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Aussetzung des Verfahrens, Bescheinigung über Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, Remonstration des FA

Aussetzung des Verfahrens, Bescheinigung über Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, Remonstration des FA: 1. Die Aussetzung des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht, wenn das Verwaltungsverfahren, von dessen Ausgang die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt, abgeschlossen ist. Das ist der Fall, wenn die zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren, in dem das vorgreifliche Rechtsverhältnis festzustellen ist, durch bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt abgeschlossen hat. - 2. Remonstriert das FA gegen die Bescheinigung der zuständigen Behörde über das Vorliegen von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nach § 7 h Abs. 2 Satz 1 EStG, führt dies weder zur Fortsetzung des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens noch wird dadurch ein neues Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, über welches die zuständige Behörde förmlich zu entscheiden hat. - 3. Bei Überprüfung der Ermessensentscheidung des FG hat der BFH sein eigenes Ermessen auszuüben. - Urt.; BFH 6.10.2016, IX B 81/16; SIS 16 22 89

Kapitel:
Rechtsbehelfe > Klageverfahren
Fundstellen
  1. BFH 06.10.2016, IX B 81/16 (ECLI:DE:BFH:2016:B.061016.IXB81.16.0)
    BStBl 2017 II S. 196
    DStR 2016 S. 2644

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 6.2.2017
    T. Carlé in DStZ 1-2/2017 S. 11
    E. Ratschow in BFH/PR 2/2017 S. 62
Normen
[EStG] § 7 h Abs. 1, § 7 h Abs. 2 Satz 1
[FGO] § 74
[BauGB] § 177
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 17.4.2018, SIS 18 11 66, Bindungswirkung einer rechtswidrigen Bescheinigung (§ 7 h Abs. 2 EStG): Hat die zuständige Gemeindebehörd...
  • BFH 2.10.2017, SIS 17 26 21, Keine Aussetzung des Klageverfahrens wegen Einkommensteuer nach bestandskräftiger Lohnsteuerpauschalierun...
  • Thüringer FG 22.8.2017, SIS 17 21 11, Keine Bindungswirkung einer offensichtlich unzutreffenden Bescheinigung nach § 7 h Abs. 2 EStG: 1. Ein Ab...
  • BFH 6.12.2016, SIS 17 04 31, Bindungswirkung einer Bescheinigung gemäß § 7 h Abs. 2 EStG mit "Vorbehaltsklausel": 1. Die Bindungswirku...
  • FG Berlin-Brandenburg 24.11.2016, SIS 17 07 66, Dachgeschossausbau als nicht nach § 7 h EStG begünstigter Neubau, grundsätzliche Bindung des FA an die Be...

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 17.6.2016 6 K 277/10 aufgehoben.

 

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erwarben 1999 eine vom Bauträger noch zu errichtende Eigentumswohnung im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Das Grundstück befindet sich in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet. Die Wohnung wurde im September 2000 fertiggestellt.

 

 

2

Im Dezember 2000 bescheinigte die zuständige Behörde gegenüber dem Bauträger für das Gesamtgrundstück die Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. von § 177 des Baugesetzbuchs (BauGB) sowie die bis zur Antragstellung dafür angefallenen Aufwendungen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) erließ 2002 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2000 bis 2010 für das Gesamtobjekt. Zu der von den Klägern erworbenen Wohnung enthielt der Bescheid erklärungsgemäß folgende Feststellungen:

 

 

3

Anschaffungskosten gesamt

515.202 DM

 

 

Grund und Boden

62.165 DM

 

 

Altbau

121.375 DM

 

 

Modernisierung

331.662 DM

 

 

 

 

4

Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

 

 

 

 

5

In den Jahren 2005 bis 2007 fand bei dem Bauträger eine Außenprüfung für das Objekt statt. Nach Auffassung der Prüferin handelte es sich bei der von den Klägern erworbenen Wohnung um einen bautechnischen Neubau, für den die Förderung nach § 7h des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht in Betracht komme. Das FA änderte daraufhin den Feststellungsbescheid und stellte zu Lasten der Kläger die „Anschaffungskosten für nach Kaufvertragsabschluss durchgeführte Modernisierungs- bzw. Baumaßnahmen“ mit 0 DM fest.

 

 

 

 

6

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Das Verfahren ruhte zunächst mit Zustimmung beider Beteiligter bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dem Revisionsverfahren X R 15/13.

 

 

 

 

7

Nachdem das BFH-Urteil vom 22.10.2014 X R 15/13 (BFHE 247, 562, BStBl II 2015, 367 = SIS 15 00 62) veröffentlicht war, haben die Kläger eine objektbezogene Bescheinigung der zuständigen Behörde beigebracht, in der auf die Wohnung der Kläger entfallende anteilige Modernisierungsaufwendungen von 160.860 EUR bescheinigt sind (Bescheinigung vom 11.6.2015).

 

 

 

 

8

Gegen diese Bescheinigung hat das FA bei der zuständigen Behörde remonstriert und die Aussetzung des Klageverfahrens beantragt. Am 16.11.2015 hat die zuständige Behörde dem FA mitgeteilt, es bestehe kein Grund, die erteilte Bescheinigung in Zweifel zu ziehen. Die vom FA vorgelegten Unterlagen könnten nicht bestätigt werden. Die Bauakten seien bereits vernichtet worden.

 

 

 

 

9

Durch Beschluss vom 17.6.2016 hat das FG nach Anhörung der Kläger das Verfahren bis zur Entscheidung der zuständigen Behörde über das vom FA eingeleitete Remonstrationsverfahren gegen die Bescheinigung vom 11.6.2015 ausgesetzt. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.

 

 

 

 

10

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

 

 

 

 

11

1. Nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung u.a. anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann das Gericht die Verhandlung (das Verfahren) u.a. bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde aussetzen.

 

 

 

 

12

2. Die Voraussetzungen des § 74 FGO liegen im Streitfall nicht vor.

 

 

 

 

13

a) Zwar ist das FA an die Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG gebunden, soweit sie sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG genannten Merkmale bezieht. Dies schließt die Entscheidung der zuständigen Behörde darüber ein, ob ein Neubau in bautechnischem Sinne vorliegt (vgl. nur BFH-Urteil in BFHE 247, 562, BStBl II 2015, 367 = SIS 15 00 62). Der Inhalt des mit der Klage angefochtenen Feststellungsbescheids ist insofern vom Ausgang des Verwaltungsverfahrens abhängig, in dem die zuständige Behörde über diese Frage entscheidet. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt aber nicht mehr in Betracht, wenn das Verwaltungsverfahren abgeschlossen ist. Das ergibt sich im Umkehrschluss daraus, dass die Aussetzung längstens bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde anzuordnen ist. Im Streitfall hat die zuständige Behörde die Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG erteilt. Der Bescheid ist auch bestandskräftig geworden; das Verwaltungsverfahren ist damit abgeschlossen.

 

 

 

 

14

b) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass das FA die zuständige Behörde darum gebeten hat, ihre Entscheidung zu überdenken und zu ändern. Dabei handelt es sich weder um eine förmliche Fortsetzung des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens noch um ein eigenständiges Verfahren, welches durch eine förmliche Entscheidung abgeschlossen werden muss. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die zuständige Behörde das Begehren des FA bereits endgültig zurückgewiesen hat, worüber die Beteiligten streiten, oder ob noch eine Entscheidung (z.B. der vorgesetzten Behörde) in der Sache zu erwarten steht. Ist die Entscheidung, von deren Ausgang der Rechtsstreit abhängt, bereits ergangen, steht mithin nicht deren Erlass, sondern deren Vollziehung in Streit, kommt eine Aussetzung grundsätzlich nicht in Betracht, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass die bindende Entscheidung noch beseitigt werden kann (im Ergebnis ebenso: Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 94 Rz 22).

 

 

 

 

15

c) Aber selbst wenn man dies anders sehen wollte, hätte die Beschwerde Erfolg. Über die Aussetzung des Verfahrens entscheidet das FG nach seinem Ermessen. Bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung hat der BFH sein eigenes Ermessen auszuüben (BFH-Beschluss vom 27.11.1992 III B 133/91, BFHE 169, 498, BStBl II 1993, 240 = SIS 93 06 52). Der beschließende Senat sieht keine hinreichende Aussicht dafür, dass die zuständige Behörde ihre Bescheinigung zurücknehmen oder ändern wird. Die Behörde hat dies abgelehnt und u.a. darauf verwiesen, dass die Akten bereits vernichtet seien, so dass der Sachverhalt nicht mehr neu beurteilt werden könne. Im Übrigen geht es in der Sache um eine inhaltliche Differenz. Das FA meint, die am Dachgeschoss ausgeführten Baumaßnahmen führten zu einem bautechnischen Neubau, denn es seien die Wände, der Fußboden und der Dachstuhl neu in das Gebäude eingefügt worden. Die zuständige Behörde argumentiert dagegen, das Gebäude sei im Krieg beschädigt und mit einem Notdach versehen worden. Zu Beginn der Sanierung seien noch Teile des alten Daches vorhanden gewesen und genutzt worden. Deshalb habe es sich um eine Sanierung und nicht um einen Neubau gehandelt. Der Bauträger habe die Auflage gehabt, die Kriegsschäden zu beseitigen und den ursprünglich vorhandenen Zustand (Traufhöhe und Kubatur des Dachstuhls) wiederherzustellen. Dies zugrunde gelegt, hat die zuständige Behörde in Anwendung von § 177 BauGB darüber entschieden, dass die von den Klägern erworbene Wohnung kein (bautechnischer) Neubau ist. Das FA wird diese Entscheidung infolge der Bindungswirkung hinnehmen müssen, auch wenn es sie für unzutreffend hält.

 

 

 

 

16

d) Für das weitere, noch nicht abgeschlossene Verfahren in der Hauptsache weist der erkennende Senat, dem nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH die ausschließliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten über die maßgebliche Vorschrift zufällt, darauf hin, dass nach seiner langjährigen und ständigen Rechtsprechung die zuständige Gemeindebehörde mit der Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG für die Finanzbehörden bindend über die in Abs. 1 der Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale entscheidet (s. BFH-Urteile vom 21.8.2001 IX R 20/99, BFHE 196, 191, BStBl II 2003, 910 = SIS 01 13 79; vom 22.9.2005 IX R 13/04, BFHE 215, 158, BStBl II 2007, 373 = SIS 06 44 45; vom 6.5.2014 IX R 15/13, BFHE 246, 61, BStBl II 2015, 581 = SIS 14 24 97; IX R 16/13, BFH/NV 2014, 1729 = SIS 14 27 08; IX R 17/13, BFH/NV 2014, 1731 = SIS 14 27 09; s. ferner BFH-Urteil vom 17.12.1996 IX R 91/94, BFHE 182, 175, BStBl II 1997, 398 = SIS 97 11 24, zur Vorgängervorschrift des § 82g Abs. 1 Satz 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1986). Nach diesen Grundsätzen prüft allein die Gemeinde, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB durchgeführt wurden; nach den Wertungen des Baugesetzbuchs muss entschieden werden, wie die Begriffe „Modernisierung“ und „Instandsetzung“ zu verstehen sind und ob darunter auch ein Neubau in bautechnischem Sinne zu subsumieren ist (s. nur BFH-Urteil in BFHE 215, 158, BStBl II 2007, 373 = SIS 06 44 45).

 

 

 

 

17

Auch wenn der X. Senat des BFH in verschiedenen, mit dem Streitfall nicht sachverhaltsidentischen Einzelfällen - auch zu den vorliegend nicht einschlägigen Sonderregelungen für Baudenkmale (§§ 7i, 10f EStG) - eine hiervon differenzierte Auffassung vertreten hat (s. BFH-Urteile vom 2.9.2008 X R 7/07, BFHE 224, 484, BStBl II 2009, 596 = SIS 09 19 40; vom 24.6.2009 X R 8/08, BFHE 225, 431, BStBl II 2009, 960 = SIS 09 26 28), stellt die Neuausrichtung der Rechtsprechung dieses Senats mit der Entscheidung in BFHE 247, 562, BStBl II 2015, 367 = SIS 15 00 62 - entgegen der Auffassung des FA - keine Abkehr von der bisherigen BFH-Rechtsprechung, sondern im Gegenteil eine Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats dar (insoweit missverständlich Stellungnahme des Bundesrates vom 23.9.2016, BRDrucks 406/16 (B), S. 14).

 

 

 

 

18

Nach diesen Grundsätzen, von denen im Übrigen auch die Finanzverwaltung ausgeht (s. R 7h Abs. 4 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien), unterliegt die Bescheinigung mit Blick auf die bescheinigten Tatbestandsmerkmale des § 7h Abs. 1 EStG weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörden; vielmehr handelt es sich hierbei um einen Verwaltungsakt in Form eines Grundlagenbescheides, an den die Finanzbehörden im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Umfangs gebunden sind (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Das FG wird im anstehenden Hauptsacheverfahren diese Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen haben.

 

 

 

 

19

3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da es sich bei der Aussetzung des Verfahrens um eine unselbständige Nebenentscheidung handelt. Das gilt auch für die erfolgreiche Beschwerde über die Aussetzung/Nichtaussetzung des Verfahrens (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 143 Rz 9 „Aussetzung des Klageverfahrens“).