Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 25.1.2016 6 K 864/15
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu
tragen.
1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurde im Streitjahr 2013 zusammen mit seiner - nicht
am vorliegenden Verfahren beteiligten - Ehefrau zur Einkommensteuer
veranlagt. Beide Ehegatten sind privat krankenversichert. Zur
Erlangung ihres Basisversicherungsschutzes gemäß §
10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes
in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) hatten sie
Beiträge in Höhe von 1.794 EUR bzw. 1.593 EUR zu
entrichten. Gleichzeitig erhielten die Ehegatten im Streitjahr eine
Beitragserstattung in Höhe von 597,79 EUR bzw. 482,65
EUR.
|
|
|
2
|
Zur Ermittlung der als Sonderausgaben
abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge kürzte der
Kläger die gezahlten Beiträge um die erhaltenen
Beitragserstattungen, rechnete aber Krankheitskosten in Höhe
von 634,53 EUR gegen. Diese hatte er selbst getragen, um die
Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge zu erlangen.
Demgegenüber minderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) die abziehbaren Versicherungsbeiträge um
die Beitragserstattungen, ohne die Krankheitskosten in Abzug zu
bringen. Das FA war der Auffassung, die Aufwendungen des
Klägers, die zu der Beitragserstattung im Streitjahr 2013
geführt hätten, seien bereits im Veranlagungszeitraum
2012 gemäß § 11 Abs. 2 EStG abgeflossen. Sie seien
demzufolge im Jahr der Zahlung als Krankheitskosten, nicht aber im
Streitjahr als Minderung der Beitragserstattung beim
Sonderausgabenabzug und damit letztlich als Sonderausgaben
steuerlich zu berücksichtigen.
|
|
|
3
|
Das Finanzgericht (FG) wies die nach
erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage mit dem in EFG 2016,
1515 = SIS 16 17 83 veröffentlichten Urteil ab.
|
|
|
4
|
Der Kläger begründet seine
Revision mit der Verletzung materiellen Rechts. Es bestehe sowohl
ein rechtlicher als auch ein wirtschaftlicher Kausalzusammenhang
zwischen den selbst getragenen Krankheitskosten in Höhe von
634,53 EUR und der dadurch erlangten Erstattung der
Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 1.088,44 EUR,
die zur Kürzung der abziehbaren Sonderausgaben
gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG
geführt habe. Wirtschaftlich habe er nur den Saldo in
Höhe von 453,91 EUR als Erstattung erhalten. Es sei nicht
gerechtfertigt, einerseits erstattete Beiträge von den
Vorsorgeaufwendungen für die Krankenversicherung im vollen
Umfang abzuziehen, anderseits aber die dafür notwendigen
„Anstrengungen“ (Kostenaufwand/Eigenzahlungen)
unberücksichtigt zu lassen. Der Verzicht auf eine Einnahme
(Erstattung von Krankheitskosten) führe nicht zu einem Abfluss
nach dem Abflussprinzip. Er werde dadurch „negativ
honoriert“, dass dem Steuerpflichtigen ungeachtet dieses
Verzichts die vollständige ungeschmälerte
Beitragsrückerstattung angerechnet werde, die ihm im Ergebnis
jedoch nicht verbleibe.
|
|
|
5
|
Auch ansonsten werde bei sämtlichen
Einkunftsarten akzeptiert, dass gewisse Aufwendungen für die
Erzielung von Einkünften notwendig und unumgänglich
seien, so dass sie steuerlich abgesetzt werden dürften und nur
der Überschuss der Besteuerung unterliege. Eine
Beitragserstattung müsse ebenso behandelt werden, um eine
Verletzung des Art. 3 des Grundgesetzes zu vermeiden.
|
|
|
6
|
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz
liege zudem darin, dass ein Steuerpflichtiger, der Ausgaben
für Krankheitskosten gehabt habe, diese aber bei seiner
Krankenversicherung nicht geltend mache, sich die Erstattungen im
selben Maße anrechnen lassen müsse wie ein
Steuerpflichtiger, der keinerlei Krankheitskosten getragen habe, um
eine Beitragserstattung zu erhalten.
|
|
|
7
|
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) zur Tragung von Krankheitskosten im Rahmen eines
Selbstbehalts (vgl. Urteil vom 1.6.2016 X R 43/14, BFHE 254, 536,
BStBl II 2017, 55 = SIS 16 22 01) sei weder zwingend, rechtlich
noch rechtslogisch auf die streitgegenständlichen
Krankheitskosten zum Erhalt einer Beitragserstattung zu
übertragen.
|
|
|
8
|
Zudem stelle sich die Frage, ob die
Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen
gemäß § 33 EStG anzusehen seien.
|
|
|
9
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die
Einspruchsentscheidung vom 3.3.2015 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid für 2013 in Gestalt des
Änderungsbescheids vom 19.6.2015 so zu ändern, dass die
vom Kläger selbst getragenen Krankheitskosten in Höhe von
634,53 EUR steuerlich berücksichtigt werden.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
II. Die Revision des Klägers wird
gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
als unbegründet zurückgewiesen.
|
|
|
12
|
Das FG hat zu Recht entschieden, dass sich die
vom Kläger getragenen Krankheitskosten im Streitjahr
steuerlich nicht auswirken können. Sie sind weder als
Sonderausgaben (unter 1.) noch als außergewöhnliche
Belastungen (unter 2.) abziehbar.
|
|
|
13
|
1. Die vom Kläger selbst getragenen
Krankheitskosten können die Beitragserstattungen nicht
mindern, die er und seine Ehefrau im Streitjahr erhielten und die
zu einer Reduzierung der als Sonderausgaben abziehbaren
Krankenversicherungsbeiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz
1 Buchst. a Satz 3 EStG führten.
|
|
|
14
|
a) Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst.
a EStG gehören zu den Sonderausgaben u.a. Beiträge zu
Krankenversicherungen, soweit diese zur Erlangung eines durch das
Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch bestimmten sozialhilfegleichen
Versorgungsniveaus erforderlich sind und sofern auf die Leistungen
ein Anspruch besteht. Für Beiträge zu einer privaten
Krankenversicherung sind dies die Beitragsanteile, die auf
Vertragsleistungen entfallen, die, mit Ausnahme der auf das
Krankengeld entfallenden Beitragsanteile, in Art, Umfang und
Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch vergleichbar sind.
|
|
|
15
|
b) Zu den Beiträgen zu Versicherungen
i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG gehören
nicht nur die eigentlichen Prämien, sondern auch die
üblichen mit dem Versicherungsverhältnis
zusammenhängenden und vom Versicherungsnehmer zu tragenden
Nebenleistungen. Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz
1 Buchst. a EStG muss es sich jedoch um Beiträge
„zu“ einer Krankenversicherung handeln. Daraus
folgt, dass nur solche Ausgaben als Beiträge zu
Krankenversicherungen anzusehen sind, die zumindest im Zusammenhang
mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und damit - als
Vorsorgeaufwendungen - letztlich der Vorsorge dienen. Aufgrund
dessen hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass Zahlungen
aufgrund von Selbst- bzw. Eigenbeteiligungen an entstehenden Kosten
keine Beiträge zu einer Versicherung sind (vgl.
Senatsentscheidungen vom 18.7.2012 X R 41/11, BFHE 238, 103, BStBl
II 2012, 821 = SIS 12 22 04, Rz 11, m.w.N.; vom 8.10.2013 X B
110/13, BFH/NV 2014, 154 = SIS 14 00 19, Rz 6 ff., und in BFHE 254,
536, BStBl II 2017, 55 = SIS 16 22 01, Rz 18 ff.). Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die gegen den Senatsbeschluss
in BFH/NV 2014, 154 = SIS 14 00 19 gerichtete Verfassungsbeschwerde
nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 16.2.2015 2 BvR
49/14, nicht veröffentlicht).
|
|
|
16
|
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur
Begründung auf diese Senatsrechtsprechung verwiesen.
|
|
|
17
|
c) Auch die vom Steuerpflichtigen selbst
getragenen Krankheitskosten sind keine Beiträge zu einer
Versicherung. Der Unterschied zum Selbstbehalt liegt lediglich
darin, dass dort bereits im Vorhinein verbindlich auf einen
Versicherungsschutz verzichtet wird, während sich im
Streitfall der Kläger erst bei Vorliegen der konkreten
Krankheitskosten entscheiden kann, ob er sie selbst tragen will, um
die Beitragserstattungen zu erhalten. Dies ändert aber nichts
daran, dass in beiden Konstellationen der Versicherte die
Krankheitskosten nicht trägt, um den Versicherungsschutz als
solchen zu erlangen.
|
|
|
18
|
d) Das FG hat zutreffend erkannt, dass
Krankheitskosten keinen Einfluss auf die Höhe des
Sonderausgabenabzugs haben können. Dies widerspräche
sowohl dem Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG
(„Beiträge“) als auch der Grundentscheidung
des Gesetzgebers, Krankheitskosten lediglich im Rahmen des §
33 EStG zu berücksichtigen.
|
|
|
19
|
e) Die Senatsrechtsprechung steht - soweit
erkennbar - nicht nur mit der finanzgerichtlichen Rechtsprechung im
Einklang (neben der Vorinstanz s.a. Urteile FG Berlin-Brandenburg
vom 19.4.2017 11 K 11327/16, EFG 2017, 1265 = SIS 17 16 91; FG
Düsseldorf vom 6.6.2014 1 K 2873/13 E, EFG 2014, 1789 = SIS 15 14 29, Rz 32; FG Münster vom 17.11.2014 5 K 149/14 E,
Sozialrecht und Praxis 2015, 196, Rz 14 ff.; wohl auch Beschluss
des FG Rheinland-Pfalz vom 31.1.2012 2 V 1883/11, DStRE 2013, 467 =
SIS 12 05 98), sondern auch mit der Auffassung der Finanzverwaltung
(vgl. explizit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF
- vom 19.8.2013, BStBl I 2013, 1087 = SIS 13 22 88, Rz 69; wohl
ebenso, wenn auch nicht ausdrücklich ausgeführt
BMF-Schreiben vom 24.5.2017, BStBl I 2017, 820 = SIS 17 08 94, Rz
87) sowie der überwiegenden Auffassung des Schrifttums (vgl.
z.B. Kulosa in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 10 EStG Rz 155;
Schmidt/Heinicke, EStG, 36. Aufl., § 10 Rz 70; Stöcker in
Bordewin/Brandt, § 10 EStG Rz 170; Cöster in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10
Rz 272; Liess, Neue Wirtschaftsbriefe - NWB - 2011, 1978;
Myßen/Wolter, NWB 2011, 280; a.A. Neumann, DStR 2013, 388;
Neumann-Tomm, DStRE 2015, 337).
|
|
|
20
|
f) Der Senat verkennt nicht, dass es
wirtschaftlich vernünftig sein kann, auf die Erstattung der
gezahlten Krankheitskosten zu verzichten, um so eine
betragsmäßig höhere Beitragserstattung zu erlangen.
Es ist aber nicht Aufgabe des Steuerrechts dafür zu sorgen,
dass dieser Vorteil auch nach Durchführung der Besteuerung
erhalten bleibt (im Ergebnis ebenso Senatsurteil in BFHE 254, 536,
BStBl II 2017, 55 = SIS 16 22 01, Rz 27, zu vereinbarten
Selbstbehalten). Der Steuerpflichtige hat die Freiheit zu
wählen, ob er sich die Krankheitskosten erstatten lässt
oder nicht. Er hat damit die Möglichkeit, sich für die -
auch unter Berücksichtigung der steuerlichen Implikationen -
im Einzelfall voraussichtlich günstigste Variante zu
entscheiden (vgl. z.B. die Berechnungsbeispiele in Liess, NWB 2011,
1978, und Myßen/Wolter, NWB 2011, 280).
|
|
|
21
|
g) Dass der Kläger ohne die von ihm
getragenen Krankheitskosten höhere Sonderausgaben hätte
abziehen können, spielt im Streitfall keine Rolle. Es handelt
sich um einen fiktiven Sachverhalt; der Besteuerung ist indes der
tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zugrunde zu legen (vgl.
auch Senatsentscheidungen zum Selbstbehalt in BFH/NV 2014, 154 =
SIS 14 00 19, Rz 10, und in BFHE 254, 536, BStBl II 2017, 55 = SIS 16 22 01, Rz 20).
|
|
|
22
|
h) Einen Verstoß gegen den
Gleichheitssatz vermag der angerufene Senat nicht zu erkennen. Es
ist zwar zuzugeben, dass der Betrag der Beitragserstattung
unabhängig davon ist, ob dem Versicherten gar keine
Krankheitskosten oder aber Krankheitskosten bis zur Höhe der
Beitragserstattung entstehen. Dies ändert aber nichts an dem
entscheidenden - in beiden Fällen gleichen - Umstand, dass im
Beitrags- und Versicherungsverhältnis zwischen dem
Steuerpflichtigen und dem Versicherungsunternehmen lediglich die
Beitragszahlungen und die Beitragserstattungen von Bedeutung sind.
Die Zahlung von Krankheitskosten spielt sich außerhalb dieses
Beitrags- und Versicherungsverhältnisses ab.
|
|
|
23
|
2. Die getragenen Krankheitskosten in
Höhe von 634,53 EUR sind auch nicht als
außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
|
|
|
24
|
Offen bleiben kann, ob die Krankheitskosten -
wie das FA vorgetragen hat - nicht bereits im Veranlagungszeitraum
2012 abgeflossen sind. Jedenfalls überschreiten sie nicht die
zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG in
Höhe von 1.849 EUR.
|
|
|
25
|
a) § 33 EStG differenziert bei der
Ermittlung der zumutbaren Belastung nicht zwischen Krankheitskosten
und anderen Aufwendungen, die als außergewöhnliche
Belastungen abziehbar sind; der Wortlaut ist insoweit eindeutig
(vgl. BFH-Urteil vom 2.9.2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II
2016, 151 = SIS 15 28 94, Rz 13). Der hiernach vorzunehmende Abzug
einer zumutbaren Belastung auch bei Krankheitskosten ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu u.a.
BFH-Urteil in BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151 = SIS 15 28 94; die
hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur
Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 23.11.2016 2 BvR
180/16; s.a. Senatsurteil in BFHE 254, 536, BStBl II 2017, 55 = SIS 16 22 01, Rz 34 ff.).
|
|
|
26
|
b) Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte
der Kläger in Höhe von 40.033 EUR beträgt die
zumutbare Belastung 1.849 EUR (vgl. zur geänderten
Berechnungsmethodik BFH-Urteil vom 19.1.2017 VI R 75/14, BFHE 256,
339, BStBl II 2017, 684 = SIS 17 04 29), sodass im Streitfall die
zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG nicht
überschritten wurde.
|
|
|
27
|
c) Infolgedessen kann es der erkennende Senat
dahinstehen lassen, ob überhaupt eine Zwangsläufigkeit
der Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG in den Fällen
bejaht werden kann, in denen der Steuerpflichtige auf die ihm
zustehende Erstattung der Krankheitskosten verzichtet (s. dazu u.a.
Urteil des FG Berlin-Brandenburg in EFG 2017, 1265 = SIS 17 16 91,
Rz 17 f., m.w.N.).
|
|
|
28
|
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|