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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) hat im August 1995 Bananen
aus Ecuador eingeführt und die dafür zu entrichtenden
Einfuhrabgaben unter Zugrundelegung eines Zollsatzes von 75 ECU/t
berechnet, der nach Maßgabe der Verordnung (EWG) Nr. 404/93
(VO Nr. 404/93) des Rates vom 13.2.1993 über die gemeinsame
Marktorganisation für Bananen (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 47/1, damals anzuwenden in der
Fassung der Änderungsverordnungen (EG) Nr. 3518/93, ABlEG Nr.
L 320/15, und Nr. 3290/94, ABlEG Nr. L 349/105) im Rahmen eines
Einfuhrkontingents bei Erteilung einer Einfuhrlizenz anzuwenden
war, welche die Klägerin jedoch nicht besaß. Das
Hauptzollamt X hat deshalb in der Ansicht, es sei der
Drittlandszollsatz von 822 ECU/t anzuwenden, die Einfuhrabgaben auf
rund 2.550.000 DM durch den in diesem Verfahren angefochtenen
Bescheid vom September 1995 festgesetzt.
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Hiergegen richtet sich die Klage, die das
Finanzgericht (FG) abgewiesen hat. Es urteilte, der Bescheid finde
in Art. 18 VO Nr. 404/93 seine Rechtsgrundlage. Die Vorschrift sei
zwar mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) nicht
vereinbar. Darauf könne sich die Klägerin jedoch nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
nicht berufen. Um einen ausbrechenden Rechtsakt, bei dem Art. 18 VO
Nr. 404/93 nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht angewandt
werden dürfe, handele es sich nicht; denn die Gemeinschaft
habe in vorgenannter Vorschrift ihre sachliche Kompetenz nicht
überschritten. Ein allgemeiner Prüfungsvorbehalt des
BVerfG hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von
Gemeinschaftsrecht und seiner Vereinbarkeit mit den Grundrechten
bestehe nicht.
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Die bezüglich anderer Einfuhrpartien
zuvor zugunsten der Klägerin ergangenen einstweiligen
Anordnungen, durch die das Hauptzollamt X zur Abfertigung von
Bananen aus Ecuador nach Maßgabe des Kontingentszollsatzes
verpflichtet worden war, die jedoch vom erkennenden Senat durch
Beschluss vom 22.8.1995 VII B 153/95 u.a. (BFHE 178, 15 = SIS 95 26 01) aufgehoben worden sind, begründeten keinen
Vertrauensschutzanspruch der Klägerin. Es sei auch keine
Zahlungsverjährung hinsichtlich des Teilbetrags eingetreten,
der ungeachtet vorgenannter Anordnung des FG geschuldet war; denn
die Verjährungsfrist sei dadurch unterbrochen worden, dass der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA - ) der
Klägerin mit Schriftsatz vom April 1998 in dem wegen
Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids
anhängig gewesenen Verfahren IV 54/98 bekanntgegeben habe,
dass vor Bestandskraft des Bescheids keine Zahlung gefordert
werde.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision der Klägerin, zu deren Begründung im
Wesentlichen vorgetragen wird:
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Nach Art. 300 Abs. 7 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) seien von der
Gemeinschaft geschlossene Abkommen wie das GATT 1994 für die
Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten verbindlich.
Unabhängig von der Frage, ob das GATT 1994 subjektive
Berechtigungen auslöse, sei es also integraler Bestandteil des
Gemeinschaftsrechts, sodass die Gemeinschaftsgerichte es
unmittelbar zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von
Gemeinschaftshandlungen auch dann heranziehen müssten, wenn
das gemeinschaftliche Sekundärrecht mit dem Primärrecht
der Gemeinschaft vereinbar ist.
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Das bei Streitigkeiten über die
Anwendung des GATT 1994 berufene Streitschlichtungsgremium (Dispute
Settlement Body - DSB - ) der Welthandelsorganision (WTO) habe in
Sachen Ecuador ./. Europäische Gemeinschaft am 25.9.1997 eine
Entscheidung getroffen (vgl. Europäische Zeitschrift für
Wirtschaftsrecht 1997, 722), aus der sich aber auch die
Unvereinbarkeit des Sekundärrechts mit dem Primärrecht
ergebe, weil alle Akten des Sekundärrechts an den
völkerrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben sowie an den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden seien,
welche die Gemeinschaft mit der Bananenmarktordnung verletzt
habe.
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Überdies habe die
gemeinschaftsrechtliche Einfuhrregelung für Bananen eine
Verpflichtung der Gemeinschaft umsetzen sollen, die diese im Rahmen
der WTO übernommen habe. Die in der Entscheidung des DSB vom
25.9.1997 festgestellte Unvereinbarkeit der damaligen
Bananenmarktordnung mit den WTO-Regeln sei jedoch durch die
Nachfolgeregelungen nicht behoben worden.
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Ferner sei auch der Gesichtspunkt der
Gemeinschaftstreue nach Art. 10 EG zu berücksichtigen, der
nicht nur im Verhältnis der Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft,
sondern auch umgekehrt gelte; wenn die Gemeinschaft im
WTO-Streitbeilegungsverfahren endgültig unterliege und die
Umsetzungsfrist für die dort getroffene Entscheidung
abgelaufen sei, müsse der EuGH Welthandelsrecht als
Maßstab des Sekundärrechts anerkennen.
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Der EuGH könne nach den neuen
Entscheidungen des DSB nicht an seiner Rechtsprechung festhalten,
dass das WTO-Recht innerhalb der Gemeinschaft keine unmittelbare
Wirkung in dem Sinne habe, dass der einzelne Marktbürger sich
auf dieses berufen könne, wenn er die Rechtswidrigkeit von
Gemeinschaftshandlungen geltend machen wolle. Denn es stehe fest,
dass die Gemeinschaft fortwährend und nachhaltig gegen das
WTO-Recht und damit gegen den völkerrechtlichen Grundsatz von
Treu und Glauben verstoßen habe.
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Der EuGH könne auch nicht an der
Auffassung festhalten, dass das Gemeinschaftsrecht dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit entspreche.
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Die früheren Vorbehalte des EuGH
gegenüber dem GATT 1947 seien infolge dessen Verrechtlichung
nicht mehr durchgreifend; aus ihnen lasse sich eine Ablehnung der
unmittelbaren Anwendbarkeit des GATT 1994 nicht rechtfertigen. Auch
die vom EuGH angeführten prozessualen Spielräume, die
auch nach der Verrechtlichung weiterhin bestünden, seien kein
Argument, welches gegen die unmittelbare Anwendbarkeit des GATT
1994 spreche. Vor allem aber sei dies keine Rechtfertigung für
die Nichteinhaltung des Grundsatzes, dass eine
völkerrechtliche Verpflichtung zur Rücknahme
vertragswidriger Maßnahmen im WTO-Recht existiere, an welchen
die Gemeinschaft und die vollziehenden Mitgliedstaaten gebunden
seien. Daher sei die bisherige Rechtsprechung des EuGH dahin zu
korrigieren, dass eine unmittelbare Wirkung von WTO-Recht für
den einzelnen Marktteilnehmer auch dann anzunehmen sei, wenn die
Gemeinschaft ihre Sekundärrechtsakte nicht ausdrücklich
auf das WTO-Recht stütze, aber die WTO-Widrigkeit durch eine
gerichtsförmige DSB-Entscheidung völkerrechtlich
verbindlich festgestellt sei.
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Die Revision beruft sich ferner auf die
Urteile des Gerichts erster Instanz der Europäischen Union vom
21.9.2005 T-306/01 - Yusuf - (Slg. 2005, II-3533) und T-315/01 -
Kadi - (Slg. 2005, II-3649, Europäische Grundrechte
Zeitschrift 2005, 592), in denen das Gericht den Vorrang des
UN-Rechts vor EU-Recht anerkannt habe. Gleiches müsse für
Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber der WTO gelten.
Wenn ein Beschluss des Sicherheitsrats Anwendungsvorrang vor
Sekundärrecht habe und eine diesbezügliche
Prüfungskompetenz des Gemeinschaftsgerichts verworfen werde,
müsse dies auch für ein bindendes völkerrechtliches
Urteil im DSB-Verfahren gelten.
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Der EuGH habe in seiner bisherigen
Rechtsprechung zum WTO-Recht übersehen, dass dieses zwar auf
Zwangsmittel gegenüber den Vertragsstaaten verzichte, die
Verpflichtungen der in einem Streitbeilegungsverfahren unterlegenen
Partei aber quasi vollstreckungsreif sind. Das WTO-Recht sei dann
unmittelbar anzuwenden, wenn der Gemeinschaft im WTO-Prozess keine
Handlungsalternativen mehr verblieben. Dieser Fall sei bei der
Bananenmarktordnung eingetreten. Durch die Aufhebung der
Bananenmarktordnung zum 31.12.2005 habe die Gemeinschaft allerdings
eine einvernehmliche Lösung auf zwischenstaatlicher Ebene
unmöglich gemacht; sie dürfe jedoch aus als
völkerrechtswidrig festgestellten Regelungen keine Rechte wie
Zollforderungen herleiten.
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Schließlich macht die Revision in
diesem Zusammenhang geltend, die zu der Frage der
Berufungsfähigkeit des WTO-Rechts vorliegende Rechtsprechung
des EuGH habe noch nicht die hier zu entscheidende Frage behandelt,
ob WTO-Recht bzw. DSB-Entscheidungen dann unmittelbar anwendbar
seien, wenn die ihnen entgegenstehenden Gemeinschaftsrechtsakte
außer Kraft getreten seien. Deshalb müsse dem EuGH
folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt werden:
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„Ist Art. 300 Abs. 7 EGV so
auszulegen, dass Natur und Struktur der WTO-Abkommen sowie der
Grundsatz der Gegenseitigkeit auch dann einer Überprüfung
von EG-Sekundärrecht entgegenstehen, wenn dieses außer
Kraft getreten ist und gegen völkerrechtliche Verpflichtungen
verstoßen hat, nationale Verwaltungsakte aber noch darauf
gestützt und durchgesetzt werden sollen?“
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Die Revision ist des Weiteren der
Auffassung, dass ein ausbrechender Rechtsakt im Sinne der
Rechtsprechung des BVerfG vorliege, wenn der EuGH eine unmittelbare
Anwendung des WTO-Rechts verneine bzw. an seiner
diesbezüglichen Haltung festhalten sollte. Da der EuGH eine
unmittelbare Anwendung des WTO-Rechts bejahe, wenn die Gemeinschaft
dieses Recht ausdrücklich umsetzen wolle, müsse ein
ausbrechender Rechtsakt dann angenommen werden, wenn sich die
Gemeinschaft einer völkerrechtlichen Verpflichtung entziehe,
weil sie eine solche Umsetzung gerade nicht beabsichtige. Der
Begriff „ausbrechender Rechtsakt“ sei nicht auf die
Überschreitung der sachlichen Kompetenz eines
Hoheitsträgers zu beschränken, sondern dahingehend zu
erweitern, dass die bewusste und nachhaltige Nichtanerkennung
zwingender Beschlüsse des DSB durch den EuGH einen solchen
Rechtsakt darstelle.
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Außerdem werde das Grundrecht auf
effektiven Rechtsschutz vom EuGH durch Missachtung des
Völkerrechts versagt, weil die Rechtsprechung des EuGH weder
den Mitgliedstaaten noch den Marktbürgern eine Berufung auf
einen GATT-Verstoß erlaube und das Recht auf effektiven
Rechtsschutz generell vereitele, indem verbindliches und
höherrangiges Völkerrecht nachhaltig missachtet werde.
Wenn das BVerfG in seinem Beschluss vom 7.6.2000 2 BvL 1/97
(BVerfGE 102, 147) einen ausbrechenden Rechtsakt durch die
Bananenmarktordnung verneint habe, so betreffe dies nur das
Verhältnis der Grundrechte der Art. 3, 12 und 14 des
Grundgesetzes zum Gemeinschaftsrecht, dem durch die vom BVerfG
für erforderlich gehaltene Härtefallregelung zumindest
annähernd entsprochen werden solle. Dies umfasse aber nicht
den Rechtsschutz bezüglich der Weigerung des EuGH, dafür
Sorge zu tragen, dass völkerrechtswidriges Gemeinschaftsrecht
nicht umgesetzt werde. Da das WTO-Recht nur den Mitgliedstaaten die
Möglichkeit biete, gegen Vertragsverletzungen zu klagen,
könne der Individualrechtsschutz natürlicher und
juristischer Personen nur von den mitgliedstaatlichen Gerichten und
dem EuGH gewährt werden. Komme aber der EuGH seiner in diesem
Rahmen bestehenden Pflicht nicht nach, liege ein ausbrechender
Rechtsakt vor. Die Missachtung der Verbindlichkeit von
Völkerrecht durch den EuGH beinhalte eine unzulässige
Erweiterung der durch den EG-Vertrag begründeten Kompetenzen
der Gemeinschaft. Daher sei insoweit die Prüfungskompetenz
beim BVerfG verblieben.
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Im Übrigen sei die Verpflichtung
deutscher Gerichte, Völkerrecht anzuwenden, nach der
Rechtsprechung des BVerfG anerkannt; es spreche nichts dagegen,
diese Verpflichtung auch auf das WTO-Recht zu übertragen. Die
Gemeinschaft dürfe die Mitgliedstaaten nicht an der
Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen
hindern, wie es die EuGH-Rechtsprechung bewirke.
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Ferner liege ein ausbrechender Rechtsakt
auch deshalb vor, weil der EuGH sonst die Anwendbarkeit
völkerrechtlicher Entscheidungen bejahe und dies nur im
Bereich der WTO ablehne.
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Das vom EuGH verwandte Argument der
Reziprozität, dass nämlich auch andere Vertragsstaaten
eine unmittelbare innerstaatliche Geltung des WTO-Rechts ablehnten,
rechtfertige nicht den Ausschluss von
Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Bundesrepublik Deutschland
müsse als Vertragspartner der WTO die Möglichkeit der
Anwendung von WTO-Recht haben und dürfe nicht durch die
Rechtsprechung des EuGH zu einem Verstoß gegen ihre
völkerrechtlichen Verpflichtungen gezwungen werden.
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Die Klägerin sieht schließlich
den Grundsatz des Vertrauensschutzes deshalb verletzt, weil sie
nicht nur nach dem Beschluss des erkennenden Senats vom 9.1.1996
VII B 225/95 (BFHE 179, 501 = SIS 96 04 54) von der Unanwendbarkeit
der VO Nr. 404/93, sondern vor allem nach dem Beitritt der
Gemeinschaft zum GATT 1994 davon habe ausgehen können, dass
die Gemeinschaft völkerrechtswidriges Gemeinschaftsrecht
baldmöglich außer Kraft setzen werde.
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Im Übrigen handele es sich im
Streitfall um eine (unzulässige) Nacherhebung i.S. des Art.
220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 des Zollkodex (ZK). Denn das HZA
habe die Sammelzollanmeldungen, die den Hinweis auf die nach
Maßgabe des Kontingentszollsatzes geschuldeten Einfuhrabgaben
enthalten hätten, zunächst angenommen und dadurch eine
buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben
vorgenommen.
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Die Nacherhebung der Differenz zwischen dem
Kontingentszoll und dem Regelzoll sei aber auch deshalb
unzulässig, weil die Zwei-Tages-Frist des Art. 220 Abs. 1 Satz
1 ZK nicht eingehalten worden sei, was der erkennende Senat in dem
Urteil vom 23.3.1999 VII R 16/98 (BFHE 188, 164, ZfZ 1999, 271 =
SIS 99 11 47) zu Unrecht als für den Zollbeteiligten nicht
rechtsbegründend angesehen habe.
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Zudem sei die Nacherhebung nach Art. 220
Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK unzulässig. Das HZA sei bei
der zunächst erfolgten Anwendung des Kontingentszollsatzes
einem Irrtum nicht nur unterlegen, sondern habe ihn aktiv begangen;
es habe von dem Fehlen der Einfuhrlizenzen und der daraus
gesetzlich folgenden Anwendung des Drittlandszollsatzes gewusst.
Die vom FG erlassenen einstweiligen Anordnungen hätten das HZA
nicht gehindert, die Einfuhrabgaben nach Maßgabe des
Drittlandszollsatzes von Anfang an buchmäßig zu
erfassen; denn sie hätten ihm nur untersagt,
Drittlandszölle zu erheben. Die Klägerin habe den Irrtum
des HZA auch nicht erkennen können; die Rechtslage sei
schwierig gewesen und die Klägerin habe zur Vermeidung eines
Irrtums nicht mehr Anstrengungen unternehmen müssen als das
FG, das immerhin erhebliche Zweifel an der Anwendbarkeit des
Drittlandszollsatzes gehabt habe. Das Gleiche gelte im Hinblick
darauf, dass die Klägerin den rechtlichen Unterschied zwischen
der buchmäßigen Erfassung des Drittlandszollsatzes und
der dem HZA verbotenen Mitteilung desselben nicht erkannt
habe.
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Im Übrigen sei der von Anfang an nicht
streitige, nach Maßgabe des Kontingentszollsatzes berechnete
Teilbetrag der in dem angefochtenen Bescheid festgesetzten
Abgabeschuld von rund 315.000 DM zahlungsverjährt. Die
Fünf-Jahres-Frist seit Erlass jenes Bescheids sei verstrichen,
ohne dass das HZA verjährungsunterbrechende Maßnahmen
ergriffen habe. Anders als das FG meine, habe das HZA nicht dadurch
Vollstreckungsaufschub gewährt, dass es in dem Schriftsatz vom
April 1998 erklärt habe, von der Vollstreckung des
„angefochtenen Bescheids“ bis zum Verfahrensabschluss
absehen zu wollen. Denn im Hinblick auf vorgenannten Teilbetrag
habe die Klägerin diesen Bescheid gerade nicht
angefochten.
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Das HZA nimmt zur Begründung auf das
Urteil des FG Bezug und weist darauf hin, dass durch die Annahme
der von der Klägerin abgegebenen Sammelzollanmeldungen eine
buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben nicht
stattgefunden habe und auch nicht hätte durchgeführt
werden können, weil in diesen Anmeldungen keine Angaben zu den
Bemessungsgrundlagen enthalten seien. Eine buchmäßige
Erfassung sei also gemäß Art. 218 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK
erstmals aufgrund der ergänzenden Anmeldungen der
Klägerin mit dem angefochtenen Bescheid erfolgt.
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II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil des FG entspricht
dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Der angefochtene Bescheid
ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die
Einfuhrabgaben sind zu Recht nach Maßgabe des regulären
Drittlandszollsatzes erhoben worden.
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A. Die Klägerin kann sich auf die
gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, die ihr eine
zollbegünstigte Einfuhr der streitigen Waren aufgrund einer
entsprechenden Einfuhrlizenz ermöglicht hätten, nicht
berufen. Das ist zwischen den Beteiligten nicht strittig und bedarf
keiner weiteren Ausführung. Auf ihre Einfuhren ist daher der
für Bananen geltende Drittlandszollsatz anzuwenden; denn
anders als die Revision meint, sind die diesbezüglichen
Regelungen der VO Nr. 404/93 weder nichtig noch wegen eines
Anwendungsvorrangs des GATT unanwendbar, selbst wenn sie mit diesem
unvereinbar sein mögen, noch steht ihrer Anwendung deutsches
Verfassungsrecht entgegen. Das ergibt sich aus den eingehenden
Gründen Teil A des zwischen den Beteiligten ergangenen Urteils
VII R 8/08 vom heutigen Tag, auf das Bezug genommen wird.
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B. Das Urteil des FG verletzt auch nicht
deshalb Bundesrecht, weil das FG die Voraussetzungen für eine
Nacherhebung von Zoll durch den angefochtenen Bescheid nicht
geprüft hat; es ist insofern zumindest im Ergebnis richtig
(§ 126 Abs. 4 FGO).
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Es bedarf keiner Erörterung, ob im
Streitfall überhaupt von einer
„Nacherhebung“ gesprochen werden kann, deren
Rechtmäßigkeit an den Art. 220, 221 ZK zu messen ist. Es
kann dahinstehen, ob diese Vorschriften einschlägig sind, weil
das HZA die geschuldeten Einfuhrabgaben nicht sogleich
gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK buchmäßig erfasst
hat, sondern erst, nachdem es die von der Klägerin abgegebenen
und mit einem Hinweis auf die deren Meinung nach geschuldeten
Abgaben versehenen Sammelzollanmeldungen angenommen hatte (dazu
Art. 221 Abs. 2 ZK), die tatsächlich geschuldeten Abgaben
gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1, § 155 Abs. 1 Satz 1
der Abgabenordnung (AO) festgesetzt hat. Denn eine Nacherhebung
wäre jedenfalls zu Recht erfolgt. Auch insofern bedarf keiner
Wiederholung, was der Senat in vorgenanntem Urteil VII R 8/08 Teil
B zu einem entsprechenden Sachverhalt erkannt hat.
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C. Das FG hat auch zu Recht erkannt, dass die
Einfuhrabgabenschuld der Klägerin nicht teilweise,
nämlich in Höhe des anfangs nicht streitigen Betrags von
rund 315.000 DM, der sich bei Anwendung des Kontingentszollsatzes
ergibt, infolge Zahlungsverjährung gemäß § 232
AO erloschen ist. Denn die insofern Ende 1995 in Lauf gesetzte
Frist des § 228 AO ist durch das Schreiben des HZA vom April
1998 in dem Verfahren wegen AdV des angefochtenen Bescheids
gemäß § 231 Abs. 1 AO unterbrochen worden, weil
sich aus diesem Schreiben für die Klägerin erkennbar
ergab und ihr gegenüber mit diesem Schreiben auch klargestellt
werden sollte, dass das HZA die Vollstreckung seines
Steuerbescheids vom September 1995, der den vorgenannten Betrag
umfasst, nur aufschieben wollte, bis über die gegen jenen
Bescheid anhängige Klage rechtskräftig entschieden
ist.
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Verjährungsunterbrechende Wirkung misst
§ 231 Abs. 1 Satz 1 AO u.a. bestimmten Willenserklärungen
der Finanzbehörde bei, aus denen sich deren Absicht klar
ergibt, die Steuerforderung durchzusetzen. Dazu gehört die
schriftliche Geltendmachung des Anspruchs, aber auch die
Gewährung von Vollstreckungsaufschub, wofür eine
einseitige Erklärung des HZA genügen kann, von
Maßnahmen zur Durchsetzung seines Anspruchs einstweilen
absehen zu wollen (Beschluss des erkennenden Senats vom 10.11.2003
VII B 342/02, BFH/NV 2004, 315 = SIS 04 09 43).
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Nach der Rechtsprechung des Senats unterbricht
eine Maßnahme allerdings nur dann die
Zahlungsverjährung, wenn sie „nach außen
wirkt“; denn bei rein innerdienstlichen Maßnahmen
der Behörde ist für den Betroffenen nicht mit der
erforderlichen Klarheit feststellbar, ob der Zahlungsanspruch durch
Verjährung erloschen ist oder ob er wegen Unterbrechung der
Verjährung weiterhin zur Leistung verpflichtet ist (vgl. statt
aller Urteil vom 28.11.2006 VII R 3/06, BFHE 216, 4, BStBl II 2009,
575 = SIS 07 16 98). An einer solchen Außenwirkung fehlt es
indes bei einem Schriftsatz, der gerade auch den
Zahlungspflichtigen darüber unterrichten soll, ob die
Behörde an ihrer Forderung festhalten will und wie sie das
weitere diesbezügliche Verwaltungsverfahren führen will,
nicht etwa deshalb, weil diese Mitteilung dem Zahlungspflichtigen
nicht unmittelbar, sondern durch Vermittlung des Gerichts
übersandt wird und an dieses adressiert ist. Denn ein solcher
Schriftsatz in einem gerichtlichen Verfahren richtet sich - auch -
an den Gegner und pflegt ihm, nicht anders, als wenn er ihm direkt
übersandt würde, zur Kenntnis zu gelangen.
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Der diesbezügliche Schriftsatz des HZA
musste von der Klägerin auch dahin verstanden werden, dass das
HZA die Vollstreckung des gesamten, durch den dort bezeichneten
Bescheid festgesetzten Abgabenbetrags einstweilen unterlassen, aber
nicht endgültig aufgeben wolle. Dass mit dem
„angefochtenen Bescheid“ der Steuerbescheid nur
insoweit gemeint sei, wie die Klägerin gegen diesen damals
rechtliche Einwendungen erhoben hatte, legt schon das
Sprachverständnis nicht nahe. Denn die Klägerin hatte mit
ihrer Klageschrift den Bescheid vom September 1995 -
uneingeschränkt - angefochten. Ihr ist im Übrigen
offenbar die Entscheidung des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs vom 17.7.1967 GrS 1/66 (BFHE 91, 393, BStBl II
1968, 344 = SIS 68 02 24) nicht geläufig, dass
Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren nicht einzelne
Besteuerungsmerkmale (hier also der Zollsatz), sondern die
Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden
Steuerbescheids insgesamt ist, weshalb dieser grundsätzlich
ungeachtet des rechtlichen Vorbringens der Klägerin vom
Gericht in vollem Umfang zu überprüfen ist, was im
Allgemeinen dafür sprechen wird, von einer teilweisen
Vollziehung desselben vor Bestandskraft abzusehen.
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Vor allem aber musste sich der Klägerin
aufdrängen, dass das HZA keinen Anlass hat, nicht auf der
Begleichung eines (damals angeblich sogar unstreitigen) Teilbetrags
der Abgabenschuld zu bestehen, und die Klägerin konnte auch
schwerlich ernstlich vermuten, dass das HZA diesen Teilbetrag
„vergessen“ habe, wie sie jetzt offenbar Glauben
machen will.
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Das FG hat schließlich auch richtig
geurteilt, dass die Gewährung von Vollstreckungsaufschub auch
dann die Zahlungsverjährung unterbricht, wenn sie nicht
ausdrücklich erfolgt, sondern sich nur aus den
Erklärungen der Behörde deren Absicht hinreichend klar
ergibt, auf der Begleichung der Abgabenschuld letztlich zu
bestehen. Dies aber ergibt sich, wie ausgeführt, aus dem
vorgenannten Schriftsatz des HZA im Aussetzungsverfahren.
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