Auf die Revision der Kläger wird das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 10.07.2019 - 7 K 2862/17
E = SIS 19 14 46 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Münster zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden als Ehegatten in den Streitjahren (2009 und
2013) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
|
|
|
2
|
Der Kläger erzielte als Rechtsanwalt
Einkünfte aus selbständiger Arbeit und ermittelte seinen
Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß
§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in den
Streitjahren geltenden Fassung (EStG).
|
|
|
3
|
In den Streitjahren bildete der Kläger
für die künftige Anschaffung eines PKW jeweils einen
Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG in Höhe
von 20.000 EUR (2009) sowie in Höhe von 8.000 EUR
(2013).
|
|
|
4
|
Am 06.09.2011 schaffte der Kläger ein
gebrauchtes Fahrzeug vom Typ A zu einem Kaufpreis von 47.479 EUR
netto an. Für das Fahrzeug nahm er im Jahr 2013 eine
Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG in Höhe von
9.496 EUR in Anspruch. Er nutzte das Fahrzeug, bis er am 08.11.2016
ein weiteres gebrauchtes Fahrzeug vom Typ A zu einem Kaufpreis von
42.436,97 EUR netto anschaffte. Beide Fahrzeuge ordnete der
Kläger seinem Betriebsvermögen zu.
|
|
|
5
|
Im Betriebsvermögen des Klägers
wurde darüber hinaus ein PKW vom Typ B geführt, der von
der Klägerin, die als Angestellte in der Rechtsanwaltskanzlei
des Klägers tätig war, auch für private Fahrten
genutzt wurde. Für Privatfahrten standen den Klägern
außerdem bis Januar 2014 ein PKW vom Typ C, von Februar 2014
bis November 2016 ein PKW vom Typ D und von Dezember 2016 bis
Dezember 2017 ein Fahrzeug vom Typ E zur Verfügung.
|
|
|
6
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) veranlagte die Kläger hinsichtlich der
Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Klägers
zunächst erklärungsgemäß.
|
|
|
7
|
Im Rahmen einer Betriebsprüfung
gelangte der Prüfer zu der Auffassung, die in den Streitjahren
angeschafften PKW seien auch für private Zwecke genutzt
worden. Die von dem Kläger geführten Aufzeichnungen
über die betrieblichen Fahrten seien nicht als
ordnungsgemäßes Fahrtenbuch anzuerkennen. Der private
Nutzungsanteil sei daher nach der sog. 1 %-Methode zu berechnen.
Dementsprechend könne nicht davon ausgegangen werden, dass die
beiden Fahrzeuge ausschließlich bzw. fast
ausschließlich betrieblich genutzt worden seien. Die in den
Streitjahren gebildeten Investitionsabzugsbeträge und die in
Anspruch genommene Sonderabschreibung machte der Prüfer daher
rückgängig.
|
|
|
8
|
Das FA folgte den
Prüfungsfeststellungen und erließ am 08.06.2017
entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die
Streitjahre.
|
|
|
9
|
Die hiergegen eingelegten Einsprüche
der Kläger blieben ohne Erfolg. Die daraufhin erhobene Klage
wies das Finanzgericht (FG) Münster mit in EFG 2019, 1535 =
SIS 19 14 46 veröffentlichtem Urteil vom 10.07.2019 ab. Das FG
war der Auffassung, es sei von den Klägern nicht der Nachweis
erbracht worden, dass die beiden Fahrzeuge im maßgebenden
Zeitraum ausschließlich oder fast ausschließlich
betrieblich genutzt worden seien.
|
|
|
10
|
Mit ihrer Revision rügen die
Kläger die Verletzung von materiellem Recht. Darüber
hinaus machen sie Verfahrensmängel geltend.
|
|
|
11
|
Die Kläger beantragen
sinngemäß,
|
|
das Urteil des FG Münster vom
10.07.2019 - 7 K 2862/17 E aufzuheben und die
Einkommensteuerbescheide für 2009 und 2013, jeweils vom
08.06.2017 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
14.08.2017, dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer für
das Streitjahr 2009 unter Berücksichtigung eines
Investitionsabzugsbetrags von 20.000 EUR und die Einkommensteuer
für das Streitjahr 2013 unter Berücksichtigung eines
Investitionsabzugsbetrags in Höhe von 8.000 EUR und einer
Sonderabschreibung in Höhe von 9.496 EUR, jeweils bei den
Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit,
festgesetzt wird.
|
|
|
12
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
13
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat zu
Unrecht entschieden, dass die in beiden Streitjahren nach § 7g
Abs. 1 EStG gebildeten Investitionsabzugsbeträge und die im
Streitjahr 2013 nach § 7g Abs. 5 EStG in Anspruch genommene
Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 4, Abs. 6 Nr. 2
EStG rückgängig zu machen sind.
|
|
|
14
|
1. Gemäß § 7g Abs. 1 Satz 1
EStG können Steuerpflichtige für die künftige
Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen
Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 % der
voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten
gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag). Im
Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung ist der
Investitionsabzugsbetrag gewinnerhöhend hinzuzurechnen (§
7g Abs. 2 Satz 1 EStG). Soweit der Investitionsabzugsbetrag nicht
bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs
folgenden Wirtschaftsjahres nach Absatz 2 hinzugerechnet wird, ist
der Abzug rückgängig zu machen (§ 7g Abs. 3 EStG).
Erfolgt eine Anschaffung oder Herstellung innerhalb der
Dreijahresfrist, ist der Investitionsabzugsbetrag
rückgängig zu machen, wenn das Wirtschaftsgut nicht bis
zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung
folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen
Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast
ausschließlich betrieblich genutzt wird (§ 7g Abs. 4
Satz 1 EStG). Im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den
folgenden vier Jahren können neben den Absetzungen für
Abnutzung nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG
Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder
Herstellungskosten in Anspruch genommen werden (§ 7g Abs. 5
EStG). Dies setzt ebenfalls voraus, dass das Wirtschaftsgut im Jahr
der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden
Wirtschaftsjahr in einer inländischen Betriebsstätte des
Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast
ausschließlich betrieblich genutzt wird (§ 7g Abs. 6 Nr.
2 EStG). Sowohl bei der Inanspruchnahme des
Investitionsabzugsbetrags gemäß § 7g Abs. 1 bis
Abs. 4 EStG als auch bei der Sonderabschreibung gemäß
§ 7g Abs. 5 EStG ist eine betriebliche Nutzung von mindestens
90 % erforderlich (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
19.03.2014 - X R 46/11, BFHE 245, 36, BStBl II 2017, 291 = SIS 14 15 57, Rz 16, und vom 06.04.2016 - X R 28/14, BFHE 254, 218, BStBl
II 2017, 302 = SIS 16 21 85, Rz 29; vgl. auch Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 20.11.2013 - IV C 6 - S 2139 -
b/07/10002, BStBl I 2013, 1493 = SIS 13 31 18, Rz 39).
|
|
|
15
|
2. Nach diesem Maßstab hat das FG im
Ausgangspunkt zu Recht entschieden, dass der Kläger die von
ihm behauptete fast ausschließliche betriebliche Nutzung der
beiden PKW nicht durch Vorlage von ordnungsgemäß
geführten Fahrtenbüchern nachgewiesen hat.
|
|
|
16
|
a) Der Begriff des ordnungsgemäßen
Fahrtenbuchs i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ist
gesetzlich nicht näher bestimmt. Der BFH hat jedoch aus dem
Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung geschlossen, dass
die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der
Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende
Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit
bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit
hin überprüfbar sein müssen. Dazu gehört, dass
das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt
worden ist und dass es die zu erfassenden Fahrten
einschließlich des an ihrem Ende erreichten
Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden
Zusammenhang wiedergibt (BFH-Urteile vom 09.11.2005 - VI R 27/05,
BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408 = SIS 06 13 16, und vom
16.03.2006 - VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625 = SIS 06 20 03).
|
|
|
17
|
b) Das FG ist von den vorstehend genannten
Rechtsprechungsgrundsätzen ausgegangen und aufgrund einer
Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis
gelangt, dass die von dem Kläger vorgelegten Aufzeichnungen
nicht als ordnungsgemäße Fahrtenbücher anzuerkennen
sind. Insbesondere hat das FG festgestellt, dass die Aufstellungen
nicht zeitnah geführt wurden und auch keine
Kilometerstände oder Privatfahrten enthielten. Die vom FG
aufgrund der Gesamtwürdigung der Aufzeichnungen vorgenommene
Schlussfolgerung ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande
gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von
Erfahrungssätzen beeinflusst. Sie ist daher für den Senat
nach § 118 Abs. 2 FGO bindend (ständige Rechtsprechung,
vgl. z.B. BFH-Urteil vom 03.07.2014 - III R 30/11, BFHE 246, 477,
BStBl II 2015, 157 = SIS 14 28 38, Rz 33).
|
|
|
18
|
3. Soweit das FG seine Entscheidung unter
Bezugnahme auf die von ihm zitierte finanzgerichtliche
Rechtsprechung (vgl. u.a. FG München, Urteil vom 15.12.2014 -
7 K 2748/13 = SIS 15 09 48, juris, Rz 27; FG des Landes
Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12.06.2013 - 2 K 1191/12 = SIS 14 06 65,
juris, Rz 18) tragend auch damit begründet hat, dass bei
Vorliegen nicht ordnungsgemäßer Fahrtenbücher ein
Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung im
Rahmen von § 7g EStG ausscheidet, ist es allerdings von einem
teilweise unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen.
|
|
|
19
|
a) Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt,
dass in den Fällen, in denen es aufgrund Fehlens
ordnungsgemäßer Fahrtenbücher zur Anwendung des
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zur Ermittlung der Privatanteile
kommt, der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen
Nutzung eines PKW nicht anhand der 1 %-Regelung geführt werden
kann, da ein Durchschnittswert in Höhe von monatlich 1 % des
abgerundeten Bruttolistenpreises in etwa einem Anteil der
Privatnutzung von 20 bis 25 % entspricht (vgl. BFH-Beschluss vom
03.01.2006 - XI B 106/05, BFH/NV 2006, 1264 = SIS 06 25 69).
|
|
|
20
|
b) Nach der neueren Rechtsprechung des III.
Senats des BFH (vgl. Urteil vom 15.07.2020 - III R 62/19, BFHE 271,
71 = SIS 21 05 00), der sich der erkennende Senat anschließt,
ist der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen
Nutzung jedoch nicht auf ordnungsgemäße
Fahrtenbücher beschränkt. Er kann - entsprechend der
für die Aufklärung des Sachverhalts geltenden allgemeinen
Grundsätze - auch durch andere Beweismittel geführt
werden. Insbesondere verlangt der Sinn und Zweck der Regelungen
nicht, den in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG vorgegebenen Weg
zum Nachweis der privaten Nutzung von Kfz auf die in § 7g EStG
geregelten Sachverhalte zu übertragen. Die Sätze 2 und 3
des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG stellen Ausnahmen von den
allgemeinen Bewertungsregeln dar (BFH-Urteil vom 19.03.2009 - IV R
59/06, BFH/NV 2009, 1617 = SIS 09 29 35). Es handelt sich jedoch
nicht um Regelungen, die umfassend sämtliche Fälle der
Bewertung der privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge erfassen,
denn sie betreffen lediglich die zu mehr als 50 % betrieblich
genutzten Kfz. Dementsprechend kann auch bei der Abgrenzung von
Privatvermögen und gewillkürtem Betriebsvermögen die
erforderliche mindestens 10%ige betriebliche Nutzung nicht allein
durch ein Fahrtenbuch, sondern auch durch andere Aufzeichnungen
belegt werden (BFH-Urteil vom 21.08.2012 - VIII R 12/11, juris, Rz
21). Die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG geregelte
Fahrtenbuchmethode, welche an die 1 %-Regelung des § 6 Abs. 1
Nr. 4 Satz 2 EStG anknüpft, stellt damit keine zu
verallgemeinernde Vorschrift zum Nachweis der Anteile der privaten
und der betrieblichen Nutzung von Kfz dar, so dass deren Anwendung
ohne ausdrückliche gesetzliche Verweisung im Rahmen des §
7g EStG nicht in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 271, 71 =
SIS 21 05 00, Rz 29 ff. und 34).
|
|
|
21
|
4. Das FG hat seine Entscheidung zwar
hilfsweise auch damit begründet, dass die vorgelegten
Aufzeichnungen selbst dann nicht geeignet wären, den
erforderlichen Nachweis der fast ausschließlichen
betrieblichen Nutzung der PKW in den maßgebenden
Zeiträumen zu erbringen, wenn man - der Auffassung der
Kläger folgend - andere Unterlagen als ein
ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zuließe. Im Rahmen
dieser hilfsweisen Begründung hat das FG jedoch den
entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig
aufgeklärt und damit gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO
verstoßen, indem es dem Beweisantritt der Kläger nicht
gefolgt ist und die Zeugin Z nicht vernommen hat. Das angefochtene
FG-Urteil stellt sich damit auch nicht aus anderen Gründen im
Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO).
|
|
|
22
|
a) Ein ordnungsgemäß gestellter
Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das
Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich,
das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder untauglich
ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des
Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann
(ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 29.06.2011 -
X B 242/10, BFH/NV 2011, 1715 = SIS 11 29 64, m.w.N.).
|
|
|
23
|
b) Keiner der vorgenannten Gründe
für ein Absehen von der beantragten Beweisaufnahme liegt im
Streitfall vor.
|
|
|
24
|
aa) Der Klägervertreter hat den Antrag
auf Vernehmung der Zeugin Z laut Sitzungsprotokoll in der
mündlichen Verhandlung unmittelbar vor Stellung der
Sachanträge wiederholt und dabei auch die unter Beweis
gestellten Tatsachen hinreichend genau bezeichnet. Aus der
Bezugnahme auf den in der mündlichen Verhandlung dem FG
übergebenen schriftlichen Beweisantrag vom 10.07.2019 ergab
sich, dass die Zeugin zum Beweis der Tatsache benannt war, dass der
Kläger an den aus den vorgelegten Auflistungen ersichtlichen
Terminen betriebliche Fahrten mit dem jeweiligen PKW A
durchgeführt hatte. Auch aus der eingereichten schriftlichen
Erklärung der Zeugin Z vom 08.07.2019 ging hervor, dass in den
Auflistungen diejenigen betrieblichen Termine angegeben worden
waren, die der Kläger „mit seinem Dienstwagen [A]
wahrgenommen hat“.
|
|
|
25
|
bb) Das Beweismittel war nach der insoweit
maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des FG (vgl.
z.B. BFH-Beschluss vom 14.01.2011 - III B 96/09, BFH/NV 2011, 788 =
SIS 11 12 48) nicht unerheblich. Nach dem vom FG hilfsweise
eingenommenen Rechtsstandpunkt war zu prüfen, ob der Nachweis
der ausschließlichen oder fast ausschließlichen
betrieblichen Nutzung des Fahrzeugs auch auf andere Weise als durch
ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt werden
konnte. Hierbei kam es aus Sicht des FG entscheidungserheblich
darauf an, ob tatsächlich für alle Termine, die sich aus
den Auflistungen ergaben, der jeweilige PKW A genutzt worden war.
Der den Klägern obliegende Nachweis der betrieblichen Nutzung
konnte mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln,
mithin auch durch Zeugenbeweis, erbracht werden.
|
|
|
26
|
cc) Das FG durfte die von den Klägern
beantragte Zeugenvernehmung auch nicht mit der Begründung
ablehnen, der dargelegte Sachverhalt könne als wahr
unterstellt werden, ohne dass hieraus ein Anerkenntnis des
erforderlichen Nachweises folge.
|
|
|
27
|
aaa) Im vom Untersuchungsgrundsatz
beherrschten finanzgerichtlichen Verfahren (§ 76 Abs. 1 FGO)
ist der Verzicht auf eine Beweiserhebung zum
entscheidungserheblichen Sachverhalt, insbesondere zu einer von
einem Beteiligten behaupteten Tatsache, unter dem Gesichtspunkt der
Wahrunterstellung nur gerechtfertigt, wenn das Gericht zugunsten
des Beteiligten den von diesem behaupteten Sachverhalt ohne jede
inhaltliche Einschränkung als richtig annimmt, die behauptete
Tatsache also in ihrem mit dem Parteivorbringen gemeinten Sinn so
behandelt, als wäre sie nachgewiesen. Das Gericht ist daher
gehalten, die Beweisbehauptung ohne jede Einengung, dem Beteiligten
nachteilige Umdeutungen oder sonstige Änderungen als wahr zu
behandeln. Es darf insbesondere nicht von einem anderen als dem
unter Beweis gestellten Sachverhalt ausgehen oder einen Sachverhalt
zugrunde legen, durch den das Beweisvorbringen in seiner Bedeutung
abgeschwächt oder irrelevant wird (BFH-Urteil vom 17.03.1994 -
V R 92/91, BFH/NV 1995, 314; BFH-Beschlüsse vom 03.01.2006 -
IX B 56/05, BFH/NV 2006, 954 = SIS 06 17 49, und vom 27.10.2004 -
XI B 182/02, BFH/NV 2005, 564 = SIS 05 16 05; vgl. auch Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.1980 - 4 C 34/79, NJW 1981,
241).
|
|
|
28
|
bbb) Die Voraussetzungen für eine
zulässige Wahrunterstellung liegen im Streitfall nicht vor.
Insbesondere durfte das FG auf die Beweisaufnahme nicht mit der
Begründung verzichten, es könne als wahr unterstellt
werden, dass die Auflistungen über die betrieblichen Fahrten
von der Zeugin anhand des Terminkalenders erstellt worden seien.
Diese Wahrunterstellung entsprach nicht dem erkennbaren Sinn und
dem vollen Inhalt des klägerischen Beweisbegehrens. Die
Kläger hatten der Sache nach geltend gemacht, dass der
Kläger für alle Termine, die sich aus den Auflistungen
ergaben, den jeweiligen PKW A genutzt hatte. Soweit das FG
ausgeführt hat, diese Beweistatsache könne durch die
Vernehmung der Zeugin nicht nachgewiesen werden, weil die Zeugin
bei den einzelnen Fahrten nicht zugegen gewesen sei und daher die
Möglichkeit bestehe, dass der Kläger für einzelne
Fahrten auch ein anderes Verkehrsmittel genutzt habe, liegt eine
unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vor. Denn das
FG verstößt insbesondere dann gegen das Verbot der
vorweggenommenen Beweiswürdigung, wenn es - wie hier -
erhebliche Beweisantritte eines Beteiligten mit der Begründung
übergeht, von der Erhebung des Beweises sei kein
zweckdienliches Ergebnis zu erwarten (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse
vom 02.10.2013 - III B 56/13, BFH/NV 2014, 62 = SIS 13 33 08, und
in BFH/NV 2011, 1715 = SIS 11 29 64, m.w.N.).
|
|
|
29
|
c) Die Kläger haben ihr Rügerecht
nicht verloren. Zwar handelt es sich bei dem Verfahrensmangel der
unzureichenden Sachverhaltsaufklärung um einen solchen, auf
dessen Rüge verzichtet werden kann (§ 155 FGO i.V.m.
§ 295 der Zivilprozessordnung). Im Streitfall kann indes nicht
von einem Rügeverzicht ausgegangen werden. Zum einen haben die
Kläger den Beweisantrag vor Stellung der Sachanträge
ausdrücklich wiederholt und damit zum Ausdruck gebracht, dass
sie auf der beantragten Beweiserhebung bestehen. Zum anderen haben
sie ausweislich des Sitzungsprotokolls unmittelbar vor dem Schluss
der mündlichen Verhandlung das Übergehen der
Beweisanträge und die Verletzung der
Sachaufklärungspflicht durch das FG gerügt.
|
|
|
30
|
d) Die Vorentscheidung kann auf dem
Verfahrensmangel beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass
das FG nach Durchführung der Beweiserhebung zu einem anderen
Ergebnis gelangt wäre. Dem FG wird daher Gelegenheit gegeben,
die unterbliebene Beweiserhebung im zweiten Rechtsgang
nachzuholen.
|
|
|
31
|
e) Der Verfahrensmangel der unzureichenden
Sachverhaltsaufklärung wurde von den Klägern
schließlich auch hinreichend dargelegt. Soweit das FG - wie
im Streitfall - selbst begründet hat, weshalb es von der
Erhebung einzelner Beweise abgesehen hat, ergeben sich die den
Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen aus dem Urteil
selbst. Es genügt daher insoweit bereits die - hier von
den Klägern erhobene - schlichte
Rüge der Nichtvernehmung der Zeugin den Anforderungen des
§ 120 Abs. 3 FGO (BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 62 = SIS 13 33 08, Rz 8, m.w.N.).
|
|
|
32
|
5. Da die Vorentscheidung bereits aus den
unter II.3. und II.4. dargelegten Gründen aufzuheben ist,
braucht der Senat nicht darauf einzugehen, ob auch die weiteren von
den Klägern gerügten Rechtsverstöße
vorliegen.
|
|
|
33
|
6. Die Übertragung der Kostenentscheidung
beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
|