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A. Sachverhalt und Verfahrensstand
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger), der im Streitjahr 2007 zusammen mit seiner Ehefrau
zur Einkommensteuer veranlagt wurde, betrieb einen Baufachhandel,
dessen Gewinn er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) ermittelte. Der Kläger wies vom Jahr 2001 bis 2006
fortlaufend Verluste aus Gewerbebetrieb aus.
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Ausweislich einer
Rückzahlungsvereinbarung mit der Sparkasse vom 23.11.2005
hatte der Kläger zum 1.10.2005 fällige Verbindlichkeiten
gegenüber der Sparkasse in Höhe von 729.297,62 EUR und
gegenüber der KfW-Bankengruppe in Höhe von 1.026.412,55
EUR. In § 6 der - weiteren - Rückzahlungsvereinbarung mit
der Sparkasse vom 23.11.2005 verzichteten die Sparkasse und die
KfW-Bankengruppe auf „die nicht bedienbaren
Forderungen“ in Höhe von 618.301,28 EUR für den
Fall, dass der Kläger seinen Verpflichtungen aus der
Vereinbarung ordnungsgemäß und termingerecht nachkommt.
Mit Schreiben vom 12.12.2007 teilte die Sparkasse dem Kläger
mit, die Vergleichszahlung in Höhe von 35.000 EUR sei
eingegangen und die KfW-Bankengruppe habe auf die Restforderung aus
dem Darlehen Nr. ... verzichtet. Das Darlehen sei mit Wertstellung
5.11.2007 ausgebucht worden.
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Mit (geändertem) Bescheid vom
29.4.2010 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
- FA - ) die Einkommensteuer für 2007 auf 18.903 EUR und den
Solidaritätszuschlag auf 836,38 EUR fest. Dabei legte es
Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb - entsprechend
dem eingereichten Jahresabschluss, in dem Erträge aus
Forderungsverzichten von Banken in Höhe von 619.814,76 EUR
enthalten waren - als Einzelunternehmer in Höhe von 598.522
EUR zugrunde. Den gegen die Steuerfestsetzung gerichteten Einspruch
des Klägers wies das FA als unbegründet zurück.
Klage wurde nicht erhoben.
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Mit Schreiben vom 18.3.2009 hatte der
Kläger den Erlass der auf den Sanierungsgewinn des Jahres 2007
entfallenden Einkommensteuer beantragt. Er legte ein - von ihm
selbst aufgestelltes - Konsolidierungskonzept vom 14.9.2009 vor, in
dem es heißt, dass die laufenden Verpflichtungen
„bisher durch Zuführung von privaten Geldeinlagen
realisiert werden“ konnten (Ziff. 1.2). In dem Konzept ist
als Voraussetzung der Forderungsverzicht der Sparkasse und des FA
genannt (Ziff. 5).
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Das FA lehnte den Erlassantrag ab. Den
dagegen gerichteten Einspruch wies es mit der Begründung
zurück, die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen
(BMF) vom 27.3.2003 IV A 6 - S 2140 - 8/03 (BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23; sog. Sanierungserlass) genannten Voraussetzungen,
insbesondere die Sanierungseignung des Verzichts der
KfW-Bankengruppe, würden nicht vorliegen. Es fehle an der
Sanierungseignung des Forderungsverzichts, weil der Kläger
auch im Folgejahr einen Verlust erzielt habe. Zudem hätte der
Kläger im Streitjahr Teilwertabschreibungen auf den
betrieblichen Grundbesitz vornehmen können. Hätte er
diese Möglichkeit genutzt, wäre es auch ohne den
begehrten Billigkeitserlass nicht zur Festsetzung von
Einkommensteuer gekommen.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit in
EFG 2013, 1898 = SIS 13 29 30 veröffentlichtem Urteil
abgewiesen. Ob der Schuldenerlass im Jahr 2007 die Voraussetzungen
des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23
erfülle, könne offen bleiben. Der Gesetzgeber habe mit
der Abschaffung von § 3 Nr. 66 EStG in der vor dem Gesetz zur
Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 geltenden
Fassung - BGBl I 1997, 2590 - (EStG a.F.) zum Ausdruck gebracht,
Sanierungsgewinne unterschiedslos besteuern zu wollen. Wegen des
insoweit entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers könne die
durch den Sanierungserlass getroffene Verwaltungsregelung keinen
Bestand haben; sie verstoße gegen den Grundsatz der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Für eine
abweichende Steuerfestsetzung (richtig wohl: einen Steuererlass)
sei deshalb auch dann kein Raum, wenn die Anforderungen des
Sanierungserlasses erfüllt wären.
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Mit seiner Revision vertritt der
Kläger die Auffassung, der Sanierungserlass verstoße
nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung. Darauf gestützte Billigkeitsmaßnahmen seien
zulässig. Im Streitfall lägen die Voraussetzungen
für einen Billigkeitserlass vor.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß,
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das FG-Urteil sowie die
Einspruchsentscheidung vom 18.4.2012 aufzuheben und das FA zu
verpflichten, die aus dem Sanierungsgewinn resultierende
Einkommensteuer zu erlassen.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Das dem Verfahren beigetretene BMF verweist
auf das Senatsurteil vom 14.7.2010 X R 34/08 (BFHE 229, 502, BStBl
II 2010, 916 = SIS 10 22 93) und führt aus, es tangiere nicht
den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dass
nach der (im Sanierungserlass niedergelegten) Verwaltungsauffassung
entstehende Sanierungsgewinne nach § 227 der Abgabenordnung
(AO) erlassen werden können.
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Bis zum Veranlagungszeitraum 1997 seien
Sanierungsgewinne nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. steuerfrei
gewesen. Diese Regelung habe nach § 7 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) auch für die Gewerbesteuer
gegolten. Nach Einführung des zeitlich unbegrenzten
Verlustvortrags in § 10d EStG habe § 3 Nr. 66 EStG a.F.
allerdings zu einer nicht gewollten Doppelbegünstigung
geführt. Ein vor der Sanierung entstandener Verlustvortrag
habe zeitlich unbegrenzt mit künftigen Gewinnen verrechnet
werden können, obwohl der Sanierungsgewinn nicht besteuert
worden sei. Dieser Doppelbegünstigung habe der Gesetzgeber mit
der Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. durch das Gesetz zur
Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 (BGBl I
1997, 2590) entgegenwirken wollen. Seither sei ein Sanierungsgewinn
grundsätzlich steuerpflichtig und erhöhe über §
7 GewStG die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage.
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In zeitlichem Zusammenhang mit der
Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. sei zum 1.1.1999 die
Insolvenzordnung (InsO) in Kraft getreten. Deren wesentliche Ziele
seien die Förderung der außergerichtlichen Sanierung,
die bessere Abstimmung von Sanierungsverfahren und die
Restschuldbefreiung für den redlichen Schuldner. Die
Abschaffung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen stehe mit
diesen Zielen der Insolvenzordnung in einem
„Zielkonflikt“. Um diesen aufzulösen, habe die
Finanzverwaltung auf der Grundlage der §§ 163, 227 AO mit
dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23 in einer
allgemeinverbindlichen Verwaltungsanweisung geregelt, unter welchen
Voraussetzungen Ertragsteuern auf einen Sanierungsgewinn aus
Gründen sachlicher Billigkeit erlassen werden
können.
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Die ursprüngliche Ausgangslage
für die Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. habe sich
später geändert. Der Gesetzgeber habe mit
Änderungsgesetzen vom 22. und 23.12.2003 für die
Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer eine sog.
Mindestbesteuerung eingeführt. Der Verlustabzug bei
Verlustvorträgen nach § 10d Abs. 2 EStG n.F. und §
10a Satz 2 GewStG sei auf 1 Mio. EUR und 60 % des 1 Mio. EUR
übersteigenden Verlustes beschränkt worden. In diesem
Zusammenhang hätte von der Mindestbesteuerung die vorrangige
Verlustverrechnung mit dem Sanierungsgewinn ausgenommen werden
müssen. Dies habe der Gesetzgeber indes nicht gemacht, weil
der bereits am 27.3.2003 ergangene Sanierungserlass im Wege einer
sachlichen Billigkeitsentscheidung die systemkonforme und
„gesetzesverstehende unbeschränkte Verlustverrechnung
des Sanierungsgewinns für die Verwaltungspraxis“
angeordnet habe. Der Sanierungserlass verstoße nicht gegen
den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, er
stelle nicht die unter Anwendung des § 3 Nr. 66 EStG a.F.
bestehende systemwidrige Doppelbegünstigung wieder her,
sondern gewährleiste im Gegenteil systemkonform, dass der
Sanierungsgewinn mit den Verlusten, die die Sanierung
überhaupt erst erforderlich gemacht hätten, in vollem
Umfang verrechenbar bleibe. Der Sanierungserlass reduziere die
Besteuerung systemgerecht und dem Willen des Gesetzgebers bei
Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. folgend auf den
eigentlichen Fiskalzweck. Zu einer gesetzeswidrigen
Doppelbegünstigung komme es nicht, weil bei Anwendung des
Sanierungserlasses das nach der Sanierung verbleibende
Verlustvortragsvolumen durch den Sanierungsgewinn in vollem Umfang
geschmälert worden sei.
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Im Übrigen sei bereits in der
Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur Fortführung der
Unternehmenssteuerreform auf mögliche
Billigkeitsmaßnahmen der Verwaltung hingewiesen und
später im Regierungsentwurf des
Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 (UntStRFoG 2008) - BTDrucks
16/4841, S. 76 - unter Hinweis auf den Sanierungserlass davon
ausgegangen worden, dass von einer Besteuerung von
Sanierungsgewinnen auch ohne ausdrückliche gesetzliche
Regelung im Billigkeitswege abgesehen werden könne.
Darüber hinaus fordere die Verpflichtung der Verwaltung zur
gleichmäßigen Erhebung von Steuern nach § 85 AO den
Erlass allgemein geltender Ermessensrichtlinien.
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Die Gesetzmäßigkeit des
Sanierungserlasses werde auch nicht durch die nach § 251 Abs.
2 AO auch im Besteuerungsverfahren anwendbare Insolvenzordnung in
Frage gestellt. In der Insolvenzrechtsreform seien Steuerfolgen der
Insolvenz ausgeklammert worden. Zudem würden
Sanierungsmaßnahmen häufig außerhalb eines
gerichtlichen Insolvenzverfahrens getroffen und diesen komme gerade
in der Vermeidung eines Insolvenzverfahrens ihre besondere
Bedeutung zu.
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Eine gesetzliche Regelung möglicher
Billigkeitsmaßnahmen bei Sanierungsgewinnen wäre - wegen
der erforderlichen Folgeänderungen im Bereich der
Verlustverrechnungsbeschränkungen - äußerst komplex
und würde den Bemühungen um eine Steuervereinfachung
zuwider laufen. Anders als eine starre gesetzliche Regelung sei die
bestehende Verwaltungsanweisung flexibler zu handhaben und habe
sich in der Praxis bewährt.
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B. Entscheidungsgründe
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Der Senat verneint die Vorlagefrage. Er
beabsichtigt, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung
aufzuheben und die Rechtssache an das FG zurückzuverweisen.
Dieses müsste dann klären, ob die Voraussetzungen
für einen Billigkeitserlass entsprechend den Vorgaben des
Sanierungserlasses in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23
vorliegen.
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I. Bisherige Rechtsprechung
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1. Höchstrichterliche Rechtsprechung
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a) Nach Auffassung des X. Senats des
Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil in BFHE 229, 502, BStBl II 2010,
916 = SIS 10 22 93 (Rechtsauffassung insoweit nicht tragend)
tangiert der Sanierungserlass in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23
nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung.
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b) Der VIII. Senat des BFH hat im
Kostenbeschluss vom 28.2.2012 VIII R 2/08 (BFH/NV 2012, 1135 = SIS 12 15 75) die Kosten den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt
und ausgeführt:
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„Jedenfalls ist die Auffassung der
Vorinstanz (= FG München), ein entsprechender Wille des
Gesetzgebers (zur generellen Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen)
könne angesichts der Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.F.
nicht angenommen werden, bei der im Rahmen der Kostenentscheidung
vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht von vornherein
abzulehnen. Denn der Gesetzgeber hat bislang eine generelle
Ersatzregelung für § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht geschaffen,
sondern lediglich begrenzt auf Teilbereiche des Steuerrechts (wie
die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a des
Körperschaftsteuergesetzes) eine partielle
Sanierungsgewinnbegünstigung eingeführt.“
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Der nicht amtliche Leitsatz der Entscheidung
lautet: „Es ist zweifelhaft, ob die Steuerfreiheit von
Sanierungsgewinnen durch Forderungsverzicht von Gläubigern
allein wegen sachlicher Unbilligkeit aufgrund des BMF-Schreibens
vom 27.3.2003 IV A 6 - S 2140 - 8/03 (BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23) beansprucht werden kann, nachdem der Gesetzgeber die
früher in § 3 Nr. 66 EStG a.F. vorgesehene Steuerfreiheit
durch Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom
29.10.1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) abgeschafft
hat.“
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c) Der I. Senat des BFH hat im Urteil vom
25.4.2012 I R 24/11 (BFHE 237, 403 = SIS 12 19 74) entschieden, der
sog. Sanierungserlass sei weder eine allgemeine
Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine
Verwaltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i.S.
des § 184 Abs. 2 AO. Aus dem Sanierungserlass könne sich
damit bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags
grundsätzlich keine Zuständigkeit des FA zur abweichenden
Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163
Satz 1 AO ergeben; zuständig dafür seien die Gemeinden.
Unbeantwortet ließ der I. Senat deshalb die Fragen, ob der
Sanierungserlass den Erfordernissen des allgemeinen
Gesetzesvorbehalts sowie des unionsrechtlichen Beihilfeverbots
uneingeschränkt genügt.
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d) Neben dem streitgegenständlichen
Revisionsverfahren sind derzeit beim BFH folgende Verfahren
anhängig, in denen möglicherweise auch die Frage auf dem
Prüfstand steht, ob das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 =
SIS 03 19 23 den Erfordernissen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts
genügt: I R 52/14, IV R 6/15.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde X B 127/14 hat
der X. Senat mit Beschluss vom 24.3.2015 = SIS 15 10 70 als
unbegründet zurückgewiesen. Das FG Berlin-Brandenburg
hatte zwar Zweifel an der Gesetzmäßigkeit des
Sanierungserlasses geäußert, diese Frage aber letztlich
dahingestellt sein lassen und die Klage mit der Begründung
abgewiesen, die Voraussetzungen des Sanierungserlasses lägen
nicht vor.
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e) Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom
13.3.2014 IX ZR 23/10 (DStR 2014, 895 = SIS 14 14 37, Rz 31) die
Frage offen gelassen, ob der Sanierungserlass gegen den
Gesetzesvorbehalt verstößt. Gleiches gilt für die
Frage der Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen
Beihilfeverbot.
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2. Rechtsprechung der Instanzgerichte
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Folgende Urteile befassen sich mit der
Gesetzmäßigkeit des sog. Sanierungserlasses:
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a) Das FG Münster hat mit Urteil vom
27.5.2004 2 K 1307/02 AO (EFG 2004, 1572 = SIS 04 33 81)
entschieden, die Besteuerung von Sanierungsgewinnen entspreche seit
1998 zwar dem Gesetz, laufe aber den Wertungen des Gesetzgebers
zuwider, wenn die Möglichkeit einer Doppelbegünstigung
nicht (mehr) bestehe. Dies sei z.B. der Fall, wenn nach
Ausschöpfung der ertragsteuerlichen
Verlustverrechnungsmöglichkeiten ein Sanierungsgewinn
verbleibe.
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b) Das FG München vertrat im Urteil vom
12.12.2007 1 K 4487/06 (EFG 2008, 615 = SIS 08 12 84) die
Auffassung, nach Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. entfalle
wegen ausdrücklich abweichendem Willen des Gesetzgebers im
Regelfall auch der von der Verwaltung und Rechtsprechung
praktizierte Einkommensteuererlass auf Sanierungsgewinne wegen
sachlicher Unbilligkeit. Dem BMF-Schreiben vom 27.3.2003 fehle eine
Rechtsgrundlage.
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c) Das FG Köln kam im Urteil vom
24.4.2008 6 K 2488/06 (EFG 2008, 1555 = SIS 08 33 93) zu dem
Ergebnis, die Verwaltungsanweisung in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23 sei zu eng gefasst. Der BFH hat mit Urteil in BFHE 229, 502,
BStBl II 2010, 916 = SIS 10 22 93 das FG-Urteil aufgehoben und die
Klage abgewiesen.
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d) Das FG Berlin-Brandenburg hat im Beschluss
vom 20.9.2010 6 V 6140/10 (EFG 2011, 453 = SIS 10 37 66) die Frage
der Gesetzmäßigkeit des Sanierungserlasses nicht
thematisiert. Es war der Auffassung, ein Sanierungsgewinn werde von
der Finanzverwaltung seit der Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG
a.F. grundsätzlich nach den Vorgaben des sog.
Sanierungserlasses ermittelt.
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e) Das FG Düsseldorf hatte im Urteil vom
16.3.2011 7 K 3831/10 AO (EFG 2011, 1685 = SIS 11 25 14) keinerlei
Zweifel an der Gesetzmäßigkeit des Sanierungserlasses.
Auch nach der gesetzgeberischen Entscheidung, § 3 Nr. 66 EStG
a.F. zu streichen, bestehe eine Notwendigkeit, durch
Verlustabzüge nicht ausgeschöpfte Sanierungsgewinne im
Wege einer abweichenden Steuerfestsetzung steuerrechtlich
außer Acht zu lassen, um den Sanierungserfolg nicht zu
gefährden. Im anschließenden Revisionsverfahren I R
24/11 wurde diese Frage offengelassen (vgl. oben).
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f) Im Urteil des Niedersächsischen FG vom
31.1.2012 8 K 34/09 (EFG 2012, 1523 = SIS 12 18 47) wurde die Frage
der Gesetzmäßigkeit des Sanierungserlasses nicht
thematisiert.
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g) Im Verfahren 12 K 12179/09, 12 K 12177/10
hat das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 18.4.2012 (DStRE 2013,
413) entschieden, es liege kein Sanierungsgewinn im Sinne des
Sanierungserlasses vor und eine analoge Anwendung der
Verwaltungsvorschrift komme nicht in Betracht.
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h) Das FG Hamburg hat in der Entscheidung vom
8.8.2012 2 K 104/11 die Frage, ob der sog. Sanierungserlass eine
hinreichende Rechtsgrundlage für einen Billigkeitserlass
darstelle, dahingestellt sein lassen, weil nach Auffassung des
Gerichts dessen Voraussetzungen nicht erfüllt waren.
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i) Der 1. Orientierungssatz des Urteils des
Sächsischen FG vom 14.3.2013 5 K 1113/12 (DStR 2014, 190 = SIS 14 06 29) lautet:
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„Aufgrund des ausdrücklichen
Willens des Gesetzgebers, die Steuerfreiheit für einen
Sanierungsgewinn (§ 3 Nr. 66 EStG a.F.) zu streichen, kommt
eine Billigkeitsmaßnahme nach den Vorschriften der
§§ 163, 227 AO grundsätzlich nicht in Betracht. Dies
gilt auch im Hinblick auf den Sanierungserlass (BMF-Schreiben vom
27.3.2003). Das Erlassverfahren gibt der Verwaltung nicht die
Befugnis, anstelle einer vom Gesetzgeber (bewusst) unterlassenen
sozial- oder wirtschaftspolitischen Maßnahme gesetzlich
geschuldete Steuern nicht zu erheben.“
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j) Das Urteil des Sächsischen FG vom
24.4.2013 1 K 759/12 (EFG 2013, 1898 = SIS 13 29 30) liegt dem
Streitfall zugrunde. Das Sächsische FG ist der Auffassung,
wegen des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers, wie er sich
in der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. (Steuerfreiheit des
Sanierungsgewinns) zeige, sei nach dem Grundsatz der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung jede abweichende - auch
den Steuerpflichtigen begünstigende - Handhabung
ausgeschlossen, also auch eine Handhabung, die unter dem Mantel der
Billigkeitsentscheidung, aber - wie das BMF-Schreiben in BStBl I
2003, 240 = SIS 03 19 23 - mit genereller Anordnung, erfolge. In
den Entscheidungsgründen hat sich das Sächsische FG nur
auf die Entscheidung des FG München in EFG 2008, 615 = SIS 08 12 84 gestützt, und sich nicht mit der Entscheidung des X.
Senats des BFH in BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916 = SIS 10 22 93
auseinandergesetzt.
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42
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k) Das FG des Landes Sachsen-Anhalt hat im
Urteil vom 14.11.2013 6 K 1267/11 (EFG 2014, 721 = SIS 14 06 73)
entschieden, das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23
räume mit der darin vorgesehenen Möglichkeit eines
Erlasses der Einkommensteuer keine - gemessen an der Intention des
Gesetzgebers - zu weit reichende Billigkeitsmaßnahme ein. Die
Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. sei darauf
zurückzuführen, dass eine Doppelbegünstigung durch
die Ertragsteuerfreiheit von Sanierungsgewinnen einerseits und die
zwischenzeitlich eingeführte unbegrenzte
Verlustverrechnungsmöglichkeit andererseits vermieden werden
sollte. Im Streitfall hätten die Kläger durch ihre
fortwährend geringen Einkünfte aber keinerlei
steuerlichen Vorteil durch Verlustverrechnungsmöglichkeiten.
Infolgedessen drohe bei ihnen auch keine Doppelbegünstigung,
so dass ein Erlass jedenfalls in ihrem speziellen Fall der
Intention des Gesetzgebers nicht zuwider laufe.
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43
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l) Im Urteil vom 7.1.2014 6 K 6209/11 (EFG
2014, 975 = SIS 14 12 84) hat das FG Berlin-Brandenburg
offengelassen, ob der Sanierungserlass gegen den Vorrang des
Gesetzes verstößt (Revisionsverfahren nach Zulassung
durch den IV. Senat des BFH IV R 6/15).
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44
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m) Das Sächsische FG bezweifelt im
Beschluss vom 20.1.2014 4 V 1794/12 im Verfahren der einstweiligen
Anordnung ebenso wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht im
Beschluss vom 2.9.2010 5 B 555/09, ob nach Streichung von § 3
Nr. 66 EStG a.F. der sog. Sanierungserlass einen Rechtsanspruch auf
Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme begründen
kann.
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45
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n) Im Urteil vom 30.7.2014 3 K 3354/10 hat das
FG Berlin-Brandenburg erhebliche Zweifel an der
Gesetzmäßigkeit des Sanierungserlasses
geäußert, diese Frage letztlich aber dahingestellt sein
lassen, weil die Voraussetzungen für einen Erlass nach dem
BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23 nicht
vorlägen. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat
der X. Senat des BFH mit Beschluss vom 24.3.2015 X B 127/14 = SIS 15 10 70 als unbegründet zurückgewiesen.
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46
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II. Auffassung der Finanzverwaltung
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Das BMF ist der Auffassung, der sog.
Sanierungserlass verstoße nicht gegen den Vorbehalt des
Gesetzes (vgl. oben).
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In Verfügungen weisen
Oberfinanzdirektionen (OFD) darauf hin, die mit Beschluss des BFH
in BFH/NV 2012, 1135 = SIS 12 15 75 geäußerte
Rechtsauffassung, dass die Beanspruchung sachlicher Unbilligkeit
nach Aufhebung der gesetzlichen Grundlage zweifelhaft - weil den
Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufend - sei, werde von der
Verwaltung nicht geteilt (vgl. z.B. die Rundverfügung der OFD
Frankfurt am Main vom 23.12.2014 S 2140 A-4-St 213, sowie die
Verfügung der OFD Niedersachsen vom 19.6.2013 S 2140-8-St 248
(VD)).
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III. Auffassungen in der Literatur zur
Gesetzmäßigkeit des Sanierungserlasses
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Der weit überwiegende Teil der Literatur
ist der Auffassung, der sog. Sanierungserlass verstoße nicht
gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
(Musil in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 4 EStG Rz 118;
Braun/Geist, BB 2009, 2508; Gondert/Büttner, DStR 2008, 1676;
Forst/Schaaf/Kofmann, Der Ertragsteuerberater 2009, 287;
Frey/Mückl, GmbHR 2010, 1193; Geist, BB 2008, 2658; Gragert,
Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - 2011, 1438; Kahlert, DStR 2012,
944; Kahlert, DStR 2010, Heft 36, VI-VII; Kanzler, FR 2003, 480;
Kanzler, FR 2008, 1116; Knebel, DB 2009, 1094; Krumm,
Entscheidungen für Wirtschaftsrecht - EWiR - 2012, 335;
Lohmann, EWiR 2010, 807; Mitschke, FR 2014, 661; Nosky/Hörner,
FR 2012, 694; Olbing, Die Steuerberatung 2010, 216; Seer, FR 2010,
306; Stangl in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2.
Aufl., § 22 Rz 57b, nach dessen Auffassung der sog.
Sanierungserlass auch auf die Gewerbesteuer angewendet werden
sollte; Steinhauff, AO-Steuerberater 2010, 298; Töben, FR
2010, 249; Wagner, BB 2008, 2671; Wagner, BB 2010, 2612.
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Wenige Autoren vertreten die Auffassung, der
sog. Sanierungserlass verstoße gegen den Vorbehalt des
Gesetzes (Blümich/ Erhard, § 3 Nr. 66 EStG a.F. Rz 3; von
Groll in Hübschmann/ Hepp/Spitaler - HHSp -, § 227 AO Rz
32; Bareis/Kaiser, DB 2004, 1841).
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52
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Nur referierend stellen Jatzke in HHSp, §
251 AO Rz 80, Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 175 AO Rz 36, § 227 AO Rz 17 und
85, § 251 AO Rz 121a, sowie Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl.,
§ 3 ABC, Stichwort „Sanierungsgewinn“ das
Problem dar.
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53
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IV. Auffassung des vorlegenden Senats
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1. Der sog. Sanierungserlass
verstößt nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes.
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a) Der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3
des Grundgesetzes - GG - ) verankerte Vorbehalt des Gesetzes
verlangt, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen
Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss und
sie nicht anderen Normgebern überlassen darf (Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 5.11.2014 1 BvF 3/11, BGBl I 2014,
1764, m.w.N. = SIS 14 30 17). Im Steuerrecht, dessen
Steuerbelastungsentscheidungen weitgehend vom Willen des
Gesetzgebers zu Belastungsgegenstand und Tarif abhängen, ist
von einem strengen Gesetzesvorbehalt auszugehen. Das Steuerrecht
lebt insoweit aus dem „Diktum des Gesetzgebers“
(vgl. BVerfG in BGBl I 2014, 1764, Rz 33, m.w.N. SIS 14 30 17).
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b) Nach Auffassung des vorlegenden Senats
tangiert der sog. Sanierungserlass nicht den Grundsatz der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
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Nach § 163 AO können Steuern
niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen,
die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer
unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach
Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Nach § 227 AO
können Finanzbehörden Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren
Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter
den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete
Beträge erstattet oder angerechnet werden. Der Gesetzgeber hat
damit in § 163 bzw. § 227 AO die aus seiner Sicht
notwendigen Voraussetzungen für eine abweichende
Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen bzw. einen
Steuererlass festgelegt und die Entscheidung im Einzelfall in das
Ermessen der Finanzbehörden gestellt.
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58
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Im sog. Sanierungserlass hat das BMF lediglich
die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden
festgeschrieben und damit deren Ermessen auf Null reduziert. Aus
Sicht des vorlegenden Senats ist dies notwendig, da die betroffenen
Steuern (insbesondere die Einkommen- und Körperschaftsteuer)
durch die Landesfinanzbehörden verwaltet werden (Art. 108 Abs.
2 GG) und nach § 85 AO die Steuern nach Maßgabe der
Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben
sind.
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c) Anders als das FG München in der
Entscheidung in EFG 2008, 615 = SIS 08 12 84 offensichtlich meint,
knüpft der sog. Sanierungserlass in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23 mitnichten an die Rechtslage vor der Streichung des § 3
Nr. 66 EStG a.F. an.
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60
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Gemäß § 3 Nr. 66 EStG a.F.
wurden Sanierungsgewinne in voller Höhe als nicht
steuerpflichtiger Ertrag angesehen. Dies galt unabhängig
davon, ob sich - z.B. wegen Verlustvorträgen oder laufenden
Verlusten aus anderen Einkunftsquellen oder -arten - für den
betreffenden Veranlagungszeitraum überhaupt eine positive
Einkommensteuerfestsetzung ergeben hätte. Die Steuerbefreiung
„verschonte“ damit auch bestehende
Verlustvorträge. Durch § 3 Nr. 66 EStG a.F. wurden
Sanierungsgewinne somit doppelt begünstigt
(unbeschränkter Verlustvortrag und Steuerfreiheit des
Sanierungsgewinns; die Verlustvorträge konnten deshalb mit
anderen oder künftigen positiven Einkünften verrechnet
werden).
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61
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Ganz andere Erwägungen enthält der
sog. Sanierungserlass. Es kommt nicht zu einer
Doppelbegünstigung. Nach dem sog. Sanierungserlass werden
bilanzielle, also nicht zahlungswirksame Vermögensmehrungen
als Folge des Wegfalls von Verbindlichkeiten vorrangig mit
Verlustvorträgen (diese sind häufig die Ursache für
die Schieflage des Unternehmens) verrechnet. Diese Verluste haben
oft den Forderungsverzicht mit dem einhergehenden Wegfall der
Verbindlichkeit (z.B. zur Abwendung der Insolvenz) nötig
gemacht. Auch negative Einkünfte einer anderen Einkunftsquelle
werden vorrangig mit dem Sanierungsgewinn (und nicht zuerst mit
positiven Einkünften dieser Einkunftsquelle) saldiert (Rz 8 S.
3 ff. des sog. Sanierungserlasses in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23; vgl. auch Blümich/Erhard, § 3 Nr. 66 EStG a.F. Rz 12,
der dem sog. Sanierungserlass kritisch gegenübersteht). Nur
die nach vorrangiger Berücksichtigung von
Verlustvorträgen und negativen Einkünften verbleibende
Steuer kann danach gestundet bzw. erlassen werden. Zudem sind
Verlustrückträge ebenfalls vorrangig mit dem
Sanierungsgewinn zu verrechnen.
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Nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass
ein Sanierungsgewinn nicht zu einem Liquiditätszufluss
führt, aus dem die Steuerschuld beglichen werden könnte.
Er ist ein reiner Buchgewinn. Dass die Erhebung (Einziehung) eines
Einkommensteueranspruchs sachlich unbillig sein kann, wenn das
Zusammenwirken verschiedener Regelungen zu einer hohen Steuerschuld
führt, obgleich dem kein Zuwachs an Leistungsfähigkeit
zugrunde liegt, hat die Rechtsprechung stets anerkannt (so z.B.
Senatsurteil vom 26.10.1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995,
297 = SIS 95 08 57).
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Zudem ist anders als nach § 3 Nr. 66 EStG
a.F. nicht die unternehmerbezogene, sondern nur die
unternehmensbezogene Sanierung begünstigt (vgl. I.2. Satz 2
des Sanierungserlasses und Senatsurteil in BFHE 229, 502, BStBl II
2010, 916 = SIS 10 22 93). Ein Erlass ist nur möglich, um ein
Unternehmen oder einen Unternehmensträger (juristische oder
natürliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch zu
bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Wird das
Unternehmen nicht fortgeführt oder trotz der
Sanierungsmaßnahme eingestellt, liegt eine Sanierung im Sinne
des Sanierungserlasses nur vor, wenn die Schulden aus betrieblichen
Gründen erlassen werden (z.B. um einen Sozialplan zu Gunsten
der Arbeitnehmer zu ermöglichen).
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d) Billigkeitsmaßnahmen aus
persönlichen bzw. sachlichen Gründen im Festsetzungs-
bzw. Erhebungsverfahren sieht die AO seit deren Inkrafttreten vor.
Auch die Reichsabgabenordnung (RAO) enthielt in § 131 RAO eine
vergleichbare Regelung. Auf dieser Bestimmung beruhte die
Rechtsprechung bereits vor Einführung des § 3 Nr. 66 EStG
a.F. durch das Körperschaftsteuerreformgesetz vom 31.8.1976
(BGBl I 1976, 2597, BStBl I 1976, 445), wonach der durch eine
Sanierung herbeigeführte Gewinn unter bestimmten
Voraussetzungen einkommensteuerrechtlich außer Betracht zu
bleiben habe (Urteil des Reichsfinanzhofs vom 21.10.1931 VI A
968/31, RFHE 29, 315, RStBl 1932, 160).
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e) Nach § 10d Abs. 2 EStG in der Fassung
des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der
Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum
Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003 (BGBl I 2003,
2840) sind Verluste, die weder im Veranlagungszeitraum ihrer
Entstehung noch im Wege des Verlustrücktrags ausgeglichen
werden können, ab dem Veranlagungszeitraum 2004 (vgl. §
52 Abs. 25 EStG 2004) im Rahmen des Verlustvortrags nur noch
begrenzt verrechnungsfähig. Angesichts der Verknüpfung
der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. mit einem
unbeschränkten Verlustabzug kommt deshalb möglichen
Billigkeitsmaßnahmen nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003,
240 = SIS 03 19 23 eine besondere Bedeutung zu (vgl. auch Seer, FR
2010, 306).
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f) Der Gesetzgeber hat in den
Gesetzesmaterialien an zahlreichen Stellen zu erkennen gegeben,
dass er den sog. Sanierungserlass des BMF nicht nur billigt,
sondern für erforderlich hält.
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aa) Bereits die Gesetzesbegründung zum
Entwurf des Steuerreformgesetzes 1999 zur Streichung des § 3
Nr. 66 EStG a.F. zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass
einzelnen persönlichen oder sachlichen Härtefällen
im Stundungs- und Erlasswege begegnet werden muss (BTDrucks
13/7480, S. 192).
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68
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bb) Ursprünglich enthielt auch § 8c
KStG keine Sanierungsklausel. Die Begründung zum UntStRFoG
2008 (BTDrucks 16/4841, S. 76; BRDrucks 220/07, S. 126) sowie das
BMF-Schreiben vom 4.7.2008 IV C 7 - S 2745 - a/08/10001 (BStBl I
2008, 736 = SIS 08 28 61, Rz 34) verwiesen vielmehr auf den sog.
Sanierungserlass.
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69
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cc) In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines
Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von
Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz
Krankenversicherung) vom 3.4.2009 (BRDrucks 168/09 (B), S. 30) hat
der Bundesrat seinen Änderungsantrag zu § 34 Abs. 7b Satz
1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) damit begründet,
die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen durch
Verwaltungsanweisung (Sanierungserlass) sei nicht ausreichend,
negative Effekte zu verhindern.
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dd) Schließlich hat der Gesetzgeber auf
die BFH-Entscheidung in BFHE 237, 403 = SIS 12 19 74 reagiert. Im
Gesetz zur Anpassung der AO an den Zollkodex der Union und zur
Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BGBl I 2014,
2417) hat er § 184 Abs. 2 Satz 1 AO geändert. Richtlinien
über Billigkeitsmaßnahmen im Bereich der
Realsteuermessbeträge kann nun auch die oberste
Bundesfinanzbehörde aufstellen. In der Begründung der
Gesetzesänderung wird darauf hingewiesen, es entspreche der
langjährigen Verwaltungspraxis, dass Billigkeitsregelungen auf
dem Gebiet des Einkommens- und Körperschaftsteuerrechts auch
bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zu
berücksichtigen seien (BRDrucks 432/14, S. 35). Die Zweifel
daran, die das Urteil des BFH vom 28.5.2002 IX R 86/00 (BFHE 199,
1, BStBl II 2002, 840 = SIS 02 97 58) hervorgerufen habe, sollten
nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Gesetzesänderung
beseitigt werden.
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g) Die steuerlichen Folgen der Sanierung eines
in die Krise geratenen Unternehmens sind in den einzelnen
Steuergesetzen nur unsystematisch und ausschnittsweise geregelt.
Der vom BMF zur Rechtfertigung des Steuererlasses beschworene
Zielkonflikt der InsO mit der Besteuerung von Sanierungsgewinnen
lässt sich nicht durch den Vorrang der insolvenzrechtlichen
Regelungen, sondern nur durch steuerliche Maßnahmen
lösen. Die Steuerfolgen der Insolvenz sind in der
Insolvenzrechtsreform gerade ausgeklammert worden. Zahlreiche
Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind nach wie vor
ungeklärt oder befinden sich im Fluss. Der Sanierungserlass in
BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23 trägt zum Abbau grundlegender
Konflikte zwischen dem Steuerrecht und der InsO bei.
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h) Gläubiger, die einen Beitrag zu einer
„echten“ Sanierung und damit zum
„Überleben“ des angeschlagenen Unternehmens
leisten, erwarten regelmäßig, dass sich der Fiskus
ebenfalls an der Sanierung beteiligt und nicht noch durch die
Besteuerung eines Gewinns, der zu keinerlei Liquiditätszufluss
für das Unternehmen führt, die Sanierung belastet oder
gar zum Scheitern bringt.
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73
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i) Billigkeitsmaßnahmen nach
§§ 163, 227 AO zum Ausgleich von sachlichen, nicht
gewollten Härten sind nach alledem nach Auffassung des
vorlegenden Senats bei Sanierungsgewinnen unerlässlich. Die im
BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23 formulierten
Voraussetzungen für die Annahme eines begünstigten
Sanierungsgewinns (Sanierungsbedürftigkeit und
Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, Sanierungseignung des
Schulderlasses und Sanierungsabsicht der Gläubiger) sind
sachliche Billigkeitsgründe i.S. von § 163 und § 227
AO. „Besondere“ sachliche Billigkeitsgründe
(Anhaltspunkte dafür, was darunter zu verstehen ist, ergeben
sich aus dem Beschluss des VIII. Senats des BFH in BFH/NV 2012,
1135 = SIS 12 15 75 nicht) sind daneben nicht erforderlich.
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j) Angesichts der erheblichen praktischen
Bedeutung der Besteuerung bzw. des Steuererlasses in Bezug auf
Sanierungsgewinne und der Verpflichtung der Verwaltung zur
gleichmäßigen Erhebung von Steuern nach § 85 AO war
es nach Auffassung des vorlegenden Senats auch unumgänglich,
bundeseinheitliche Leitlinien der Finanzverwaltung zur
erforderlichen Ermessensausübung zu formulieren.
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2. Keine unionswidrige staatliche Beihilfe
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Darüber hinaus ist der vorlegende Senat
der Auffassung, dass der Sanierungserlass nicht nur mit
innerstaatlichem (Verfassungs-)Recht vereinbar ist, sondern auch
mit dem unionsrechtlichen Beihilferecht.
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a) Gemäß Art. 107 Abs. 1 des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union -
AEUV - (Art. 87 des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaften - EGV - ) sind staatliche oder aus
staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die
durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder
Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu
verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit
sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen
und im Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist. Der Begriff der
Beihilfe ist dabei weiter als der Begriff der Subvention, denn er
umfasst nicht nur positive Leistungen wie Subventionen selbst,
sondern auch Maßnahmen, die in unterschiedlicher Form die
Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen
hat und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des
Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen
(Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH -
Ferring vom 22.11.2001 C-53/00, EU:C:2001:627, Rz 15, EWS 2001,
583; P Oy vom 18.7.2013 C-6/12, EU:C:2013:525, Rz 18, HFR 2013, 862
= SIS 13 22 74). Deswegen können auch Steuererlasse
Beihilfecharakter haben (Beschluss 2011/527/EU der Kommission vom
26.1.2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands C-7/10 -
ex CP 250/09 und NN 5/10 - „KStG,
Sanierungsklausel“ [Amtsblatt der Europäischen Union
- ABlEU - 2011, Nr. L 235/26]).
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78
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b) Rechtsprechung des EuGH oder des
Europäischen Gerichts (EuG) zur Frage, ob die steuerliche
Behandlung eines Sanierungsgewinns gemäß dem sog.
Sanierungserlass eine nach Art. 107, 108 AEUV oder nach Art. 87, 88
EGV europarechtswidrige Beihilfe darstellt, existiert nicht.
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Aus den Entscheidungen des EuG bzw. des EuGH
zur Sanierungsklausel des § 8c KStG lassen sich keine
Folgerungen für die Vorlagefrage ziehen. Sowohl das EuG
(Beschluss Deutschland/ Kommission vom 18.12.2012 T-205/11,
EU:T:2012:704 = SIS 13 07 82) als auch der EuGH (Urteil
Deutschland/Kommission vom 3.7.2014 C-102/13 P, EU:C:2014:2054, BB
2014, 1878 = SIS 14 21 45) haben sich nicht inhaltlich mit dem
Beschluss der Kommission in ABlEU 2011 Nr. L 235/26
auseinandergesetzt, sondern lediglich entschieden, die
Bundesrepublik Deutschland habe die Klage gegen den
Kommissionsbeschluss nicht fristgerecht erhoben.
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80
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Im Urteil P Oy (EU:C:2013:525, HFR 2013, 862 =
SIS 13 22 74) hat der EuGH zu einer mit der Sanierungsklausel des
§ 8c KStG vergleichbaren Vorschrift des finnischen
Steuerrechts entschieden, eine solche Regelung sei nicht notwendig
als - verbotene bzw. notifizierungspflichtige - staatliche Beihilfe
zu beurteilen.
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c) Bislang hat die Kommission, der die
Feststellung der Unzulässigkeit einer Beihilfe im Verfahren
des Art. 108 AEUV (Art. 88 EGV) obliegt, die Unzulässigkeit
eines Steuererlasses auf Sanierungsgewinne nicht festgestellt.
Soweit bekannt, ist zur Zeit kein Überprüfungsverfahren
nach Art. 108 Abs. 1 AEUV anhängig. In einer nicht
veröffentlichten Entscheidung im Rahmen einer
Einzelfallprüfung soll die Kommission eine Vereinbarkeit des
Sanierungserlasses mit dem EU-Beihilferecht angenommen haben (vgl.
Gragert, NWB 2013, 2141, 2142).
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82
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d) In der Literatur wird die Frage, ob der
sog. Sanierungserlass als Beihilfe zu qualifizieren ist,
unterschiedlich beurteilt.
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83
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Nach Reimer (NVwZ 2011, 263, 267, sowie Eicke,
Praxis Internationale Steuerberatung - PISTB - 2012, 131)
verstößt der sog. Sanierungserlass wegen seiner
Anwendbarkeit auf alle Unternehmen nicht gegen das Beihilfeverbot.
Lt. Gragert (NWB 2013, 2141) und de Weerth (DStR 2014, 285) soll
die Europäische Kommission keine Bedenken wegen der
Vereinbarkeit des Sanierungserlasses mit dem Beihilferecht hegen.
Im Rahmen einer Einzelfallprüfung habe diese mitgeteilt, der
Sanierungserlass sei beihilferechtlich nicht zu beanstanden. Diese
„Entscheidung“ ist offensichtlich nicht
veröffentlicht.
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84
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Hermann (Zeitschrift für das Gesamte
Insolvenzrecht - ZInsO - 2003, 1069, 1078) hält es nicht
für ausgeschlossen, dass die Steuerbefreiung für
Sanierungsgewinne nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23 den Charakter einer Beihilfe in Form einer
Steuervergünstigung aufweist. Ähnlich sehen es auch Khan/
Adam (ZInsO 2008, 899) bzw. Wehner (Neue Zeitschrift für das
Recht der Insolvenz und Sanierung; das gesamte Verfahren der
Unternehmens- und Verbraucherinsolvenz - NZI - 2012, 537).
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85
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e) Ob der sog. Sanierungserlass als Beihilfe
zu qualifizieren ist, hängt davon ab, ob er spezifisch bzw.
selektiv bestimmte Unternehmen begünstigt. Eine Beihilfe ist
dann zu bejahen, wenn die betreffende Billigkeitsmaßnahme
eine Ausnahme von dem allgemein geltenden Steuersystem zugunsten
bestimmter Unternehmen darstellt und nicht durch Grund- und
Leitprinzipien der Steuerrechtsordnung gerechtfertigt ist.
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86
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Nach dem deutschen Ertragsteuerrecht sind
Sanierungsgewinne als Erhöhungen des Betriebsvermögens
grundsätzlich zu versteuern und der sog. Sanierungserlass
nimmt diese Gewinne von der Besteuerung aus. Diese Ausnahme ist
nicht selektiv, es werden keine bestimmten Unternehmen oder
Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen oder
Produktionszweigen, die sich im Hinblick auf den mit dem
Sanierungserlass in einer vergleichbaren tatsächlichen und
rechtlichen Situation befinden, begünstigt. Zwar wirkt sich
das BMF-Schreiben zugunsten aller Unternehmen mit erheblichen
wirtschaftlichen Schwierigkeiten aus. Dies allein ist - wie sich
aus dem Urteil des Gerichts Erster Instanz HAMSA/Kommission vom
11.7.2002 T-152/99 (EU:T:2002:188, Rz 168 ff.) ergibt - jedoch kein
Grund, eine selektive Begünstigung anzunehmen.
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Die dem sog. Sanierungserlass zugrunde
liegenden Vorschriften (§§ 163, 222, 227 AO) räumen
den Finanzbehörden nach den Vorgaben des Gesetzgebers eine
Ermessensentscheidung ein; der Ermessensgebrauch ist durch die
Gerichte nur im Rahmen des § 102 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) überprüfbar. Der sog. Sanierungserlass reduziert
das Ermessen der Verwaltung hingegen auf Null. Die Steuer ist zu
stunden, anderweitig festzusetzen oder zu erlassen, sofern die im
BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23 genannten
Voraussetzungen vorliegen. Die Finanzverwaltung hat zwar auf der
Tatbestandsseite den Beurteilungsspielraum, ob das Unternehmen
sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, der
Schuldenerlass geeignet und die Sanierungsabsicht der
Gläubiger gegeben ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen
des sog. Sanierungserlasses ist jedoch von den Gerichten in vollem
Umfang überprüfbar. Deshalb ist davon auszugehen, dass
das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23 keine
selektiv begünstigende Ausnahmeregel beinhaltet, auch wenn dem
europäischen Recht die Unterscheidung zwischen einem
unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite und dem
Ermessen auf der Rechtsfolgeseite fremd ist (ebenso Eicke, PISTB
2012, 131; anderer Ansicht Wehner, NZI 2012, 537; Herrmann, ZInsO
2003, 1069, 1072 f., Kahn/Adam, ZInsO 2008, 899, 906).
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88
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Vor allem ist darauf hinzuweisen, dass der
sog. Sanierungserlass in den Grundprinzipien der
Steuerrechtsordnung seine Begründung findet und deshalb als
gerechtfertigt anzusehen ist. Der Sanierungserlass kommt nur
notleidenden Unternehmen zugute und trägt dazu bei, dass die
Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
gesichert und das Übermaßverbot gewahrt sind.
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C. Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage
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90
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Die Vorlagefrage ist
entscheidungserheblich.
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Folgt man der Auffassung des vorlegenden
Senats, dass der Sanierungserlass nicht gegen den Grundsatz der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und
darauf gestützte Billigkeitsmaßnahmen grundsätzlich
zulässig sind, müsste das angefochtene Urteil aufgehoben
und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit dieses
klärt, ob die Voraussetzungen einer Billigkeitsentscheidung
nach dem sog. Sanierungserlass vorliegen. Wird die Vorlagefrage
entgegen der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats beantwortet,
müsste die Revision zurückgewiesen werden.
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D. Notwendigkeit einer Entscheidung des
Großen Senats
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Die Vorlage ist nach § 11 Abs. 4 FGO
geboten. Wie die Vielzahl der divergierenden erstinstanzlichen
Entscheidungen und die Vielzahl der Literaturbeiträge zeigen,
kommt der Vorlagefrage grundsätzliche Bedeutung bei. Die Frage
der Besteuerung von Sanierungsgewinnen ist für die Praxis von
zentraler Bedeutung. Neben dem Streitfall sind weitere
Revisionsverfahren beim BFH anhängig (I R 52/14, IV R 6/15),
in denen die Frage der Gesetzmäßigkeit des sog.
Sanierungserlasses von Bedeutung sein dürfte.
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