Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Hamburg vom 31.07.2018 - 6 K 192/17 = SIS 18 16 37 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Streitig ist der Anspruch auf Kindergeld
für den Zeitraum September 2016 bis Mai 2017.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist der Vater des im Jahr 1997 geborenen Sohnes P. P
brach in der 11. Klasse die Schule ab, nachdem er bereits seit
Jahren Drogen genommen hatte. Seit Frühjahr 2015 befand sich P
in einer ambulanten Therapie. Von August 2015 bis Juli 2016 war er
bei zwei Arbeitgebern mit Minijobs beschäftigt. Vom August
2016 bis zum September 2016 wurde eine stationäre Therapie
durchgeführt, anschließend eine ambulante. Im Juni 2017
absolvierte P ein Praktikum bei einer Tischlerei.
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Im Juli 2017 beantragte der Kläger
Kindergeld für P. Er legte der Beklagten und
Revisionsklägerin (Familienkasse)
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für P vor, ebenso
einen ärztlichen Nachweis vom 26.06.2017, aus dem hervorgeht,
dass P seit September 2016 erkrankt und das Ende der Erkrankung
nicht absehbar war. P gab außerdem am 26.06.2017 auf einem
Vordruck an, dass er sich zum nächstmöglichen Termin um
einen Ausbildungsplatz bewerben werde. In einer weiteren
Bescheinigung vom 12.07.2017 gab der behandelnde Arzt an, dass das
„Ende“ der Erkrankung oder Arbeitsunfähigkeit
nicht sicher vorausgesagt werden könne und dass er
zunächst den 31.12.2017 annehme.
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Die Familienkasse lehnte durch Bescheid vom
31.07.2017 die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum
August 2015 bis Mai 2017 ab. Für die Zeit danach gewährte
sie Kindergeld, weil P erklärt habe, dass er nach Beendigung
der Erkrankung eine Ausbildung anstreben werde und weil die
Erkrankung lt. ärztlichem Attest vom 12.07.2017 zum 31.12.2017
beendet sein werde. Der gegen die Ablehnung der
Kindergeldfestsetzung gerichtete Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg
(Einspruchsentscheidung vom 29.09.2017).
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Das Finanzgericht (FG) befragte im
anschließenden Klageverfahren den behandelnden Arzt, ob
für den Fall, dass keine Ausbildungsfähigkeit des P
bestanden habe, absehbar gewesen sei, wann P wieder
ausbildungsfähig sein werde. Der Arzt teilte schriftlich mit,
dass dies damals noch nicht absehbar gewesen sei. Der behandelnde
Psychologe antwortete auf die gleiche Frage, dass sich bei einer
schweren Störung keine Zeiteinschätzung abgeben lasse und
dass Ausbildungsbemühungen im fraglichen Zeitraum negativ
einzuschätzen gewesen seien. Das FG gab der Klage, mit welcher
der Kläger Kindergeld für den Zeitraum September 2016 bis
Mai 2017 begehrte, nach einer Beweisaufnahme statt (Urteil vom
31.07.2018 - 6 K 192/17, FR 2018, 1012 = SIS 18 16 37). Es war der
Ansicht, P sei als Kind, das eine Berufsausbildung mangels
Ausbildungsplatzes nicht habe beginnen können, zu
berücksichtigen (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ). Für ein Kind, das bereits
einen Ausbildungsplatz habe, jedoch wegen einer Erkrankung seine
Ausbildung nicht fortsetzen könne, sei Kindergeld zu
gewähren. Nichts anderes könne gelten, wenn eine
Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht begonnen oder gesucht
werden könne. Durch entsprechende Bescheinigungen und aufgrund
der Beweisaufnahme sei nachgewiesen, dass P im Streitzeitraum
aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht dazu in der Lage
gewesen sei, sich um eine Ausbildung zu bemühen oder eine
Ausbildung zu beginnen. Entgegen der Ansicht der Familienkasse habe
die Erklärung des P, wonach dieser geplant habe, sich nach
seiner Genesung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn zu
bewerben, nicht schon früher vorgelegt werden
müssen.
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Zur Begründung der Revision trägt
die Familienkasse vor, bei der Unterbrechung der Ausbildung infolge
einer Krankheit behalte das Kind seinen Status als
berücksichtigungsfähiges Kind bei. Sei jedoch nicht
absehbar, dass das Kind in näherer Zukunft seine Ausbildung
wieder aufnehmen könne, ähnele die Konstellation eher der
eines behinderten Kindes. Es wäre eine ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung, wenn für ein Kind, das wegen einer
Behinderung von vornherein keine Ausbildung aufnehmen könne,
nur unter den engen Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr.
3 EStG Kindergeld zu gewähren sei, während für ein
Kind, bei dem die Behinderung/Erkrankung erst während der
Ausbildung eintrete, ohne weiteres Kindergeld bis zur Altersgrenze
gewährt werde. Auch entfalte die von P am 26.06.2017
abgegebene Erklärung über seine Ausbildungswilligkeit
keine Rückwirkung für die davorliegende Zeit.
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Die Familienkasse beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Er meint, das FG habe zu Recht die
Anwendbarkeit des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG
bejaht. Der ausbildungswillige P sei wegen seiner Erkrankung
objektiv gehindert gewesen, sich um einen Ausbildungsplatz zu
bemühen. In einem derartigen Fall könnten keine
Bewerbungen verlangt werden, auch sei keine Erklärung
notwendig, sich unmittelbar nach der Genesung um einen
Ausbildungsplatz bemühen zu wollen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG war zu Unrecht der Ansicht,
für P sei Kindergeld zu gewähren, weil er einen
Ausbildungsplatz gesucht habe.
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1. Kindergeld wird nach § 62 Abs. 1 Satz
1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr.
2 Buchst. c EStG für ein Kind gewährt, das das 18., aber
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und das eine
Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder
fortsetzen kann.
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a) Kinder, die einen Ausbildungsplatz suchen,
sollen mit denen, die bereits einen Ausbildungsplatz gefunden
haben, gleichgestellt werden. Dies setzt voraus, dass der Beginn
der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines
Ausbildungsplatzes scheitert (Senatsurteile vom 07.04.2011 - III R
24/08, BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210 = SIS 11 18 26, sowie vom
13.06.2013 - III R 58/12, BFHE 242, 118, BStBl II 2014, 834 = SIS 13 30 03). Dabei ist zwar grundsätzlich jeder
Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen; seine
Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen
Verhältnissen des Kindes scheitern (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.07.2003 - VIII R 71/99, BFH/NV
2004, 473 = SIS 04 11 02). Das Kind muss die Ausbildungsstelle im
Falle des Erfolgs seiner Bemühungen antreten können
(BFH-Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 79/99, BFHE 203, 94, BStBl II
2003, 843 = SIS 03 45 52; Senatsurteile vom 27.09.2012 - III R
70/11, BFHE 239, 116, BStBl II 2013, 544 = SIS 12 30 59, sowie vom
18.01.2018 - III R 16/17, BFHE 260, 481, BStBl II 2018, 402 = SIS 18 05 00).
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b) In der Person des Kindes liegende
Gründe, welche der Aufnahme einer Berufsausbildung
entgegenstehen, liegen z.B. vor, wenn ein Kind nicht die
Voraussetzungen für den angestrebten Studiengang erfüllt
(BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 473 = SIS 04 11 02) oder wenn
ausländerrechtliche Gründe einer Berufsausbildung
entgegenstehen (Senatsurteil in BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210 =
SIS 11 18 26). Ein Kind ist auch dann nicht zu
berücksichtigen, wenn es eine Ausbildung wegen
Übergewichts nicht antreten könnte (BFH-Beschluss vom
08.11.1999 - VI B 322/98, BFH/NV 2000, 432 = SIS 00 53 21).
Für den Bezug von Kindergeld ist es ausnahmsweise
unschädlich, wenn das Kind wegen der Schutzfristen nach dem
Mutterschutzgesetz (MuSchG) an der Aufnahme einer Berufsausbildung
gehindert ist (Senatsurteil in BFHE 242, 118, BStBl II 2014, 834 =
SIS 13 30 03).
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c) Fälle, in denen ein Kind aus
Gesundheitsgründen dauerhaft gehindert ist, eine
Berufsausbildung oder Erwerbstätigkeit aufzunehmen und deshalb
unterhaltsberechtigt ist, werden durch § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr.
3 EStG gesetzlich typisiert. Hiernach ist ein Kind zu
berücksichtigen, das wegen körperlicher, geistiger oder
seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu
unterhalten, sofern die Behinderung vor Vollendung des 25.
Lebensjahres eingetreten ist. Der Begriff der Behinderung
orientiert sich an § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buchs
Sozialgesetzbuch - SGB IX - (Senatsurteil vom 19.01.2017 - III R
44/14, BFH/NV 2017, 735 = SIS 17 07 97, m.w.N.). Nach der
derzeitigen Definition des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX i.d.F. des
Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl I 2016, 3234) sind
Menschen behindert, die körperliche, seelische, geistige oder
Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit
einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der
gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher
Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern
können. Nach der vorherigen Definition des § 2 Abs. 1
Satz 1 SGB IX ist ein Mensch behindert, wenn seine körperliche
Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem
für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach
beiden Fassungen ist somit Voraussetzung für die Annahme einer
Behinderung, dass eine Beeinträchtigung mit hoher
Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert. Ist das
Ende einer der in § 2 Abs. 1 SGB IX aufgezählten
Beeinträchtigungen, die ein Kind daran hindert, sich um eine
Berufsausbildung zu bemühen, nicht absehbar, so sind in der
Regel die Voraussetzungen einer Behinderung in zeitlicher Hinsicht
erfüllt.
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d) Entgegen der Rechtsauffassung des FG reicht
in Fällen, in denen ein Kind aus Krankheitsgründen
gehindert ist, einen Ausbildungsplatz zu suchen oder in denen
derartige Bemühungen angesichts der Erkrankung sinnlos
wären, die allgemeine Ausbildungswilligkeit, die auf eine in
der Zukunft zu beginnende Berufsausbildung gerichtet ist, nicht
aus. Vielmehr muss das Ende der Erkrankung absehbar sein.
Dementsprechend hat der Senat in der Entscheidung zur Unterbrechung
der Ausbildungsplatzsuche im Urteil in BFHE 242, 118, BStBl II
2014, 834 = SIS 13 30 03 auf die regelmäßig auf 14
Wochen beschränkten Fristen nach dem MuSchG hingewiesen; die
Frage, ab welcher Zeitdauer die Erkrankung eines Kindes dessen
Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c
EStG ausschließt, hat er offengelassen.
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2. Im Streitfall war die Zeit bis zur Aufnahme
einer künftigen Berufsausbildung keine Frage von Wochen oder
Monaten. Denn sowohl der behandelnde Arzt als auch der behandelnde
Psychologe gaben im finanzgerichtlichen Verfahren an, dass die
Ausbildungsfähigkeit des P nicht absehbar gewesen sei. Die
ärztliche Bescheinigung vom 12.07.2017, die die Familienkasse
dahingehend verstanden hat, dass die Erkrankung des P
voraussichtlich bis zum 31.12.2017 beendet sein werde, muss schon
deshalb außer Betracht bleiben, weil sie erst nach dem
Streitzeitraum ausgestellt wurde und keine Aussage zu der davor
liegenden Zeit trifft. Noch in der ärztlichen Bescheinigung
vom 26.06.2017 war angegeben, dass das Ende der Erkrankung nicht
absehbar sei. Somit war im Streitzeitraum auch nicht der Beginn
einer Berufsausbildung des P absehbar. Eine Berücksichtigung
nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG scheidet damit
aus. Ob eine Berücksichtigung auch daran scheitert, dass - wie
die Familienkasse meint - die auf Vordruck abgegebene
Erklärung vom 26.06.2017 des P über seine Absicht, sich
unmittelbar nach dem Ende der Erkrankung um eine Berufsausbildung
bemühen zu wollen, nicht auf den Streitzeitraum
zurückwirkt, kann daher offenbleiben (vgl. A 17.2 Abs. 1 Satz
4 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz
Stand 2020 vom 27.08.2020, BStBl I 2020, 703).
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3. Die Streitsache ist nicht spruchreif und
geht an das FG zurück, das zu prüfen haben wird, ob P als
behindertes Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu
berücksichtigen ist.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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