Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 1.10.2014 2 K 542/11 wird
als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine
Versicherungsgesellschaft, schloss im Wesentlichen ab 1999 mit
verschiedenen Reiseveranstaltern Verträge über die
Verschaffung von Reiseversicherungsschutz (Reiseversicherungen)
für Kunden der Reiseveranstalter. Die Versicherungen wurden
entweder von den Reiseveranstaltern direkt oder über
Reisebüros an die Kunden vertrieben. Die
Versicherungsleistungen wurden in den Reisekatalogen mit von der
Klägerin vorgegebenen Texten beworben.
|
|
|
2
|
Nach den vertraglichen Vereinbarungen war
die Klägerin der Versicherer, die Reiseveranstalter waren
Versicherungsnehmer und die Reisekunden Versicherte. Den
Reisekunden wurde in den Verträgen ein eigenes Recht
eingeräumt, Ansprüche aus den Reiseversicherungen direkt
gegen die Klägerin ohne Zustimmung der Reiseveranstalter
geltend zu machen. Die anfallenden Schäden wurden von der
Klägerin bearbeitet und beglichen. Die Reiseveranstalter
verpflichteten sich in den Verträgen, die Tarife,
Versicherungsbedingungen, Annahmerichtlinien und sonstigen Vorgaben
der Klägerin zu beachten. Als Entgelt für die
Reiseversicherungen vereinnahmten die Reiseveranstalter von den
Reisekunden „Verkaufspreise“. Diese setzten sich
zusammen aus der „Abrechnungsprämie“
(Nettoprämie), welche die Reiseveranstalter an die
Klägerin (zuzüglich Versicherungsteuer) abzuführen
hatten, und einem „Verkaufsaufschlag“. Der
Verkaufsaufschlag verblieb bei den Reiseveranstaltern als
vereinnahmter Erlös aus der Differenz zwischen den
Verkaufspreisen und den darin enthaltenen Nettoprämien. Anders
als nach früheren Vereinbarungen war in den Verträgen
keine ausdrückliche Abrede über eine von der
Klägerin an die Reiseveranstalter für den Vertrieb und
die Vermarktung der Versicherungen zu entrichtende Provision
enthalten. Die Höhe der Verkaufspreise wurde zwischen der
Klägerin und den Reiseveranstaltern abgestimmt und war sodann
für die Reiseveranstalter verbindlich. Den Reisekunden wurde
nicht erläutert, wie sich die Verkaufspreise zusammensetzten.
Im Falle eines Reiserücktritts oder -abbruchs war der
Verkaufspreis - unter den in den Versicherungsbedingungen
bestimmten Voraussetzungen - vollständig an die Reisekunden zu
erstatten.
|
|
|
3
|
Der Versicherungsteuer unterwarf die
Klägerin lediglich die durch die Reiseveranstalter an sie
abgeführten Nettoprämien.
|
|
|
4
|
Nach einer Außenprüfung war die
damals für die Versicherungsteuer zuständige
Finanzbehörde der Auffassung, dass nicht nur die
Nettoprämie, sondern auch der Verkaufsaufschlag der
Versicherungsteuer unterliege, und erließ entsprechende
Versicherungsteuerbescheide nach § 10 Abs. 4 des
Versicherungsteuergesetzes (VersStG) - Nachforderungsbescheide -
(Nachforderungsbescheid für den Anmeldungszeitraum August 2007
vom 16.10.2007 für die Jahre 1998 bis 2002 und 2003 bis 2004
sowie Nachforderungsbescheid für den Anmeldungszeitraum
September 2009 vom 10.11.2009 für die Jahre 2005 bis
2006).
|
|
|
5
|
Die Einsprüche gegen die
Nachforderungsbescheide waren hinsichtlich der
versicherungsteuerrechtlichen Behandlung der
Verkaufsaufschläge erfolglos (Teil-Einspruchsentscheidung vom
27.1.2011). Hiergegen erhob die Klägerin Klage vor dem
Finanzgericht (FG). Während des finanzgerichtlichen Verfahrens
erließ der nunmehr zuständige Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern - BZSt - )
aus für das Revisionsverfahren nicht erheblichen Gründen
Änderungsbescheide für den Monat August 2007
(Nachforderungsbescheide vom 3.6.2013 und vom 25.7.2013).
|
|
|
6
|
Das FG gab der Klage aus revisionsrechtlich
nicht relevanten Gründen zum Teil statt und wies sie im
Übrigen ab. Seiner Auffassung nach unterliegt das von den
Reisekunden an die Reiseveranstalter als Verkaufspreis für die
Reiseversicherung gezahlte gesamte Entgelt der Versicherungsteuer.
Zwar sei der Versicherungsvertrag zwischen der Klägerin als
Versicherer und den Reiseveranstaltern als Versicherungsnehmer
zugunsten der Reisekunden als Versicherte geschlossen worden. In
diese Verträge seien aber die Reisekunden miteinzubeziehen.
Aufgrund der tatsächlichen Abwicklung - verbindliche
Verkaufspreise für die Reiseveranstalter, Rückerstattung
des gesamten Verkaufspreises an die Reisekunden bei Eintritt der in
den Versicherungsbedingungen bestimmten Voraussetzungen, keine
Erkennbarkeit der Zusammensetzung der Verkaufspreise für die
Reisekunden - seien die Verkaufspreise einschließlich des
Verkaufsaufschlags als einheitliches Versicherungsentgelt
anzusehen. Dies folge auch aus einer objektiven wirtschaftlichen
Betrachtung dieses Vertriebsmodells. Die Reiseveranstalter
hätten im Interesse der Klägerin zusätzlich
Vertriebsleistungen und Werbemaßnahmen erbracht, um
Reiseversicherungsverträge abschließen zu können.
Der Verkaufsaufschlag sei daher Teil des Entgelts für diese an
sich vom Versicherer zu erbringenden Leistungen. Das Urteil ist in
EFG 2015, 603 = SIS 15 07 56 veröffentlicht.
|
|
|
7
|
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
eine Verletzung von § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 VersStG
geltend. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus,
die Verkaufsaufschläge seien nicht Versicherungsentgelt i.S.
des § 3 Abs. 1 VersStG. Für die Annahme eines
Versicherungsentgelts sei nach dem Gesetz und der Rechtsprechung
das Erlöschen einer Schuld des Versicherungsnehmers
gegenüber dem Versicherer eine zwingende Voraussetzung. Die
Verkaufsaufschläge seien aber nicht von den Reiseveranstaltern
als Versicherungsnehmer an die Klägerin als Versicherer,
sondern von den Reisekunden als Versicherte an die
Reiseveranstalter als Versicherungsnehmer entrichtet worden. Die
Provision der Reiseveranstalter hätten die Reisekunden
getragen. Im Übrigen sei eine wirtschaftliche
Betrachtungsweise im Versicherungsteuerrecht nicht
zulässig.
|
|
|
8
|
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und den Nachforderungsbescheid für
den Monat August 2007 vom 25.7.2013 sowie den
Nachforderungsbescheid für den Monat September 2009 vom
10.11.2009 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 27.1.2011
dahingehend abzuändern, dass die Versicherungsteuer um ... EUR
(Anmeldungszeitraum August 2007) und um ... EUR (Anmeldungszeitraum
September 2009) herabgesetzt wird.
|
|
|
9
|
Das BZSt beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen. (§ 126 Abs. 4 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zu Recht
das Versicherungsentgelt für das zwischen der Klägerin
und den Reiseveranstaltern begründete
Versicherungsverhältnis in Höhe des Verkaufspreises
für die Reiseversicherung angesetzt.
|
|
|
11
|
1. Der Versicherungsteuer unterliegt nach
näherer Maßgabe des § 1 VersStG die Zahlung des
Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf
sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.
|
|
|
12
|
a) Unter dem Versicherungsverhältnis ist
das durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandene
Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum
Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen. Wesentliches Merkmal
für ein Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1
VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt
übernommenen Wagnisses (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 19.6.2013 II R 26/11, BFHE 241, 431, BStBl II 2013, 1060 = SIS 13 21 69, Rz 12, und vom 11.12.2013 II R 53/11, BFHE 244, 56, BStBl
II 2014, 352 = SIS 14 04 74, Rz 16, jeweils m.w.N.; BFH-Beschluss
vom 30.3.2015 II B 79/14, BFH/NV 2015, 1013 = SIS 15 13 66, Rz
4).
|
|
|
13
|
b) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1
VersStG ist Versicherungsentgelt jede Leistung, die für die
Begründung und zur Durchführung des
Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist.
Die Frage, welche Zahlungen Versicherungsentgelt sind, beantwortet
sich ausschließlich nach versicherungsteuerrechtlichen
Kriterien. Versicherungsaufsichtsrechtliche Erwägungen sind
ebenso wenig entscheidungserheblich wie die zivilrechtliche
Qualifikation des Versicherungsvertrags (vgl. BFH-Urteil vom
13.12.2011 II R 26/10, BFHE 236, 212, BStBl II 2013, 596 = SIS 12 04 13, Rz 17).
|
|
|
14
|
Gegenstand der Versicherungsteuer ist nicht
das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung
des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer, d.h. durch
den zur Zahlung Verpflichteten (vgl. BFH-Urteil vom 8.12.2010 II R
21/09, BFHE 231, 403, BStBl II 2012, 387 = SIS 11 02 54, Rz 12).
Der Begriff des Versicherungsentgelts ist nicht auf den
Betragsanteil beschränkt, der für die Übernahme des
Wagnisses gezahlt wird (vgl. BFH-Urteile vom 11.10.1961 II 64/58 U,
BFHE 73, 807, BStBl III 1961, 559 = SIS 61 03 73, und vom
16.12.1964 II 165/61 U, BFHE 82, 415, BStBl III 1965, 397 = SIS 65 02 28).
|
|
|
15
|
Zahlung des Versicherungsentgelts ist jede
Leistung, die die Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber
dem Versicherer erlöschen lässt (BFH-Urteile vom
16.12.2009 II R 44/07, BFHE 228, 285, BStBl II 2010, 1097 = SIS 10 04 99, Rz 11, und in BFHE 231, 403, BStBl II 2012, 387 = SIS 11 02 54, Rz 12, jeweils m.w.N.). Die Tilgung der Schuld kann im Wege der
Verrechnung erfolgen.
|
|
|
16
|
c) Ist eine Versicherung darauf angelegt, dass
nicht der Versicherer, sondern der Versicherungsnehmer die
Versicherung vermarktet und der Versicherungsschutz den vom
Versicherungsnehmer gewonnenen Kunden als versicherte Personen
zugutekommt, kann das Versicherungsentgelt für das zwischen
Versicherer und Versicherungsnehmer bestehende
Versicherungsverhältnis dem gesamten, den Kunden in Rechnung
gestellten Verkaufspreis entsprechen, selbst wenn der Versicherer
vom Versicherungsnehmer nur einen Teil des Verkaufspreises, die
sog. Nettoprämie, erhält und dem Versicherungsnehmer den
restlichen Verkaufspreis, den sog. Verkaufsaufschlag,
belässt.
|
|
|
17
|
aa) Das Versicherungsentgelt wird
maßgeblich durch den Versicherungsvertrag zwischen dem
Versicherer und dem Versicherungsnehmer bestimmt.
Versicherungsnehmer ist derjenige, der nach der Police
(Versicherungsschein) Versicherungsnehmer ist, weil dieser die
für die Versicherungsteuerpflicht maßgebenden
Prämienzahlungen zu leisten hat (vgl. BFH-Urteile vom
30.8.1961 II 234/58 U, BFHE 73, 628, BStBl III 1961, 494 = SIS 61 03 21, und vom 5.2.1992 II R 93/88, BFH/NV 1993, 68). Das gilt
auch, wenn der Versicherungsvertrag den Versicherungsschutz
für versicherte Personen regelt. Die versicherten Personen
werden dadurch nicht Versicherungsnehmer.
|
|
|
18
|
bb) Vereinbaren Versicherer und
Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag, dass der
Versicherungsnehmer den versicherten Personen Versicherungsschutz
verschafft, wobei diese hierfür einen festen, nicht nach
Prämien und Provision aufgeschlüsselten Verkaufspreis zu
zahlen haben, und der Versicherungsnehmer nur die festgelegte
Nettoprämie an den Versicherer zu entrichten hat, während
der restliche Teil des Verkaufspreises beim Versicherungsnehmer
verbleibt, entspricht das Versicherungsentgelt der Höhe des
Verkaufspreises.
|
|
|
19
|
Die vertraglichen Regelungen zwischen dem
Versicherer und dem Versicherungsnehmer beinhalten in einem solchen
Fall die konkludente Vereinbarung, dass der Versicherungsnehmer die
Vergütung für die Vermarktung der Versicherung vom
Versicherer beanspruchen kann, wobei er diese vom Verkaufspreis
einbehalten darf. Für eine in diesem Sinne zu verstehende
Vereinbarung spricht, dass der Versicherungsnehmer die Versicherung
anstelle und im Interesse des Versicherers vermarktet und er
für seine Dienstleistung regelmäßig eine
Vergütung des Versicherers erwarten darf. Versicherer und
Versicherungsnehmer stimmen den Verkaufspreis der Versicherung
sowie die an den Versicherer abzuführenden Nettoprämien
miteinander ab, so dass die Differenz, der dem Versicherungsnehmer
zustehende Verkaufsaufschlag, feststeht. Der Verkaufsaufschlag, den
der Versicherer dem Versicherungsnehmer belässt, ist die vom
Versicherer stammende Vergütung des Versicherungsnehmers.
Gegen das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung zwischen
Versicherer und Versicherungsnehmer spricht nicht, dass die
Vergütung durch die Einbeziehung des Verkaufsaufschlags in den
Verkaufspreis der Versicherung letztendlich die versicherten
Personen zu tragen haben.
|
|
|
20
|
cc) Die Vergütungsvereinbarung zwischen
Versicherer und Versicherungsnehmer hat zur Folge, dass das
Versicherungsentgelt der Höhe nach dem vollen Verkaufspreis
entspricht. Insbesondere die Beteiligung des Versicherers an der
Festlegung des nicht aufgeschlüsselten Verkaufspreises zeigt,
dass damit zugleich die Höhe des Entgelts für den
Versicherungsschutz bestimmt wird. Denn der Versicherer
beschränkt sich gerade nicht darauf, die Höhe der
Nettoprämien zu vereinbaren. Der Versicherer ist vielmehr
unmittelbar an der Preisgestaltung für den Versicherungsschutz
und damit zugleich an der Festlegung des Entgelts für die
Versicherung beteiligt. Die Vereinbarung im Versicherungsvertrag,
nach der der Versicherer einen Teil des von beiden
Vertragsbeteiligten festgelegten Verkaufspreises dem
Versicherungsnehmer belässt, macht auch deutlich, dass der
Versicherer über den gesamten Verkaufspreis verfügen
kann. Die gegenseitigen Forderungen, also der Anspruch des
Versicherers auf ein Versicherungsentgelt in Höhe des
Verkaufspreises einschließlich des Verkaufsaufschlags sowie
der Anspruch des Versicherungsnehmers auf eine Vergütung in
Höhe des Verkaufsaufschlags, werden, soweit sie sich decken,
durch Verrechnung getilgt, so dass der Versicherungsnehmer im
Ergebnis nur die Nettoprämien an den Versicherer zu entrichten
hat.
|
|
|
21
|
dd) Da die versicherte Person den nicht
aufgeschlüsselten Verkaufspreis schuldet, kann nicht davon
ausgegangen werden, dass die vom Versicherer und
Versicherungsnehmer in den Verkaufspreis einbezogene Vergütung
auf einer gesonderten Provisionsabrede zwischen Versicherungsnehmer
und versicherter Person beruht. Insoweit kann dahinstehen, ob
selbständige Provisionsvereinbarungen zwischen
Versicherungsnehmer und versicherter Person - ähnlich wie
entsprechende Vereinbarungen zwischen einem Versicherungsnehmer und
einem Versicherungsmakler (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH
- vom 12.12.2013 III ZR 124/13, Versicherungsrecht - VersR - 2014,
240, Rz 10 ff.) - versicherungsrechtlich zulässig sind und ob
insoweit an die Vereinbarungen dieselben Voraussetzungen wie an
eine Maklervereinbarung zu stellen wären.
|
|
|
22
|
2. Nach diesen Grundsätzen entspricht das
Versicherungsentgelt der Höhe des Verkaufspreises für die
Reiseversicherung. Nach den zwischen der Klägerin als
Versicherer und den Reiseveranstaltern als Versicherungsnehmer
geschlossenen Verträgen zur Verschaffung von
Versicherungsschutz für Reisende waren die
Verkaufsaufschläge Teil des an die Klägerin geschuldeten
Versicherungsentgelts und zusammen mit der Nettoprämie
für die mittels der Reiseversicherungen erfolgte
Übernahme des Wagnisses an die Klägerin zu bewirken. In
Höhe der Verkaufsaufschläge schuldete die Klägerin
den Reiseveranstaltern eine Vertriebsvergütung, die im
Innenverhältnis zwischen der Klägerin und den
Reiseveranstaltern durch Verrechnung bewirkt wurde.
|
|
|
23
|
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen
des FG, an welche der BFH gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO),
enthielten die zwischen der Klägerin und den
Reiseveranstaltern geschlossenen Verträge zur Verschaffung von
Versicherungsschutz für Reisende eine Vielzahl von
vertraglichen Rechten und Pflichten. Die Verträge
verpflichteten die Klägerin, bestimmte, anlässlich einer
Reise möglicherweise auftretende, typische Gefahren der
Reisekunden zu versichern und im Schadensfall die Schäden zu
bearbeiten sowie die versicherten Kosten abzüglich eines
Selbstbehalts den Reisekunden zu erstatten. Dabei wurde - in
Abänderung zu den Bestimmungen über die Versicherung
für fremde Rechnung (§ 75 Abs. 2 des
Versicherungsvertragsgesetzes i.d.F. bis 31.12.2007 - VVG a.F. - )
- den Reisekunden ein eigenes Recht eingeräumt, Ansprüche
aus den Verträgen ohne Zustimmung der Reiseveranstalter als
Versicherungsnehmer gegen die Klägerin auch dann geltend zu
machen, wenn sie - die Reisekunden - nicht im Besitz eines
Versicherungsscheins waren. Denn den Reisekunden wurde - was unter
den Beteiligten nicht streitig ist - kein personalisierter
Versicherungsschein ausgehändigt, der u.a. die Bezeichnung des
Versicherungsnehmers enthält, sondern nur eine als ...
bezeichnete Broschüre, welche die allgemeinen
Reiseversicherungsbedingungen aufführte.
|
|
|
24
|
Die Reiseveranstalter wurden durch die
Verträge verpflichtet, anlässlich jeder bei ihnen bzw.
den Reisebüros gebuchten Reise die Reiseversicherungen
anzubieten und die Reisebüros mit den entsprechenden
Versicherungsbedingungen auszustatten. Den Reiseveranstaltern oblag
des Weiteren, die Reiseversicherungen in ihren Katalogen und
Verkaufsbroschüren durch mit der Klägerin abgestimmte
Texte zu bewerben. Schließlich waren die Reiseveranstalter
vertraglich verpflichtet, die Reiseversicherungen zu den in
Absprache mit der Klägerin festgelegten, für sie - die
Reiseveranstalter - verbindlichen Preisen zu verkaufen.
|
|
|
25
|
b) Nach den weiteren tatsächlichen
Feststellungen des FG schuldeten die Reiseveranstalter als
Versicherungsnehmer der Klägerin als Versicherer als
Gegenleistung für den gewährten Versicherungsschutz eine
Prämie. Tatsächlich abgeführt wurde von den
Reiseveranstaltern an die Klägerin zwar nur die
Nettoprämie (zuzüglich Versicherungsteuer). Das der
Klägerin geschuldete Versicherungsentgelt i.S. des § 3
Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 VersStG entspricht jedoch dem von den
Reisekunden gezahlten gesamten Verkaufspreis (einschließlich
des Verkaufsaufschlags). Dieser war für die Begründung
und Durchführung der geschlossenen
Versicherungsverhältnisse an die Klägerin zu bewirken. Er
enthielt - neben der zwischen den Parteien unstreitig an die
Klägerin geschuldeten Nettoprämie - auch den
Verkaufsaufschlag, durch den die von der Klägerin an die
Reiseveranstalter geschuldete Vertriebsvergütung abgegolten
werden sollte. Die Vertriebsvergütung wurde entgegen der
Auffassung der Klägerin branchenüblich von ihr an die
Reiseveranstalter - und nicht, wie sie meint - von den Reisekunden
an die Reiseveranstalter geschuldet.
|
|
|
26
|
c) Für die Nichteinbeziehung des
Verkaufsaufschlags in das Versicherungsentgelt reicht es nicht aus,
dass die Klägerin - wie sie vorträgt - die
Versicherungsverträge mit den Reiseveranstaltern auf eine neue
Grundlage stellen wollte und die Reiseveranstalter die
Reiseversicherungen künftig „in einem
Paket“ zusammen mit den Reisen an die Reisekunden
verkaufen sollten.
|
|
|
27
|
Bei dem Vertrieb von Reisen und dem Vertrieb
von Reiseversicherungen handelt es sich um unterschiedliche
vertragliche Beziehungen und unterschiedliche Sachverhalte. Der
zwischen dem Reiseveranstalter und den Reisekunden abgeschlossene
Reisevertrag nach § 651a des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB) entfaltet seine Hauptpflichten direkt im Verhältnis
zwischen dem Reiseveranstalter und den Reisekunden, wonach der
Reiseveranstalter den Reisekunden eine Gesamtheit von
Reiseleistungen (Reise) zu erbringen (§ 651a Abs. 1 Satz 1
BGB) und der Reisekunde dem Reiseveranstalter den vereinbarten
Reisepreis zu zahlen hat (§ 651a Abs. 1 Satz 2 BGB).
Vertragsparteien sind lediglich der Reiseveranstalter und der
Reisekunde. Der Reisekunde geht nach Branchenüblichkeit davon
aus, dass der Reiseveranstalter eine Vergütung für den
Vertrieb der Reise mit in den Reisepreis eingerechnet hat, welche
mangels anderer vertraglicher Beziehungen von ihm - dem Reisekunden
- zu bezahlen ist. Mangels Vorliegens eines
Versicherungsverhältnisses zwischen dem Reiseveranstalter und
dem Reisekunden stellt sich die Frage nach dem Anteil am
Gesamtpreis, welcher als Versicherungsentgelt anzusehen ist,
nicht.
|
|
|
28
|
Bei den im Streitfall zwischen der
Klägerin als Versicherer und den Reiseveranstaltern als
Versicherungsnehmer abgeschlossenen
Reiseversicherungsverträgen handelt es sich hingegen - in
Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - um
Verträge zugunsten der Reisekunden als Dritte nach
§§ 74 ff. VVG a.F. Rechtsbeziehungen bestehen zwischen
allen drei Beteiligten. Die Reiseveranstalter als
Versicherungsnehmer schulden der Klägerin als Versicherer das
Versicherungsentgelt. Die Reisekunden selbst können direkt
gegen die Klägerin die Ansprüche aus dem
Versicherungsverhältnis geltend machen. Aufgrund der
Gestaltung der Kataloge und der ausgehändigten
Versicherungsbedingungen wussten die Reisekunden, dass es sich
nicht um ein eigenes Versicherungsprodukt der Reiseveranstalter,
sondern um ein solches der Klägerin handelte.
|
|
|
29
|
d) Der Einwand der Klägerin, bei
Versicherungen über einen Kreditkartenanbieter seien
Reiseversicherungen ebenfalls typischerweise als Versicherungen
für fremde Rechnung nach §§ 74 ff. VVG a.F. bzw.
§§ 43 ff. VVG i.d.F. ab 1.1.2008 ausgestaltet, ist nicht
entscheidungserheblich. Der Senat sieht die zwischen der
Klägerin und den Reiseveranstaltern geschlossenen
Versicherungsverträge ebenso als solche für fremde
Rechnung an. Hierdurch wird aber keine Aussage zur Höhe des
anzusetzenden Versicherungsentgelts getroffen.
|
|
|
30
|
e) Auch der Einwand der Klägerin, sie sei
durch eine Anweisung des Bundesaufsichtsamts verpflichtet gewesen,
den Reisekunden ein Recht zur Geltendmachung der Schäden
direkt gegen sie als Versicherer einzuräumen, hat keinen
Erfolg. Versicherungsaufsichtsrechtliche Erwägungen sind
für die versicherungsteuerrechtliche Behandlung nicht
entscheidungserheblich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 236, 212, BStBl II
2013, 596 = SIS 12 04 13, Rz 17).
|
|
|
31
|
f) Schließlich ergibt sich aus der
tatsächlichen Vertragsabwicklung, dass der gesamte
Verkaufspreis die Höhe des Versicherungsentgelts nach § 3
Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 VersStG bestimmte. Denn im Fall des
Reiserücktritts bzw. Abbruchs der Reise wurde er - bei
Eintritt der in den Versicherungsbedingungen angeführten
Voraussetzungen - den Reisekunden vollständig erstattet. Der
Schicksalsteilungsgrundsatz, nach welchem die Vergütung
für den Vertrieb das Schicksal der versicherungsrechtlichen
Nettoprämie im Guten wie im Schlechten teilt und daher
beispielsweise auch zurückgezahlt wird, wenn der
Versicherungsvertrag aufgehoben wird, ist ein Zeichen dafür,
dass ein Vertrag nach dem vorherrschenden Vergütungsmodell -
der Zahlung der Vertriebsvergütung durch den Versicherer an
denjenigen, der den Vertrieb durchgeführt hat - geschlossen
wurde (vgl. BGH-Urteil vom 20.1.2005 III ZR 251/04, VersR 2005,
406, Rz 16).
|
|
|
32
|
g) Die als Verkaufsaufschlag bezeichnete
Vertriebsvergütung war demnach als Teil des von den
Reisekunden bezahlten Verkaufspreises an die Klägerin als
Versicherer zu bewirken und unterlag als Teil des gesamten
Versicherungsentgelts der Versicherungsteuer.
|
|
|
33
|
Der Qualifizierung des Verkaufsaufschlags als
Teil des Versicherungsentgelts steht schließlich - anders,
als die Klägerin meint - nicht entgegen, dass der
Verkaufsaufschlag nach den verbindlichen Feststellungen des FG
nicht an die Klägerin als Versicherer abgeführt wurde und
in dieser Höhe daher tatsächlich keine Zahlung zwischen
den Reiseveranstaltern und der Klägerin geflossen ist. Denn
die Tilgung der Schuld der Reiseveranstalter gegenüber der
Klägerin erfolgte im Verrechnungswege. Die Reiseveranstalter
verrechneten ihre Ansprüche auf die Vertriebsvergütung
gegen die Klägerin mit den Ansprüchen der Klägerin
gegen sie auf Weiterleitung der Verkaufspreise als
Versicherungsentgelt.
|
|
|
34
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|