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Doppelte Festsetzung und Auszahlung von Kindergeld durch eine Familienkasse und einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber

Doppelte Festsetzung und Auszahlung von Kindergeld durch eine Familienkasse und einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber: 1. Wechselt ein Kindergeldberechtigter seinen Arbeitgeber, geht infolgedessen die sachliche Zuständigkeit für die Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes von der Familienkasse auf einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber über und zahlt neben diesem auch die Familienkasse das von ihr festgesetzte Kindergeld aus, ist die Familienkasse zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des von ihr gezahlten Kindergeldes befugt. - 2. In diesen Fällen beginnt die Zahlungsverjährung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufhebung wirksam geworden ist. - Urt.; BFH 11.12.2013, XI R 42/11; SIS 14 10 53

Kapitel:
Privatbereich > Kinder
Fundstellen
  1. BFH 11.12.2013, XI R 42/11
    BStBl 2014 II S. 840
    BFHE 244 S. 302
    BFH/NV 2014 S. 954

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 18.9.2014
    AK in DStZ 11/2014 S. 366
    H.F.L. in BFH/PR 7/2014 S. 224
Normen
[EStG] § 31 Satz 3, § 70 Abs. 2 Satz 1, § 72, § 73 Abs. 1 Satz 1
[AO 1977] § 37 Abs. 2 Satz 2, § 169, § 174 Abs. 2, § 228 Satz 2, § 229 Abs. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Nürnberg, 28.10.2011, SIS 12 11 94, Kindergeld, Zuständigkeit, Wechsel, Aufhebung, Rückforderung
Zitiert in... / geändert durch...
  • BZSt 26.5.2023, SIS 23 10 69, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BZSt 30.6.2022, SIS 22 12 76, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • FG Köln 16.3.2022, SIS 22 16 14, Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung wegen Doppelzahlung: 1. § 174 Abs. 2 Satz 1 AO gestattet keine gene...
  • BZSt 17.9.2021, SIS 21 17 59, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BZSt 27.8.2020, SIS 20 12 46, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 22.4.2020, SIS 20 15 50, Keine Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden BEA-Freibetrages nach Volljährigkeit des Kindes,...
  • BZSt 9.7.2019, SIS 19 11 83, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • Hessisches FG 18.10.2018, SIS 18 21 25, Erfüllung eines Kindergeldanspruchs als Folge einer so genannten Weiterleitungserklärung, die noch vor de...
  • FG Rheinland-Pfalz 12.9.2018, SIS 18 19 55, Änderungsbefugnis für Steuerbescheide im Zusammenhang mit der Übertragung des Kinderfreibetrages und BEA-...
  • BZSt 10.7.2018, SIS 18 11 88, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 6.9.2017, SIS 17 23 22, Rückforderung einer Eigenheimzulage im Insolvenzfall: Eine vom Finanzamt zu Unrecht während des laufenden...
  • BZSt 13.7.2017, SIS 17 14 60, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • FG Baden-Württemberg 27.6.2017, SIS 17 20 74, Wechsel der sachlichen Zuständigkeit für Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung wegen zwischenzeitlichen W...
  • BFH 6.4.2017, SIS 17 14 50, Aufhebung der Kindergeldfestsetzung in Doppelzahlungsfällen: 1. Hat ein Kindergeldberechtigter Kindergeld...
  • FG Hamburg 24.3.2017, SIS 17 09 30, Familienleistungsausgleich, keine Erstattung von Kosten im Vorverfahren bei bloßer Zahlungseinstellung: D...
  • BZSt 22.8.2016, SIS 16 19 62, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BZSt 29.7.2015, SIS 15 18 91, DA-KG, Änderung Juli 2015: Die Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz wurde auf de...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 17.6.2015, SIS 15 22 18, Verfahrensrechtliche Rückabwicklung einer Kindergelddoppelzahlung: Die Aufhebung einer Kindergeldfestsetz...
  • BFH 18.12.2014, SIS 15 13 31, Hemmung der Festsetzungsverjährung bei strafbarem Bezug von Kindergeld: Begeht ein Kindergeldberechtigter...

 

1

I. Streitig sind die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) doppelt bezogenen Kindergeldes.

 

 

2

Der seinerzeit bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigte Kläger bezog für seine in den Jahren 1988 und 1993 geborenen Kinder laufend Kindergeld, das zunächst von der früheren Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) ausgezahlt wurde.

 

 

3

Aufgrund einer zum 1.1.1996 vom Gesetzgeber eingeführten Verpflichtung (§ 73 des Einkommensteuergesetzes - EStG - a.F.) zahlte der private Arbeitgeber ab diesem Zeitpunkt dem Kläger das Kindergeld in von der Familienkasse bescheinigter Höhe aus.

 

 

4

Zum 1.10.1996 wechselte der Kläger in den öffentlichen Dienst und begründete ein Arbeitsverhältnis mit der Stadt B (Stadt). Dadurch ging die Zuständigkeit zur Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes auf die Stadt über (§ 72 EStG a.F.). In dem im Oktober 1996 bei der Stadt eingereichten Antrag auf Gewährung von Kindergeld verneinte der Kläger die Frage, ob er, seine Ehefrau oder ein Dritter für die beiden Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe. Überdies verneinte er in diesem Antrag die Frage, ob er, seine Ehefrau oder eine andere Person im öffentlichen Dienst beschäftigt sei.

 

 

5

Daraufhin erhielt der Kläger ab dem 1.10.1996 von der Stadt das - offen in den Lohn-/Gehaltsabrechnungen ausgewiesene - Kindergeld.

 

 

6

Im November 1998 teilte die Familienkasse dem Kläger mit, dass sie ab dem 1.1.1999 aufgrund einer Gesetzesänderung (erneut) für die Auszahlung des Kindergeldes zuständig sei, und bat um Überprüfung der Bankverbindung. Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hatte, zahlte die Familienkasse ab Januar 1999 Kindergeld an den Kläger aus, der daneben (weiterhin) von der Stadt Kindergeld erhielt.

 

 

7

Im Jahr 2006 beantragte der Kläger sowohl bei der Familienkasse als auch bei der Stadt die Fortzahlung des Kindergeldes für sein ältestes Kind, das in diesem Jahr das 18. Lebensjahr vollendete und sich noch in einer Berufsausbildung befand. Der Antrag hatte Erfolg; der Kläger bezog daher weiterhin für beide Kinder Kindergeld von der Familienkasse und von der Stadt.

 

 

8

In einem bei der Familienkasse Ende 2008 eingereichten Antragsformular zur Fortzahlung des Kindergeldes für das weiterhin in der Berufsausbildung befindliche Kind verneinte der Kläger erneut die Frage, ob er im öffentlichen Dienst beschäftigt sei. Da nach einer Prognoseberechnung für das Jahr 2009 die Einkünfte und Bezüge dieses Kindes den für die Gewährung von Kindergeld maßgeblichen Jahresgrenzbetrag überstiegen, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für dieses Kind ab Januar 2009 auf.

 

 

9

Im Rahmen des anschließenden Einspruchsverfahrens teilte der Kläger der Familienkasse im April 2009 den doppelten Bezug des Kindergeldes mit. Daraufhin hob diese mit Bescheid vom 27.7.2009 für beide Kinder des Klägers die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 1999 bis April 2009 auf. Sie stützte die Aufhebung auf § 70 Abs. 2 EStG. Gleichzeitig forderte sie das von ihr für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld zurück. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

 

 

10

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im Wesentlichen statt. Der Aufhebungsbescheid sei rechtswidrig. Wegen des am 1.10.1996 erfolgten Arbeitgeberwechsels sei die sachliche Zuständigkeit für die Kindergeldfestsetzung auf die Stadt übergegangen. Mithin habe die Kindergeldfestsetzung seitdem nicht mehr zur Disposition der Familienkasse gestanden. Überdies sei der von der Familienkasse erlassene Rückforderungsbescheid wegen Eintritts der Zahlungsverjährung rechtswidrig, soweit er den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2003 betreffe. Im Übrigen (wegen Rückforderung von Kindergeld für 2004) wies das FG die Klage ab.

 

 

11

Die Entscheidung ist in EFG 2012, 1073 = SIS 12 11 94 veröffentlicht.

 

 

12

Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse die Verletzung von §§ 70 und 72 EStG.

 

 

13

Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben wurde, und die Klage abzuweisen.

 

 

14

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

15

Er hält die Vorentscheidung für zutreffend.

 

 

16

II. Im Streitfall hat zum 1.5.2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden; Beklagte und Revisionsklägerin ist nunmehr die Familienkasse Bayern Nord (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.5.2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040 = SIS 13 22 91, Rz 11; vom 28.5.2013 XI R 38/11, BFH/NV 2013, 1774 = SIS 13 27 92, Rz 14). Das Rubrum des Verfahrens ist deshalb zu ändern.

 

 

17

III. Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Aufhebung der Vorentscheidung und insoweit zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

18

1. Entgegen der Auffassung des FG war die Familienkasse befugt, die zugunsten des Klägers ergangene Kindergeldfestsetzung aufzuheben. Rechtsgrundlage hierfür ist § 174 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

 

 

19

a) Nach § 174 Abs. 2 Satz 1 AO ist ein fehlerhafter Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise in mehreren Steuerbescheiden zugunsten eines Steuerpflichtigen berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen. Dies gilt allerdings nur, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist (§ 174 Abs. 2 Satz 2 AO). Daher ist die Änderung bzw. Aufhebung eines Steuerbescheides nach § 174 Abs. 2 AO nur möglich, wenn der Steuerpflichtige selbst (allein oder überwiegend) die fehlerhafte Berücksichtigung verursacht hat und aus diesem Grund nicht auf die Bestandskraft des ihn im Ergebnis begünstigenden Steuerbescheides vertrauen kann (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 24.6.2004 XI B 63/02, BFH/NV 2005, 1 = SIS 05 03 80, unter II.2.; BFH-Urteil vom 3.3.2011 III R 45/08, BFHE 233, 6, BStBl II 2011, 673 = SIS 11 18 27, Rz 16, jeweils m.w.N.).

 

 

20

Diese Norm gilt gemäß § 155 Abs. 4 AO sinngemäß für Kindergeldfestsetzungen, da das Kindergeld nach § 31 Satz 3 EStG „als Steuervergütung“ gezahlt wird.

 

 

21

b) Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 AO für eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung lagen vor.

 

 

22

aa) Im Streitfall ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Bescheiden zugunsten des Klägers berücksichtigt worden.

 

 

23

(1) Zunächst hat die Familienkasse Kindergeld festgesetzt.

 

 

24

Dies ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438), wonach das bis zum 31.12.1995 nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes gewährte Kindergeld als nach den Vorschriften des EStG festgesetzt gilt. Da das FG festgestellt hat, dass dem Kläger seit der Geburt seiner Kinder in den Jahren 1988 bzw. 1993 Kindergeld gewährt wurde, liegt die nach § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 fingierte Neufestsetzung des Kindergeldes vor, die Gegenstand einer Änderung sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 12.5.2000 VI R 100/99, BFH/NV 2001, 21 = SIS 01 50 15, unter 1.a bb).

 

 

25

Auch wenn § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) aufgehoben worden ist, ist die Regelung ihrer Wirkung nach zeitlich nicht beschränkt (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 78 EStG Rz 2, m.w.N.), so dass auch die im Streitfall gegebene Festsetzungsfiktion nicht durch die Aufhebung des § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 entfallen ist.

 

 

26

(2) Dass die Familienkasse in dem Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 1998 keine Auszahlungen vornahm, steht entgegen der Auffassung des FG der Annahme einer Festsetzung von Kindergeld nicht entgegen.

 

 

27

Denn die Festsetzung des Kindergeldes entfaltet Bindungswirkung für die Zukunft (vgl. BFH-Urteil vom 4.8.2011 III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380 = SIS 11 40 01, Rz 13, m.w.N.), weshalb es für ihre Aufhebung eines entsprechenden Bescheides bedarf. Die bloße Unterbrechung der Auszahlung des Kindergeldes durch die Familienkasse ist keine Aufhebung in diesem Sinne. Denn diese Unterbrechung hatte ihren Grund lediglich darin, dass die Zahlung ab dem 1.1.1996 nach § 73 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 i.V.m. § 52 Abs. 63 EStG durch den privatrechtlichen Arbeitgeber erfolgte. Hierfür war jedoch eine Festsetzung nach § 70 Abs. 1 EStG Grundlage (HHR/Bergkemper, § 73 EStG Rz 16). Auf dieser Basis nahm die Familienkasse mangels einer bis dahin erfolgten Aufhebung mit Beginn des Jahres 1999 wieder die laufenden Auszahlungen vor.

 

 

28

(3) Daneben hat für den Streitzeitraum auch die Stadt Kindergeld dadurch konkludent festgesetzt, dass sie auf den bei ihr gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für Angehörige des öffentlichen Dienstes vom 10.10.1996, in dem dieser unter Ziffer 8. die Frage, ob er oder eine andere Person für die Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, ausdrücklich verneint hatte, Kindergeld an den Kläger ausgezahlt hat. Davon ist auch das FG ausgegangen.

 

 

29

Die Festsetzung durch die Stadt ergibt sich jedenfalls aus § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in der seinerzeit geltenden Fassung, wonach § 157 AO, der an sich eine schriftliche Bescheiderteilung vorsieht, nicht galt, soweit dem Antrag entsprochen wurde (vgl. zur Abgrenzung BFH-Beschluss vom 31.3.2005 III B 189/04, BFH/NV 2005, 1305 = SIS 05 32 11). Der Gesetzgeber hat damals u.a. für diesen Fall auf eine schriftliche Bescheiderteilung verzichtet, um das bei der Arbeitsverwaltung eingespielte Verfahren der Kindergeldzahlung im Interesse der Bürger und der Verwaltung beibehalten zu können (vgl. BTDrucks 13/1558, 161). Die Bekanntgabe der konkludenten Kindergeldfestsetzung erfolgte durch die erste Auszahlung (Überweisung) des Kindergeldes und der Bekanntgabe des Auszahlungsbetrages (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 24.4.1998 4 K 1755/97; Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 70 Rz B 7) und blieb über den 1.1.2007 hinaus bestehen (vgl. Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 22.1.2013 4 K 1779/10, EFG 2013, 1555 = SIS 13 23 77).

 

 

30

Aus dem Umstand, dass bei einem Wechsel des Arbeitgebers die bisherige Kindergeldfestsetzung nicht berührt werden soll (vgl. z.B. HHR/Wendl, § 72 EStG Rz 33; Blümich/Treiber, § 72 EStG Rz 76; DA 72.3.1 Abs. 7 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG -, BStBl I 2009, 1030 = SIS 09 30 63; s. nunmehr aber DA 72.3.2 DA-FamEStG), ergibt sich im Streitfall schon deshalb nichts anderes, weil der Stadt die Kindergeldfestsetzung der Familienkasse nicht bekannt war, nachdem der Kläger ihr diese unter Ziffer 8. des Antrags verschwiegen hatte. Schon deshalb ist in der Auszahlung des Kindergeldes durch die Stadt zugleich eine weitere Kindergeldfestsetzung mit Bekanntgabewille zu sehen, mit der die Stadt dem bei ihr gestellten Antrag vom 10.10.1996 i.S. des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F. entsprochen hat.

 

 

31

bb) Diese mehrfache Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhaltes, nämlich die doppelte Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder des Klägers, i.S. des § 174 Abs. 2 Satz 1 AO war mit der geltenden Rechtslage unvereinbar. Denn gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt, woraus sich u.a. ergibt, dass das Kindergeld für ein und dasselbe Kind nicht doppelt gewährt werden darf (BFH-Urteil vom 1.7.2003 VIII R 94/01, BFH/NV 2004, 25 = SIS 03 52 47, unter II.1., m.w.N.).

 

 

32

cc) Nach den tatsächlichen den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger die doppelte Festsetzung des Kindergeldes zumindest überwiegend verursacht.

 

 

33

Denn diese ist darauf zurückzuführen, dass der Kläger jedenfalls seiner besonderen Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht nachgekommen war, indem er den Arbeitgeberwechsel gegenüber der Familienkasse nicht anzeigte (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 18.6.2009 15 K 37/09 Kg, EFG 2009, 1519 = SIS 09 30 72, unter 2.a; Urteil des FG Köln vom 17.9.2009 10 K 4058/08, EFG 2010, 380 = SIS 10 03 79, unter 3.b bb). Aufgrund dieser von dem Kläger selbst verursachten unvereinbaren Mehrfachberücksichtigung konnte er nicht auf die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung vertrauen. Anhaltspunkte für einen Verursachungsbeitrag der Familienkasse sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

 

 

34

dd) Anders als es das FG meint, war die Familienkasse auch nach dem Wechsel des Klägers in den öffentlichen Dienst im Oktober 1996 zu einer Aufhebung der Kindergeldfestsetzung befugt.

 

 

35

Denn die Befugnis nach § 174 Abs. 2 AO steht der Behörde zu, die den fehlerhaften Bescheid erlassen hat (vgl. im Ergebnis BFH-Urteil vom 9.5.2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566 = SIS 12 22 08, Rz 20 ff., zu § 174 Abs. 1 AO; Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2009, 1519 = SIS 09 30 72, unter 2.; Urteil des FG Köln in EFG 2010, 380 = SIS 10 03 79, unter 2.b).

 

 

36

c) Ob darüber hinaus die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG gegeben sind, lässt der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen. Selbst wenn die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nicht auf § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG hätte gestützt werden können, stünde einer rechtmäßigen Aufhebung nicht entgegen, dass die Familienkasse diese Norm in dem Aufhebungsbescheid als Rechtsgrundlage angegeben hat. Denn insoweit handelte es sich um eine unzutreffende, jedoch auswechselbare Begründung. Entscheidend ist lediglich, dass die Festsetzung - wie hier - materiell-rechtlich ergehen durfte (vgl. BFH-Urteil vom 19.5.1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87, unter II.1.b, m.w.N.).

 

 

37

2. Da mithin die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 AO gegeben sind und der Familienkasse die sachliche Befugnis zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung zustand, kommt es darauf an, ob für den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2004 die Festsetzungsfrist abgelaufen war. Dies bestimmt sich nach den §§ 169 ff. AO, die gemäß § 155 Abs. 4 AO i.V.m. § 31 Satz 3 EStG ebenfalls sinngemäß anzuwenden sind.

 

 

38

a) Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Beurteilung, ob der Kläger eine gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zur Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre führende Steuerhinterziehung (§ 370 AO) begangen hat, was naheliegt.

 

 

39

b) Sollte sich dabei ergeben, dass die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Aufhebungsbescheids vom 27.7.2009 noch nicht abgelaufen war, wäre der Kläger nach § 37 Abs. 2 AO verpflichtet, das an ihn seit Januar 1999 gezahlte Kindergeld zu erstatten.

 

 

40

Denn ist eine Steuervergütung, zu der das Kindergeld - wie bereits ausgeführt - gemäß § 31 Satz 3 EStG gehört, ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, hat derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Diese Rechtsfolgen treten gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung - wie hier aufgrund des Aufhebungsbescheides - später wegfällt.

 

 

41

c) Soweit das FG meint, für die Zeiträume vor dem 1.1.2004 sei eine den Rückforderungsanspruch ausschließende Zahlungsverjährung eingetreten, geht dies fehl.

 

 

42

aa) Denn die gemäß § 228 Satz 2 AO fünf Jahre betragende Verjährungsfrist beginnt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 2 AO bei einer den Zahlungsanspruch begründenden Aufhebung der Festsetzung nicht vor dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufhebung wirksam geworden ist. Da der mit dem Aufhebungsbescheid vom 27.7.2009 verbundene Rückforderungsbescheid durch seine Bekanntgabe im Jahr 2009 wirksam wurde (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO), begann die Zahlungsverjährung erst mit dem Ablauf des Jahres 2009.

 

 

43

bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom FG in diesem Zusammenhang angeführten Literaturansicht, wonach die Fälligkeit in den Fällen einer Doppelzahlung bereits mit der ungerechtfertigten Auszahlung beginne (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 37 AO Rz 122; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 229 AO Rz 1c).

 

 

44

Diese Ausführungen betreffen die im Streitfall nicht gegebene Konstellation, dass eine einmal festgesetzte Steuererstattung bzw. Steuervergütung mehrfach an den Gläubiger geleistet wird, mangels entsprechender Festsetzung ohne Rechtsgrund gezahlt worden ist und mithin der Rückforderungsanspruch gemäß § 220 Abs. 2 Satz 1 AO im Zeitpunkt der Auszahlung entstanden ist. In diesen Fällen steht § 229 Abs. 1 Satz 2 AO einer Zahlungsverjährung nicht entgegen, weil sich der hier in Betracht kommende Rückforderungsanspruch ohne seine vorherige Festsetzung und ohne Aufhebung einer etwa entgegenstehenden Festsetzung allein durch die Auszahlung ergibt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7.2.2002 VII R 33/01, BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447 = SIS 02 06 96, unter II.2.b; vom 12.5.2009 IX R 2/08, BFH/NV 2009, 1404 = SIS 09 26 48, unter II.a).

 

 

45

Wird dagegen - wie hier - eine rechtswidrige und damit anfechtbare Steuerfestsetzung aufgehoben, wird der Rückforderungsanspruch mit der Bekanntgabe des Änderungs- oder Aufhebungsbescheides fällig (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO), so dass die Zahlungsverjährung entsprechend der Regelung des § 229 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz 54; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 229 AO Rz 3).