Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 8.2.2017 - 4 K 1925/15 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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I. Streitig ist, inwieweit auf
Fahrvergünstigungen, die die Deutsche Bahn AG (DB AG)
Ruhestandsbeamten des Bundeseisenbahnvermögens (BEV)
gewährt, der Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) anwendbar ist.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Ruhestandsbeamter des BEV und wurde für das
Streitjahr (2014) mit der Klägerin und Revisionsbeklagten zur
Einkommensteuer zusammen veranlagt. Er erzielte neben seinen
Versorgungsbezügen geldwerte Vorteile in Form von
Fahrvergünstigungen (Tagesfreifahrtscheine im Fernverkehr mit
und ohne Zuzahlungen für Mitarbeiter und Angehörige sowie
im Regionalverkehr). Die Tagesfreifahrtscheine wurden von der DB AG
bzw. deren Konzerngesellschaften gewährt, in deren
Geschäftsbereich der Kläger während seiner aktiven
Dienstzeit eingesetzt war. Es handelte sich bei den Gesellschaften
um Nachfolger des früheren Sondervermögens Deutsche
Bundesbahn.
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Der Kläger bezog im Streitjahr 16
Tagesfreifahrtscheine für den Fernverkehr sowie 26
Tagesfreifahrtscheine für den Regionalverkehr. Den
Sachbezugswert dieser Fahrvergünstigungen, die besonderen
Nutzungsbestimmungen unterlagen, bezifferte das BEV - ausweislich
der Bezügemitteilungen des Klägers - mit 1.746,08
EUR.
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In ihrer Einkommensteuererklärung
beantragten die Kläger, diesen geldwerten Vorteil
gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG um den
Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 EUR zu kürzen.
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Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung
minderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA
- ) den geldwerten Vorteil aus den in Anspruch genommenen
Fahrvergünstigungen zunächst lediglich um 565 EUR. Der
Rabattfreibetrag sei nur für Fahrvergünstigungen im
Regionalverkehr, nicht aber für solche im Fernverkehr zu
gewähren. Denn Tagesfreifahrtscheine im Fernverkehr biete die
DB AG in dieser Form nur ihren Mitarbeitern und deren
Angehörigen, nicht aber ihren Kunden an.
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Dem hiergegen eingelegten Einspruch half
das FA insoweit ab, als es den Rabattfreibetrag nunmehr in
Höhe von 677 EUR gewährte, da der geldwerte Vorteil
für die Tagesfreifahrtscheine im Regionalverkehr mit 676,73
EUR anzusetzen sei. Im Übrigen wies es den Einspruch als
unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin
erhobenen Klage mit den in EFG 2017, 923 veröffentlichten
Gründen statt.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt, das Urteil des Hessischen FG
vom 8.2.2017 - 4 K 1925/15 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Die Kläger haben keinen Antrag
gestellt.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass
es sich bei den Fahrvergünstigungen um Arbeitslohn i.S. des
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG handelte.
Die Tagesfreifahrtscheine für Mitarbeiter und Angehörige
(mit und ohne Zuzahlung) stellen dem Grunde nach geldwerte Vorteile
dar, die der Kläger aufgrund seines früheren
Dienstverhältnisses erhielt. Denn sie ermöglichten ihm,
Beförderungsleistungen der DB AG unentgeltlich oder (im Fall
der Zuzahlung) vergünstigt in Anspruch zu nehmen (s.
Senatsurteile vom 26.6.2014 - VI R 41/13, BFHE 246, 423, BStBl II
2015, 39 = SIS 14 28 07, Rz 10, und vom 12.4.2007 - VI R 89/04,
BFHE 217, 555, BStBl II 2007, 719 = SIS 07 21 31, unter II.1.).
Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, so dass der Senat
insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
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2. Der geldwerte Vorteil aus den
Tagesfreifahrtscheinen ist dem Kläger im Streitjahr auch
zugeflossen.
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a) Arbeitslohn, der - wie im Streitfall -
nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird, wird in dem
Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt
(§ 38a Abs. 1 Satz 3 EStG).
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b) Zugeflossen sind Einnahmen dann, wenn der
Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über
die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Der
Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht richtet
sich nach den Umständen des Einzelfalls. Bei einer
Sachzuwendung ist der Zufluss eines geldwerten Vorteils zu bejahen,
wenn der Arbeitnehmer den Vorteil tatsächlich in Anspruch
genommen hat (z.B. Senatsurteil vom 14.11.2012 - VI R 56/11, BFHE
239, 410, BStBl II 2013, 382 = SIS 13 04 81, Rz 16, m.w.N.).
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c) Danach ist der geldwerte Vorteil dem
Kläger vorliegend bereits mit dem Bezug des einzelnen
Freifahrtscheins zugeflossen. Denn die DB AG bzw. deren
Konzerngesellschaften haben hiermit das (tarifvertraglich
geregelte) Leistungsversprechen, unentgeltliche oder
vergünstigte Fahrtberechtigungen auszureichen, ihm
gegenüber bewirkt.
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3. Das FG hat schließlich zu Recht
entschieden, dass auch auf die Fahrvergünstigungen im
Fernverkehr die Bewertungsvorschrift des § 8 Abs. 3 EStG
anzuwenden ist.
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a) Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1
EStG sind Waren oder Dienstleistungen, die ein Arbeitnehmer
aufgrund seines Dienstverhältnisses erhält und die vom
Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner
Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren
Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird,
abweichend von § 8 Abs. 2 EStG mit den um 4 % geminderten
Endpreisen zu bewerten, zu denen der Arbeitgeber oder der dem
Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder
Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen
Geschäftsverkehr anbietet. Die sich nach Abzug der vom
Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile sind
steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt
1.080 EUR im Kalenderjahr nicht übersteigen (§ 8 Abs. 3
Satz 2 EStG).
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aa) Die Vergünstigung des § 8 Abs. 3
EStG gilt nur für Waren oder Dienstleistungen, die der
Arbeitgeber als eigene herstellt, vertreibt oder erbringt. Mit den
Begriffen „Waren oder Dienstleistungen“ werden
alle in Betracht kommenden Sachbezüge und damit die gesamte
eigene Liefer- und Leistungspalette des jeweiligen Arbeitgebers
bezeichnet. Aus den Begriffen „hergestellt, vertrieben
oder erbracht“ ergibt sich, dass der Arbeitgeber
hinsichtlich der Sachbezüge, die er an Arbeitnehmer verbilligt
oder unentgeltlich abgibt, selbst Marktteilnehmer sein muss
(Senatsurteil vom 26.4.2018 - VI R 39/16, BFHE 261, 485, BStBl II
2019, 286 = SIS 18 12 62, Rz 8 ff., m.w.N.).
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bb) Sachzuwendungen, die nicht zur
Produktpalette des Arbeitgebers gehören, sind hingegen mit den
um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen
Endpreisen am Abgabeort zu bewerten (§ 8 Abs. 2 Satz 1
EStG).
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b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG den
geldwerten Vorteil, den der Kläger aus dem Bezug der
Tagesfreifahrtscheine erzielt hat, zu Recht um den Rabattfreibetrag
in Höhe von 1.080 EUR gekürzt.
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aa) Auf Fahrvergünstigungen, die die DB
AG bzw. deren Konzerngesellschaften Ruhestandsbeamten des BEV in
Form von Tagesfreifahrtscheinen mit und ohne Zuzahlung
gewähren, ist gemäß § 12 Abs. 8 des Deutsche
Bahn Gründungsgesetzes der Rabattfreibetrag nach § 8 Abs.
3 EStG entsprechend anwendbar. Dies gilt, obwohl in einem solchen
Fall die Zuwendung nicht durch den Arbeitgeber des
Ruhestandsbeamten, also das BEV, sondern durch einen Dritten (die
DB AG bzw. deren Konzerngesellschaften) gewährt wird und die
Zuwendung nicht zur Liefer- und Leistungspalette des Arbeitgebers
des Ruhestandsbeamten gehört (Senatsurteil in BFHE 246, 423,
BStBl II 2015, 39 = SIS 14 28 07, Rz 13).
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bb) Der sachliche Anwendungsbereich des §
8 Abs. 3 EStG ist vorliegend ebenfalls eröffnet. Entgegen der
Auffassung des FA handelt es sich bei den vom Kläger in
Anspruch genommenen Fahrvergünstigungen nicht um
„Waren oder Dienstleistungen“, die die DB AG
überwiegend für den Bedarf ihrer Arbeitnehmer erbringt.
Zwar weist das FA zutreffend darauf hin, dass diese
(vergünstigten) (Frei-)Fahrtberechtigungen, soweit sie den
Fernverkehr betreffen, aufgrund der streckenunabhängigen
Tagesgültigkeit und der besonderen Nutzungsbestimmungen von
der DB AG nicht auch fremden Letztverbrauchern im allgemeinen
Geschäftsverkehr angeboten werden. Bewertungsgegenstand ist
aber nicht der Tagesfreifahrtschein als solcher, sondern die darin
verkörperte Beförderungsleistung.
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Mit der Überlassung der
Tagesfreifahrtscheine erhielt der Kläger Wertpapiere, die den
Beförderungsanspruch gegenüber der DB AG verbrieften
(vgl. MünchKommBGB/Habersack, 7. Aufl., § 808 Rz 10;
Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, 12. Aufl., § 28 I.3.a,
b; Staudinger/Marburger, BGB § 808 Rz 3, 4, BGB § 807 Rz
5). Diese ermöglichten dem Kläger, das
Beförderungsangebot der DB AG zu nutzen. Die
(Personen-)Beförderung gehört aber unstreitig zur
Produktpalette der DB AG. Personenbeförderungsleistungen
erbringt die DB AG nicht überwiegend gegenüber ihren
Arbeitnehmern, sondern gegenüber jedermann. Entgegen der
Auffassung des FA ist daher bei Anwendung des Rabattfreibetrags nur
auf die Beförderungsleistung und nicht auf die Art der
Fahrtberechtigungen abzustellen.
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cc) Dem steht der Einwand des FA, es fehle
wegen der Besonderheiten der Mitarbeiterfahrvergünstigungen
der DB AG im Fernverkehr an einem der Bewertung zugrunde zu
legenden „Endpreis“, nicht entgegen. Er vermag
insbesondere nicht für eine Bewertung des geldwerten Vorteils
nach § 8 Abs. 2 EStG zu streiten. Denn danach sind Einnahmen,
die nicht in Geld bestehen (wie die im Streitfall zu bewertenden
Sachbezüge), mit den um übliche Preisnachlässe
geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Auch
insoweit bedarf es mithin der Bestimmung eines üblichen
„Endpreises“. Tatsächlichen Schwierigkeiten
bei der Ermittlung eines solchen Endpreises ist ggf. mit einer
Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 der
Abgabenordnung zu begegnen (s. Senatsurteil vom 6.6.2018 - VI R
32/16, BFHE 261, 516, BStBl II 2018, 764 = SIS 18 12 18, Rz
27).
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So ist auch im Streitfall der vom FG zugrunde
gelegte Wertansatz des geldwerten Vorteils aus dem Bezug der
Freifahrtscheine revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG
hat den geldwerten Vorteil auf der Grundlage der
übereinstimmenden Wertangaben der Beteiligten bestimmt. Dies
lässt keinen Rechtsfehler erkennen und ist daher für den
Senat revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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