Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts München vom 03.04.2019 - 1 K 2830/17 = SIS 19 16 15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Streitig ist, ob entgegen der
Feststellung im streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid vom
13.06.2016 rückständige Steuern und Nebenleistungen in
Höhe von insgesamt ... EUR durch Zahlungsverjährung
erloschen sind. Laut Abrechnungsbescheid wurde die
Verjährungsfrist am 01.12.2015 durch eine
Online-Wohnsitzanfrage beim Bundeszentralamt für Steuern
(BZSt) unterbrochen.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) führte am 28.01.2010 eine
Melderegisterabfrage durch. Danach war der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) aus dem Inland (... Adresse A)
nach ... (Adresse CM-Land Z) verzogen. Zwei am 28.01.2010 und am
27.07.2010 dorthin versandte Schreiben kamen jedoch jeweils mit dem
Vermerk „unbekannt“ zurück; nur ein drittes an
dieselbe Adresse versandtes Schreiben vom 30.07.2010, das die
Ausfertigung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung
vom 16.07.2010 enthielt, wurde nicht an das FA
zurückgeschickt.
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Mitte 2010 erfolgte die Niederschlagung der
Steuerrückstände des Klägers mit Überwachung
der Zahlungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2015.
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Auf eine an den Kläger durch den
Sachbearbeiter W, ..., unter der Adresse ... (Adresse RM-Land Z)
adressierte Vollstreckungsankündigung des FA vom 13.04.2015
wegen rückständiger Finanzgerichtskosten hin fand am
27.04.2015 mit W eine telefonische Erörterung statt, bei
welcher der Kläger die c/o-Adresse ... (Adresse
B-Deutschland), als Kontaktadresse benannte. In einem
Antwortschreiben vom 30.04.2015 an W gab der Kläger als
Absenderadresse die Adresse RM an und fügte
Rentenanpassungsbescheide zum 01.07.2014 bei, die an ihn unter der
Adresse B adressiert waren. Im finanzgerichtlichen Verfahren trug
der Kläger vor, seine Büroanschrift habe sich
zunächst unter der Adresse CM und später unter der
Adresse RM befunden.
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Im klägerischen Steuerkonto war am
01.12.2015 lediglich die Adresse CM abgespeichert.
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Mit einem an den Kläger unter der
Adresse CM adressierten Schreiben mit Rückschein vom
27.10.2015 (Zahlungsaufforderung 2015/CM) setzte das FA die
Beitreibung seiner Steuerrückstände durch die
zuständige Sachbearbeiterin F, ..., fort. Nach den
Feststellungen des Finanzgerichts (FG) München waren W und F
im Jahr 2015 verschiedenen Sachgebieten zugeordnet und
unterschiedlichen Sachgebietsleitern unterstellt. Die
Zahlungsaufforderung 2015/CM kam am 26.11.2015 (Eingang FA) mit dem
Vermerk „unbekannt“ zurück.
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Eine daraufhin vom FA durchgeführte
Online-Anfrage vom 01.12.2015 bei der beim BZSt geführten
Identifikationsnummern(IdNr.)-Datenbank ergab als Adresse des
Klägers: ... (Adresse M-Land Z).
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Außerdem stellte das FA ein
Kontenabrufersuchen den Kläger betreffend unter der Adresse M,
das zu klägerischen Konten bei der X-Bank führte. Auch in
einem Amtshilfeersuchen des FA vom 03.12.2015 an die Y-Versicherung
gab das FA die Adresse M als klägerische Adresse an. Unter
dieser Adresse lag der Y-Versicherung ein Datensatz im Hinblick auf
den Kläger vor, und sie antwortete entsprechend positiv mit
Rücklauf beim FA am 27.01.2016.
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Mit einem weiteren an den Kläger unter
der Adresse M adressierten und mit Rückschein versandten
Schreiben vom 03.12.2015 (Zahlungsaufforderung 2015/M) forderte das
FA diesen zur Zahlung seiner Steuerrückstände auf; dieses
Schreiben ging als unzustellbar mit dem auf den 08.01.2016
datierten Vermerk „nicht abgeholt“ mit Eingangsdatum
01.02.2016 wieder beim FA ein.
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Mit Pfändungs- und
Einziehungsverfügung des FA vom 11.02.2016 (Pfändung
2016) pfändete das FA die Konten des Klägers bei der
X-Bank.
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Mit Schreiben vom 22.02.2016 beantragte der
Kläger hinsichtlich der Pfändung 2016 insbesondere die
einstweilige Einstellung der Vollstreckung und fügte als
Anlage eine Erklärung über seine wirtschaftlichen
Verhältnisse unter Angabe der Wohnanschrift „...
(Adresse MM-Land Z)“ bei; die betreffende Vollmacht des
Klägers für seinen Prozessbevollmächtigten vom
16.02.2016 weist als seine Adresse „... (Adresse MMm-Land
Z)“ aus. Ergänzend erhob der Kläger mit Schreiben
vom 01.03.2016 gegenüber den vom FA geltend gemachten
Steuerrückständen die Einrede der
Verjährung.
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Schließlich beantragte der
Kläger mit Schreiben vom 04.05.2016 den Erlass eines
Abrechnungsbescheids. Mit Ablauf des 31.12.2015 sei
Zahlungsverjährung nach § 228 der Abgabenordnung (AO)
eingetreten, weil die Ansprüche letztmals durch eine
Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16.07.2010
geltend gemacht worden seien. Die für 2015 vom FA
vorgetragenen Verjährungsunterbrechungen würden
bestritten. Zudem sei dem FA im Jahr 2015 seine Postanschrift
ausweislich des Schriftwechsels zur Vollstreckungsankündigung
vom 27.04.2015 bekannt gewesen, so dass kein Anlass bestanden habe,
Ermittlungen über seinen Wohnsitz anzustellen; demzufolge habe
insoweit keine „Ermittlung“ als Voraussetzung für
eine Verjährungsunterbrechung vorgelegen.
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Mit dem hierauf erlassenen,
streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid vom 13.06.2016
stellte das FA fest, dass die Steuerrückstände 2016 nicht
durch Zahlungsverjährung erloschen seien.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Nach Auffassung des FG hatte das FA die
Zahlungsverjährungsfrist mit der BZSt-Online-Anfrage vom
01.12.2015 wirksam gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7
AO unterbrochen. Der im Jahr 2015 für die Beitreibung der
Steuerrückstände zuständigen Sachbearbeiterin F sei
zum Zeitpunkt der Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung des
Klägers dessen Wohnsitz oder Aufenthaltsort nicht bekannt
gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass einer weiteren
Bearbeitungsstelle des FA mit dem Sachbearbeiter W zu diesem
Zeitpunkt bereits die aktuelle (Geschäfts-)Adresse RM des
Klägers bzw. die weitere inländische Adresse B als
Kontaktmöglichkeit bekannt gewesen seien. Denn einerseits habe
sich daraus noch keine Kenntnis des W über den Wohnsitz oder
den Aufenthaltsort des Klägers i.S. von § 231 Abs. 1 Satz
1 Nr. 7 AO ergeben; andererseits ändere selbst die Kenntnis
einer anderen organisatorischen Stelle des FA von einer aktuellen
Adresse nichts an der verjährungsunterbrechenden Wirkung von
„Ermittlungen“ i.S. des § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7
AO.
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Zudem habe das FA als örtliche
Landesfinanzbehörde (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 des
Finanzverwaltungsgesetzes - FVG - ) mit der Einschaltung des BZSt
als Bundesoberbehörde (§ 1 Nr. 2 FVG) den rein
innerdienstlichen Bereich nach außen sichtbar verlassen. Das
Urteil ist veröffentlicht in EFG 2019, 1805 = SIS 19 16 15.
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Mit seiner Revision macht der Kläger
geltend, die BZSt-Online-Anfrage habe nicht zu einer Unterbrechung
der Verjährung geführt. Die Finanzbehörde sei
ermächtigt, zur Informationsgewinnung die Kenntnis weiterer
Behörden nach den Regelungen der Amtshilfe (§§ 111
ff. AO) in Anspruch zu nehmen. Unter den Begriff
„Finanzbehörde“ fielen nach § 6 Abs. 2 AO die
dort genannten Bundes- und Landesbehörden, u.a. das BZSt. Nach
gesetzlicher Zuordnung sei das BZSt daher ein originäres
Werkzeug der Finanzbehörde. Im Zuge digitaler
Informationsverarbeitung sei dem Amtsträger der in
Erfüllung seiner Verpflichtung zugängliche Datenbestand
bekannt. Als Ermittlungsmaßnahme nach § 231 Abs. 1 Satz
1 Nr. 7 AO komme nur eine nach außen wirkende Maßnahme
in Betracht; eine lediglich nach außen sichtbare genüge
nicht (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
23.02.2010 - VII R 9/08, BFHE 229, 5, BStBl II 2011, 667 = SIS 10 15 08, und des Bundesgerichtshofs vom 02.02.1996 - V ZR 239/94,
BGHZ 132, 30). Die Tatsache, dass er seinen Wohnsitz nach Z verlegt
habe, dürfe ihm nach dem EU-Freizügigkeitsgedanken nicht
zum Nachteil gereichen. Sowohl das BZSt als auch eine andere Stelle
des FA hätten ihm Schreiben zusenden können. Daher habe
er annehmen dürfen, für die Finanzbehörden jederzeit
erreichbar zu sein und seine Mitwirkungs- und Auskunftspflichten
erfüllt zu haben. Damit habe auch kein Erfordernis der
Wohnsitzermittlung bestanden.
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Außerdem müsse sich das FA das
Wissen möglicherweise getrennter Organisationseinheiten
zurechnen lassen; das folge aus der zu § 173 AO entwickelten
Rechtsprechung. Insgesamt sei festzustellen, dass das FA mit einem
wenig effektiven Adresssystem arbeite und sich einer
aufdrängenden Kenntnis strukturell verschließe. Die
Nichtnutzung eigener Datenbestände dürfe nicht mit der
Verjährungsunterbrechung des Datenzugriffs belohnt werden. Dem
Rechtsfrieden könne es nicht dienen, wenn in den Tatbestand
der Ermittlung des Wohnsitzes oder des Aufenthalts die
originäre Verwendung der eigenen Adressdaten hineingelesen
werde. Zweck jeder Verjährungsregel seien Rechtsfrieden und
Rechtssicherheit.
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Schließlich sei das FA für den
Kläger als Auslandsrentner nicht mehr zuständig gewesen,
so dass dessen Handlungen keine verjährungsunterbrechende
Wirkung hätten entfalten können. Denn nach dem BFH-Urteil
vom 19.03.2019 - VII R 27/17 (BFHE 263, 483, BStBl II 2020, 31 =
SIS 19 06 43) sei die fortgesetzte Zuständigkeit des
Festsetzungsfinanzamts auch für das Erhebungsverfahren
überholt.
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Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des
Abrechnungsbescheids vom 13.06.2016 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 13.10.2017 festzustellen, dass Steuern
und Nebenleistungen über insgesamt ... EUR zum Stichtag
13.06.2016 durch Zahlungsverjährung erloschen sind.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
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Die Revision des Klägers ist
unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 FGO). Das Urteil entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
Die im Abrechnungsbescheid aufgeführten Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis sind nicht durch Verjährung
erloschen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
BZSt-Online-Anfrage vom 01.12.2015 die Verjährung
gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO unterbrochen
hat.
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1. Selbst wenn im Streitfall die örtlich
unzuständige Behörde den Abrechnungsbescheid erlassen
haben sollte, ist der Bescheid nicht aufzuheben.
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a) Zuständig für den Erlass eines
Abrechnungsbescheids ist die nach den allgemeinen
Zuständigkeitsregelungen der §§ 16 ff. AO
zuständige Finanzbehörde, nicht diejenige Behörde,
die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis festgesetzt
hat, um dessen Verwirklichung gestritten wird (Senatsurteil in BFHE
263, 483, BStBl II 2020, 31 = SIS 19 06 43).
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b) Auf den durch eine örtlich
unzuständige Behörde erlassenen Abrechnungsbescheid
findet § 127 AO Anwendung: Die Aufhebung eines
Verwaltungsakts, der (obgleich rechtswidrig) nicht nach § 125
AO nichtig ist, kann nach § 127 AO nicht allein deshalb
beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften
über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen
ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte
getroffen werden können. Diese Vorschrift ist auch im
gerichtlichen Verfahren zu beachten (BFH-Urteil vom 02.07.1980 - I
R 74/77, BFHE 131, 180, BStBl II 1980, 684 = SIS 80 03 54, unter
II.3.a). Nach § 125 Abs. 3 Nr. 1 AO ist ein Verwaltungsakt
nicht schon deshalb nichtig, weil Vorschriften über die
örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind.
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c) Das Bundesministerium der Finanzen hat
gemäß § 19 Abs. 6 AO zur Sicherstellung der
Besteuerung von Personen, die im Ausland leben und inländische
Renteneinkünfte beziehen, mit der
Einkommensteuer-Zuständigkeitsverordnung (EStZustV) die
örtliche Sonderzuständigkeit für diese Personen auf
das Finanzamt Neubrandenburg übertragen. Die
Sonderzuständigkeit bezieht sich nur auf Personen, die
ausschließlich mit Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr.
7 und 10 des Einkommensteuergesetzes zu veranlagen sind und im
Ausland wohnen. Sie ist nach § 2 EStZustV erstmals für
den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden.
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d) Im Streitfall ergibt sich die örtlich
zuständige Behörde nicht eindeutig aus den Feststellungen
des FG. Das FG hat weder die maßgeblichen
Veranlagungszeiträume noch die Art der klägerischen
Einkünfte festgestellt. Der Fall ist dennoch nicht
zurückzuverweisen, da keine andere Entscheidung in der Sache
hätte getroffen werden können (s. unter II.2. und
3.).
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2. Die Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis sind nicht durch die Niederschlagung
gemäß § 261 AO tangiert worden. Denn die
Niederschlagung ist eine verwaltungsinterne Verfügung und
wirkt nicht auf das Steuerschuldverhältnis zwischen dem
Steuergläubiger und dem Steuerschuldner ein (vgl. Loose in
Tipke/Kruse, § 261 AO Rz 8; Müller-Eiselt in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 261 AO Rz 7).
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3. Die BZSt-Online-Anfrage hat die
Zahlungsverjährung, deren Frist andernfalls am 31.12.2015
abgelaufen wäre, wirksam unterbrochen.
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a) Die fünfjährige
Zahlungsverjährung (§ 228 Satz 2 AO) wird durch die in
§ 231 Abs. 1 Satz 1 AO abschließend aufgezählten
Maßnahmen unterbrochen. Hierzu gehören u.a. Ermittlungen
der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort
des Zahlungspflichtigen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO). Liegen
die Voraussetzungen einer Verjährungsunterbrechung vor,
beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung
geendet hat, eine neue fünfjährige Verjährungsfrist
(§ 231 Abs. 3 AO).
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b) Nach der Rechtsprechung des Senats setzt
die Verjährungsunterbrechung eine nach außen wirkende
Maßnahme gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO voraus;
rein innerdienstliche Maßnahmen reichen nicht aus. Allerdings
ist die verjährungsunterbrechende Wirkung einer
Wohnsitzanfrage nicht davon abhängig, dass der
Zahlungspflichtige von dieser Maßnahme erfährt.
Maßgebend ist allein, dass das FA den Entschluss fasst,
seinen Zahlungsanspruch durchzusetzen, und dies über den rein
innerdienstlichen Bereich hinaus nach außen sichtbar wird
(Senatsbeschluss vom 17.09.2014 - VII R 8/13, BFH/NV 2015, 4 = SIS 14 32 47, Rz 10, m.w.N.).
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Bei einer Verjährungsunterbrechung durch
Ermittlungen zum Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des
Zahlungspflichtigen muss hinzukommen, dass das FA einen besonderen
Anlass hatte, zur Realisierung des Zahlungsanspruchs entsprechende
Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten. Ein solcher Anlass besteht
nur, wenn dem FA der Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des
Zahlungspflichtigen unbekannt ist. Eine rein schematische Anfrage
kann die Verjährung nicht unterbrechen (Senatsbeschluss in
BFH/NV 2015, 4 = SIS 14 32 47, Rz 10, m.w.N.).
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Ferner muss die Maßnahme auf die
Realisierung eines konkreten Anspruchs, dessen Verjährung
unterbrochen werden soll, gerichtet sein (Senatsurteil vom
24.11.1992 - VII R 63/92, BFHE 169, 493, BStBl II 1993, 220 = SIS 93 06 32).
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Zuständigkeitsmängel hindern die
Unterbrechungswirkung der Ermittlungsmaßnahmen nicht. Die
Unterbrechungshandlung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO
stellt einen Realakt dar (vgl. zur Zahlungsaufforderung bereits
Senatsurteil vom 28.11.2006 - VII R 3/06, BFHE 216, 4, BStBl II
2009, 575 = SIS 07 16 98; vgl. ferner Heuermann in HHSp, § 231
AO Rz 5; Loose in Tipke/Kruse, § 231 AO Rz 4). Ob die
Finanzbehörde, welche die Maßnahme durchgeführt
hat, örtlich zuständig war, hat keinen Einfluss auf die
Wirksamkeit der Maßnahme in Bezug auf die
Verjährungsunterbrechung (vgl. BFH-Beschluss vom 13.08.1981 -
IV R 72/77, BFHE 134, 6, BStBl II 1981, 787 = SIS 82 01 36; anderer
Auffassung Heuermann in HHSp, § 231 AO Rz 7). Denn es ist
gerade bei unbekanntem Wohnsitz oder Aufenthalt nicht möglich,
das zuständige FA vorab zu ermitteln. Dass eine
Finanzbehörde hier nicht willkürlich tätig wird und
nicht irgendeine beliebige Finanzbehörde die Verjährung
unterbrechen kann, wird durch das weitere, o.g. Tatbestandsmerkmal
erreicht, dass die Maßnahme auf die Realisierung eines
konkreten Anspruchs, dessen Verjährung unterbrochen werden
soll, gerichtet sein muss.
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c) Der Senat hält an dieser
Rechtsprechung fest. Folglich wurde im Streitfall die
Verjährung durch die BZSt-Online-Anfrage vom 01.12.2015
unterbrochen.
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aa) Die erforderliche Außenwirkung war
durch die konkrete Online-Anfrage in der IdNr.-Datenbank des BZSt
gegeben. Diese Datenbank wird vom BZSt geführt und
grundsätzlich von den Meldebehörden gespeist (vgl. §
139b AO; vgl. auch die Hinweise für Meldebehörden zur
Nutzung der Meldedaten in diversen steuerlichen Verfahren,
Unterpunkt „Aufbau der Datenbank“, abzurufen
unter www.bzst.de). Das FA kann darauf zwar im Wege eines
automatisierten Abrufverfahrens zugreifen. Dies ändert jedoch
nichts daran, dass das FA mit der BZSt-Online-Datenanfrage eine
andere Behörde kontaktiert. Bei dem zur Bundesfinanzverwaltung
gehörenden BZSt (Bundesoberbehörde gemäß
§ 1 Nr. 2 FVG) handelt es sich um eine vom einzelnen FA
(Landesfinanzbehörde gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4
FVG) verschiedene Behörde, auch wenn jeweils
Finanzbehörden i.S. von § 6 Abs. 2 AO vorliegen. Ein
Grund, eine Online-Auskunft beim Einwohnermeldeamt, die der Senat
als Ermittlungshandlung mit Außenwirkung ansieht, anders zu
behandeln als eine Online-Anfrage in der IdNr.-Datenbank des BZSt
(§ 139b Abs. 3 AO), ist nicht ersichtlich. Denn da in der
BZSt-Datenbank weitgehend nur die Meldedaten der Meldebehörden
gespiegelt werden, macht es für die Unterbrechung der
Zahlungsverjährung keinen Unterschied, ob die für die
Vollstreckung zuständige Finanzbehörde Informationen
über die Anschrift des Schuldners bei einer Meldebehörde
oder dem BZSt erhebt. Beide Stellen sind aus
verwaltungsorganisatorischer Sicht Dritte, womit die für die
Unterbrechung der Verjährung erforderliche Außenwirkung
gegeben ist (vgl. Baum in eKommentar, § 231 AO Rz 28.1,
Aktualisierung vom 29.12.2020). Der Zweck, durch das Erfordernis
der Außenwirkung Rechtssicherheit zu schaffen, rechtfertigt
in solch einem Fall keine weitere Einschränkung der
verjährungsunterbrechenden Maßnahmen.
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bb) Bei der BZSt-Online-Anfrage handelte es
sich auch nicht um eine rein schematische Wohnsitzanfrage zur
Verjährungsunterbrechung. Denn der Wohnsitz des Klägers
war dem FA zum Zeitpunkt der BZSt-Online-Anfrage unbekannt.
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(1) Die Tatsache, dass andere Behörden
oder auch Mitarbeiter desselben FA, aber einer anderen Abteilung,
Kenntnis einer Postanschrift hatten, führt zu keiner anderen
Beurteilung. Denn einerseits handelte es sich bei den W bekannten
Anschriften nicht um die Wohnsitz- oder Aufenthaltsadresse, sondern
um Büro- bzw. Kontaktanschriften, so dass auch W - anders als
von § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO verlangt - keine Kenntnis des
Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts des Klägers hatte.
Andererseits ist das Wissen eines anderen Sachbearbeiters, der
organisatorisch einer anderen Einheit des FA zuzurechnen ist -
entsprechend der Rechtsprechung zu § 173 AO (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 26.05.2020 - IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233 = SIS 20 13 06, Rz 18 f.) -, nicht dem konkret zuständigen
Sachbearbeiter zuzurechnen.
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(2) Auch die Tatsache, dass die richtige
Anschrift des Klägers in der Datenbank des BZSt gespeichert
war, führt nicht zu einer Kenntnis der den Fall bearbeitenden
Dienststelle. Zwar sind dieser auch sämtliche Informationen,
die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststellen über ein
elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt
werden, bekannt, ohne dass es insoweit auf die individuelle
Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (Senatsurteil vom
18.08.2015 - VII R 24/13, BFHE 250, 499, BStBl II 2016, 255 = SIS 15 26 69, Rz 15, m.w.N., und BFH-Urteil in BFH/NV 2020, 1233 = SIS 20 13 06, Rz 18). Beim BZSt handelt es sich aber, wie dargelegt,
nicht um eine dem FA vorgesetzte Stelle; das FA ist in die
Organisationsstruktur des Landes eingegliedert, das BZSt in die des
Bundes.
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Somit waren dem FA im Zeitpunkt der
Online-Datenanfrage beim BZSt sowohl der Wohnsitz als auch der
Aufenthalt des Klägers unbekannt. Im elektronischen
Informationssystem der Finanzverwaltung war zum Zeitpunkt der
BZSt-Online-Anfrage die richtige Adresse des Klägers nicht
vermerkt und abrufbar. Aus Sicht der Sachbearbeiterin F gab es
aufgrund der zahlreichen Postretouren mit dem Vermerk
„unbekannt“ hinreichenden Anlass für die
Online-Datenanfrage beim BZSt. Es handelte sich mithin um die ernst
gemeinte Ermittlung eines unbekannten Wohnsitzes.
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cc) Im Streitfall ging es zudem um die
Realisierung eines konkreten Anspruchs. Das FA hatte bereits im
Oktober 2015 ein Schreiben an den Kläger wegen der
Vollstreckung der streitgegenständlichen
Steuerrückstände versandt und versucht, die Vollstreckung
wieder aufzunehmen. Im Ergebnis war die BZSt-Online-Anfrage vom
01.12.2015 damit auf die Durchsetzung konkreter
Zahlungsansprüche gerichtet.
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d) Somit kommt es schließlich nicht
darauf an, wie der Vermerk der spanischen Post auf der
Zahlungsaufforderung 2015/M „nicht abgeholt“
tatsächlich und rechtlich zu bewerten ist. Fraglich ist
hierbei, ob die Vollstreckungsaufnahme damit bereits im Dezember
2015 - und folglich vor dem regulären Ablauf der
Verjährungsfrist - nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben zu fingieren sein könnte (vgl. Hartman in Gosch, FGO
§ 54, Rz 28; ferner Verwaltungsgericht Würzburg,
Urteil vom 10.11.2015 - W 4 K 15.441,
juris, Rz 21, zu einem ins Ausland
versandten und dort nicht abgeholten Einschreiben gegen
Rückschein). Das FG hat hierzu - aus seiner Sicht zutreffend -
keine Feststellungen getroffen.
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