablauf der zehnjährigen Festsetzungsfrist (für das
Streitjahr 1995 am 31.12.2007) einen Änderungsbescheid
erlassen können. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen
in der mündlichen Verhandlung wäre der Erlass dieses
Änderungsbescheids auch spätestens bis zum Ende des
Jahres 2007 zu erwarten gewesen.
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31
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ccc) Die strafrechtliche Verfolgung der von
den Klägerinnen begangenen Hinterziehungen der die Streitjahre
betreffenden Einkommensteuer war bis zum Erlass der
Änderungsbescheide am 23.12.2016 noch nicht verjährt. Die
strafrechtliche Verfolgungsverjährung beginnt bei einer
Steuerhinterziehung gemäß § 369 Abs. 2 AO i.V.m.
§ 78a des Strafgesetzbuchs, sobald die Tat beendet ist. Die
Verjährungsfrist für eine - hier unstreitig gegebene -
besonders schwere Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370
Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) betrug nach der im Streitfall anwendbaren
Fassung des § 376 Abs. 1 AO a.F. (vgl. Art. 97 § 23 des
Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung) zehn Jahre (zu den
unterschiedlichen Fassungen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO
in den Jahren 2007 und 2008 sowie zu § 376 Abs. 1 AO a.F. vgl.
BGH-Urteile vom 26.10.2016 - 1 StR 172/16, wistra 2017, 196 =
SIS 16 28 25, Rz 16 ff., und vom
05.09.2017 - 1 StR 365/16, wistra 2018, 224, Rz 20 ff.; zur
Verlängerung der strafrechtlichen
Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 376 Abs. 1
AO bei einer besonders schweren Steuerhinterziehung zunächst
auf die im vorliegenden Fall maßgeblichen zehn Jahre und
inzwischen auf 15 Jahre vgl. Bülte in HHSp, § 376 AO Rz 8
ff.). Aufgrund der von den Klägerinnen im zweiten Halbjahr
2007 begangenen Steuerhinterziehungen war deshalb bis zum Erlass
der Änderungsbescheide am 23.12.2016 bezüglich aller
Streitjahre keine Strafverfolgungsverjährung eingetreten.
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32
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4. Entgegen der Auffassung der
Klägerinnen konnten sie nicht nur gemäß § 71
i.V.m. § 191 AO als Haftungsschuldnerinnen in Anspruch
genommen werden, da sie durch die Erbfolge selbst zu
Steuerschuldnerinnen für die Einkommensteuer der Streitjahre
geworden sind (zur Exklusivität von Steuerschuld und
Haftungsschuld vgl. BFH-Urteil vom 23.06.2020 - VII R 56/18, BFHE
270, 1 = SIS 20 19 12, Rz 13 ff.).
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33
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf §
136 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO. Da das FA in
Anbetracht des Abhilfebescheids zur
Vermögensteuer-Neuveranlagung nicht nur zu einem geringen Teil
i.S. des § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO unterlegen ist (vgl.
BFH-Urteil vom 28.06.2017 - XI R 23/14, BFHE 258, 517 = SIS 17 15 39, Rz 79), waren die Kosten gemäß dem Verhältnis
des Obsiegens und Unterliegens zu teilen.
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