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Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen

Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen: Aufwendungen für die Adoption eines Kindes sind keine außergewöhnlichen Belastungen i.S. des § 33 EStG. - Urt.; BFH 10.3.2015, VI R 60/11; SIS 15 15 01

Kapitel:
Privatbereich > Außergewöhnliche Belastungen (allgemeine)
Fundstellen
  1. BFH 10.03.2015, VI R 60/11
    BStBl 2015 II S. 695
    DStR 2015 S. 1554

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 10.8.2015
    E.H. in HFR 8/2015 S. 759
    St.Sch. in BFH/PR 9/2015 S. 295
Normen
[EStG] § 33
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • nach: 2 BvR 1208/15 (BVerfG), Außergewöhnliche Belastung, Zwangsläufigkeit, Kind, Adoption, Kinderwunsch
  • vor: FG Baden-Württemberg, 10.10.2011, SIS 12 02 64, Außergewöhnliche Belastung, Adoption, Krankheit, Zwangsläufigkeit, Verfassungswidrigkeit
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 10.8.2023, SIS 23 15 78, Keine außergewöhnlichen Belastungen bei Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft: Aufwen...
  • FG Münster 7.10.2021, SIS 22 00 85, Aufwendungen eines homosexuellen Ehepaares für Leihmutterschaft in den USA keine agB: Ein aus zwei Männer...
  • BFH 1.10.2020, SIS 20 20 56, Keine Berücksichtigung von Aufwendungen in Zusammenhang mit einem "Biberschaden" als außergewöhnliche Bel...
  • BFH 22.10.2019, SIS 20 00 57, Aufwendungen für die Sanierung einer Grabstätte keine außergewöhnliche Belastung: Aufwendungen für die Sa...
  • FinBeh Hamburg 21.8.2015, SIS 15 19 23, Abzug von Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung: Nach dem BFH-Urteil vom 10.3.2015 (BStBl 2015 I...
  • FG Münster 23.7.2015, SIS 15 25 01, Künstliche Befruchtung, gleichgeschlechtliche Beziehung: Aufwendungen einer in gleichgeschlechtlicher Par...
Anmerkung RA Dr. Bürkle

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 10.10.2011 6 K 1880/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

 

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für eine Adoption als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

 

 

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

 

 

3

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie Aufwendungen für die Adoption eines Kindes, die erst in den Folgejahren vollzogen werden konnte, in Höhe von 8.560,68 EUR als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.

 

 

4

Wegen sog. primärer Sterilität haben die Kläger keine leiblichen Kinder. Künstliche Befruchtungsmethoden lehnen sie aus ethischen und gesundheitlichen Gründen ab.

 

 

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die Aufwendungen nicht, weil sie nicht zwangsläufig entstanden seien. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) mit den in EFG 2012, 414 = SIS 12 02 64 veröffentlichten Gründen als unbegründet abwies.

 

 

6

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 10.10.2011 6 K 1880/10 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24.6.2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.4.2010 dahingehend abzuändern, dass nach Abzug der zumutbaren Belastung außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 393 EUR anerkannt werden.

 

 

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

8

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die Aufwendungen für die Adoption eines Kindes zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG anerkannt.

 

 

9

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

 

 

10

a) Der Bundesfinanzhof (BFH) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten ohne Rücksicht auf Art und Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Als Krankheitskosten werden solche Aufwendungen berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit entstehen oder mit dem Ziel, die Krankheit erträglich zu machen (BFH-Urteile vom 16.12.2010 VI R 43/10, BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 = SIS 11 05 55; vom 18.5.1999 III R 46/97, BFHE 188, 566, BStBl II 1999, 761 = SIS 99 15 15). Die organisch bedingte Sterilität eines Ehepartners ist als objektiv regelwidriger Körperzustand eine Krankheit im Sinne dieser Rechtsprechung. Da die heterologe Insemination die gestörte Fertilität der Spermien durch einen ärztlichen Eingriff ersetzt und damit in ihrer Gesamtheit dazu dient, eine durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen, stellt sie eine medizinische Maßnahme zur Beseitigung der unmittelbaren Krankheitsfolge der Kinderlosigkeit eines Paares dar (Senatsurteil in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 = SIS 11 05 55) und führt daher zu nach § 33 EStG abziehbaren Krankheitskosten.

 

 

11

b) Die Aufwendungen, die einem Paar aufgrund der Adoption eines Kindes im Falle organisch bedingter Sterilität eines Partners entstehen, stellen keine Krankheitskosten im Sinne dieser Rechtsprechungsgrundsätze dar.

 

 

12

Eine medizinische Leistung liegt weder vor noch kann der Vorgang einer Adoption einer solchen gleichgestellt werden. Die Adoption ist in erster Linie ein Mittel der Fürsorge für elternlose und verlassene Kinder, um in einer Familie aufwachsen zu können. Entsprechend fordert § 1741 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Grundvoraussetzung, dass die Annahme dem Wohl des Kindes dienen müsse. Die Vorstellung von einer Adoption als medizinisch indizierter Heilbehandlung oder dieser gleichgestellten Maßnahme wäre zudem auch nicht mit dem Grundrecht des Adoptivkindes auf Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 und Abs. 3 des Grundgesetzes - GG - ) vereinbar, weil ein solches Verständnis das Adoptivkind zu einem bloßen Objekt herabwürdigen würde, das zur Linderung einer Krankheit der Adoptiveltern diente (vgl. BFH-Urteil vom 20.3.1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596 = SIS 87 16 03; BFH-Beschluss vom 5.1.1990 III B 53/89, BFH/NV 1990, 430 = SIS 90 25 12).

 

 

13

2. Die geltend gemachten Aufwendungen sind den Klägern auch nicht aus anderen Gründen zwangsläufig erwachsen.

 

 

14

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen für Auslandsadoptionen weder aus rechtlichen noch aus sittlichen Gründen zwangsläufig (BFH-Urteile in BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596 = SIS 87 16 03, und vom 13.3.1987 III R 301/84, BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495 = SIS 87 11 04).

 

 

15

b) Die Aufwendungen sind auch nicht aus anderen tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Der Entschluss zur Adoption beruht nicht auf einer Zwangslage, sondern auf der freiwilligen Entscheidung, ein Kind anzunehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495 = SIS 87 11 04; BFH-Beschluss vom 27.4.1995 III B 77/93, BFH/NV 1996, 39).

 

 

16

Als außergewöhnliche Belastungen kommen nur solche Aufwendungen in Betracht, die einen Bereich der Lebensführung betreffen, welcher der individuellen Gestaltung des Steuerpflichtigen entzogen ist (z.B. BFH-Urteile vom 18.3.2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726 = SIS 04 22 35; vom 3.3.2005 III R 68/03, BFHE 209, 312, BStBl II 2005, 266 = SIS 05 25 36; vom 10.5.2007 III R 47/05, BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871 = SIS 07 31 16). Dies gilt auch dann, wenn die Aufwendungen einen grundrechtlich geschützten Bereich wie hier die Verwirklichung des Kinderwunschs (Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG) betreffen. Der Senat verkennt nicht, dass der Wunsch, Kinder zu haben und aufzuziehen, bei Kinderlosen, die sich für eine Auslandsadoption entscheiden, oftmals ein wesentliches sinnstiftendes Element des Lebens sein wird. Entsprechend dürfte die ungewollte Kinderlosigkeit als schwere Belastung empfunden werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Entschluss zur Adoption als Mittel zur Verwirklichung eines individuellen Lebensplans nicht mehr dem Bereich der durch den Einzelnen gestaltbaren Lebensführung zuzurechnen wäre.

 

 

17

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

 

Anmerkung RA Dr. Bürkle

Nachdem der VI. Senat des BFH in einer sog. Divergenzanfrage an den Großen Senat des BFH (Beschluss vom 18.4.2013 VI R 60/11, BStBl 2013 II S. 868 = SIS 15 15 01) die Absicht erklärt hatte, von der bisherigen Rechtsprechung des III. Senats des BFH zur Anerkennung von Aufwendungen für eine Adoption als außergewöhnliche Belastungen abweichen zu wollen, hat er nun mit der vorliegenden Entscheidung die bisherige Rechtsprechung des III. Senats des BFH bestätigt, nach der Adoptionskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind (Urteile vom 13.3.1987 III R 301/84, BStBl 1987 II S. 495 = SIS 87 11 04; vom 20.3.1987 III R 150/86, BStBl 1987 II S. 596 = SIS 87 16 03; Beschluss vom 5.1.1990 III B 53/89, BFH/NV 1990, S. 430 = SIS 90 25 12).