Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 10.6.2015 2 K 2305/10 wird
bezüglich jener Verfahren als unbegründet
zurückgewiesen, hinsichtlich derer die Klage als
unzulässig abgewiesen worden ist (Anträge Nr. 4, 15, 21,
22, 25, 27, 29, 31, 37, 47, 61, 69 und 70 sowie Nr. 8, 10, 11, 12,
16, 17, 33, 35, 38, 44 und 53 gemäß Anlage zum Urteil
des Finanzgerichts).
Im Übrigen wird das Urteil auf die
Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache an das
Finanzgericht Köln zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
1
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit Sitz und
Geschäftsleitung in der Republik Österreich
(Österreich), die in den Jahren 2006 und 2007 in der
Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) über keine
Betriebsstätte verfügte. Ihr Unternehmensgegenstand
bestand u.a. in der Veranstaltung von Konzerten und Theaterabenden
sowie der Produktion und Organisation von Tourneen und Gastspielen
jeder Art. In den Jahren 2006 und 2007 organisierte die
Klägerin in Deutschland Theater- und Opernaufführungen
unter Einsatz von Künstlern und erhielt dafür
Vergütungen von den inländischen Veranstaltern.
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Mit am 27. September sowie am 2. und
23.10.2006 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundeszentralamt
für Steuern - BZSt - ) eingegangenen Schreiben beantragte die
Klägerin für Vergütungen, die ihr im Zusammenhang
mit insgesamt 71 - in der Anlage zum angefochtenen Urteil
aufgelisteten - tourneemäßigen Gastspielen verschiedener
Künstlergruppen in der Zeit vom 24.9.2006 bis zum 29.10.2007
in verschiedenen Auftrittsorten in Deutschland zugeflossen waren
bzw. noch zufließen würden, die Freistellung vom
Steuerabzug nach § 50d Abs. 2 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes in der im Antragszeitraum geltenden Fassung
(EStG) i.V.m. Art. 17 Abs. 3 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen vom 24.8.2000 (BGBl II 2002, 735,
BStBl I 2002, 585) - DBA-Österreich 2000 - .
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Insgesamt 16 dieser Veranstaltungen hatten
zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits stattgefunden; bei 13
dieser 16 Veranstaltungen war außerdem die Vergütung
schon vor der Antragstellung an die Klägerin gezahlt worden.
Im Laufe des Antragsverfahrens wurden durch verschiedene deutsche
Veranstalter Abzugsteuern nach § 50a EStG angemeldet oder
seitens der zuständigen Finanzämter Haftungsbescheide
erlassen. Zum Teil wurde die Steuer durch die Finanzämter auf
null EUR festgesetzt. Für einen Teil der Veranstaltungen
erhielt die Klägerin im Laufe des Verfahrens Erstattungen von
den jeweils örtlich zuständigen
Finanzämtern.
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Das BZSt lehnte die Anträge auf
Erteilung von Freistellungsbescheinigungen ab, weil die
Klägerin die nach Art. 17 Abs. 3 DBA-Österreich 2000
erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt habe. Mit der dagegen
erhobenen Klage hat die Klägerin auch geltend gemacht, die
vereinbarten Vergütungen für die Organisation der
Theaterveranstaltungen seien nicht einheitlich als solche aus der
Verwertung einer künstlerischen Tätigkeit i.S. von Art.
17 DBA-Österreich 2000 anzusehen, sondern müssten - ggf.
im Wege der Schätzung - in Einkünfte aus der Verwertung
einer künstlerischen Tätigkeit einerseits und
Einkünfte aus organisatorischer Tätigkeit (Produktion,
Technik, Transport) andererseits aufgeteilt werden. Bei den
letztgenannten Einkunftsteilen handele es sich abkommensrechtlich
um Unternehmensgewinne i.S. von Art. 7 DBA-Österreich 2000,
die mangels inländischer Betriebsstätte von der
Besteuerung in Deutschland freigestellt seien und für die
deshalb Freistellungsbescheinigungen zu erteilen seien.
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Die Klage blieb ohne Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) Köln hat sie mit Urteil vom 10.6.2015 2 K
2305/10 (abgedruckt in EFG 2015, 2080 = SIS 15 25 08) als teilweise
unzulässig und im Übrigen unbegründet abgewiesen.
Mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei die Klage
in Bezug auf
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- die Anträge, die erst nach Zufluss
der jeweiligen Vergütung gestellt worden sind (Anträge
Nr. 4, 15, 21, 22, 25, 27, 29, 31, 37, 47, 61, 69 und 70
gemäß Anlage zum FG-Urteil) und
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- die Anträge, bezüglich derer
die örtlich zuständigen Finanzämter die Steuer
bereits auf null EUR festgesetzt haben (Anträge 8, 10, 11, 12,
16, 17, 33, 35, 38, 44 und 53 gemäß Anlage zum
FG-Urteil) und
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- jene Anträge, hinsichtlich derer die
Klägerin bereits Erstattungen von den Finanzämtern
erhalten hat (um welche einzelnen Verfahren es sich hierbei
handelt, hat das FG nicht festgestellt).
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Für unbegründet hält das FG
die Klage, weil die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 3
DBA-Österreich 2000 nicht vorlägen und weil nach der
gegenüber einer segmentierenden Betrachtungsweise
vorzuziehenden vereinheitlichenden Sichtweise die jeweils
vereinbarte Gesamtvergütung nicht in unterschiedliche
Teilvergütungen aufzuspalten sei. Vielmehr sei zu prüfen,
welcher Teil der Tätigkeit der Darstellung das Gepräge
gebe. Werde das Gepräge - wie im Streitfall - durch die
künstlerische Darbietung bestimmt, sei die Vergütung
insgesamt als eine solche für eine künstlerische
Darbietung anzusehen.
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Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf
Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der
Klägerin.
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Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil
und die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das BZSt zu
verpflichten, die von den Vergütungsschuldnern gezahlten
Vergütungen für die Aufführungen gemäß
Anlage zum FG-Urteil durch Freistellungsbescheinigungen vom
Steuerabzug freizustellen.
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Das BZSt beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist teilweise begründet
und führt insoweit gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Im
Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet und daher
gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
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1. Als unbegründet zurückzuweisen
ist die Revision in Bezug auf jene Verfahren, hinsichtlich derer
das FG die Klage als unzulässig abgewiesen hat, weil die
Anträge erst nach dem Zufluss der jeweiligen Vergütung
gestellt worden sind oder weil die örtlich zuständigen
Finanzämter die Steuern inzwischen auf null EUR festgesetzt
haben. Das FG hat die diesbezügliche Klage zu Recht als
unzulässig angesehen.
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a) Die Klägerin, die weder ihren Sitz
noch den Ort ihrer Geschäftsleitung im Inland hat, ist hier
nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig. Jedoch sind Einkünfte aus
Gewerbebetrieb, die durch im Inland ausgeübte oder verwertete
künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche
Darbietungen erzielt werden, einschließlich der
Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen
zusammenhängenden Leistungen gemäß § 49 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. d EStG unabhängig davon, wem die Einnahmen
zufließen, beschränkt steuerpflichtig. Erhoben wird die
Steuer gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG im Wege
des Steuerabzugs. Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die
Vergütung dem Gläubiger zufließt (§ 50a Abs. 5
Satz 1 EStG). In diesem Zeitpunkt hat der Schuldner der
Vergütung den Steuerabzug für Rechnung des
beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers (Steuerschuldner)
vorzunehmen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG).
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b) Können Einkünfte, die dem
Steuerabzug nach § 50a EStG unterliegen, nach einem Abkommen
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) nicht oder nur nach
einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden, sind zwar die Regeln
über die Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Steuer
vom Vergütungsschuldner ungeachtet des Abkommens zu beachten
(§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG). Gemäß § 50d Abs. 2
Satz 1 EStG kann jedoch in diesen Fällen der
Vergütungsschuldner den Steuerabzug nach Maßgabe des DBA
unterlassen oder nach einem niedrigeren Steuersatz vornehmen, wenn
das BZSt dem Gläubiger aufgrund eines von ihm nach dem amtlich
vorgeschriebenen Vordruck gestellten Antrags bescheinigt, dass die
Voraussetzungen dafür vorliegen (Freistellung im
Steuerabzugsverfahren). Die Geltungsdauer der
Freistellungsbescheinigung beginnt frühestens an dem Tag, an
dem der Antrag beim BZSt eingeht (§ 50d Abs. 2 Satz 4 Halbsatz
1 EStG). Voraussetzung für die Abstandnahme vom Steuerabzug
ist, dass dem Vergütungsschuldner die
Freistellungsbescheinigung vorliegt (§ 50d Abs. 2 Satz 5
EStG).
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c) Die verfahrensgegenständlichen
Anträge der Klägerin sind auf die Erteilung von
Freistellungsbescheinigungen i.S. von § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG
gerichtet. Soweit die in Rede stehenden Vergütungen der
Klägerin jedoch schon vor Stellung der jeweiligen Anträge
beim BZSt zugeflossen waren (Anträge Nummern 4, 15, 21, 22,
25, 27, 29, 31, 37, 47, 61, 69 und 70 gemäß Anlage zum
FG-Urteil), besteht kein für eine Verpflichtungsklage (§
40 Abs. 1 FGO) erforderliches Rechtsschutzinteresse (mehr) an einer
gerichtlichen Sachentscheidung. Zwar ergibt sich aus den
Feststellungen der Vorinstanz zu den diesbezüglichen
Anträgen nicht, ob diese Vergütungen der Klägerin
ohne Einbehaltung der Abzugsteuer in voller Höhe zugeflossen
waren oder ob die jeweiligen Veranstalter
(Vergütungsschuldner) die Abzugsteuern jeweils einbehalten,
angemeldet und abgeführt hatten. Dies kann indessen
offenbleiben, weil es nach den Gegebenheiten des Streitfalls in
beiden Fällen an einem gegenwärtigen
Rechtsschutzinteresse der Klägerin fehlen würde.
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aa) Soweit der Klägerin die
Vergütungen brutto - d.h. entgegen § 50a Abs. 4 Satz 1
Nr. 1 EStG ohne Einbehaltung von Abzugsteuern - zugeflossen sein
sollten, könnte ein Rechtsschutzinteresse allenfalls damit
begründet werden, dass die begehrten
Freistellungsbescheinigungen im Rahmen von durch die jeweiligen
Finanzämter gegen die Vergütungsschuldner angestrengten
Haftungsverfahren (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG i.V.m. § 191
der Abgabenordnung - AO - ) oder Nachforderungsverfahren (§
167 AO) haftungs- bzw. anspruchsausschließend oder -mindernd
geltend gemacht werden könnten. Das ist jedoch im Falle von
vor Antragstellung geleisteten Vergütungszahlungen
ausgeschlossen, weil nach der oben dargestellten Gesetzeslage die
Geltungsdauer der Freistellungsbescheinigung frühestens an dem
Tag beginnt, an dem der Antrag beim BZSt eingegangen ist und eine
Abstandnahme vom Steuerabzug voraussetzt, dass dem
Vergütungsschuldner die Freistellungsbescheinigung vorliegt
(§ 50d Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 und Satz 5 EStG). Mit diesen,
durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften
(Steueränderungsgesetz 2001 - StÄndG 2001 - ) vom
20.12.2001 (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) eingefügten
Regeln sollte erreicht werden, dass das Verfahren der Abstandnahme
vom Steuerabzug nur ein in die Zukunft gerichtetes Verfahren ist,
das keine Berechtigung mehr hat, wenn die Vergütungen dem
Gläubiger zugeflossen sind (Bericht des Finanzausschusses des
Deutschen Bundestags zu dem Regierungsentwurf eines StÄndG
2001, BTDrucks 14/7341, S. 13; vgl. auch Gosch in Kirchhof, EStG,
17. Aufl., § 50d Rz 16; Blümich/Wagner, § 50d EStG
Rz 55).
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Aus dem von der Klägerin für ihre
gegenteilige Sichtweise herangezogenen Senatsurteil vom 17.4.1996 I
R 82/95 (BFHE 180, 365, BStBl II 1996, 608 = SIS 96 19 51) ergibt
sich nichts anderes. Denn der jenem Urteil zugrunde liegende
Sachverhalt lag so, dass der dortige Vergütungsgläubiger
die Freistellung vom Steuerabzug bereits vor Erhalt der
Vergütungen beantragt hatte.
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bb) Sofern die Vergütungsschuldner die
Abzugsteuern entsprechend den Vorgaben des § 50a Abs. 4 und 5
EStG einbehalten, angemeldet und an die Finanzämter
abgeführt hatten, wäre ein Rechtsschutzinteresse der
Klägerin nur gegeben, wenn die nachträgliche Erteilung
der Freistellungsbescheinigungen zu einer Änderung der
gemäß § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter
Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehenden Steueranmeldungen
führen könnte. Das ist indessen nicht (mehr) der
Fall.
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aaa) Zwar kann eine unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung stehende Steuerfestsetzung gemäß §
164 Abs. 2 Satz 1 AO geändert werden, solange der Vorbehalt
wirksam ist. Jedoch entfällt der Vorbehalt der
Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abläuft (§
164 Abs. 4 Satz 1 AO). Und von einem zwischenzeitlichen Ablauf der
Festsetzungsfristen ist hier auszugehen: Die Festsetzungsfrist
für die in Rede stehenden Steuern beträgt
gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Die
Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 AO in den Fällen, in denen eine Steuererklärung
oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu
erstatten ist, grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahrs, in
dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige
eingereicht wird. Da die Abzugsteuern im Jahr 2006 angemeldet
worden sind, begann die Festsetzungsfrist mithin mit Ablauf des
31.12.2006 und endete mit Ablauf des 31.12.2010. Zu dem
letztgenannten Zeitpunkt sind demnach auch der Vorbehalt der
Nachprüfung und die Änderungsmöglichkeit nach §
164 Abs. 2 Satz 1 AO entfallen.
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Soweit zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Juli
2010 mit Blick auf die seinerzeit noch bestehende
Änderungsmöglichkeit der Steueranmeldungen
gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO zunächst ein
Rechtsschutzinteresse bestanden hat, ist dieses mit dem Wegfall des
Vorbehalts der Nachprüfung nachträglich entfallen. Das
Rechtsschutzinteresse als Sachurteilsvoraussetzung muss jedoch noch
zum Zeitpunkt der gerichtlichen Sachentscheidung vorliegen; der
Kläger muss ggf. die Hauptsache für erledigt
erklären, um einer Klageabweisung durch Prozessurteil zu
entgehen (vgl. Senatsurteil in BFHE 180, 365, BStBl II 1996, 608 =
SIS 96 19 51). Dies ist im Streitfall ebenso wenig geschehen wie
eine Umstellung des Klageantrags auf Feststellung der
Rechtswidrigkeit der Antragsablehnung
(Fortsetzungsfeststellungsklage, s. § 100 Abs. 1 Satz 4
FGO).
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bbb) Auch könnte der nachträgliche
Erlass einer Freistellungsbescheinigung nicht zu einer
Änderung der Steueranmeldung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 AO führen. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu
erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis
eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat
(rückwirkendes Ereignis). Der Erlass eines
Freistellungsbescheids kommt schon deshalb nicht als
rückwirkendes Ereignis in Betracht, weil die
nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder
Bestätigung gemäß der durch das Gesetz zur
Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur
Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz)
vom 9.12.2004 (BGBl I 2004, 3310, BStBl I 2004, 1158)
eingefügten Regelung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO nicht als
rückwirkendes Ereignis gilt (zutreffend Urteil des
Niedersächsischen FG vom 30.4.2015 6 K 209/14, EFG 2015, 1900
= SIS 15 25 27; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 19).
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d) Zu Recht hat die Vorinstanz die Klage auch
insoweit als unzulässig abgewiesen, als die für die
jeweiligen Vergütungsschuldner örtlich zuständigen
Finanzämter die Abzugsteuern inzwischen auf null EUR
festgesetzt haben (Anträge Nr. 8, 10, 11, 12, 16, 17, 33, 35,
38, 44 und 53 gemäß Anlage zum FG-Urteil), weil die
Einnahmen nicht mehr als 250 EUR betragen und der Abzugsteuersatz
daher bei null % liegt (§ 50a Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 EStG). Mit
Bestandskraft der diesbezüglichen Festsetzungsbescheide steht
fest, dass die betreffenden Vergütungsschuldner keine
Abzugsteuern einzubehalten und abzuführen haben; Haftungs-
oder Nachforderungsverfahren gegen die Vergütungsschuldner
drohen daher nicht. Welchen rechtlichen Vorteil die Klägerin
in diesen Fällen mit der zusätzlichen Erteilung von
Freistellungsbescheinigungen noch erzielen könnte, ist nicht
ersichtlich und wird von der Klägerin nicht schlüssig
dargetan.
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22
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2. Soweit die Revision nicht aus den
geschilderten Gründen zurückzuweisen ist, ist sie
begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die
Begründung, mit der das FG die Klage insoweit abgewiesen hat,
hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
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a) Keinen Erfolg hat die Klägerin
allerdings mit dem Einwand, es habe ihr in den Streitjahren an der
Absicht gefehlt, Gewinne zu erzielen, sodass die von ihr erzielten
Einkünfte mangels Gewerblichkeit nicht der beschränkten
Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG
unterfielen. Im Freistellungsverfahren nach § 50d EStG ist nur
darüber zu befinden, ob aus den dort genannten Gründen
eine Freistellung von der deutschen Steuer geboten ist. Die Frage,
ob steuerpflichtige Einkünfte vorliegen oder ob diese
Einkünfte aus anderen Gründen von der Besteuerung
freizustellen sind, ist demgegenüber außerhalb des
Verfahrens nach § 50d EStG zu entscheiden. Diese Entscheidung
obliegt nicht dem BZSt, sondern dem nach den allgemeinen Regeln
zuständigen Finanzamt (Senatsurteil vom 19.11.2003 I R 22/02,
BFHE 205, 37, BStBl II 2004, 560 = SIS 04 18 31).
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b) Das FG hat jedoch zu Unrecht angenommen,
dass der Klägerin aus materiellem Recht kein Anspruch auf
Erteilung von Freistellungsbescheinigungen zustehe, weil die
Vergütungen einheitlich behandelt werden müssten und
daher insgesamt Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000
unterfielen. Vielmehr kommt auch die Erteilung partieller
Freistellungsbescheinigungen für jene Vergütungsteile in
Betracht, die auf die Bezahlung von anderen Leistungen als die
persönlich ausgeübte Tätigkeit von Künstlern
entfallen.
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aa) Eine Freistellungsbescheinigung ist
gemäß § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG zu erteilen, sofern
die Vergütung nach Maßgabe eines DBA nicht oder nur nach
einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden darf. Die der
Klägerin zustehenden Vergütungen unterliegen nach dem
DBA-Österreich 2000 teilweise - nämlich soweit sie nicht
anteilig auf die Bezahlung von Künstlern nach Maßgabe
von Art. 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000
entfallen - nicht der deutschen Besteuerung. Insoweit handelt es
sich abkommensrechtlich um Unternehmensgewinne, für die
Deutschland gemäß Art. 7 Abs. 1 DBA-Österreich 2000
kein Besteuerungsrecht zusteht, weil die Klägerin hier keine
Betriebsstätte unterhalten hat.
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bb) Gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1
DBA-Österreich 2000 dürfen Einkünfte, die eine in
einem Vertragsstaat ansässige Person als Künstler, wie
Bühnen-, Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler sowie
Musiker oder als Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat
persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen
Staat besteuert werden. Fließen Einkünfte der
bezeichneten Art nicht dem Künstler oder Sportler selbst,
sondern einer anderen Person zu, so dürfen deren
Einkünfte ungeachtet der Art. 7, 12, 14 und 15
DBA-Österreich 2000 in dem Vertragsstaat besteuert werden, aus
dem sie stammen (Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000).
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin
sind die Vergütungen nicht gemäß Art. 17 Abs. 3
DBA-Österreich 2000 insgesamt dem deutschen Besteuerungsrecht
entzogen. Nach dieser Bestimmung gelten Art. 17 Abs. 1 und 2
DBA-Österreich 2000 nicht für Einkünfte aus der von
Künstlern oder Sportlern in einem Vertragsstaat
ausgeübten Tätigkeit, wenn der Aufenthalt in diesem Staat
ganz oder überwiegend aus öffentlichen Mitteln des
anderen Staates oder einem seiner Länder oder einer seiner
Gebietskörperschaften oder von einer als gemeinnützig
anerkannten Einrichtung unterstützt wird (Satz 1); in diesem
Fall dürfen die Einkünfte nur in dem Staat besteuert
werden, in dem die Person ansässig ist (Satz 2).
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Die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 3
DBA-Österreich 2000 liegen hier nicht vor. Den Feststellungen
des FG ist kein Anhalt dafür zu entnehmen, dass Auftritte der
von der Klägerin in Deutschland eingesetzten Künstler vom
österreichischen Staat oder einem seiner Länder oder
einer seiner Gebietskörperschaften oder von einer in
Österreich als gemeinnützig anerkannten Einrichtung
unterstützt worden sind. Soweit die Klägerin meint, auch
eine Förderung der Künstler durch eine nur im
Quellenstaat ansässige und von diesem als gemeinnützig
anerkannte Einrichtung könne einen Ausschluss des
Besteuerungsrechts des Quellenstaats nach Art. 17 Abs. 1 und 2
DBA-Österreich 2000 bewirken, trifft das nicht zu. Zweck des
Art. 17 Abs. 3 DBA-Österreich 2000 ist es - ähnlich dem
sog. Kassenstaatsprinzip gemäß Art. 19
DBA-Österreich 2000 -, im Falle einer maßgeblichen
Unterstützung des Künstlers oder Sportlers aus
öffentlichen Mitteln oder von gemeinnützigen
Einrichtungen des Ansässigkeitsstaats diesem auch das
Besteuerungsrecht für das Künstler- bzw. Sportlerhonorar
zuzuweisen; die gemeinnützige Einrichtung i.S. von Art. 17
Abs. 3 DBA-Österreich 2000 muss daher eine solche des
Ansässigkeitsstaats sein (vgl. Stefaner in Wassermeyer,
Österreich Art. 17 Rz 22, 26). Hinzu kommt, dass allein in dem
Umstand, dass eine gemeinnützige Einrichtung eine
Veranstaltung durchführt, auf der Künstler gegen ein
Honorar auftreten, noch keine ganze oder überwiegende
Unterstützung des Aufenthalts dieser Künstler im
Quellenstaat gesehen werden könnte. Das FG hatte daher keinen
Anlass, der Frage nachzugehen, inwiefern es sich bei den
Vergütungsschuldnern um gemeinnützige Einrichtungen
gehandelt hat.
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dd) Soweit die der Klägerin zustehenden
Vergütungen dafür geleistet wurden, dass die
Klägerin Künstler für deren persönlich
ausgeübte Tätigkeit im Inland verpflichtet hat, besteht
somit gemäß Art. 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1
DBA-Österreich 2000 ein abkommensrechtliches Besteuerungsrecht
Deutschlands. Auf den Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen
der Klägerin und den Künstlern kommt es in diesem
Zusammenhang nicht an (s. Wassermeyer in Wassermeyer, MA Art. 17 Rz
73).
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ee) Nach den tatrichterlichen Feststellungen
der Vorinstanz werden die von der Klägerin mit den
Veranstaltern vereinbarten Vergütungen jedoch für ein
„Gesamtarrangement“ gezahlt, welches neben dem
im Vordergrund stehenden künstlerischen Auftritt als solchem
auch damit zusammenhängende anderweitige Leistungen
organisatorischer oder technischer Natur (z.B. Produktion, Technik,
Organisation, Transport) umfasst. Die diesen Teilleistungen
zuzuordnenden Vergütungsteile unterfallen jedoch nicht Art. 17
Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000, weil sie kein
Entgelt für eine persönlich ausgeübte
Künstlertätigkeit darstellen. Im Unterschied zum
Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs.
1 Nr. 2 Buchst. d EStG umfasst Art. 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1
DBA-Österreich 2000 keine Einkünfte aus anderen
Leistungen, die mit den künstlerischen Leistungen in
Zusammenhang stehen (vgl. auch Nr. 3 des Musterkommentars der
Organisation for Economic Cooperation and Development - OECD - zu
dem Art. 17 Abs. 1 und 2 DBA-Österreich 2000 vergleichbaren
Art. 17 des OECD-Musterabkommens - OECD-MustAbk -, wonach Art. 17
OECD-MustAbk nicht für Personen mit
verwaltungsmäßiger oder unterstützender Funktion
gilt).
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So sind z.B. mitvergütete Aufwendungen
der Klägerin für Reise, Unterkunft und Verpflegung der
auftretenden Künstler von Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich
2000 umfasst, weil es sich hierbei um Vergütungen der
persönlich ausgeübten Künstlertätigkeit
handelt, die in dem Fall, dass sie direkt an den Künstler
geleistet würden, unter Art. 17 Abs. 1 Satz 1
DBA-Österreich 2000 fallen würden (vgl. Senatsurteil in
BFHE 205, 37, BStBl II 2004, 560 = SIS 04 18 31). Anders wären
hingegen Leistungen wie z.B. die Gestellung und der Transport von
Kostümen oder Requisiten zu beurteilen, die von der
Klägerin als Produktionsgesellschaft übernommen worden
sind und die keine persönlich ausgeübte
Künstlertätigkeit darstellen.
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ff) Der Senat teilt nicht die vom FG
vertretene Auffassung, der zufolge bei derartigen
Gesamtarrangements - je nach vorrangiger Prägung - nur eine
einheitliche Zuordnung der Vergütung entweder zu Art. 17 Abs.
2 oder zu Art. 7 DBA-Österreich 2000 möglich und eine
Aufteilung in verschiedene Einzelleistungen
(„segmentierende Betrachtungsweise“)
ausgeschlossen ist (wie hier: Grossmann, Die Besteuerung des
Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis,
1992, S. 72; Wassermeyer in Wassermeyer, MA Art. 17 Rz 37;
Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Kempermann,
Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 17 Rz 18;
Stockmann in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Art. 17 Rz 37; Schlotter
in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 17 Rz 62; Mody in
Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 17 OECD-MA Rz 37;
Maßbaum in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 17 OECD-MA Rz
67).
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Die Klägerin verweist insoweit zu Recht
darauf, dass die Aufteilung einer Gesamtvergütung in anteilige
Vergütungsteile für bestimmte Einzelleistungen für
steuerliche Zwecke nicht ungewöhnlich ist (vgl. z.B.
Senatsbeschluss vom 7.9.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II
2012, 590 = SIS 11 37 51 zur Zuordnung von Vergütungsteilen zu
einer Rechteüberlassung; Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 25.11.2010, BStBl I 2010, 1350 = SIS 10 40 07, Rz 87
zur Aufteilung einer Gesamtvergütung in einerseits eine
Vergütung für den öffentlichen Auftritt eines
Künstlers und andererseits in eine solche für die
Verwertung auf Bild- und Tonträgern). Auch unter praktischen
Gesichtspunkten erscheint eine solche Aufteilung - ggf. im Wege der
Schätzung gemäß § 162 AO - in der vorliegenden
Konstellation nicht undurchführbar. So könnte die
Klägerin z.B. durch Vorlage von Kostenaufstellungen und
sonstige Darlegungen ihrer Kalkulationsgrundlagen eine hinreichende
Basis für eine Zuordnung von Vergütungsteilen im
Schätzungswege schaffen.
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3. Die Vorinstanz ist von einer anderen
Auffassung ausgegangen. Das angefochtene Urteil ist daher - soweit
die Klage nicht als unzulässig abgewiesen worden ist -
aufzuheben. Insoweit ist der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif.
Es bedarf weiterer tatrichterlicher Feststellungen sowohl zur
Zulässigkeit als auch zur Begründetheit der
diesbezüglichen Klage.
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a) Die Klage ist in größerem Umfang
unzulässig, als vom FG angenommen.
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aa) Insofern sind zunächst die Fälle
zu nennen, in denen die durch Steuerabzug einbehaltenen
abgeführten Vergütungen im Rahmen des
Erstattungsverfahrens (§ 50d Abs. 1 Satz 2 EStG) bereits
erstattet worden sind. Zu Recht hat das FG auch in diesen
Fällen ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der
Erteilung von Freistellungsbescheinigungen verneint. Nach Abschluss
des Erstattungsverfahrens ginge eine das Abzugsverfahren erster
Stufe betreffende Freistellungsbescheinigung ins Leere. Allerdings
hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, welche der
verfahrensgegenständlichen Anträge von diesem
Zulässigkeitsmangel betroffen sind. Dies wird im zweiten
Rechtsgang nachzuholen sein.
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bb) Des Weiteren fehlt es - entgegen der
Auffassung der Vorinstanz - auch in jenen Fällen an einem
Rechtsschutzinteresse der Klägerin, in denen diese die
Vergütungen zwar erst nach Beantragung der
Freistellungsbescheinigungen im September bzw. Oktober 2006
erhalten hat, die Vergütungsschuldner die Abzugsteuern jedoch
entsprechend den Vorgaben des § 50a Abs. 4 und 5 EStG
einbehalten, angemeldet und an die Finanzämter abgeführt
hatten und die in den Steueranmeldungen zu sehenden
Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nicht
mehr gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO geändert
werden können, weil der Vorbehalt der Nachprüfung
inzwischen wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist entfallen ist.
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aaa) Für diese Fallgruppe gelten die oben
zu II.1.c bb dargelegten Erwägungen in gleicher Weise.
Für die Frage, ob die nachträgliche Erteilung einer
Freistellungsbescheinigung noch zu einer Änderung einer als
Steuerfestsetzung wirkenden Steueranmeldung führen kann, kommt
es vornehmlich auf den Zeitpunkt an, in dem die gesetzlichen
Änderungsmöglichkeiten hinsichtlich der Steuerfestsetzung
entfallen sind. Das gilt auch, wenn dem
Vergütungsgläubiger die (Netto-)Vergütung erst nach
Beantragung der Freistellungsbescheinigung zufließt. Der
Zeitpunkt des Zuflusses der nach Einbehaltung der Abzugsteuer
gezahlten Netto-Vergütung ist insoweit für die Frage des
Rechtsschutzinteresses an der Erteilung einer
Freistellungsbescheinigung nicht von Relevanz.
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bbb) Soweit das FG ein Rechtsschutzinteresse
in dieser Konstellation damit begründet hat, der Erlass der
Freistellungsbescheinigung würde zum Wegfall des Rechtsgrunds
für die Abführung der Steuer und zur Entstehung eines
Erstattungsanspruchs des Vergütungsgläubigers
gemäß § 37 Abs. 2 AO führen, ist dem nicht
beizupflichten. Die Entstehung eines allgemeinen
Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO würde
voraussetzen, dass eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt
worden ist (Satz 1) oder der rechtliche Grund später
wegfällt (Satz 2). An einem Wegfall des Rechtsgrunds für
den Steuerabzug fehlt es hier indessen. Denn eine Steueranmeldung,
die wie eine Steuerfestsetzung wirkt, die nicht mehr nach §
164 Abs. 2 Satz 1 AO geändert werden kann, hätte als
Rechtsgrund für die Einbehaltung und Abführung der
Abzugsteuer durch den Vergütungsschuldner auch dann noch
Bestand, wenn nachträglich eine Freistellungsbescheinigung
erlassen würde.
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Aus dem vom FG für seine Sichtweise
herangezogenen, jedoch in wesentlichen Punkten anders gelagerten
Senatsurteil vom 29.1.2015 I R 11/13 (BFH/NV 2015, 950 = SIS 15 13 32) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Jenes Urteil betraf einen
Fall, in dem die (im Wege des Steuerabzugs erhobene)
Kapitalertragsteuer vom Schuldner der Kapitalerträge nicht
einbehalten, angemeldet und abgeführt, sondern erst aufgrund
eines behördlichen Nachforderungsbescheids an das Finanzamt
gezahlt worden war. Jenen Nachforderungsbescheid hatte das
Finanzamt später jedoch ersatzlos aufgehoben, nachdem
nachträglich ein Freistellungsbescheid ergangen war. In dem
Urteilsfall hat der Senat einen Erstattungsanspruch des
Gläubigers der Kapitalerträge gemäß § 37
Abs. 2 Satz 2 AO bejaht, weil der den Rechtsgrund für die
Steuerentrichtung bildende Nachforderungsbescheid aufgehoben worden
war. Im Unterschied zur vorliegenden Konstellation fehlte es im
damaligen Urteilsfall an einer als Steuerfestsetzung wirkenden
Anmeldung der Abzugsteuer als Rechtsgrund für die
Abführung der Abzugsteuer.
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ccc) Die Erteilung einer
Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d Abs. 2 Satz
1 EStG, die den Vergütungsschuldner von der Abzugspflicht
befreit, wäre auch nicht geeignet, einen Erstattungsanspruch
der Klägerin nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG
auszulösen. Hierfür bedürfte es vielmehr eines
Freistellungsbescheids gemäß § 50d Abs. 1 Satz 3
EStG, mit dem das BZSt ggf. auf zweiter Stufe im Rahmen des
Erstattungsverfahrens abschließend über die Freistellung
von der Steuer entscheidet (s. zur Unterscheidung zwischen
Freistellungsbescheinigung und Freistellungsbescheid Senatsurteile
vom 11.10.2000 I R 34/99, BFHE 193, 336, BStBl II 2001, 291 = SIS 01 03 71; in BFH/NV 2015, 950 = SIS 15 13 32, und Buciek, IStR
2001, 102). Die verfahrensgegenständlichen Anträge der
Klägerin beziehen sich ausschließlich auf die Erteilung
von Freistellungsbescheinigungen nach § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG
und nicht auf den Erlass von Freistellungsbescheiden i.S. von
§ 50d Abs. 1 Satz 3 EStG.
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ddd) Da das FG - nach seiner Rechtsauffassung
konsequent - keine Feststellungen dazu getroffen hat, hinsichtlich
welcher konkreten Anträge die beschriebene Konstellation
vorliegt, ist auch dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
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cc) Schließlich wird das FG hinsichtlich
jener Verfahren, in denen die Abzugsteuer nicht einbehalten,
angemeldet und abgeführt worden ist, zu prüfen haben, ob
unter Berücksichtigung der maximal möglichen
Festsetzungsfristen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §
169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AO) eine Nachforderung oder
Haftungsinanspruchnahme im Prinzip noch denkbar ist (vgl.
Senatsurteil in BFHE 180, 365, BStBl II 1996, 608 = SIS 96 19 51).
Wäre das nicht mehr der Fall, würde es auch insoweit an
einem Rechtsschutzinteresse für die Verpflichtungsklage
fehlen.
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b) Soweit die Klage danach zulässig ist,
wird das FG - ggf. im Schätzungswege - festzustellen haben, in
welchem Umfang die jeweiligen Vergütungen auf Leistungen
entfallen, die nicht die persönlich ausgeübte
Tätigkeit der Künstler betreffen. Darüber hinaus
wird sich das FG ggf. näher mit dem Einwand des BZSt befassen
müssen, die Klägerin habe im Hinblick auf die von ihr an
einzelne Künstler gezahlten Honorare ihrerseits die
Anmeldepflicht nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 49
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG verletzt. Mangels tatsächlicher
Feststellungen zu diesem Punkt fehlt es an einer Grundlage für
die Erörterung der Rechtsfolgen etwaiger Pflichtverletzungen
durch den Senat.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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