Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 7.11.2019 - 5 K 1768/19 U = SIS 19 20 05 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) im Jahr 2017
(Streitjahr) die umsatzsteuerrechtliche Kleinunternehmerregelung in
Anspruch nehmen kann.
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Der Kläger betreibt seit dem Jahr 2006
in X einen Betrieb, dessen Gegenstand Fliesen-, Estrich-, Parkett-
und sonstige Bodenlegearbeiten, der Einbau von genormten
Baufertigteilen, Akustik- und Trockenbau,
Entrümpelungsarbeiten sowie Güterbeförderung mit
einem Kfz (bis 3,5 t) ist. Für die Umsatzbesteuerung des
Klägers örtlich zuständig war zunächst das
Finanzamt A. Im Jahr 2011 meldete der Kläger das Gewerbe um
(Verlegung der Betriebsstätte), so dass der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) örtlich
zuständig wurde.
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Im Gründungsjahr 2006 verzichtete der
Kläger gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf die Anwendung der
Kleinunternehmerregelung. In den Folgejahren bis
einschließlich des Jahres 2016 gab er
Umsatzsteuerjahreserklärungen ab, in denen er die Umsatzsteuer
nach den allgemeinen Vorschriften berechnete. In den Jahren 2011
und 2012 führte er Bruttoumsätze oberhalb von 17.500 EUR
(Nettoumsatz 2011: 23.475 EUR; Nettoumsatz 2012: 24.724 EUR) aus.
In den übrigen Jahren lagen seine Bruttoumsätze unterhalb
der Grenze von 17.500 EUR.
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Mit seiner am 25.10.2018 beim FA
eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr
wendete der Kläger erstmalig die Kleinunternehmerbesteuerung
an. In den Rechnungen des Streitjahres wies er unter Hinweis auf
§ 19 UStG keine Umsatzsteuer aus.
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Das FA teilte dem Kläger mit, dass der
Wechsel von der Regel- zur Kleinunternehmerbesteuerung für das
Streitjahr nicht möglich sei, da der Kläger innerhalb der
letzten fünf Jahre „von der Option nach § 19 Abs. 1
Satz 2 UStG“ Gebrauch gemacht habe und deshalb insoweit
gebunden sei.
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In der Folge erließ das FA am
07.03.2019 einen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr, in
dem es Lieferungen und sonstige Leistungen in Höhe von 6.037
EUR berücksichtigte und Umsatzsteuer in Höhe von 1.147,03
EUR festsetzte.
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Hiergegen legte der Kläger Einspruch
ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 21.05.2019 als
unbegründet zurückgewiesen wurde. Das Finanzgericht (FG)
Münster gab der Klage mit seinem in EFG 2019, 2012
veröffentlichten Urteil vom 07.11.2019 - 5 K 1768/19 U = SIS 19 20 05 statt und setzte die Umsatzsteuer auf 0 EUR fest. Es
vertrat die Ansicht, dass der Kläger seinen Verzicht auf die
Anwendung der Kleinunternehmerregelung mit der Einreichung der
Steuererklärung für das Streitjahr wirksam
gemäß § 19 Abs. 2 Satz 4 UStG widerrufen
habe.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung von § 19 UStG. Aufgrund der Überschreitung der
Grenze für Bruttoumsätze in Höhe von 17.500 EUR in
den Jahren 2011 und 2012 habe der Kläger in den Jahren 2012
und 2013 der Regelbesteuerung unterlegen. Die Unterschreitung
dieser Grenze im Jahr 2013 führe dazu, dass die Abgabe der
Umsatzsteuererklärung 2014 einen Verzicht auf die
Kleinunternehmerregelung darstelle. Damit sei der Kläger nach
§ 19 Abs. 2 Satz 2 UStG für fünf Jahre nach Eintritt
der Unanfechtbarkeit der Umsatzsteuerjahresfestsetzung 2014
gebunden (2014 bis 2018), sodass er für das Streitjahr nicht
den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung habe
widerrufen können.
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Der Kläger werde dabei nicht
gegenüber einem Unternehmer schlechter gestellt, der die
Umsatzgrenze dauerhaft nicht überschritten habe, da beide
Sachverhalte nicht miteinander vergleichbar seien. Für den
Neubeginn der Bindungsfrist sei es zudem nicht erforderlich, dass
der Kläger für mindestens einen Besteuerungszeitraum von
der Kleinunternehmerregelung Gebrauch gemacht habe. Vielmehr sei
zur Verhinderung der missbräuchlichen Verwendung des Verzichts
auf die Kleinunternehmerregelung die Abgabe der
Umsatzsteuererklärung 2014 als erneuter Verzicht auf die
Kleinunternehmerregelung zu werten.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
Münster vom 07.11.2019 - 5 K 1768/19 U aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass der Kläger seinen Verzicht auf die Anwendung der
besonderen Kleinunternehmerbesteuerung mit der Einreichung der
Steuererklärung für das Streitjahr wirksam
gemäß § 19 Abs. 2 Satz 4 UStG widerrufen hat.
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1. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG kann der
Unternehmer dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der
Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) erklären, dass
er auf die Anwendung der Besteuerungsregelung des § 19 Abs. 1
UStG (sog. Kleinunternehmerregelung) verzichtet. Dieser Verzicht
bindet nach Eintritt der „Unanfechtbarkeit der
Steuerfestsetzung“ den Unternehmer mindestens für
fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 2 Satz 2 UStG). Er kann sie
mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen (§
19 Abs. 2 Satz 3 UStG). Der Widerruf ist spätestens bis zur
Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für
das er gelten soll, zu erklären (§ 19 Abs. 2 Satz 4
UStG).
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2. Unionsrechtliche Grundlage dieser
Regelungen sind die Art. 281 bis 292 der Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL; vormals Art. 24 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des
Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Richtlinie 77/388/EWG
-, s. Senatsurteil vom 11.07.2018 - XI R 26/17, BFHE 262, 535 = SIS 18 18 61, Rz 46 f.). Danach können die Mitgliedstaaten
Sonderregelungen für Kleinunternehmen in Form einer
vereinfachten Besteuerung, einer Steuerbefreiung oder einer
degressiven Steuerermäßigung schaffen. Die Richtlinie
räumt in Art. 281 MwStSystRL (vormals Art. 24 Abs. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG) den Mitgliedstaaten einen weiten Spielraum
bei der Beurteilung der Frage ein, ob und unter welchen
Voraussetzungen die Einführung von Pauschalregelungen oder
anderen vereinfachten Modalitäten für die Besteuerung und
Steuererhebung bei Kleinunternehmen erforderlich ist (vgl. Urteil
des Gerichtshofs der Europäischen Union Direct Cosmetics Ltd
vom 12.07.1988 - C-138/86 und C-139/86, EU:C:1988:383, Rz 41; s.a.
Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, §
19 Rz 4; Zugmaier/Streit in Hartmann/Metzenmacher,
Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz 3).
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3. Über die Form der
Verzichtserklärung nach § 19 Abs. 2 UStG sowie ihres
Widerrufs enthält das UStG keine Bestimmungen.
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a) Sowohl der Verzicht als auch dessen
Widerruf sind einseitige empfangsbedürftige
Willenserklärungen gegenüber dem Finanzamt; beide
Erklärungen wirken rechtsgestaltend auf das
Umsatzsteuerrechtsverhältnis und sind deshalb
bedingungsfeindlich (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
13.12.1984 - V R 32/74, BFHE 142, 327, BStBl II 1985, 173 = SIS 85 04 22; vom 16.03.1988 - X R 7/80, BFH/NV 1989, 197; vom 28.06.1995
- XI R 40/94, BFHE 178, 251, BStBl II 1995, 805 = SIS 95 21 45,
unter 1.b). Sie können dem Finanzamt gegenüber auch durch
schlüssiges Verhalten abgegeben werden (vgl. BFH-Urteile vom
19.12.1985 - V R 167/82, BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420 = SIS 86 07 35; in BFHE 178, 251, BStBl II 1995, 805 = SIS 95 21 45, unter
1.b; BeckOK UStG/Suabedissen, 25. Ed. [31.07.2020], UStG § 19
Rz 51). Die Erklärung des Widerrufs ist daher formlos
möglich (z.B. Michel in Birkenfeld/Wäger,
Umsatzsteuer-Handbuch, § 223 Rz 381). Sonstige Regelungen,
wodurch ein erklärter Verzicht unwirksam werden könnte,
sieht das Gesetz nicht vor.
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b) Mit der Abgabe einer
Umsatzsteuererklärung, in der der Steuerpflichtige die Steuer
nach den allgemeinen Grundsätzen berechnet, verzichtet er
konkludent auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1
UStG (vgl. BFH-Urteile in BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420 = SIS 86 07 35; vom 09.07.2003 - V R 29/02, BFHE 202, 403, BStBl II 2003,
904 = SIS 03 41 39, unter II.2.b, Rz 18; vom 20.12.2012 - V R
23/11, BFHE 240, 377, BStBl II 2013, 334 = SIS 13 04 80, Rz 11; vom
24.07.2013 - XI R 31/12, BFHE 242, 429, BStBl II 2014, 214 = SIS 13 32 19, Rz 17; vom 22.06.2016 - V R 46/15, BFHE 254, 272 = SIS 16 17 69, Rz 53). In gleicher Weise kann der Steuerpflichtige auch durch
Abgabe der Umsatzsteuererklärung konkludent den Verzicht auf
die Anwendung der Kleinunternehmerregelung widerrufen. Es gelten
beim Widerruf die gleichen Regeln wie für die Erklärung
des Verzichts (vgl. BFH-Urteil in BFHE 178, 251, BStBl II 1995, 805
= SIS 95 21 45, unter 1.b; Stadie in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz 139; Stadie, UStG, 3. Aufl.,
§ 19 Rz 41; Schilcher in Weymüller, UStG, 2. Aufl.,
§ 19 Rz 51).
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c) Insbesondere ergibt sich aus der Verwendung
des Wortes „mindestens“ in § 19 Abs. 2 Satz
2 UStG sowie aus § 19 Abs. 2 Satz 3 UStG, dass der Verzicht
i.S. des § 19 Abs. 2 UStG nicht nach Ablauf von fünf
Jahren unwirksam wird, sondern bis zu einem Widerruf fortwirkt.
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d) Dies entspricht im Übrigen auch den
anerkannten Rechtswirkungen anderer Willenserklärungen des
Steuerpflichtigen mit Bezug zum Besteuerungsverfahren. So muss der
Antrag auf Dauerfristverlängerung (§ 18 Abs. 6 UStG
i.V.m. § 46 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung -
UStDV - ) nicht jährlich wiederholt werden, da die
Dauerfristverlängerung solange als gewährt gilt, bis der
Unternehmer seinen Antrag zurücknimmt oder das Finanzamt die
Fristverlängerung widerruft (BFH-Urteil vom 07.07.2005 - V R
63/03, BFHE 210, 192, BStBl II 2005, 813 = SIS 05 39 36, unter II.
4., Rz 20; BFH-Beschluss vom 14.05.2008 - XI B 177/07,
www.rechtsprechung-im-internet.de, Rz 14; Abschn. 18.4 Abs. 3 Satz
1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Auch dort gehen UStG und
UStDV von einem Fortwirken des Antrags bis zu einem Widerruf der
Fristverlängerung oder einer Rücknahme des Antrags aus,
so dass z.B. die Nichterfüllung der Anmelde- und
Entrichtungspflicht nicht den Erklärungswert der
Rücknahme des Antrags auf Fristverlängerung hat
(BFH-Beschluss vom 29.10.1993 - V B 38/93, BFH/NV 1994, 589, unter
II. 1., Rz 7).
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4. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat
der Kläger im Streitjahr wirksam seinen Verzicht auf die
Anwendung der Kleinunternehmerregelung widerrufen.
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a) Der Kläger hat im Gründungsjahr
2006 durch Verzicht auf die Inanspruchnahme der
Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG die
fünfjährige Bindungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2
UStG in Gang gesetzt, die mit Ablauf des Jahres 2010 endete.
Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Der
Verzicht wirkte jedoch gleichwohl fort, so dass im Jahr 2011 kein
erneuter Verzicht notwendig war.
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b) In den Jahren 2011 und 2012
überschritt der Kläger mit seinen Umsätzen
zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer zwar die
Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. in Höhe von
17.500 EUR, so dass eine Regelbesteuerung gemäß §
19 Abs. 1 Satz 1 UStG in den Folgejahren (2012 und 2013) ohnehin
durchzuführen war. Jedoch führte dieser Übergang zur
Regelbesteuerung weder zum konkludenten Widerruf der
Verzichtserklärung noch zum Widerruf des erklärten
Verzichts. Das Überschreiten der Umsatzgrenze hat daher nicht,
wie das FA im Ergebnis meint, eine automatische Beendigung des
Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zur Folge.
Vielmehr blieb dieser Verzicht auch in diesen Jahren wirksam; er
entfaltete nur keine Wirkungen.
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c) Auch im darauffolgenden Jahr 2014 war
dieser Verzicht weiterhin wirksam, so dass die entsprechend
abgegebene Umsatzsteuererklärung 2014 - entgegen der
Auffassung des FA - keine erneute Erklärung eines Verzichts
auf die Kleinunternehmerregelung darstellte. Dessen bedurfte es
nicht, weil der Verzicht aus dem Jahr 2006 weiterhin wirksam war.
Gleiches gilt auch für die Jahre 2015 bis 2016. Mit der
Einreichung der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr
2017 hat der Kläger allerdings wirksam entsprechend § 19
Abs. 2 Satz 3 und 4 UStG diesen Verzicht aus dem Gründungsjahr
widerrufen.
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5. Die Einwendungen des FA führen zu
keiner anderen Beurteilung.
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a) Die fünfjährige Bindung an den
Verzicht des Steuerpflichtigen auf die Anwendung der
Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG
knüpft an seine erstmalige Steuererklärung, in der die
allgemeinen Vorschriften angewandt wurden, an, damit im Streitfall
an das Gründungsjahr 2006. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen,
dass nach Ablauf der Bindungsfrist von fünf Jahren der
Steuerpflichtige konkludent mit der Abgabe der Steuererklärung
unter Beachtung der Regelbesteuerung wiederum eine neue
Bindungsfrist i.S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG in Gang setzt.
Eine solche Regelung enthält § 19 Abs. 2 UStG nicht.
Vielmehr deutet sowohl das Wort „mindestens“ in
§ 19 Abs. 2 Satz 2 UStG als auch § 19 Abs. 2 Satz 3 UStG
auf eine Fortgeltung hin. Nach dem Ende der Fünf-Jahres-Frist
seit dem erstmaligen Verzicht gemäß § 19 Abs. 2
Satz 1 UStG kann daher für jedes weitere Jahr von dem Verzicht
nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG Gebrauch gemacht werden, ohne
dass es einer erneuten Erklärung bedarf. Es beginnt nicht
jeweils eine neue Fünf-Jahres-Frist (ebenso Widmann in
Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 19 Rz 98. Janzen in
Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 19 UStG Rz 71;
a.A. Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, a.a.O., §
19 Rz 57). Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung wirkt
fort, bis er ohne weiteres Bindungshemmnis vom Steuerpflichtigen
widerrufen wird (s.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O.,
§ 19 Rz 136; Stadie, a.a.O., § 19 Rz 41. Janzen in
Lippross/Seibel, a.a.O., § 19 UStG Rz 71). Dies bezeugt auch
der Wortlaut der Regelung, da sich das Subjekt
„Sie“ in § 19 Abs. 2 Satz 3 UStG auf die
„mindestens“ für fünf Kalenderjahre
bindende Erklärung des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG
bezieht.
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b) Soweit das FA meint, dass in den Jahren
2011 und 2012 mit dem Überschreiten der Umsatzgrenze des
§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. eine Beendigung des Verzichts auf
die Anwendung der Kleinunternehmerregelung einherging, ergibt sich
dies nicht aus dem Wortlaut der Regelung des § 19 Abs. 2 UStG.
Das Überschreiten der Umsatzgrenze führt zwar kraft
Gesetzes zur Regelbesteuerung; die Rechtswirkung eines Widerrufs
der nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG ausgeübten Option ist
aber nicht angeordnet. Eine dem § 124 Abs. 2 der
Abgabenordnung vergleichbare Erledigung durch Zeitablauf oder auf
andere Weise ist gesetzlich nicht vorgesehen.
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c) Diese Auslegung widerspricht nicht dem
Zweck der Bindungsfrist. Die fünfjährige Frist soll
Missbräuche beim Vorsteuerabzug verhindern (vgl. Schriftlicher
Bericht des Finanzausschusses, zu BTDrucks V/1581, 17). Wäre
z.B. ein jährlicher Wechsel zwischen Besteuerung und
Nichtbesteuerung zugelassen, bestünde die Möglichkeit,
ungerechtfertigte Vorteile durch entsprechende zeitliche
Verlagerungen der vorsteuerbelasteten Leistungen anderer
Unternehmer für das Unternehmen sowie der Umsätze zu
erlangen (vgl. BFH-Urteil vom 24.07.2013 - XI R 14/11, BFHE 242,
421, BStBl II 2014, 210 = SIS 13 32 17, Rz 38; gl.A.
Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 19 Rz
38). Mit einem Widerruf des Verzichts auf die
Kleinunternehmerregelung kann der Unternehmer zwar auf die
Umsatzbesteuerung verzichten; jedoch kann dies keinen Missbrauch
beim Vorsteuerabzug zur Folge haben, da es nicht zu einem
jährlichen Wechsel zwischen Besteuerung und Nichtbesteuerung
kommt. Denn nach einem wirksamen Widerruf i.S. des § 19 Abs. 2
Satz 3 und 4 UStG bleibt es bei einer entsprechenden
Umsatzhöhe so lange bei der Kleinunternehmerregelung, bis der
erneute Verzicht darauf erklärt und damit wiederum eine
fünfjährige Bindungsfrist ausgelöst wird. Das Jahr
der ersten Steuererklärung unter Anwendung der allgemeinen
Vorschriften ist dann der erneute Verzicht auf die
Kleinunternehmerregelung.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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7. Der Senat entscheidet mit Zustimmung der
Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2,
§ 121 Satz 1 FGO).
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