Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 10.10.2011 6 K
1880/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu
tragen.
1
|
I. Streitig ist, ob Aufwendungen für
eine Adoption als außergewöhnliche Belastung zu
berücksichtigen sind.
|
|
|
2
|
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden im Streitjahr 2008 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten u.a. Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit.
|
|
|
3
|
In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machten sie Aufwendungen für die
Adoption eines Kindes, die erst in den Folgejahren vollzogen werden
konnte, in Höhe von 8.560,68 EUR als
außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.
|
|
|
4
|
Wegen sog. primärer Sterilität
haben die Kläger keine leiblichen Kinder. Künstliche
Befruchtungsmethoden lehnen sie aus ethischen und gesundheitlichen
Gründen ab.
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die Aufwendungen nicht,
weil sie nicht zwangsläufig entstanden seien. Nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage, die das
Finanzgericht (FG) mit den in EFG 2012, 414 = SIS 12 02 64
veröffentlichten Gründen als unbegründet
abwies.
|
|
|
6
|
Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG Baden-Württemberg vom 10.10.2011 6 K 1880/10 aufzuheben und
den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24.6.2009 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.4.2010 dahingehend
abzuändern, dass nach Abzug der zumutbaren Belastung
außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 393 EUR
anerkannt werden.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die Aufwendungen
für die Adoption eines Kindes zu Recht nicht als
außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG
anerkannt.
|
|
|
9
|
1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die
Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem
Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen
als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher
Einkommensverhältnisse, gleicher
Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands
erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen
zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen,
tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen
kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig
sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§
33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
|
|
|
10
|
a) Der Bundesfinanzhof (BFH) geht in
ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten ohne
Rücksicht auf Art und Ursache der Erkrankung dem
Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen
zwangsläufig erwachsen. Als Krankheitskosten werden solche
Aufwendungen berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer
Krankheit entstehen oder mit dem Ziel, die Krankheit
erträglich zu machen (BFH-Urteile vom 16.12.2010 VI R 43/10,
BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 = SIS 11 05 55; vom 18.5.1999 III
R 46/97, BFHE 188, 566, BStBl II 1999, 761 = SIS 99 15 15). Die
organisch bedingte Sterilität eines Ehepartners ist als
objektiv regelwidriger Körperzustand eine Krankheit im Sinne
dieser Rechtsprechung. Da die heterologe Insemination die
gestörte Fertilität der Spermien durch einen
ärztlichen Eingriff ersetzt und damit in ihrer Gesamtheit dazu
dient, eine durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu
ersetzen, stellt sie eine medizinische Maßnahme zur
Beseitigung der unmittelbaren Krankheitsfolge der Kinderlosigkeit
eines Paares dar (Senatsurteil in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414
= SIS 11 05 55) und führt daher zu nach § 33 EStG
abziehbaren Krankheitskosten.
|
|
|
11
|
b) Die Aufwendungen, die einem Paar aufgrund
der Adoption eines Kindes im Falle organisch bedingter
Sterilität eines Partners entstehen, stellen keine
Krankheitskosten im Sinne dieser Rechtsprechungsgrundsätze
dar.
|
|
|
12
|
Eine medizinische Leistung liegt weder vor
noch kann der Vorgang einer Adoption einer solchen gleichgestellt
werden. Die Adoption ist in erster Linie ein Mittel der
Fürsorge für elternlose und verlassene Kinder, um in
einer Familie aufwachsen zu können. Entsprechend fordert
§ 1741 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als
Grundvoraussetzung, dass die Annahme dem Wohl des Kindes dienen
müsse. Die Vorstellung von einer Adoption als medizinisch
indizierter Heilbehandlung oder dieser gleichgestellten
Maßnahme wäre zudem auch nicht mit dem Grundrecht des
Adoptivkindes auf Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1
Abs. 1 und Abs. 3 des Grundgesetzes - GG - ) vereinbar, weil ein
solches Verständnis das Adoptivkind zu einem bloßen
Objekt herabwürdigen würde, das zur Linderung einer
Krankheit der Adoptiveltern diente (vgl. BFH-Urteil vom 20.3.1987
III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596 = SIS 87 16 03;
BFH-Beschluss vom 5.1.1990 III B 53/89, BFH/NV 1990, 430 = SIS 90 25 12).
|
|
|
13
|
2. Die geltend gemachten Aufwendungen sind den
Klägern auch nicht aus anderen Gründen zwangsläufig
erwachsen.
|
|
|
14
|
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
sind Aufwendungen für Auslandsadoptionen weder aus rechtlichen
noch aus sittlichen Gründen zwangsläufig (BFH-Urteile in
BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596 = SIS 87 16 03, und vom 13.3.1987
III R 301/84, BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495 = SIS 87 11 04).
|
|
|
15
|
b) Die Aufwendungen sind auch nicht aus
anderen tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Der
Entschluss zur Adoption beruht nicht auf einer Zwangslage, sondern
auf der freiwilligen Entscheidung, ein Kind anzunehmen (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495 = SIS 87 11 04;
BFH-Beschluss vom 27.4.1995 III B 77/93, BFH/NV 1996, 39).
|
|
|
16
|
Als außergewöhnliche Belastungen
kommen nur solche Aufwendungen in Betracht, die einen Bereich der
Lebensführung betreffen, welcher der individuellen Gestaltung
des Steuerpflichtigen entzogen ist (z.B. BFH-Urteile vom 18.3.2004
III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726 = SIS 04 22 35; vom
3.3.2005 III R 68/03, BFHE 209, 312, BStBl II 2005, 266 = SIS 05 25 36; vom 10.5.2007 III R 47/05, BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871 =
SIS 07 31 16). Dies gilt auch dann, wenn die Aufwendungen einen
grundrechtlich geschützten Bereich wie hier die Verwirklichung
des Kinderwunschs (Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG) betreffen. Der
Senat verkennt nicht, dass der Wunsch, Kinder zu haben und
aufzuziehen, bei Kinderlosen, die sich für eine
Auslandsadoption entscheiden, oftmals ein wesentliches
sinnstiftendes Element des Lebens sein wird. Entsprechend
dürfte die ungewollte Kinderlosigkeit als schwere Belastung
empfunden werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Entschluss
zur Adoption als Mittel zur Verwirklichung eines individuellen
Lebensplans nicht mehr dem Bereich der durch den Einzelnen
gestaltbaren Lebensführung zuzurechnen wäre.
|
|
|
17
|
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|