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Sanierungserlass

Sanierungserlass: Zuständigkeit für die abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags: Der sog. Sanierungserlass (BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl 2003 I S. 240 = SIS 03 19 23) ist weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i.S. des § 184 Abs. 2 AO. Aus dem Sanierungserlass kann sich damit bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags grundsätzlich keine Zuständigkeit des FA zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 AO ergeben; zuständig dafür sind die Gemeinden. - Urt.; BFH 25.4.2012, I R 24/11; SIS 12 19 74

Kapitel:
Unternehmensbereich > Gewerbesteuer
Fundstellen
  1. BFH 25.04.2012, I R 24/11
    DStR 2012 S. 1544
    LEXinform 0928502
    BFHE 237 S. 403
    BFH/NV 2012 S. 1516

    Anmerkungen:
    -/- in NWB 32/2012 S. 2604
    D.G. in StC 10/2012 S. 10
    D.G. in BFH/PR 10/2012 S. 346
    G.G./A.H. in DB 42/2012 S. M 15
    St.E./F.B. in FR 1/2013 S. 44
    KAM in Stbg 12/2012 S. M 15
    jh in StuB 6/2013 S. 232
Normen
[GG] Art. 85 Abs. 2, Art. 108 Abs. 7
[AO 1977] § 163 Satz 1, § 184 Abs. 2 Satz 1
[EStG 1990] § 3 Nr. 66
[GewStG] § 11
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Düsseldorf, 16.03.2011, SIS 11 25 14, Sanierungsgewinn, Erlass, Zuständigkeit, Ermessen
Zitiert in... / geändert durch...
  • OFD Niedersachsen 12.7.2017, SIS 17 16 38, Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen, abweichende Steuerfestsetzung, Steuerstundung und St...
  • BFH 28.11.2016, SIS 16 28 03, Steuererlass aus Billigkeitsgründen nach dem sog. Sanierungserlass des BMF: Mit dem unter den Voraussetzu...
  • FG Köln 16.6.2016, SIS 16 22 36, Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO: 1. Die Finanzbehörden dürfen für die...
  • OFD Niedersachsen 25.4.2016, SIS 16 17 63, Sanierungsgewinne, Steuerstundung, Steuererlass: Die OFD Niedersachsen hat ihre Verfügung zu Steuerstundu...
  • OVG Sachsen 10.9.2015, SIS 16 06 97, Erlass von Gewerbesteuern, persönliche Unbilligkeit, sachliche Unbilligkeit, Sanierungsgewinn, Sanierungs...
  • BFH 25.3.2015, SIS 15 12 88, Forderungserlass nach dem sog. Sanierungserlass: Dem Großen Senat wird folgende Rechtsfrage zur Entscheid...
  • VG Düsseldorf 28.7.2014, SIS 14 29 88, Handhabung von Sanierungsgewinnen, die im Jahre 2003 durch einen Forderungsverzicht von Banken entstanden...
  • FG Berlin-Brandenburg 7.1.2014, SIS 14 12 84, Darlehensrückzahlung als Sanierungsgewinn, Beurteilung eines Gewinns als Sanierungsgewinn im Rahmen der g...
  • OFD Niedersachsen 19.6.2013, SIS 13 23 32, Sanierungsgewinne, Steuerstundung, Steuererlass: Die OFD Niedersachsen hat ihre Verfügung zu Steuerstundu...
  • Sächsisches FG 24.4.2013, SIS 13 29 30, Keine Rechtsgrundlage für die Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen im Billigkeitsweg mehr: Da der Ge...
  • OFD Magdeburg 24.11.2011, SIS 13 02 57, Gewerbesteuer, Sanierungsgewinne, Stundung und Steuererlass: Die OFD Magdeburg hat ihre Verfügung zu Steu...

 

1

I. Streitig ist die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags im Hinblick auf den sog. Sanierungserlass (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen vom 27.3.2003, BStBl I 2003, 240 = SIS 03 19 23).

 

 

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) beantragte für das Streitjahr (2003) mehrfach eine abweichende Festsetzung von Steuern nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) aus sachlichen Billigkeitsgründen. Sie trug vor, in dem Gewerbeertrag für das Streitjahr in Höhe von 1.710.595 EUR sei ein Sanierungsgewinn in Höhe von 5.462.906 EUR aus dem Erlass von Bankschulden enthalten. Zum Zwecke einer Sanierung hätten verschiedene Banken auf Forderungen verzichtet. Entsprechende Unterlagen über die Vereinbarungen mit den Banken einschließlich eines Restrukturierungskonzeptes wurden vorgelegt. Hierdurch seien die Voraussetzungen für einen Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nach dem Sanierungserlass erfüllt. Der Gewerbesteuermessbetrag sei daher auf 0 EUR herabzusetzen. Zu berücksichtigende vortragsfähige Fehlbeträge zur Gewerbesteuer lagen nicht vor.

 

 

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) war zwar der Auffassung, dass ein Sanierungsgewinn i.S. des Sanierungserlasses vorliege, setzte den Gewerbesteuermessbetrag des Streitjahres aber dennoch mit Bescheid vom 26.3.2010 auf 107.805 EUR fest. Das FA berief sich darauf, dass der Sanierungserlass keine allgemeine Verwaltungsvorschrift für die abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags nach § 184 Abs. 2 Satz 1 AO sei. Dies entsprach der Auffassung der Oberfinanzdirektion Rheinland, die auf eine Anfrage des FA mitgeteilt hatte, der Sanierungserlass regele in Randnummer 15 in Bezug auf die Gewerbesteuer, dass für Stundung und Erlass der Gewerbesteuer die Gemeinde zuständig sei; dies entspräche der Regelung in Abschn. 3 Abs. 1 Satz 7 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1998. Demnach habe die Gemeinde im Rahmen der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob ein Sanierungsgewinn vorliege.

 

 

4

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der dagegen erhobenen Klage mit Urteil vom 16.3.2011 7 K 3831/10 AO (veröffentlicht in EFG 2011, 1685 = SIS 11 25 14) statt.

 

 

5

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Während des Revisionsverfahrens ist das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen dem Rechtsstreit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten.

 

 

6

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FA konnte vom FG nicht dazu verpflichtet werden, den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr im Billigkeitswege niedriger festzusetzen (§§ 184 Abs. 2 i.V.m. 163 AO); es ist dafür nicht zuständig.

 

 

9

Steuern können nach § 163 Satz 1 AO niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Nach § 184 Abs. 2 Satz 1 AO schließt die Befugnis des Betriebsfinanzamtes (§ 22 Abs. 1 AO), Realsteuermessbeträge festzusetzen, auch die Befugnis zu Billigkeitsmaßnahmen i.S. von § 163 Satz 1 AO ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Diese Voraussetzungen des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO liegen im Streitfall nicht vor.

 

 

10

a) Der Sanierungserlass ist weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i.S. des § 184 Abs. 2 AO. Aus dem Sanierungserlass kann sich damit grundsätzlich keine Zuständigkeit des FA zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO ergeben.

 

 

11

aa) Bei dem Sanierungserlass handelt es sich zwar um eine allgemeine Anordnung des BMF, in der mit bindender Wirkung für die nachgeordneten Landesfinanzbehörden allgemeine Grundsätze dazu niedergelegt sind, wann ein sog. Sanierungsgewinn vorliegt und wie ein solcher ertragsteuerlich zu behandeln ist. Dadurch soll eine einheitliche Verwaltungspraxis sichergestellt werden.

 

 

12

Eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung i.S. der 1. Alternative des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO ist der Sanierungserlass aber nicht. Denn dafür bedürfte es der Entschließung der Bundesregierung als Kollegium und einer Zustimmung des Bundesrates (vgl. im Einzelnen Broß/Mayer in: v. Münch/ Kunig, Grundgesetz, 6. Aufl., 2012, Rz 45 ff. zu Art. 84, m.w.N.). Die entsprechenden Erfordernisse ergeben sich aus Art. 108 Abs. 7, Art. 84 Abs. 2 sowie Art. 85 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG), welche auch für das Rechtsverständnis des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO einschlägig sind. Hier wie dort geht es darum, die Hoheitsbefugnisse zwischen Bund und Ländern im Bereich der Steuerverwaltung rational und effektiv zu verteilen. Dafür, dass der Gesetzgeber davon abweichend in § 184 Abs. 2 Satz 1 AO den Verwaltungserlass eines Bundesministeriums hätte genügen lassen wollen, ist nichts ersichtlich. Die prinzipiell zu beachtende Einheit der Rechtsordnung gebietet das Gegenteil.

 

 

13

Die einschlägigen Regelungsanforderungen werden für den Sanierungserlass nicht erfüllt. Dieser ist weder von der Bundesregierung noch mit Zustimmung des Bundesrates erlassen worden (im Ergebnis ebenso Verwaltungsgericht - VG - Halle, Urteil vom 22.6.2011 5 A 289/09, juris, Rz 36 ff.). Dass in H 1.5. Abs. 1 im Amtlichen Gewerbesteuer-Handbuch 2009 ausdrücklich auf den Sanierungserlass verwiesen wird, ändert daran nichts. Zum einen ergehen die „Hinweise“ im Gegensatz zu den Gewerbesteuer-Richtlinien nicht im Verfahren nach Art. 108 Abs. 7 GG. Zum anderen genügt der bloße Hinweis auf den Sanierungserlass ohnehin nicht, um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung annehmen zu können.

 

 

14

bb) Bei dem Sanierungserlass handelt es sich auch nicht um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i.S. der 2. Alternative des § 184 Abs. 2 AO. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem Begriff der allgemeinen Verwaltungsvorschrift in diesem Zusammenhang eine andere Bedeutung zukommt als im Zusammenhang mit einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung. Denn Erlassgeber ist jedenfalls keine oberste Landesfinanzbehörde. Der Sanierungserlass ergeht zwar - ausweislich des Einleitungssatzes - im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder. Gleichwohl bleibt es dabei, dass Erlassgeber allein das BMF ist und dass dies nicht die obersten Länderfinanzbehörden sind. Bestätigt wird dies durch die Regelung des § 21a des Gesetzes über die Finanzverwaltung (Finanzverwaltungsgesetz). Dort ist ausdrücklich vorgesehen, dass das BMF mit Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder einheitliche Verwaltungsgrundsätze bestimmen kann.

 

 

15

Für die im Streitfall maßgebende Rechtsfrage nach der Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer in Nordrhein-Westfalen sind überdies §§ 1 und 3 des Gesetzes über die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern vom 16.12.1981 (GV NRW 1981, 732) einschlägig. Darin ist die Zuständigkeit der Gemeinden festgelegt und werden der Finanzminister und der Innenminister ermächtigt, Verwaltungsvorschriften zur Durchführung dieses Gesetzes zu erlassen. Auch daran fehlt es hier.

 

 

16

b) Dementsprechend erübrigen sich die weiteren Überlegungen der Vorinstanz, inwieweit der Erlassgeber in Randnummer 15 des Sanierungserlasses ausschließlich die Stundung und den Erlass nach §§ 222, 227 AO, nicht aber auch die abweichende Steuerfestsetzung gemäß §§ 163, 184 AO (vgl. Seer, FR 2010, 306, 310) regeln wollte und dies auch nur bezogen auf die Gewerbesteuer, nicht aber auf den Gewerbesteuermessbetrag. Gleiches gilt für die Ausführungen zur Verwaltungsökonomie (s. auch VG Halle, a.a.O., juris, Rz 46).

 

 

17

Unbeantwortet bleiben können ebenso die nach wie vor umstrittenen Fragen danach, ob der Sanierungserlass den Erfordernissen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts sowie des unionsrechtlichen Beihilfeverbots (vgl. z.B. Breuninger/Ernst, GmbHR 2011, 673 Fußn. 94; Frey/Mückl, GmbHR 2010, 1193) uneingeschränkt genügt.